Immer noch zu deutsch

Ein Jahr nach Entstehung der Bewegung der »Empörten« ist diese noch immer kein gesamteuropäisches Phänomen. Auch im Rahmen der »Blockupy«-Proteste in Frankfurt standen eher die Verbotsverfügungen der Behörden als die europäische Krisenpolitik im Vordergrund.

Nachdem am vergangenen Wochenende in vielen europäischen Städten die Entstehung der Bewegung der Indignados vor einem Jahr mit Demonstrationen gefeiert worden ist, wird in dieser Woche Frankfurt zum Zentrum der Proteste gegen die europäische Krisenpolitik. Das ist zumindest der Wunsch einer großen Anzahl von Gruppen, die seit Monaten unter dem Sammelbegriff »Blockupy« zu Aktionstagen vom 16. bis zum 19. Mai aufrufen. In den vergangenen Wochen bekam die Protestbewegung neuen Schwung. Allerdings war dies weniger auf die jüngsten politischen Entwicklungen in Europa, insbesondere die griechischen Wahlen, zurückzuführen. In Griechenland gibt es gegenwärtig keine parlamentarische Mehrheit mehr für die Weiterführung des von der EU vorgeschriebenen Spardiktats. Die Volksabstimmung über den Sparplan, die der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Georgios Papan­dreou nach starkem Druck aus Brüssel und Deutschland wieder zurückziehen musste, hat so in Form von Parlamentswahlen doch noch stattgefunden. Plötzlich sind ganz neue Töne aus Griechenland zu hören, wenn einer der Wahlsieger, der Vorsitzende der zweitstärksten Partei Syriza (Linksallianz) in einem Brief an die EU-Verantwortlichen die Zeit der Spardiktate für beendet erklärt. Die Tageszeitung Der Standard aus Wien hat den Wahlausgang in Athen in einem Kommentar zu einer »griechischen Revolution« stilisiert, die den Kritikern des Kapitalismus Auftrieb gebe.

Obwohl die Proteste in Frankfurt sich genau gegen die EU-Politik richten, die in Griechenland exemplarisch exekutiert werden soll, wurden die Wahlergebnisse im Rahmen der Protestaktionen kaum diskutiert. Schließlich nennt sich eine der wichtigsten Gruppen im Protestbündnis »No Troika«, und bezieht sich so unmittelbar auf die Gruppe der EU-Abgesandten, die die Sparmaßnahmen diktiert hat und für die Umsetzung sorgen soll. Popularität verschafft wurde den »Blockupy«-Protesten dennoch eher von den deutschen Ordnungsbehörden. Die haben in der vorigen Woche sämtliche angemeldeten Aktionen verboten. Dazu gehören das Aufstellen von Zelten in der Innenstadt von Frankfurt, eine Rave-Party sowie eine Mahnwache von kapitalismuskritischen Ordensleuten.

Mittlerweile haben die Ordnungsbehörden gar wieder einen von Juristen heftig gerügten Ladenhüter aus der Hochzeit der globalisierungskritischen Proteste aus der Schublade geholt. So verschickte die Polizei an politische Aktivisten Verfügungen, sich während der Protesttage nicht in der Frankfurter City aufzuhalten. Die Verbotspolitik wird flankiert von Versuchen, das Bündnis »M31« zu kriminalisieren, das am 31. März eine Demonstration an der Baustelle der EZB am Rande der Frankfurter Innenstadt organisiert hatte. Diese war aufgelöst worden, nachdem es zu auch innerhalb des Bündnisses umstrittenen Steinwürfen gekommen war. Viele der Demonstrierenden wurden stundenlang eingekesselt. Nach diesen Vorfällen wurde das »M31«-Bündnis vom Frankfurter CDU-Ordnungsdezernenten Markus Franz zu einer »gewaltbereiten Gruppierung« erklärt.

Die Verbotsversuche in Frankfurt liegen ohnehin im europäischen Trend. Die konservative Regierung in Spanien verfolgt etwa Gewerkschafter, die sich am Generalstreik am 29. März beteiligt haben. Laura Gómez, eine Funktionärin der CGTg seit dem 24. April in Untersuchungshaft. Zudem will man das Errichten von Zelten in den spanischen Innenstädten mit hohen Strafen belegen. Auf dieser Grundlage hat die Polizei in der Nacht zum 13. Mai in vielen Städten, in denen Demonstranten Protestcamps errichten wollten, die Kundgebungen aufgelöst. An der Puerta del Sol, wo sich am Samstag laut Polizeiangaben rund 30 000 Menschen versammelt hatten, schritt die Polizei in der Nacht ein und räumte gewaltsam den Platz, auf dem sich noch mehrere hundert Demonstranten befanden. Mindestens 15 Menschen wurden festgenommen.

