Solidarität mit Griechenland?

Heute wird in Berlin gegen das EU-Spardiktat in Griechenland protestiert. Derweil existieren in der EU auch Aufrufe zur Solidarität mit den kampfschwachen Lohnabhängigen in Deutschland

Seit Tagen gibt es in Griechenland eine Serie von Streiks und Demonstrationen gegen die von der EU-Troika geforderten massiven Einschnitte bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen. Dabei werden häufig Aufrufe an die Menschen in anderen europäischen Ländern gerichtet, sich mit der griechischen Opposition zu solidarisieren.

In Berlin hat eine aus dem Occupy-Umfeld kommende Initiative Real Democracy Now Berlin/GR zu einer „Versammlung zur Solidarität mit den laufenden Kämpfen in Griechenland“. Mit der umständlichen Formulierung soll der konkrete Bezug auf eine bestimmte in Griechenland aktive Gruppierung oder Gewerkschaft vermieden werden. Schließlich sind die politischen Differenzen zwischen ihnen sehr groß.

Obwohl es in den letzten Monaten immer mal wieder kleinere Solidaritätsaktionen mit der griechischen Sozialbewegung gab, sind daraus keine kontinuierlichen Proteste entstanden. Dabei wird in großen Teilen der griechischen Öffentlichkeit über alle Parteigrenzen hinweg besonders die Politik der Bundesregierung heftig angegriffen. Nicht nur linke Parteien und Gewerkschaften, sondern auch die griechische Handelskammer warnten in der letzten Zeit vor der Übernahme des deutschen Sparmodells.

Während in weiten Teilen der griechischen Öffentlichkeit Forderungen aus der deutschen Politik nach einem von der EU ernannten Sparkommissar oder die Errichtung eines Sonderkontos auf Ablehnung und Empörung stoßen, gibt es in Deutschland für solche Maßnahmen durchaus auch in Teilen der Bevölkerung Zustimmung. Der von den Boulevardmedien im letzten Jahr popularisierte Begriff von den „Pleitegriechen“, die ihre Inseln verkaufen sollen, findet durchaus auch in Teilen der Bevölkerung auf offene Ohren.

Die Linkspartei solidarisiert sich mit den Protesten in Griechenland und sieht die auch im Interesse der Lohnabhängigen in Deutschland. Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung sprach sich für eine kritische Solidarität mit Griechenland aus. Hier werden die Sparmaßnahmen im Kern als notwendig bezeichnet. Da sich aber die griechische Politik verzweifelt bemühe, die Vorgaben umzusetzen, sei jede ressentimentgeladene Abwehr gegen Griechenland zu verurteilen. Erstaunlicherweise wird von der grünennahen Stiftung weder Kritik an dem massiven Druck geübt, mit dem mehrere EU-Staaten, an der Spitze Deutschland, eine Befragung der griechischen Bevölkerung über die EU-Forderungen verhindert haben. Auch das Agieren der von nicht gewählten EU-Troika wird kaum kritisch unter die Lupe genommen. Das sah in Griechenland in den letzten Tagen ganz anders aus. Dort forderten sogar Polizeigewerkschafter die gesetzliche Handhabe, um die Troikamitglieder wegen Erpressung zu verhaften.

Deutscher Niedriglohnsektor als Problem

Der Hauptgrund, warum es in Deutschland schwer ist, für Solidarität mit Griechenland zu mobilisieren, liegt in dem Lohnverzicht, den Beschäftigte hierzulande seit Jahren leisten. Nach der Logik, wenn wir schon Opfer bringen, dann Griechenland auch, wird hier die Position der deutschen Staatsraison eingenommen.

Diese Verzichtspolitik stößt in verschiedenen europäischen EU-Staaten mittlerweile auf heftige Kritik. Das deutsche Sparmodell würde jetzt in die ganze EU exportiert, kritisieren belgische Gewerkschafter. „Minijobs, prekäre Arbeitsverhältnisse und Hartz IV sind nicht unsere Sicht für die Zukunft der belgischen Arbeitnehmer“, meinten sie mit einem deutlichen Seitenhieb auf die Beschäftigten in Deutschland.

