Kriegsgegner protestieren eine Woche lang in der Lüneburger Heide gegen Rheinmetall, weil immer noch Kriege mit Waffen aus Deutschland stattfinden

Im Hintergrund knallen Schüsse

Im niedersächsischen Unterlüß lässt Rheinmetall Waffen und Munition testen. »Krieg beginnt hier« lautet daher das Motto eines antimilitaristischen Camps, das neben Workshops auch Blockaden plant.

Das Camp im niedersächsischen Unterlüß unterscheidet sich von den üblichen Sommerlagern. Das zeigt sich schon daran, dass es mitten im Ort liegt, nicht irgendwo außerhalb auf einem Acker. Auch der Zweck des Camps ist speziell. Die rund 60 Teilnehmer*innen, die zum Auftakt am Sonntag eingetroffen waren, wollen keine Wanderungen in der waldreichen Umgebung der Lüneburger Heide unternehmen, wie es der Verkehrsverein Unterlüß empfiehlt. Sie interessiert vielmehr das Erprobungszentrum Unterlüß (EZU), das der Rüstungskonzern ….

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Campen gegen Krieg in der Altmark

Magdeburg. Am 31. Juli hat unter dem Motto »War starts here. let’s stop it here« das antimilitaristische Camp in der niedersächsischen Altmark begonnen. Hier, nahe dem Gefechtsübungszentrum Altmark (GÜZ), wollen die Teilnehmer_innen neue »Perspektiven für antimilitaristisches Handeln« entwickeln. Das Camp wird noch bis zum 6. August dauern. Zu den Themen des umfangreichen Programms gehören die Flüchtlingspolitik und der Kampf gegen Rechtspopulismus. Am kommenden Samstag wird mit einer Demonstration gegen das GÜZ, in dem auch die NATO-Einsätze geprobt werden, ein Höhepunkt der Zeltwoche stattfinden. Seit mehreren Jahren wird das Camp von Antimilitarist_innen vorbereitet. Ein Mitorganisator erklärt gegenüber »nd«, dass das Camp in diesem Jahr kleiner ausfällt, da hauptsächlich in der Region mobilisiert wurde. Im nächsten Jahr soll es wieder eine bundesweite Mobilisierung geben.


02.08.2017 Neues Deutschland

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1059229.campen-gegen-krieg-in-der-altmark.html?sstr=now

Peter Nowak

Alternativen für Friedensfreunde

Die sogenannten Montagsmahnwachen haben in der traditionellen Friedensbewegung für Verstimmung gesorgt. Bei einer Konferenz in Hannover schien das keine Rolle mehr zu spielen.

»Viele Menschen wollen gegen Kriege aktiv werden«, erklärte Susanne Grabenhorst kürzlich in einem Interview mit dem Neuen Deutschland. Die Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhinderung des Atomkriegs (IPPNW) war Mitorganisatorin einer Aktionskonferenz der Friedensbewegung in Deutschland, die am zweiten Oktoberwochenende in Hannover tagte. Doch die Proteste, auf die man sich dort geeinigt hat, hören sich eher bescheiden an. Im Rahmen einer dezentralen Aktionswoche, die vom 9. bis zum 14. Dezember stattfinden soll, sind Demonstrationen in Berlin, Hamburg, München, Leipzig und Düsseldorf geplant. Der Charakter der Aktionen dürfte traditionell ausfallen und im Flaggezeigen bestehen. »Der Tag der Menschenrechte am 10. Dezember soll ein ›Friedensfahnentag‹ werden, an dem ›Peace-Fahnen‹ in den Regenbogenfarben und andere Friedensfahnen das Bild prägen«, konkretisiert Grabenhorst, wie eine solche dezentrale Aktion aussehen soll.

