Freundeskreis Paul Wulf (Hg.): »Ich lehre euch Gedächtnis«. Paul Wulf: NS-Opfer, Antifaschist, Aufklärer. Unrast-Verlag, Münster 2021, 304 Seiten, 19,80 Euro

»Paul bleibt«

Wulf verbrachte viel Zeit in Bibliotheken, um über die Nazivergangenheit von Münsteraner Medizinern zu recherchieren. »Mein Ziel ist es«, erklärte er, »den kleinkarierten Bürgern, die immer noch den Nazis nachtrauerten, Aufklärung zu bieten.«

Am 2. Mai dieses Jahres versammelten sich rund 100 Menschen in Münster, um Paul Wulfs zu gedenken, der an diesem Tag seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Aus diesem Anlass hat der Freundeskreis Paul Wulf den Band »›Ich lehre euch Gedächtnis‹« herausgegeben, der das Leben eines Mannes nachzeichnet, der als Jugendlicher …

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In Münster wurde an Paul Wulf erinnert, der 100 Jahre alt geworden wäre

Aufklärer und Antifaschist

Als besonderes Geburtstagsgeschenk hat der Freundeskreis zudem im Unrast-Verlag ein vorzüglich gestaltetes Buch mit dem programmatischen Titel »Ich lehre Euch Gedächtnis - Paul Wulf: NS-Opfer, Antifaschist, Aufklärer« herausgegeben.

»Ich lehre Euch Gedächtnis« lautet der programmatische Titel einer Gedenkveranstaltung, an der sich am 2. Mai in Münster rund 100 Menschen beteiligten. Sie erinnerte an Paul Wulf, einen Mann, der im Nationalsozialismus zwangssterilisiert und nach 1945 immer wieder ausgegrenzt wurde. Heute ist er auch über Münster hinaus sehr bekannt. Der Freundeskreis Paul Wulf hatte zur Matinee eingeladen. Unterstützt wurde die Gedenkveranstaltung auch von der Stadt Münster. Die Gedenkveranstaltung fand vor der Paul-Wulf-Skulptur in der Nähe des Münsteraner Hauptbahnhofs statt. Das Kunstwerk hatte …

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Streit um dauerhafte Ehrung für von den Nazis Verfolgten damit zu Ende

Münster behält Gedenkort für Paul Wulf

Die Einheitsfront gegen Rechts war Paul Wulf als NS-Verfolgter besonders Anliegen. So beteiligte er sich 1980 an Aktionen gegen den damaligen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien Franz Josef Strauß. Drücke erinnert sich gern an Wulfs derben Humor, der in der autonomen Linken nicht allen gefiel. Er bezeichnet Wulf als einen frühen Spaßguerillero

Die Stadt Münster wird den Gedenkort an Paul Wulf dauerhaft erhalten. Das hat die Bezirksvertretung Münster-Mitte Ende Juni einstimmig beschlossen. Damit geht ein jahrelanger Streit um die lebensgroße Wulf-Skulptur am Münsteraner Servatiiplatz zu Ende. Sie wurde 2007 im Rahmen einer Skulpturenausstellung von der Künstlerin Silke Wagner gestaltet. Der Kopf ist dem Konterfei von Paul Wulf nachempfunden. Der Körper ist im Rahmen einer Litfaßsäule gestaltet, auf der in regelmäßigen Abständen Flugschriften zu aktuellen politischen Themen zu lesen sind.  Für die Wechselplakatierung und Betreuung der Internetseite stellt die Bezirksvertretung jährlich 5000 Euro zur Verfügung. 2012 wurde nach Paul Wulf ein Weg in Münster benannt – späte Ehrung für einen, der im Nationalsozialismus als ….

