Trump – zu unkonventionell für das Partei-Establishment

Der größte Albtraum mancher Parteipolitiker der Republikaner: Ihr ungeliebter Kandidat könnte die Wahlen gewinnen

Eigentlich ist nach den Parteitagen der Republikaner und Demokraten in den USA die Ausgangslage für die Präsidentschaftswahlen in den USA klar. Clinton gegen Trump lautet das Personaltableau. Aber manche Trump-Gegner in der Republikanischen Partei scheinen sich noch immer nicht mit ihrer Niederlage auf dem Parteitag abgefunden zu haben. Es gibt Pressemeldungen über Notfallpläne.

So sollen bereits Ersatzkandidaten im Gespräch sein, falls Trump noch kurzfristig ausfällt. Nur auf welches Szenario wird in diesen Notfallplan rekurriert? Dass Trump selber nach seinen Sieg am Parteitag aufgibt, scheint ausgeschlossen. Dazu hätte er sicherlich im wechselvollen Vorwahlkampf genug Gelegenheit gehabt. Er sah dort ja keinesfalls immer als Sieger aus und viele Kommentatoren haben noch wenige Wochen vor dem Parteitag geschrieben, dass Trump nie Präsidentschaftskandidat wird.

Damals wurden auch noch realistische Szenarien diskutiert, einen Präsidentschaftskandidaten Trump zu verhindern. So sollte auf dem Parteitag eine offene Debatte über den Kandidaten beantragt und allen Delegierten die Wahl freigestellt werden. Dieses ungewöhnliche, aber satzungsgemäß mögliches Szenario, die Nominierung von Trump zu verhindern, wurde von ihm und seinen Anhängern als Programm zur Spaltung der Republikanischen Partei bezeichnet.

Die Parteiführung schreckte schließlich vor solchen Schritten zurück. Dass nun plötzlich satzungsgemäß nicht mehr gedeckte Pläne bekannt werden, zeigt abseits einer möglichen Realisierungschance, dass manche im Partei-Establishment in Trump eine so große Gefahr für ihre Interessen sehen, dass sie sogar offene Putschpläne zumindest nicht ausschließen. Denn,  selbst wenn im Wahlkampf noch ein ganz großer Skandal über Trump rauskommen sollte oder er durch ein Attentat schwer verletzt oder getötet würde, sehen die Regularien vor, dass der ebenfalls auf dem Parteitag gewählte Vizepräsident an seine Stelle tritt. Da der auch parteiintern als Konsenskandidat gilt, ist umso unverständlicher, dass nun solche Pläne zumindest diskutiert werden.

Dabei wird für diese Absatzbewegung die auf den ersten Blick einleuchtende Erklärung angeboten, die Parteistrategen befürchten mit Trump einen solch massiven Einbruch bei den Wählern, dass solche außergewöhnliche Szenarien überlegt werden. Davon abgesehen, dass solche Pläne gemeinhin die Wahlchancen nicht vergrößern, ist die Erklärung auch nicht schlüssig.

Wenn die Gegner Trumps überzeugt von seiner Wahlniederlage sind, müssten sie ihn ja nur passiv in seinen Untergang begleiten. Je größer seine Niederlage, desto besser für seine Kritiker innerhalb der Partei, die dann ja nur auf ihre frühen Bedenken hinweisen könnten. Die Absatzbewegung ist auch mit Umfragewerten nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Nach dem Parteitag der Republikaner lag Trump in Umfragen vor Clinton, danach hat sie wieder etwas aufgeholt. Da es letztlich aber nicht um die Umfragen, sondern darum geht, welcher Kandidat in den entscheidenden Swing-Staaten bei den Wahlen die Nase vorn hat, ist für beide Seiten noch alles offen.

Bettina Gaus und Michael Moore sehen Trump als Gewinner der Präsidentschaftswahlen

Entscheidender dürfte sein, dass zwei völlig unterschiedliche Beobachter der US-Gesellschaft, die sich nicht auf Wahlprognosen und die Kommentatoren großer Tageszeitungen verlassen, sondern in die US-Gesellschaft hineingehorcht haben, davon überzeugt sind, dass Trump die Präsidentschaftswahlen gewinnen kann .

So benennt der in der Bush-Ära weltweit bekannt gewordene Filmemacher und Satiriker Michael Moore fünf Gründe, warum Trump gewinnen wird[1].

Sein Wahlkampf werde sich auf die vier Bundesstaaten Ohio, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin stützen, wo er im mittlerweile abgehängten Industriegürtel bei den vom Kapitalismus für überflüssig erklärten Menschen auf Zustimmung stoßen könnte. Genau diese Bundesstaaten könnten als Swing-Staaten aber wahlentscheidend sein. Zudem werde Trump die Ressentiments des „wütenden weißen Mannes“ ausnützen und in diesen Kreisen neue Wählerschichten auftun.