Über Kontroversen auf der Konferenz erfährt man in ihrem Interview hingegen nichts. Dabei müsste es genügend Anlass für Streit gegeben haben. Interessant wäre zu erfahren, wie die versammelten Friedensfreunde den Ukraine-Konflikt beurteilt haben. Es wäre beunruhigend, wenn es bei diesem Thema auf der Konferenz nicht zu Kontroversen gekommen wäre. Schließlich wird zurzeit darüber in Internetforen und in Medien verschiedener linker Spektren heftig gestritten. Der Sozialwissenschaftler Mathias Wörsching wurde bereits angegriffen, weil er in einem Debattenbeitrag für das Magazin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) vor » linken Illusionen über den Putinschen Bonapartismus« gewarnt und sich für einen »Antimilitarismus auf der Höhe der Zeit« ausgesprochen hatte. »Der Platz antifaschistisch und antimilitaristisch denkender Menschen ist nicht an der Seite Russlands, der USA oder eines anderen geopolitischen Spielers und auch nicht an der Seite ukrainischer oder russischer Nationalisten. Unser Platz ist bei den linken und antifaschistischen Bewegungen in der Ukraine und Russland, so sehr diese auch an den Rand gedrängt sein mögen«, bezieht Wörsching eine Position, die sich inhaltlich von einer bestimmten Fraktion der Friedensfreunde abgrenzt. Es geht um die Montagsmahnwachen für den Frieden und gegen die Fed, die über Monate neben naiv unpolitischen Menschen auch Verschwörungstheoretiker jeglicher Couleur angezogen haben.

Noch im Frühsommer gingen Vertreter der traditionellen Friedensbewegung wie Peter Strutynski auf Distanz zu diesen Mahnwachen. Dafür wurden sie auf den Webseiten der Initiatoren in typisch neurechter Diktion als Hetzer beschimpft, die »Informationsjauche« ausschütten würden. Mittlerweile scheint die antifaschistische Firewall nicht mehr zu funktionieren. »Es waren Protagonisten der Mahnwachen aus etlichen Städten dabei, darunter Dortmund, Berlin, Düsseldorf, München, Hamburg. Dass die Mahnwachen ein gleichberechtigter Teil der Friedensbewegung sind, war so klar, dass darüber nicht mehr diskutiert wurde«, sagte Andreas Grünwald vom Hamburger Forum für Frieden und Völkerverständigung über die Konferenz in Hannover.

Die Kritik an den rechten und verschwörungstheoretischen Inhalten der Friedenswachen bezeichnet Grünwald »teilweise als richtige Hetze« und übernimmt sogar die Wortwahl der Angriffe von Protagonisten der Montagsmahnwachen, die sich gegen Strutynski und andere Kritiker aus den Reihen der Friedensbewegung gerichtet hatten. Dennoch lobte Grünwald »die sachliche und respektvolle Debatte in Hannover«. Für den Hamburger ist klar, dass die Friedensbewegung »viele Schichten bis in das konservative Milieu« erreichen müsse und sich nicht als ausschließlich linke Bewegung verstehen dürfe. Das war die deutsche Friedensbewegung ohnehin nie. Linke Kritiker wie der Publizist Wolfgang Pohrt klassifizierten sie Ende der achtziger Jahre als »deutschnationale Erweckungsbewegung«, die Massen als potentielle Opfer der Großmächte halluzinierte. Derzeit muss man die Frage stellen, ob eine Friedensbewegung, wie sie Grünwald vorschwebt, überhaupt noch eine Plattform für Linke sein kann. Schließlich gibt es schon längst Alternativen.

Seit einiger Zeit hat sich eine neue Antimilitarismusbewegung herausgebildet, die sich in Wortwahl und Aktionsformen von der deutschen Friedensbewegung unterscheidet. Sie richtet nicht Appelle an UN und Großmächte und sieht im Schwenken der Peace-Fahne nicht die wichtigste Aktionsform. Stattdessen widmet sie sich den verschiedenen Orten in Deutschland, an denen Kriege vorbereitet werden, die aber oft nicht im öffentlichen Bewusstsein stehen. So werden seit einigen Jahren von der Kampagne »Bundeswehr wegtreten aus dem Jobcenter« in mehreren Städten Werbeveranstaltungen gestört, bei denen jungen Menschen der Beruf des Soldaten oder der Soldatin nahegebracht werden soll. Eine feste Größe im Engagement dieser neuen Antimilitarismusbewegung ist das Gefechtsübungszentrum GÜZ in der Altmark in der Nähe von Magdeburg. Dort trainiert die Bundeswehr die Bekämpfung von Aufständen.