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Kunst, mitten ins Leben gesetzt

Münsters Skulpturenschau läuft noch bis zum 1. Oktober

Derzeit trifft man in der Universität Münster (Nordrhein-Westfalen) immer wieder Menschen, die mit einem Stadtplan in der Hand ihre Umgebung absuchen. Es sind Besucher der fünften Skulpturenausstellung – noch bis zum 1. Oktober können Projekte von 38 internationalen Künstlern, die in der ganzen Stadt verteilt sind, besichtigt werden. So hat der in Paris geborene und in den USA lebende Künstler Pierre Huyghe in einer ehemaligen Eissporthalle am Stadtrand in einer Landschaft aus Ton, Sand, Styropor und Wasser ein Biotop geschaffen. Bienen fliegen dort herum und in einem Terrarium lebt ein Krebs, dessen Geräusche mit einem Verstärker die gesamte Halle beschallen.

Wer die Installation der Münchner Künstlerin Hito Steyerl kennenlernen will, muss das Foyer der Westdeutschen Landesbank besuchen. In kurzen Videos wird gezeigt, wie Roboter auf ihre Stabilität getestet werden. In einem weiteren Video wird die Rolle der Computertechnologie bei der Zerstörung der Altstadt von Diyarbakir durch die türkische Armee im letzten Jahr untersucht.

Der nigerianische Künstler Emega Ogboh hat an einer Unterführung neben dem Münsteraner Hauptbahnhof Lautsprecher aufgestellt, in denen avantgardistische Musik zu hören ist. Doch ein Großteil der Passanten nimmt sie gar nicht wahr. Seit der ersten Skulpturenausstellung im Jahr 1977 gehört es zum Grundsatz, die Kunst dort hinzubringen, wo sich die Menschen täglich aufhalten – also eben nicht in Museen und Galerien.

Auch kann man auf der Wiese vor dem Aasee, in Parks und auf Plätzen noch Skulpturen aus den vergangenen vier Ausstellungen sehen. Denn einige Installationen bleiben der Stadt erhalten. Schon heute wird deshalb in den regionalen Zeitungen, aber auch unter den Ausstellungsbesuchern rege debattiert, welches Kunstwerk der aktuellen Ausstellung auf keinen Fall verschwinden soll. Die Landschafts-Installation von Piere Huyghe etwa hat keine Chance zu bleiben, weil es für die alte Eissporthalle, in der sie zu sehen ist, schon einen Abrisstermin gibt.

Um ein Exponat, das von der vierten Skulpturenmesse im Jahr 2007 stehen blieb, gab es von Anfang an politische Auseinandersetzungen. Die überlebensgroße Figur ganz in der Nähe des Münsteraner Hauptbahnhof erinnert an den 1999 verstorbenen Autodidakten Paul Wulf. Er wuchs in einem Kinderheim auf, wo er während der Herrschaft der Nazis im Alter von 16 Jahren ohne Betäubung zwangssterilisiert wurde. In der Nachkriegszeit engagierte sich der gesundheitlich schwer angeschlagene und gesellschaftlich weiter stigmatisierte Mann in der außerparlamentarischen Linken von Münster. Davon berichten die regelmäßig erneuerten Plakate auf der Wulf-Skulptur – Texte zum Kampf gegen AKW, gegen Zwangssterilisierung und gegen alte und neue Nazis. Das waren die Themen, mit denen sich Wulf beschäftigte.

Seit zehn Jahren nun steht die Wulf-Figur am Rande des Stadtzentrums Münsters. Zunächst wollten CDU und FDP im Kulturausschuss verhindern, dass sie überhaupt erhalten bleibt. Sie mussten nachgeben, weil ein großer Teil der Ausstellungsbesucher von 2007 diese Figur zum beliebtesten Exponat erkoren hatte. Doch ob es dabei bleibt, ist unklar. »Noch immer ist der dauerhafte Erhalt der Wulf-Figur nicht gesichert«, beklagt Bernd Drücke vom Freundeskreis Paul Wulf gegenüber »nd«. Er setzt sich für einen dauerhaften Erhalt des Gedenkortes für den Verfolgten des NS-Regimes ein.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1064881.kunst-mitten-ins-leben-gesetzt.html

Peter Nowak