Einen weiteren Grund für den Wahlsieg von Trump sieht Moore in der Person seiner Kontrahentin. Clinton stehe für alle vom Kapitalismus Abgehängten so sehr für das verhasste System, dass sie die schon Prinzip nicht wählen werden. Clinton könnte die Wahlverweigerer unter den Abgehängten dazu bringen, dieses Mal Trump zu wählen.

Dass eine vergleichbare Gegenreaktion aus dem Lager der Afroamerikaner und Latinos erfolgt, die Clinton wählen um Trump zu verhindern, glaubt auch die Taz-Publizistin Bettina Gaus nicht. Auch sie ist von einem Erfolg Trumps bei den Präsidentenwahlen überzeugt[2] und hat sich dafür auf eine Wette mit einem Kollegen eingelassen. Es sei eine Wette, die sie sehr gerne verlieren würde, erklärte Gaus auf einer Veranstaltung im Taz-Cafe, wo sie ihre neuesten Reportagen über ihre Reisen durch die USA vorstellte[3]. Dabei hat sich Gaus in den Städten und Dörfern umgesehen, in denen die Bevölkerung ihre politischen Überzeugungen nicht aus den Kommentaren der Trump-kritischen Medien bezieht.

Gaus hat einen wachsenden Überdruss großer Teile dieser Bevölkerung mit dem US-System festgestellt. Während Trump sich so gibt, als stehe er außerhalb dieses Systems, war Clinton seit Jahrzehnten Teil dieses Systems und tut im Wahlkampf alles, das noch mal zu betonen. Daher hat Gaus auch bedauert, dass Sanders gegen Clinton verloren hat, weil dieser auch nach allen Umfragen größere Chancen gehabt hätte, sich gegen Trump bei den Wahlen durchzusetzen.

Trump setzt sich über Ansichten vieler Rechter in den USA hinweg

Warum der immer als rechtspopulistisch etikettierte Trump auch bei der Wählerbasis des sozialdemokratischen Kandidaten Sanders Chancen hat, erstaunt nur auf den ersten Blick. Die aktuellen Diskussionen um Trump in den USA zeigen, dass er durchaus im Stande ist, manches Credo der Rechten in den USA infrage zu stellen.

Dazu gehört das Brimborium um sogenannte Heldeneltern, wie es Khizr und Ghazala Khan[4] sind. Im Irakkrieg wurde ihr Sohn getötet. Anders als die Tausende toten Iraker eines auf Lügen basierenden Krieges hat er einen Namen und Eltern, die sich dafür hergeben, den Tod ihres Sohnes mit nationalistischen Phrasen zu bemänteln. Auf dem Parteitag der Demokraten erzählte der Vater von den Opfern, die er mit dem Tod seines Sohnes auf sich genommen habe, und fragte, welche Opfer Trump gebracht hat.

Der so Angegriffene antwortete erst sehr rational, dass er Opfer mit seinem unternehmerischen Engagement gebracht hat. Das ist natürlich ebenso Ideologie wie sein Versuch, die Mutter des Toten als nicht emanzipierte Frau hinzustellen. Doch ist es noch größere Ideologie, wenn nun von einem Angriff Trumps auf die Heldeneltern schwadroniert wird. Was gibt es schließlich Obszöneres als Eltern, die den Tod eines Soldaten zum nationalen Heldenakt aufwerten und damit weitere Helden für die Nation produzieren wollen?

Vor allem ist die Gegenüberstellung der unternehmerischen Tätigkeit gegen das scheinbar selbstlose Opfer für die Nation ein Topos rechter Argumentation. Hier hat Trump in der Tat ein Credo nicht nur der Rechten und Nationalisten in den USA gebrochen. So etwas versuchen sonst antimilitaristische Streiter mit wesentlich weniger Erfolg.

Auch Trumps Einlassungen zum Krim-Konflikt sind ein Affront für die Rechte in den USA und die Falken, die sich hinter Clinton stellen, zeugen aber durchaus von einer realistischen Sichtweise auf das Weltgeschehen. Bezeichnend für die manipulative Berichterstattung über Trumps Positionen zur Krim ist ein Artikel[5] im Tagesspiegel, der schon mit der irreführenden Überschrift beginnt, dass Trump Verständnis für die russische Intervention auf der Krim zeigte.

Im Artikel heißt es dann richtig, dass Trump „im Falle eines Wahlerfolges die – vom Westen als illegal betrachtete – Annexion der Krim durch Russland anerkennen würde“. Das weist ihn nun keineswegs als Anhänger Putins aus, sondern als Vertreter einer Schule des außenpolitischen Rationalismus, der Fakten, die nicht rückgängig zu machen sind, zumindest solange anerkennt, solange sich das Kräfteverhältnis nicht geändert hat.