Nur wenige Kilometer vom kleinen Städtchen Letzlingen wird derzeit eine Großstadt mit Hochhäusern und U-Bahn-Stationen aufgebaut. 2017 soll der »urbane Ballungsraum Schnöggersburg« fertiggestellt worden sein. Wohnen wird dort kein Mensch. Schnöggersburg soll das Zentrum von Europas größtem Gefechtsübungszentrum werden, Bundeswehrsoldaten sollen sich dort auf Auslandseinsätze vorbereiten und für den Krieg im urbanen Raum trainieren. Dafür wurden auch afghanische und kosovarische Orte in der Heide nachgebaut. Für Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) ist das GÜZ ein wichtiger Baustein der deutschen und europäischen Militärpolitik. »Hier werden die Bundeswehrsoldaten unmittelbar auf laufende Militär­einsätze, darunter auch alle zukünftigen Interventionskriege, vorbereitet. Das GÜZ ist für viele Soldaten die letzte Station vor dem Auslands­ein­satz«, erklärt Pflüger. Doch auch die Zerschlagung von Protesten wird im GÜZ geprobt. Dreimal organisierten Antimilitaristen aus verschiedenen europäischen Ländern in der Nähe des GÜZ im Sommer ein antimilitaristisches Camp. Ein Vorbereitungstreffen für das Camp im kommenden Jahr soll am 22. November in Magdeburg stattfinden.

Auch über solche Protestcamps hinaus ist die neue Antimilitarismusbewegung nicht untätig. So protestierte sie mit einer Fahrraddemons­tra­tion gegen die von der Deutschen Gesellschaft für Militärtechnik in Berlin organisierte »International Urban Operations Conference«, ein Lobbytreffen von deutscher Politik und Rüstungsindustrie. Das Motto der Antimilitarismusbewegung »War start’s here« wurde auch bei einer Demonstration, die Ende September im nordrhein-westfälischen Kalkar stattfand, verwendet. Die Stadt war lange ein wichtiges Ziel der Anti-AKW-Bewegung, weil dort ein Standort für einen Schnellen Brüter geplant war. 1985 wurde das Atomkraftwerk Kalkar fertig gestellt, aber nie in Betrieb genommen. Mittlerweile werden von einer Einrichtung der Nato in einer Kaserne am Stadtrand von Kalkar internationale Drohneneinsätze koordiniert. Bei der Vorbereitung der Demonstration in Kalkar kam es übrigens zur Kooperation von Aktivisten der alten Friedens- und der neuen Antimilitarismusbewegung.

http://jungle-world.com/artikel/2014/43/50770.html

Peter Nowak

Aus Großvaters Tagebuch

Kriegsgegner besetzten das »GÜZ« in der Altmark

Am Dienstag und am gestrigen Mittwoch besetzten Kriegsgegner das »Gefechtsübungszentrum Heer« (GÜZ) der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide (Sachsen-Anhalt). Peter Nowak sprach mit Jan Stehn, einem der Organisatoren der Aktion, die vom Protestcamp »War Starts Here« ausging.

nd: Was hat Sie zu der Besetzung des GÜZ motiviert?
Stehn: Nachdem ich längere Zeit im Ausland lebte, haben mich die Aktionen gegen das GÜZ motiviert, mich wieder politisch zu betätigen. Dort bereitet sich die Bundeswehr auf ihre Einsätze vor und dort ist es auch möglich, Kriegsplanungen direkt zu behindern. Gerade in der aktuellen Debatte darum, was deutsche »Verantwortung« bedeutet, ist uns wichtig deutlich zu machen, dass Militär und Waffenexport kriegerische Konflikte verlängern und eskalieren. Es gibt viele Möglichkeiten, sich friedensfördernd zu engagieren. Die Bundeswehr brauchen wir nicht.

Wie ist Ihnen gelungen, in das GÜZ einzudringen?
Das war nicht schwer. Wir hatten die Aktion angekündigt und waren auf Wachleute, Polizei oder Feldjäger vorbereitet. Doch wir konnten unbehelligt zwei Kilometer vordringen und uns auf einer Brache niederlassen. Einige setzten dort vorbereitete Friedenszeichen, es wurden Bäume gepflanzt. Ich trug aus dem 100 Jahre alten Kriegstagebuch meines Großvaters vor. Er hat sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges begeistert beteiligt, aber bald die Grausamkeit des Krieges erkannt.

