Mit dem Syndikat sollen auch die Besucher/innen aus dem Schillerkiez verschwinden

Kein Stuhl war mehr frei am frühen Donnerstagabend im Syndikat in der Weise Straße 56 im Schillerkiez in Nordneukölln. Dabei hat es zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch gar nicht geöffnet. Der Grund für das Treffen: Das Kollektiv der Kiezkneipe hatte zu einer Kiezversammlung geladen. Gemeinsam soll verhindert werden, dass sie zum Jahresende schließen muss. Die Hauseigentümerin, eine Luxemburger Briefkastenfirma, schickte dem Kneipenkollektiv bereits Anfang Juli die Kündigung zum 31. Dezember 2018. Doch noch hoffte man auf Neuverhandlungen. Am 11. September gab es nun überraschend von den Eigentümern eine Absage für Neuverhandlungen ohne Begründung. Doch das Kneipenkollektiv will gemeinsam mit solidarischen Nachbar/innen Druck machen, damit der Mietvertrag verlängert wird. Die große Resonanz des Treffens macht Mut: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir nicht nur für den Erhalt des Syndikat kämpfen, sondern auch dafür, dass unsere Nachbar/innen im Neuköllner Schillerkiez bleiben können“, erklärte ein Mitglied des Kneipenkollektivs.

Teil einer linken Stadtteilkultur
Das Syndikat hat sich immer als Teil der linken Kiezkultur rund um die Weise Straße verstanden. Enge Kontakte hält das Syndikat mit dem benachbarten Stadtteilladen Lunte. Beide haben ihre Wurzeln in der außerparlamentarischen Linken der 1980er Jahre. Beide waren von Anfang an Orte, in denen Menschen mit niedrigen Einkommen sich treffen können. Gemeinsam organisieren sie jährlich im August mit anderen Nachbarschaftsinitiativen ein Straßenfest, auf dem der Kampf gegen Gentrifizierung in den letzten Jahren eine zentrale Rolle spielte. Nach der Schließung des Tempelhofer Flughafens stand der Schillerkiez in Nordneukölln im Fokus der Gentrifizierung. Nobelrestaurants öffneten und die Mieten stiegen. Auch in der Weise Straße 56 zahlten Studierende mit befristeten Mietverträgen plötzlich das Vierfache der bisher üblichen Miete im Haus. Doch im Schillerkiez gibt es seit vielen Jahren Mieter/innenwiderstand. Mehrere Kiezspaziergänge gegen Verdrängung wurden organisiert, es gab in den letzten Jahren zahlreiche Nachbarschafstreffen. An einer Infowand konnte man sich immer wieder über neue Aktionen informieren. Die Syndikat-Kündigung hat eine Nachbarschaft, die seit Jahren gegen drohende Vertreibung kämpft, erneut mobilisiert. Sogleich wurden auf dem Treffen Arbeitsgruppen gebildet, die Aktionsvorschläge für die Kampagne zum Erhalt des Syndikats erarbeiten. Sie hat schon begonnen: Bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden der Kündigung tauchten erste Plakate unter dem Motto „Syndikat bleibt“ auf. „Mit dem Syndikat sollen auch wir Besucher/innen aus dem Kiez verschwinden, die weder Geld noch Interesse an den Nobelrestaurants haben“, sagte ein älterer Nachbar. Das sahen bei der Kiezversammlung viele so. Sie setzten sich nicht für ihre Lieblingskneipe ein, sondern kämpfen für einen Stadtteil, in den sie weiter leben können und wollen.

aus: Mieterecho Online
https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/syndikat.html
Peter Nowak