Braunes Gedenkritual

Die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ plant am 16. Februar einen bundesweiten Aufmarsch „für die alliierten Bombenopfer“ in Fulda.

„Ein Licht für Dresden“, lautet das Motto eines für den 16. Februar geplanten Fackelmarschs, zu dem die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ bundesweit mobilisiert. Doch…

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Wirbel um Grup Yorum


Einer linken Band aus der Türkei wurde im hessischen Fulda der Konzertort gekündig
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Im osthessischen Fulda sorgen in den letzten Tagen junge Frauen für Aufmerksamkeit, die in der Innenstadt Flugblätter verteilen und Lieder singen. Bekleidet waren sie mit einem T-Shirt mit der Aufschrift Grup Yorum. Bundesweit wird auf Plakaten zu einem antirassistischen Festival in der Messe-Galerie der Domstadt mobilisiert, auf dem auch die 1985 von linken Studierenden in der Türkei gegründete Band auftreten sollte.

Doch die Fuldaer Stadtverwaltung hat den Vertrag gekündigt. Das Verwaltungsgericht Kassel bestätigte diesen Schritt. Es begründete seine Entscheidung mit formalen Fehlern des Freidenkerverbands, der das Gelände angemietet hatte. Der Vertrag sei nicht wie vorgeschrieben von einer zweiten Person aus dem Vorstand unterzeichnet gewesen. Darüber hinaus befand das Gericht, dass die Messe- Galerie nur für »unpolitische« Veranstaltungen ohne größeres Konflikt- und Gefahrenpotenzial geeignet sei. Der Auftritt von Grup Yorum würde nach Ansicht des Gerichts für Unruhe sorgen.

Wie sich aus den Internetauftritten dieser Gruppe entnehmen lasse, seien deren Auftritte hoch politisch, erläutert das Gericht in seinem Urteil. Daher sei es »rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Stadt mit Blick auf das umliegende Wohngebiet das Gelände nicht für eine solche Veranstaltung zur Verfügung stellen wolle«, heißt es.

Mit Verboten und Schikanen hat Grup Yorum seit ihrer Gründung zu kämpfen. Nicht erst unter der AKP-Regierung in der Türkei werden die Musiker immer wieder verhaftet und gefoltert. Erst kürzlich wurden in der Türkei wieder Bandmitglieder inhaftiert. Weil sie Nachwuchsmusiker vor allem in den Armenvierteln der großen türkischen Städte ausbildet, kann die Band überhaupt bis heute weiter bestehen. Im Grup-Yorum-Chor wird auf eine gute Stimme, aber auch auf politische Bildung Wert gelegt. Die zersplitterte türkische und kurdische Linke trift sich bei Grup-Yorum-Konzerten. Längst hat die Band auch in der türkischen Diaspora im Ausland viele Fans. Dabei betonen die Musiker, dass sie keine Jugend- und Subkultur bedienen. »Wir stützen uns in erster Linie auf die populäre Musik Anatoliens«, erklärten sie in einem Interview.

Wahrscheinlich wird die Band nun aber doch in Fulda ihre Künste darbieten können – denn es wurde ein Ausweichort gefunden. Nach Angaben des hessischen Landesvorsitzenden des Freidenkerverbandes, Willi Schulz-Baratin, kann das Konzert auf einem Parkplatz vor dem städtischen Stadion stattfinden. Bis zu 3000 Besucher aus ganz Europa werden dort erwartet. Auch Wolfgang Lettow von der Publikation »Gefangeneninfo« will aus Hamburg anreisen. Eine größere Teilnahme von deutschen Unterstützern wäre für ihn auch ein Schutz für das Konzert. Bei einem Auftritt von Grup Yorum bei einem antirassistischen Fest in Fulda war im letzten Jahr auf Anordnung der Polizei der Verkauf von T-Shirts und CDs der Band verboten worden. Auch Spenden durften nicht gesammelt werden.

Unterstützung für das Konzert am Samstag kommt auch vom LINKE-Kreisverband in Fulda. Ihr Direktkandidat zur Bundestagswahl, Nick Papak Amoozegar, kritisiert, dass durch die Fuldaer Behörden eine Terrorismushysterie erzeugt und die Kunstfreiheit beschnitten werde. Dass jetzt noch ein Ersatzort für den Auftritt gefunden wurde, sieht er als Erfolg der Band.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1054295.wirbel-um-grup-yorum.html

Peter Nowak

Verleugnete Nazi-Opfer I

Fulda: Antifaschisten bemühen sich um Aufklärung im Fall Dorit B.
Fulda ist eine Kleinstadt in Hessen. Wenig ist von ihr über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Doch in Fulda hat sich vor mehr als einer Dekade ein Mord ereignet, der einen rechten Hintergrund haben könnte. Antifaschisten bemühen sich in dem Fall um Aufklärung.