Wie reagierten die Wachmannschaften?
Kurz, nachdem wir uns niedergelassen hatten, sind Soldaten eingetroffen und haben uns beobachtet. Dabei war auch der Leiter des GÜZ, Oberst Gunter Schneider, der bis zur Räumung durch die Polizei nach 2,5 Stunden vor Ort war. Ein Teil von uns verließ den Platz freiwillig, andere wurden vom Gelände getragen.

Welche juristischen Folgen kann die Aktion haben?
Das wird sich zeigen. Da das GÜZ kein eingefriedetes, umzäuntes Gelände ist, haben wir keinen Hausfriedensbruch begangen. Ob das Betreten des Geländes eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist ebenfalls unklar. Der Weg, auf dem wir uns befanden, war nicht einmal beschildert. Einige Aktivisten haben Widerspruch gegen die fragwürdigen Platzverweise eingelegt, die die Polizei für das GÜZ-Gelände ausgesprochen hat. Dort ist weder eine Begründung noch die verantwortliche Behörde angegeben.

Die Aktionen finden im Rahmen des »War Starts Here«-Camps statt, an dem verschiedenste Gruppen teilnehmen. Wie klappt die Kooperation derselben?
Das Camp wird bereits zum dritten Mal Spektren übergreifend organisiert. In diesem Jahr wurde besonderer Wert darauf gelegt, deutlich zu machen, dass unterschiedliche Gruppen ihre Aktionen auf dem Camp vorbereiten, sodass die Teilnehmer unterschiedliche politische Ansätze kennenlernen und darüber gemeinsam diskutieren können.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/943136.aus-grossvaters-tagebuch.html

Interview: Peter Nowak


Ein Camp gegen das Kriegstraining

Protestwoche am Truppenübungsplatz startet

Am Sonntag hat die Protestwoche von Kriegsgegnern am Gefechtsübungszentrum (GÜZ) bei Magdeburg begonnen. Etwa 400 Antimilitaristen aus der gesamten Republik und dem europäischen Ausland werden dazu erwartet, bis Sonntagnachmittag waren bereits rund 40 Aktivisten angereist. Zum dritten Mal findet das Aktionscamp in der sachsen-anhaltischen Altmark, auf einer Wiese in der Nähe der kleinen Ortschaft Potzehne statt. Der modernste Truppenübungsplatz Europas, auf dem sich Soldaten, nicht nur aus Deutschland, auf ihre Auslandseinsätze vorbereiten, ist nur wenige Kilometer entfernt. Auf dem vom Rüstungskonzern Rheinmetall betriebenen Areal wurden zu Übungszwecken afghanische und kosovarische Orte nachgebaut. Erst Anfang August hatte Rheinmetall von der Bundeswehr den Zuschlag bekommen, das GÜZ bis 2018 weiter zu betreiben – der Wert des Auftrags liegt nach eigenen Angaben bei rund 70 Millionen Euro.

Einen Erfolg haben aber auch die Kriegsgegner schon erzielt: Das GÜZ ist mittlerweile bundesweit bekannt. Vor allem wegen der derzeit im Bau befindlichen Übungsgroßstadt Schnöggersburg, in der zwischen Hochhäusern und U-Bahn-Stationen der Häuserkampf in urbanen Ballungsräumen trainiert werden soll.

Für LINKE-Vize Tobias Pflüger ist das GÜZ ein wichtiger Baustein der deutschen und europäischen Militärpolitik. »Es ist für viele Soldaten die letzte Station vor dem Auslandseinsatz«, so Pflüger. »War start’s here« – Krieg beginnt hier – ist deshalb das Motto des antimilitaristischen Camps. Eine Woche lang stehen Arbeitsgruppen zu Themen wie Militär und Rüstung, der Umsetzung der Zivilklausel an den Hochschulen bis hin zu zivilen Lösungen im Afghanistankonflikt auf dem Programm. Aus der Ukraine reisen Linke an, die in Opposition zur Regierung in Kiew stehen. Sie werden über die schwierigen Bedingungen berichten, unter denen sie ihre politische Arbeit leisten. Höhepunkt des Camps soll der Aktionstag am Sonnabend werden. Aktivisten wollen zuvor das Gelände für mehrere Tage gewaltfrei besetzen.

