Ein Wohnungsbau gegen eine Kiezoase

Das Kurhaus Ponte Rosa in der Kreuzbergstraße soll hochpreisigen Wohnungen weichen. Dagegen gibt es Protest

»Kulturhaus Ponte Rosa. Wir freuen uns auf einen tollen Sommer mit Euch«, steht auf einem Schild am Eingang zur Kreuzbergstraße 24b. Ein steiler Weg führt hinab auf eine idyllische Grünfläche. Gäste essen Pizza, trinken Rotwein. Doch es wird wohl der letzte Sommer im Ponte Rosa sein.
Als Matthias Bauer Mitte Juni für die LINKE als Bürgerdeputierter an der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg teilnahm, erfuhr er, dass Garten und Kurhaus einem vierstöckigen Wohnhaus weichen sollen. Nachdem Becker darüber auf seinem Gleisdreieck-Blog informierte, ist die Aufregung unter den Anwohnern groß.

Am Montagabend trafen sich über 50 Menschen im Kurhaus zum Kiezpalaver. Gekommen war auch der Grundstückeigentümer Jörg Weißenborn, der den Hausbau plant. In einer knappen Stunde gab es viele kritische Fragen zum Neubau. Eine Frau sagte ihm offen: »Wir danken Ihnen, dass Sie den Mut gefunden haben, mit uns zu reden, aber Ihr geplantes Haus geht am Bedarf vorbei.«

Weißenborn sagte, dass er sich mit einigen Freunden zu einer Baugruppe zusammengeschlossen habe, die das Haus gemeinsam bewohnen wollen. Ein ehemaliger Pächter des Kurhauses unterstützte ihn und betonte, dass das Kurhaus nicht rentabel betrieben werden könne. Nach einer Stunde verabschiedete sich Weißenborn.

Wenn einige auch applaudierten, weil er sich den Fragen stellte, konnten die Differenzen doch nicht ausgeräumt werden. Mitglieder der Schöneberger Bürgerinitiative »Stoppt den Kiezverkauf« sahen sich in ihrer Kritik bestätigt, dass hier ein Garten einer hochpreisigen Wohnbebauung weichen muss. Kritisiert wurden vor allem die zuständigen Behörden im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg. Ihnen wurde mangelnde Transparenz vorgeworfen. Für großen Unmut sorgte auch, dass hier der Paragraf 34 des Baugesetzbuches angewandt werden sollte, mit dem Baulücken ohne langwierige Planungen geschlossen werden können.

Voraussetzung dafür ist, dass sich das Bauvorhaben nach Art und Maß an der Nachbarschaft orientiert. Dem widersprechen viele Anwohner, die in der Anwendung des Paragrafen 34 in erster Linie eine Möglichkeit sehen, die Bürgerbeteiligung auszubremsen.

Seine Behörde habe hier gar keinen Entscheidungsspielraum gehabt. Es sei eindeutig eine Baulücke, erklärte hingegen Siegmund Kroll, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, dem »nd«. Am heutigen Mittwoch tagt der Ausschuss für Stadtentwicklung um 17 Uhr im Rathaus Schöneberg.

Die Initiative »Stoppt den Kiezverkauf« ruft dazu auf, dass Menschen, die sich für den Erhalt von Garten und Kulturhaus einsetzen, die Sitzung besuchen sollen. Auch der Investor Weißenborn hat angekündigt, sich dort weiteren Fragen zu stellen.

Manche Anwohner hoffen zudem darauf, dass sich auch der Baustadtrat Jörn Oltmann (Grüne) zu Wort meldet. »Er müsste sich doch für den Erhalt der Grünflächen und der alten Bäume auf dem Areal einsetzen«, hofft eine Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1057115.ein-wohnungsbau-gegen-eine-kiezoase.html

Peter Nowak

Kurgarten in Gefahr

BAUEN Wohnbauprojekt statt wilde Natur: Ponte Rosa in Schöneberg soll weichen

Ponte Rosa – der Name verspricht südländisches Flair. „Versteckt und umgeben von alten Bäumen, an den stillgelegten Lokgleisen des alten Gleisdreiecks liegt unser idyllischer Kurgarten“, heißt es auf der Webseite
des Restaurants, das auf dem Areal betrieben wird. Auch Matthias Bauer gerät ins Schwärmen, wenn er davon
spricht, wie hier eine ehemalige Brache wieder zur Natur wurde. Nun schlägt der Betreiber des Gleisdreieck – Blogs Alarm. Denn bald könnte es mit dem Idyll vorbei sein. Das erfuhr Bauer, als er als Bürgerdeputierter für die Linke an der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses von Schöneberg-Tempelhof teilnahm. Dort wurde mitgeteilt, dass der Garten „einem mit dem Stadtentwicklungsamt abgestimmten „Wohnungsbauprojekt“ weichen soll. Das Bauvorhaben wurde von dem Immobilienunternehmen Büro Weißenborn GmbH eingereicht. Bauer beunruhigt dabei ein Satz: „Das Bauvorhaben wird auf der Grundlage des § 34 BauGB planungsrechtlich beurteilt.“ Hier werde mit einem juristischen Trick die Bürgerbeteiligung ausgehebelt, moniert Bauer. Der besagte Paragraf soll dafür sorgen, dass Baulücken ohne aufwendiges Bebauungsplanverfahren geschlossen werden können. Voraussetzung dafür ist, dass sich das Bauvorhaben nach Art und Maß an der Nachbarschaft orientiert.

Baulicher Zusammenhang

Für den Garten Ponte Rosa trifft das nach Ansicht von Bauer aber nicht zu. Auch wenn es auf dem
Areal einzelne Gebäude wie Stellwerke und Lokschuppen gegeben hat, unterbreche das Bahngelände den baulichen Zusammenhang, indem es die Ortsteile Kreuzberg und Schöneberg voneinander trennt. Das ist es, was im Baugesetzbuch im Paragraf 35 „Außenbereich“ genannt wird. Die Frage, ob es sich um einen Innen- oder Außenbereich handelt, ist aber von großer Bedeutung für die weiteren Pläne auf dem Grundstück. „Wenn im Außenbereich gebaut werden soll, müssen die politischen Gremien des Bezirks darüber entscheiden. Ein Bebauungsplanverfahren muss mit Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt und ein ökologischer
Ausgleich geleistet werden“, sagt Bauer. Der Leiter der Abteilung Stadtentwicklung in Schöneberg/Tempelhof begründete seine Klassifizierung des Areals als Innenbereich damit, dass durch die bestehenden Bauten von Supermärkten und der Tankstelle bereits ein Bebauungszusammenhang entstanden sei, der Neubau sich somit
an der Nachbarschaft orientiere. Irritiert war Bauer darüber, dass der politisch verantwortliche Baustadtrat Jan Oltmann(Grüne) dieser Einschätzung nicht widersprochen hat. Gegenüber der taz war Oltmann bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Am 12. Juli soll er auf der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung im Rathaus Schöneberg zu den offenen Fragen zur Zukunft des Gartens
Stellung nehmen. Bereits am Montag, 10. Juli, laden Anwohner um 19 Uhr zum Kiezpalaver ins Ponte Rosa.


DONNERSTAG, 6. JULI 2017,

TAZ.DIE TAGESZEITUNG
PETER NOWAK