Besteht noch Hoffnung für die Friedensbewegung?

 

Gerade einmal 2.000 Menschen sind am vergangenen Samstag einem bundesweiten Aufruf von Friedensgruppen
gefolgt, in Berlin gegen den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch zu protestieren. „Obwohl Umfragen zufolge die Mehrzahl der Bundesbürger den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnt, lassen sich nur wenige Menschen mobilisieren.“ Diese Einschätzung von Ute Finckh vom Bund für Soziale Verteidigung hat sich wieder einmal bestätigt. Nach diesem Wochenende sieht die Zukunft der Gegner des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr nicht gerade rosig aus.

Besteht noch Hoffnung für die Friedensbewegung?
Wer diese Frage stellt, muss die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die geringe Beteiligung auch hausgemachte Gründe hat. Warum etwa sollten Menschen aus der Provinz den langen Weg nach Berlin auf sich nehmen, um allgemeinen Moralvorstellungen des Theologen Eugen Drewermann zu lauschen? Oder eine Rezitation von Wolfgang Borcherts berühmtem Gedicht „Sag Nein“ anzuhören? Es handelt sich zweifellos um einen eindrucksvollen Evergreen der Friedensbewegung. Aber istes auch ein hilfreicher Beitrag zur Debatte in der aktuellen Situation?

Weil er arbeitslos war
Da wäre es doch erfolgversprechender, sich an den Initiatoren des Fuldaer Appells ein Beispiel zu nehmen. Initiiert wurde der Aufruf bereits im vergangenen Herbst. Unmittelbarer Anlass war der Tod eines Soldaten aus der osthessischen Stadt, der an seinen schweren, in Afghanistan zugezogenen Verletzungen gestorben war. „Bei seiner Beerdigung wurde viel über seinen Tod für das Vaterland schwadroniert, aber dass der Mann zur Bundeswehr gegangen war, weil er arbeitslos war und keine Chance auf einen zivilen Job hatte, wurde nicht erwähnt“, meint Karin Masche vom Fuldaer DGB-Kreisvorstand. Sie initiierte daraufhin
den Fuldaer Appell – in dem nicht nur einfach der Rückzug der Bundeswehr gefordert wird, sondern auch eine zivile Jobalternative für Bundeswehrangehörige.
Die Initiative hat in den letzten Monaten viel Unterstützung gefunden. Tatsächlich hat die Friedensbewegung hier zu Lande noch eine Chance, wenn sie sich am Fuldaer Appell orientiert, also mehr konkrete Forderungen aufstellt und vor allem regionale Initiativen stärkt.
Dass ausgerechnet das osthessische Fulda eine Pionierrolle einnimmt, ist kein Zufall. Die Stadt hat zwar den Ruf, eine besonders konservative Hochburg zu sein, in der ein CDU-Rechtsausleger wie Alfred Dregger jahrzehntelang als Oberbürgermeister amtierte und Bischof
Johannes Dyba eine besonders konservative Variante des Katholizismus praktizierte. Weniger bekannt ist, dass rund um Fulda vor rund 25 Jahren eine starke Antikriegsbewegung entstanden ist. Nicht zuletzt wegen der US-Planspiele, denen zufolge das Fulda Gap im Kriegsfall zum militärischen Aufmarschgebiet werden sollte. Damals wechselten Ostermärsche, Antikriegscamps und Manöverbehinderungsaktionen einander ab. So entstand eine regionale friedenspolitische Infrastruktur, die noch heute handlungsfähig ist. Davon kann die Antikriegsbewegung in Deutschland lernen, wenn sie wieder ein politischer Faktor werden will.
erschienen in Printausgabe der Wochenzeitung Freitag 8/2010

Peter Nowak bloggt auf freitag.de