Militär und Polizei bereiten sich unterdessen auf einen Großeinsatz zur Abwehr der Antimilitaristen vor. Für das GÜZ erklärte Oberst Ludger Terbrüggen, dass man während des Camps »mit einer verstärkten Militanz« rechne. In der Aktionswoche werde es keine Gefechtsübungen geben.

In der strukturschwachen Region, in der viele Bewohner auf Jobs durch das GÜZ hoffen, finden die Aktivisten ebenfalls kaum Zuspruch. »Die Soldaten werden ausgebildet für ihren Job. Und wir alle wollen doch, dass sie heil und gesund wieder nach Hause kommen«, verteidigte eine Kommentatorin der »Altmark-Zeitung« die Übungen. Solche Töne bestärken die Camporganisatoren in ihrem Widerstand. »Wir wollen deutlich machen, dass es kein ruhiges Hinterland für Bundeswehrsoldaten gibt«, so eine Sprecherin.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/942736.ein-camp-gegen-das-kriegstraining.html

Peter Nowak

Campen gegen Kriegstraining

FRIEDEN In Sachsen-Anhalt entsteht Europas größtes Militärübungszentrum. Kriegsgegner protestieren

BERLIN taz | Nichts deutet im kleinen Letzlingen in der Altmark (Sachsen-Anhalt) darauf hin, dass nur wenige Kilometer entfernt eine Großstadt mit U-Bahn-Stationen und Hochhäusern entsteht. Doch in der Metropole wird kein Mensch wohnen. Die Stadt soll bis 2017 das Zentrum von Europas größtem Gefechtsübungsplatz werden, auf dem sich Bundeswehrsoldaten für Auslandseinsätze vorbereiten. Schon heute wurden dafür afghanische und kosovarische Orte in der Heide nachgebaut.

Nicht ohne Widerstand: Seit zwei Jahren organisieren AntimilitaristInnen nahe der Geisterstadt ein einwöchiges Protestcamp. Ab Sonntag ist es wieder so weit. Mehr als 300 BesucherInnen erwarte sie, sagt Martina aus dem Vorbereitungsteam, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. „Nicht nur aus Deutschland, auch aus dem europäischen Ausland.“

Neben Workshops rufen die Kriegsgegner auch zu einem „Aktionstag“: Am 23. August soll der Truppenübungsplatz besetzt werden – „gewaltfrei“, wie die VeranstalterInnen betonen.

Bereits in Vorjahren gab es im Umfeld des Camps zahlreiche Aktionen. 2013 gerieten in der 60 Kilometer entfernten Bundeswehrkaserne Havelberg 16 Fahrzeuge in Brand. Es entstand ein Millionenschaden. Das Camp beteuerte, nichts damit zu tun zu haben. Intern wurde heftig diskutiert: Gewaltfreie lehnten die Aktion strikt ab, andere zeigten Verständnis. Könnten doch zerstörte Bundesfahrzeuge keinen Schaden mehr anrichten.

In der Region, in der viele auf Arbeitsplätze durch das Militärzentrum hoffen, finden die Kriegsgegner nur wenig Zuspruch. „Die Soldaten werden ausgebildet für ihren Job“, schreibt eine Kommentatorin der Altmark-Zeitung. „Und wir alle wollen doch, dass sie heil und gesund wieder nach Hause kommen.“ Ein Sprecher des Gefechtszentrums sagte, man rechne während des Camps „mit einer verstärkten Militanz“. In der Aktionswoche werde es keine Übungen geben.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F08%2F15%2Fa0057&cHash=fa311e2dd3442b8d17fca096086b5fd0

Peter Nowak

Mit Gewalt gegen den Krieg

Am Ende eines Friedenscamps brennen Militärfahrzeuge. Muss man sich distanzieren?

Die Gewaltdiskussion hat zum Schluss doch nochmal an Relevanz gewonnen. Friedensaktivisten demonstrieren tagelang gegen den Ausbau des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) der Bundeswehr in der Letzlinger Heide westlich von Magdeburg. Hier trainiert die Armee für den Auslandseinsatz. Kurz vor Ende des Protestcamps wird in der nahe gelegenen Kaserne Havelberg ein Brandanschlag verübt, 16 Militärfahrzeuge werden beschädigt.

