Öffentliches Interesse

E-MAIL-Verkehr: »taz« gewinnt Rechtstreit

Die »taz« darf weiterhin gegen den Willen eines Burschenschaftlers relevante Auszüge aus dessen E-Mail-Verkehr veröffentlichen. Das entschied das Landgericht Braunschweig Mitte letzter Woche in erster Rudolf Sch., der als Alter Herr weiterhin mit der ultrarechten Burschenschaft  “Karlsruher Burschenschaft Tuiskonia” verbunden ist, wollte  der Zeitung per Einstweiliger Verfügung verbieten lassen, aus seinen Emails zu zitieren.  Er sehe sich durch die Veröffentlichung  in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, argumentierte er. Zumal  in den Mails deutlich gemacht wurden, dass sie  nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sind.
Bei dem Schriftwechsel ging es nicht um persönliche Dinge, sondern um eminent politische Fragen. Mehrere Burschenschafter vom rechten Flügel, darunter der Kläger,  beraten dort über Möglichkeiten,  im Dachverband „Deutsche Burschenschaften“ die Macht an sich reißen  und den in ihren Augen  zu liberalen Vorstand zu vermachten.  Dabei wird auch nicht vor eindeutigen politischen    Aussagen gespart:
„Durch die von den Siegermächten eingesetzten Medien-Macher (….) und durch den von den 68ern erfolgten Umdeutungsversuch aller traditionellen Werte soll gerade beim deutschen Volk erreicht werden, dass es statt natürlichem Stolz und nationalbewusstsein (…) Schuld- und Scham-Gefühle entwickelt.
„Gerade der exklusive Verschwörungsgehalt, mit dem bewusst eine Übernahme des Verbands durch rechte Gruppen geplant wurde, unterstreicht die Relevanz“, rechtfertigt die taz  die Veröffentlichung der Mailinhalte gegen den Willen der Verfasser.
Das Landgericht Braunschweig  folgte nach einer mündlichen Verhandlung dieser Auffassung. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran, über den Vorgang  zu berichten. Weil der Kläger hinreichend anonymisiert wurde,  sei er  nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, weil der Schreiber der Mails weitere juristische Schritte einleiten kann. Hat sie auch in den höheren Instanzen bestand, kann sie nach Meinung von Juristen auch Auswirkungen auf ähnliche Fälle bei anderen Medien haben.
Mittlerweile hat der Mann auch Probleme mit seinen Arbeitgeber. Die Volkswagen-AG hat ihm verboten, solche Mails künftig weiterhin mit dem Account des Unternehmens zu versenden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/205877.oeffentliches-interesse.html

Peter Nowak