Nun kann niemand ernsthaft glauben, dass sich Russland in absehbarer Zeit von der Krim zurückzieht, zumal auch eine von der UN überwachte Abstimmung eine große Mehrheit einen Verbleib bei Russland ergeben würde. Auch hier hat Trump eine sehr realistische Sichtweise. Er ist bereit, diesen Fakt anzuerkennen, während seine Kontrahenten einen kalten Krieg gegen Russland entfachen wollen.

Realistisch ist zudem Trumps Position zur Ukraine, die auch in vielen Medien in Deutschland kritisiert wird. Wenn Trump feststellt, dass es keine regulären russischen Soldaten auf ukrainischem Territorium gebe, entspricht das dem aktuellen Informationsstand. Es gibt dafür zumindest keine belastbaren Beweise. Nachgewiesen ist aber, dass ehemalige russische Militärs auf ostukrainischem Gebiet gekämpft haben und dass es wohl auch zahlreiche Tote unter ihnen gegeben hat. Es ist auch sehr klar, dass ihre Anwesenheit nicht ohne Billigung staatlicher Behörden möglich wäre.

Doch ist es in der Außenpolitik ein eminenter Unterschied, ob man behauptet, dass russisches Militär auf ukrainischem Territorium kämpft, oder ob man feststellt, dass dort Einheiten sicher nicht ohne Zustimmung russischer Behörden aktiv sind. Schließlich waren auch in den 1980er Jahren in El Salvador und anderen mittelamerikanischen Staaten Militärberater der USA aktiv, aber es war kein regulärer Truppeneinsatz der US-Army. Das hätte eine ganz andere Eskalationsstufe bedeutet.

Trump: Kein kleineres Übel als Clinton

Auch hier erweist sich Trump als Anhänger der realistischen Schule in der US-Außenpolitik, der eher auf Entspannung als auf Konfrontation aus ist. Das zeigten auch seine despektierlichen Äußerungen zu den Clinton-Leaks, wo noch unbekannte Hacker Zugriff auf die Kommunikation der Demokratischen Partei hatten. Während dafür sofort ohne belastbare Beweise russische Hacker verantwortlich gemacht wurden, forderte Trump genau diese auf, doch weitere Daten der Kontrahenten zu hacken.

Auch hier hat Trump dem nationalen Credo nicht nur der US-Rechten zuwidergehandelt und sich, ob bewusst oder nicht, der transnationalen Logik einer Internetszene angenähert, die solche nationalen Narrative verachtet. Nun ist das alles aber nur die Performance eines flexiblen Geschäftsmanns, der keine politische Ideologie hat und als Präsident durchaus genauso militaristisch und reaktionär sein dürfte, wie seine Kontrahenten inner- und außerhalb seiner Partei.

Es ist also kein Grund, plötzlich gar an Trump irgendetwas zu finden, was ihn im emanzipatorischen Sinne akzeptabel macht, wie es Rainer Rupp behauptet („Im Vergleich zur korrupten Hillary ein ehrlicher Geschäftsmann“[6]), der den „ehrlichen Unternehmer Trump gegen die korrupte Clinton“ setzt und damit selber Ideologie verbreitet. Vor allem ignoriert er den manifesten Rassismus von Trump und wird so zum Vorreiter einer Querfront, die durchaus eine ernst zu nehmende Gefahr ist.

Die Entspannungssignale Trumps gegen Russland könnten mit der in rechten Kreisen anzutreffenden Putin-Bewunderung kompatibel sein. Daher ist die Befürchtung von Liberalen nicht unberechtigt, die in Trump eine Putin-Imitation sehen. Doch umgekehrt nun für Clinton und die militärischen Falken einzutreten, ist genauso fatal.

In einer Situation, in der zwei bürgerliche Kandidaten die Widersprüche des US-Kapitalismus  gut verdeutlichen, wäre es für emanzipatorische Kräfte die zentrale Aufgabe, eine Alternative zu etablieren, die sich nicht mehr der Logik des kleineren Übels beugt, das oft gar nicht so klein ist. Diese Alternative müsste in den Stadtteilen und an den Arbeitsplätzen entstehen und sich gegen die Zumutungen wappnen, die eine Präsidentin Clinton oder ein Präsident Trump noch der Mehrheit der Bevölkerung auferlegen wollen.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49041/1.html

Anhang

Links

[0]

https://www.flickr.com/photos/disneyabc/27854799503/in/album-72157668335568183/

[1]

http://michaelmoore.com/trumpwillwin/

[2]

http://www.taz.de/!5322422/

[3]

https://www.luebbe.de/bastei-entertainment/ebooks/politik-und-gesellschaft/auf-der-suche-nach-amerika/id_3135087

[4]

http://www.express.co.uk/news/world/695409/donald-trump-who-is-ghazala-khan-mother-dead-muslim-soldier-democratic-convention

[5]

http://www.tagesspiegel.de/politik/auf-einer-linie-mit-wladimir-putin-donald-trump-zeigt-verstaendnis-fuer-krim-annexion/13956732.html

[6]

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48653/