Die Polizei erklärte prompt, bei der Aktion vom vergangenen Wochenende  handele es sich um „eine bisher nie da gewesene Gewalt gegen die Bundeswehr in Sachsen-Anhalt“. Deutschlandweit betrachtet sind solche Angriffe auf Bundeswehr-Einrichtungen aber nichts Neues. So wurden im April 2009 bei einem Anschlag auf die Offiziersschule des Heeres in Dresden 42 Armeefahrzeuge zerstört, wie auch mehrere Fahrzeuge im vergangenen Jahr bei Anschlägen auf Bundeswehreinrichtungen in Hannover und Rostock. Personen kamen in allen Fällen nicht zu Schaden.

In der Friedensbewegung sind solche Aktionen umstritten, die Gruppen äußern sich dann meist eher diplomatisch. Das Protestcamp gegen das GÜZ veröffentlichte eine Erklärung, in der es heißt: „Es ist in unseren Augen nachvollziehbar, wenn sich Menschen für Sabotage als antimilitaristisches Mittel entscheiden und Abrüstung selbst in die Hand nehmen.“ Ein Zusammenhang zwischen dem Anschlag und dem Camp wird jedoch als „plumper Kriminalisierungsversuch“ zurückgewiesen.

Der politische Sprecher der Friedensorganisation DFG-VK, Monty Schädel, lehnt eine reflexhafte Distanzierung von der Aktion ab. In seinem Verband gebe es neben entschiedenen Gegnern solcher militanten Aktionen auch Menschen, die die Motive verstehen können. Dass unbrauchbar gemachtes Bundeswehrgerät keinen Schaden mehr anrichten kann, könne auch von Menschen nachvollzogen werden, die diese Aktionen nicht unterstützen.

Eine nachgebaute Kriegsstadt

Wo beginnt illegitime Gewalt? Die Teilnehmer des Protestcamps mussten sich über diese Frage mit den Anwohnern streiten. Die hatten nämlich eine Kundgebung organisiert mit dem Motto „Gegen Gewalt und Sachbeschädigung“. Gemeint waren Aktionen, die den Friedensaktivisten zugeschrieben werden. Einige Bundeswehr-Gebäude wurden mit Farbbeuteln beworfen, zudem wurden Steine aus den Bahngleisen am Übungsgelände entfernt.

„Es ist absurd, diese Aktionen als Gewalt zu bezeichnen und zu schweigen, wenn hier in der Altmark die Kriege der Bundeswehr in anderen Teilen der Welt vorbereitet werden“, sagt eine Campteilnehmerin. Der Austausch zwischen Aktivisten und Anwohnern  beschränkt sich jedoch auf kurze Wortgefechte. Schließlich findet man kaum eine gemeinsame Sprache, wenn die einen mit dem Slogan „gegen Gewalt“ die Vorbereitungen für den Auslandseinsatz der Bundeswehr verurteilen, und die anderen die Aktionen dagegen.

Bisher war die Bundeswehr in der Altmark kaum mit Kritik konfrontiert. Viele Bewohner der wirtschaftsschwachen Region sehen die Armee vor allem als Arbeitgeber. Wenn rund 300 Antimilitaristen zum Protestcamp anreisen, bedeutet das schon Ausnahmezustand. An vielen Laternen kleben bundeswehrkritische Sticker, an den Wänden steht die Parole „War starts here“.

Grund für den Protest ist eine Großbaustelle der besonderen Art. Bereits seit 2006 bereiten sich im GÜZ jährlich rund 700 Soldaten auf ihren Auslandseinsatz vor, bis zum Jahr 2017 soll hier eine komplett nachgebaute Stadt entstehen, nur für den Krieg. Die taz beschreibt die Einrichtung fast lyrisch: „Im dünnbesiedelten Norden von Sachsen-Anhalt, umgeben von einem undurchdringlichen Gürtel aus Wald, ist für 100 Millionen Euro eine Retortenstadt im Werden, eine Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad, ihr Name ist Schnöggersburg.“

Zu der Kriegsstadt gehört dann den Planungen zufolge unter anderem eine Stadtautobahn, eine 1,5 Kilometer lange Kanalisation und eine U-Bahn-Station. Die Soldaten sollen aus ganz Deutschland anreisen. Und auch die Aktivisten werden sich nicht lumpen lassen. Sie kommen wieder. Ganz bestimmt.

