Warum „Emmely“ wieder arbeiten darf

BUCH Eine Gruppe von Aktivisten bilanziert den Kampf der Kassiererin „Emmely“ um ihren Job

„Emmely scannt wieder“, titelte eine Berliner Boulevardzeitung im Herbst 2010. Da saß Berlins wohl kämpferischste Kasslerin nach ihrem Sieg vor dem Bundesarbeitsgericht wieder an der Kasse. Hinter ihr lag ein zweijähriger Kampf um ihren Job. Das Komitee „Solidarität mit Emmely“ hat jetzt ein Buch veröffentlicht, in dem verschiedene Aktivisten und Gewerkschafter die Stationen und Facetten der Auseinandersetzung beschreiben.

Der Frau mit dem Pseudonym Emmely war im Januar 2008 von der Tengelmann-Gruppe mit der Begründung gekündigt worden, sie habe zwei Flaschenbons im Wert von 1,30 Euro falsch abgerechnet – nach mehr als 30 Jahren Arbeit im selben Geschäft. Doch Emmely bestritt die Vorwürfe und ging an die Öffentlichkeit. Gleich zu Beginn des Buchs kommt Emmely selbst zu Wort. „Mein Leben hat sich grundlegend geändert. Nun habe ich eine andere Sichtweise auf Dinge, die in diesem Land geschehen“, schreibt sie.

In dem Buch wird auch die Frage gestellt, warum die Kündigung von Emmely die Republik beschäftigte. Sie wurde zu Talkshows eingeladen, und selbst die Bild-Zeitung zeigte Sympathien. Der Gewerkschafter Willy Hajek sieht einen Grund dieser Popularität in Emmelys Mut, öffentlich gegen ihre Kündigung zu kämpfen. „Emmely hat den Mut zu streiken, den Mund aufzumachen“, schreibt er in seinem Beitrag. Zudem werde anhand ihres Falls die Frage nach der Gerechtigkeit gestellt. „Herr Zumwinkel als Manager der Post bekommt für seinen Abschied aufgrund von Verfehlungen Millionen als Bonus. Emmely wird wegen angeblichen Diebstahls von 1,30 Euro nach 31 Jahren gekündigt.“

Die Rolle der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di bei der Unterstützung von Emmely wird im Beitrag der Filmemacherin Bärbel Schönafinger scharf kritisiert. Die Gewerkschaft sei überzeugt gewesen, dass Emmely juristisch nicht gewinnen könne, und habe sie zu einem Vergleich gedrängt. Samira van Zeer vom Solikomitee teilt diese Kritik. Sie weist in ihrem Artikel aber darauf hin, dass ohne die Bereitschaft der Ver.di-Sekretärin Erika Ritter, mit außerparlamentarischen Linken zu kooperieren, die Unterstützungsarbeit nie zustande gekommen wäre.

In dem Buch wird auch auf die Schwachpunkte der Solidaritätsarbeit eingegangen, die bei einer erfolgreichen Auseinandersetzung oft unter den Tisch fallen. Der Mitbegründer des Komitees, Gregor Zattler, beschreibt die chronische Überlastung der Gruppe. Je mehr Anforderungen durch die bundesweite Bekanntheit auf die AktivistInnen zugekommen seien, desto kleiner sei der Kreis geworden. Das habe seinen Preis gehabt. „Die Kampagne verschob Aktionsformen und Publikum mit zunehmenden öffentlichen Interesse zur Mitte hin“, bilanziert Zattler. Die Soziologin Ingrid Artus untersucht die Bedingungen, unter denen sich Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen wehren, wie sie im Einzelhandel häufig anzutreffen sind. Oft würde sich der Widerstand am fehlenden Respekt, der den Beschäftigten von den großen und kleinen Chefs entgegengebracht wird, entzünden.

Komitee Solidarität mit Emmely (Hg.): „Gestreikt. Gekündigt. Gekämpft. Gewonnen. Die Erfahrungen der ,Emmely‘-Kampagne“. 140 Seiten, 9,50 Euro

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F11%2F18%2Fa0156&cHash=bc1affd604

Peter Nowak