Heute jährt sich zum elften Mal der Mord an der Fuldaer Geschäftsfrau Dorit B. Die 54-Jährige war am 17. August 2001 in dem von ihr betriebenen Military-Shop im Zentrum der osthessischen Stadt erstochen worden. Der Täter wurde wenige Stunden nach der Tat verhaftet. Der zur Tatzeit 18-jährige Thüringer wurde vom Landgericht Erfurt nach Jugendstrafrecht wegen Mord aus Habgier verurteilt. Dorit B. habe den jungen Mann dabei ertappt, als er Bekleidungsstücke im Wert von etwa 1000 Euro aus dem Laden entwenden wollte, so die Anklagebehörde.

Naziaufmarsch im bayerischen Wunsiedel

Die »Fuldaer Zeitung« schrieb schon kurz nach der Tat: »Für eine Verbindung zur rechten Szene gibt es nach den bisherigen Ermittlungen keine Anhaltspunkte«. Doch Antifaschisten recherchierten weiter und veröffentlichten die Ergebnisse auf der Onlineplattform www.fuldawiki.de.

Am Tatwochenende mobilisierte die Naziszene bundesweit zu einem Aufmarsch zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess ins bayerische Wunsiedel. Fulda fungierte damals als einer der Orte, von dem die Rechten Mitfahrmöglichkeiten anboten. War der Täter auf dem Weg zum rechten Aufmarsch und wollte die geklauten Military-Kleidungsstücke dort weiterverkaufen, lautet eine der bisher unbeantwortet gebliebenen

Fragen der Antifaschisten.

Der Täter sagte mehrmals aus, dass der Mord an der Fuldaer Geschäftsfrau ein Aufnahmeritual für die Heidenfront war. Diese völkische Strömung kombiniert einen Bezug zu germanischem Heidentum mit der »Blut-und-Boden-Ideologie« des Nationalsozialismus. Das Christentum wird von ihr »als Schwächeanfall des germanischen Volkes« bezeichnet. In verschiedenen skandinavischen Ländern verübten rechte Heiden Brandanschläge auf Kirchen. In Thüringen machte ein Aktivist der neuheidnischen Szene in den 90er Jahren Schlagzeilen, weil er einen 14-jährigen Mitschüler in Sondershausen tötete. Seit mehreren Jahren ist die Heidenfront politisch inaktiv.

»Der rechte Hintergrund des Mörders von Dorit B. spielt auch zehn Jahre nach der Tat noch immer keine Rolle«, so Karin Masche gegenüber »nd«. Sie sitzt für »Die Linke.Offene Liste« im Fuldaer Stadtparlament. In einer Anfrage an den Magistrat der Stadt wollte die Fraktion wissen, ob sie Dorit B. als Opfer rechter Gewalt anerkennt und ihrer gedenkt. In seiner Antwort wollte der Fuldaer Bürgermeister Wolfgang Dippel (CDU) beide Fragen nicht beantworten. »Die Bewertung und Ermittlung zum Tathergang obliegt in der alleinigen Zuständigkeit der Strafermittlungsbehörde, d. h. der Staatsanwaltschaft und allenfalls noch des Verfassungsschutzes«, weist er die Verantwortung der Politik zurück.
Ausweichende Antwort der Bundesregierung

Auch die Linksfraktion im Bundestag wollte in einer Anfrage von der Bundesregierung wissen, warum die Tötung von Dorit B. nicht als politisch motivierte Straftat erfasst wird. In der Antwort weist ein Sprecher der Bundesregierung darauf hin, dass die Zuordnung einer Straftat zur politisch motivierten Kriminalität den Polizeibehörden des Landes, in dem sich der Tatort befindet, obliegt.

Masche will sich auch nach dem Jubiläum weiter um Aufklärung bemühen und dafür kämpfen, dass Dorit B. als Opfer rechter Gewalt gedacht wird.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/235793.verleugnete-nazi-opfer-i.html

Peter Nowak