aus: Der Freitag, 31/2013

http://www.freitag.de/inhaltsverzeichnis

Peter Nowak

Eine Geisterstadt zum Üben

Unter dem Motto »Gegen Sachbeschädigung und Gewalt« veranstaltete am Samstag eine Bürgerinitiative in Letzlingen eine Kundgebung. 30 Personen, darunter auch einige Vertreter der regionalen rechten Szene, hatten sich eingefunden. Die Kundgebung richtete sich gegen ein internationales antimilitaristisches Camp, mit dem eine Woche lang gegen das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark protestiert wurde. Im GÜZ probt die Bundeswehr vor ihren Auslandseinsätzen das Kriegführen. Dafür werden in Sachsen-Anhalts Heide ganze Städte nachgebaut. Bis 2017 soll dort die Geisterstadt Schnöggersburg entstehen, die in der Taz als eine »Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad« beschrieben wird. Die Bundeswehr hat also noch einiges vor in der Welt. Seit zwei Jahren rücken ihr Antimilitaristen aus der ganzen Republik und den europäischen Nachbarländern auf die Pelle. »War starts here«, lautet die Parole der noch jungen Bewegung, die anders als die traditionelle deutsche Friedensbewegung nicht die USA, sondern die deutsche Kriegs­politik kritisiert. Deshalb hegt die Altmarker Bevölkerung auch kaum Sympathien für sie. In den vergangenen Tagen wurden Gleise im GÜZ »geschottert« und beim Stöbern auf dem Gelände ein verlassener Kontrollpunkt der Bundeswehr entdeckt, in dem neben Berichten über militärische Übungen auch Hakenkreuzkritzeleien gefunden wurden. Am letzten Tag rückte die Polizei ins antimilitaristische Camp ein und beschlagnahmte einen PKW. Es soll geprüft werden, ob er mit einem Anschlag in der 50 Kilometer entfernten Kaserne Havelberg zu tun hat, bei dem in der Nacht zu Sonntag 16 Bundeswehrfahrzeuge unbrauchbar gemacht wurden. Die Antimilitaristen erklärten, sie hätten davon lediglich aus der Presse erfahren und könnten daher keine Stellungnahme abgeben. Auch damit unterscheiden sie sich von der alten deutschen Friedensbewegung und ihren Distanzierungsritualen.

http://jungle-world.com/artikel/2013/31/48204.html

Peter Nowak

Vor dem Auslandseinsatz geht es künftig zur Probe in die Altmark

[1]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152711

[2]

http://www.deutschesheer.de/portal/a/ha/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9jNTUoviMRL2UzNS84pLiktScHL301LTU5IyS4tLUpCr9gmxHRQCo_8Cq/

[3]

http://www.warstartsherecamp.org/

[4]

https://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F07%2F24%2Fa0092&cHash=bf7c353b62fbb245896155d1468596b7

[5]

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710445.pdf

[6]

http://www.warstartsherecamp.org/sites/default/files/files/Antwort%20KA%20GUEZ%20Z.pdf

[7]

http://www.warstartsherecamp.org/de/presse-zum-camp

[8]

http://www.streitkraeftebasis.de/portal/a/streitkraeftebasis/!ut/p/c4/NYvLCsIwEEX_KJOgInVnqAu3brTdSNoOZTAvJqOC-PEmC–BszlcGKES3YtWJ5Si83CDYabD9FblMd0zfVRmLAVVIBEkD9f2WFDNKaI0C0ah6pWdJFY5sfhWnsy1KFpg0Ka3eqv_M9-uG-1ptzeb_mwvkEM4_gA7KNra/

[9]

http://warstartsherecamp.org/de/story/pressemitteilung-3-27-juli-2013

[10]

http://warstartsherecamp.org/de/story/pressemitteilung-2-27-juli-2013

[11]

http://perspektive.nostate.net/235

[12]

http://www.edition-nautilus.de/programm/biografien/buch-978-3-89401-460-5.html

[13]

http://arab.blogsport.de/2011/11/21/23-november-solidaritaet-mit-inge-und-thies/

[14]

http://www.amazon.de/dp/3423005661/ref=nosim?tag=telepolis0b-21

Retortenstädte für den Krieg

Protest gegen Gefechtsübungsfeld in der Colbitz-Letzlinger Heide

Anders als in der Kyritz-Ruppiner Heide ist das Truppenübungsgelände Kolbitz-Letzlinger Heide fest in der Hand der Bundeswehr. Während das Bombodrom bei Wittstock von der Zivilgesellschaft quasi zurückerobert wurde, trainiert das Militär bei Letzlingen den Auslandseinsatz. Hier sammelten sich in den letzten Tagen Antimilitaristen zum Protest.