Mit der Kampagne „Helft Heinrich“ riefen sie sogar zur Unterstützung der kampfschwachen Lohnabhängigen in Deutschland auf, die zu längeren Lohnkämpfen nicht in der Lage seien. Diese Unterstützungsaktion wurde auch als Widerstand gegen die Etablierung eines europaweiten Niedriglohnsektors bezeichnet. In Deutschland wird diese Kampagne bisher bis auf wenige Ausnahmen totschwiegen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151413
Peter Nowak

Von Occupy bis „Helft Heinrich“


Auch 2012 wird es Krisenproteste geben. Heute geht es
los!
Um die Occupy-Bewegung war es in Deutschland in den letzten Wochen merklich ruhiger geworden. Als vor einer Woche das Camp in der Nähe des Regierungsviertels geräumt wurden, leisteten gerade mal 15 Personen passiven Widerstand.

In Frankfurt/Main ist das Camp im Bankenviertel rechtlich für die nächste Zeit noch gesichert. Dass ist eine gute Nachricht für die Obdachlosen, die dadurch in diesem Jahr vielleicht etwas besser durch den Winter kommen. Diese Funktion und auch die Sichtbarmachen des Problems der Wohnungslosigkeit durch das Camp in exponierter Lage ist eine politische Botschaft, die aber bisher weder von der Occupy-Bewegung noch von den Medien richtig gewürdigt werden.

Wenn sich in der „tageszeitung“ unter der Überschrift „Solidarität oder Suppe“ ein Korrespondent darüber mokiert, dass die Campteilnehmer der Essensausgabe mehr Aufmerksamkeit schenkten als den warmen Grüßen von Occupy New York, wird eben verkannt, dass Suppe, anders als die Grüße, den Hunger beseitigen kann.

Heute wird in verschiedenen Städten zu einem dezentralen Aktionstag aufgerufen. Damit will man die Occupy-Proteste im neuen Jahr fortsetzen. Im Aufruf ist die Rede davon, dass Europa reif für einen Systemwechsel und die ökonomische Krise noch längst nicht vorbei ist. Das ist zwar richtig, geht aber an ein paar drängenderen Fragen vorbei. Denn für die meisten der Dauercamper ist die Krise nicht zuallererst bei den Börsenkursen zu spüren, sondern bei der Frage, wo sie die nächste Nacht verbringen und einige Euro für ein warmes Essen herkriegen können. Der Widerspruch der Occupy-Bewegung, wonach alle Teilnehmer zwar nur für sich selber sprechen können, aber gleichzeitig beansprucht wird, die 99 % zu repräsentieren, zeigt sich an der Ausrichtung des Aktionstages.

Statt über Wohnungslosigkeit und den ständig wachsenden Zulauf zu reden, den die Essenstafel seit der Einführung von Hartz IV bekommt, also über Probleme, die einen Großteil der Aktivisten existentiell berühren, bleibt der Aufruf zum Aktionstag bei beliebigen und daher harmlosen Forderungen. Selbst wenn für Sonntag in vielen Städten in Deutschlands, von Arnsbach bis Würzburg, Aktionen angekündigt sind, dürfte die Resonanz insgesamt bescheiden ausfallen. Und schon werden Schuldige für einen möglichen Mobilisierungsflop gesucht.

So wird bereits kolportiert, dass der globale Aktionstag vor allem eine Erfindung von Attac Deutschland ist, auf den die hiesigen Medien reingefallen sind (deren Berichterstattung sich allerdings in bescheidenem Rahmen hält) – im Ausland wisse überhaupt niemand davon. Dabei war es seit dem Auftreten der Occupy-Bewegung üblich, dass Termine für Aktionstage via Internet global gestreut werden, die Aktionstage aber immer nur von kleinen Gruppen konzipiert worden. Was beim Aufstieg der Bewegung als Schwarmintelligenz gelobt wurde, wird nun als Schwarmdummheit niedergeschrieben.

Der europäische Aktionstag am 31. März

Von vielen Basisgewerkschaften und linken Gruppen in Europa wird denn auch nicht der 15. Januar, sondern der 31. März als Datum für einen euroweiten Aktionstag beworben. Mit einer zentralen Aktion vor der EZB in Frankfurt/Main soll auch die Politik Deutschlands in der EU kritisiert werden. Basisgewerkschafter aus verschiedenen europäischen Ländern kritisieren Deutschlands Rolle als Niedriglohnland, das mit dafür sorgt, dass auch in anderen Ländern die sozialen Rechte gekappt werden.

Damit knüpfen sie an gewerkschaftlichen Initiativen aus Holland und Belgien an, die unter dem Titel „Helft Heinrich“ für kämpferische und durchsetzungsfähigere Gewerkschaften in Deutschland als Beitrag zur europäischen Solidarität eingetreten sind.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151220

Peter Nowak