Glühend heiß war es am Samstag in der Kleinstadt Letzlingen in der Altmark. Kaum ein Mensch war auf der Straße. Doch eine große Anzahl von Polizeiwagen und Fahrzeugen mit der Aufschrift »Feldjäger« brachte ungewohnte Aufregung in den beschaulichen Ort. Der Anlass befand sich am Ortsausgang. Dort waren Transparente gegen Krieg und Militarismus angebracht. Neben einer uniformierten Puppe mit bunter Perücke hatte jemand ein Plakat mit dem Satz »Was für ein erhebendes Gefühl, von einer Frau erschossen zu werden« aufgeklebt.

Auf einem großen Transparent war die Parole »War starts here« (Der Krieg beginnt hier) zu lesen. Das war auch das Motto des einwöchigen Camps, das rund 300 Antimilitaristen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern wenige Kilometer von Letzlingen entfernt organisiert hatten. Das Ziel ihres Protestes war wie im letzten Jahr das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) wenige Kilometer von dem Ort entfernt. Hier probt die Bundeswehr seit 2006 den Einsatz im Ausland. Mitten in der Heide finden sich afghanischen Städten nachempfundene Straßenzüge. »Wir haben eine Altstadt, eine Neustadt, eine Stadtautobahn, die Kanalisation ist 1,5 Kilometer lang und begehbar. Dazu kommen Müllhalde, Trümmerfeld, Elendsviertel und die Moschee, die mit wenigen Handgriffen zur Kirche umfunktioniert werden kann«, wird der für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Oberstleutnant Peter Makowski in der Presse zitiert. Die Bundeswehr hat viel vor – auch in der Altmark. Bis 2017 soll dort die Geisterstadt Schnöggersburg entstehen. Von einer »Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad« schrieb die »Tageszeitung«.

Die Antimilitaristen wollen das Trainieren von Auslandseinsätzen nicht hinnehmen. »Wir sind überzeugt, dass wir die Pläne der Bundeswehr auch in der Altmark beeinträchtigen können«, sagt eine Aktivistin. Sie lobt das Camp, Kontakte seien geknüpft und informative Veranstaltungen organisiert worden. Daneben haben sich immer wieder kleine Gruppen in die Heide aufgemacht, um die Orte der Kriegsübungen zu markieren. Am vergangenen Donnerstag wurde dabei ein verlassener Bundeswehrkontrollposten entdeckt, in dem neben Berichten über GÜZ-Übungen auch Hakenkreuze zu sehen waren. In einer Pressemitteilung verlangen die Aktivisten Aufklärung, ob dafür mit der rechten Szene verbundene Soldaten verantwortlich sind.

Der Aktionstag am Sonnabend war Höhepunkt der Protestwoche. Nur ein Teil der Antimilitaristen suchte am Stadtrand von Letzlingen unter den Sonnenschirmen Schutz vor der drückenden Hitze – darunter auch Mitglieder der Linkspartei aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg, die zur Unterstützung Kaffee und Kuchen mitgebracht hatten. Die übrigen Aktivisten versuchten derweil auf das Gefechtsübungsfeld zu gelangen. Die Polizei hatte das Gelände wenige Meter hinter der Kundgebung zur Sperrzone erklärt. Jeder, der die Straße passieren wollte, erhielt einen Platzverweis. Doch viele Antimilitaristen hatten sich schon am frühen Morgen auf verschlungenen Wegen aufgemacht.

Am Samstagmittag hatten auch die Freunde der Bundeswehr eine Kundgebung angemeldet, an der schließlich rund 30 Personen teilnahmen. Augenzeugen erkannten darunter Personen aus der rechten Szene. Die meisten Teilnehmer verwiesen auf die Arbeitsplätze, die durch die Bundeswehr in der strukturschwachen Region entstünden. »Davon profitieren doch nur die Beerdigungsinstitute und Sargträger«, entgegnete eine Frau.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/828691.retortenstaedte-fuer-den-krieg.html

Peter Nowak