Ähnlich wie über die sozialen Kämpfe in anderen europäischen Ländern ist auch über die Repression in den Publikationen der deutschen Kapitalismuskritiker wenig zu erfahren. Facebook und Twitter hin oder her: Von einer europäischen Protestbewegung kann nicht die Rede sein. Der hiesigen Protestbewegung gegen die europäische Krisenpolitik könnte man genau dasselbe vorwerfen, was sie an der Politik der großen Gewerkschaften seit Jahren zu Recht kritisiert: Auch sie agiert noch vorwiegend im nationalstaatlichen und nicht im europäischen Rahmen. Daher sorgt nicht das »No-Troika« der griechischen Wähler, sondern das Frankfurter Ordnungsamt für die Mobilisierung.

Dabei gibt es seit Monaten immer wieder Aufrufe von unterschiedlichen Teilen der griechischen Protestbewegung, die Verbündete in anderen europäischen Ländern sucht. Statt eine Antwort aus dem linken Spektrum kursiert nun ein von Intellektuellen verfasster moralischer Appell zur »Neugründung Europas« (s. Seite 5), aus dem man schließt: Alles soll so weitergehen, wie bis jetzt, nur die Rhetorik soll etwas sozialer werden. Dazu passte auch der Wahlsieg des Sozialdemokraten François Hollande in Frankreich. Selbst konservative Politiker aus Italien und Spanien nutzen jetzt die Chance, die deutsche Dominanz in der EU zu kritisieren, während die Bundesregierung eisern am Grundsatz festhält, Sparkurs und Wirtschaftswachstum gehörten zusammen. So könnte gerade der oft beschworene »frische Wind aus Frankreich« dazu dienen, den alten EU-Kurs mit Unterstützung von Grünen und Sozialdemokraten gegen die »No-Troika«-Rufe aus Griechenland, Irland oder anderen Ländern der europäischen Peripherie zu festigen.

Ob es während der Frankfurter Aktionstage die Gelegenheit geben wird, sich mit solchen Szenarien auseinanderzusetzen, ist offen. Dabei fehlt es an einer transnationalen Kommunikation. Auf einem europäischen Treffen zur Krise in der EU von Gewerkschaftern und sozialen Initiativen Anfang Mai in Brüssel gab es vielfach die illusionäre Hoffnung auf neokeynesianische Elemente in der europäischen Wirtschaftspolitik durch eine Stärkung der sozialdemokratischen Parteien auf EU-Ebene.

Ob das »M31«-Bündnis eine eigene Strömung im Rahmen der europaweiten Proteste bilden wird, bleibt abzuwarten. An einer maßgeblich von dieser Strömung organisierten Demonstration in Berlin Anfang Mai, die sich unter dem Motto »Mehr Technokratie wagen« mit den sozialen Bewegungen in Griechenland solidarisierte, hatten sich noch höchstens 150 Menschen beteiligt. Am vergangenen Wochenende demonstrierten in Berlin nach Veranstalterangaben knapp 5 000 Menschen für eine Neubelebung der »Occupy«-Bewegung. Nach Verboten der Polizei wurde gar nicht erst versucht, das geplante Zeltlager am Alexanderplatz zu erreichten.

Ende Mai wird in Irland in einem Referendum über den Fiskalpakt abgestimmt. Dort rufen soziale Gruppen und Gewerkschaften zu einem linken »Nein« auf. Einen besseren Anlass für die Mobilisierung für die europäischen Krisenproteste im Mai könnte man sich eigentlich nicht vorstellen. Man muss ihn nur nutzen.

http://jungle-world.com/artikel/2012/20/45454.html
Peter Nowak

Polizeifestspiele in Frankfurt

Aktivisten fühlten sich an die bleiernen Jahre des Deutschen Herbstes erinnern. Nicht Blockupy, sondern die Polizei hat das Bankenviertel blockiert

„Blockupy: EZB und Bankenviertel erfolgreich blockiert“, heißt es auf der Homepage des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac. Damit hatten sie nicht unrecht, aber es war die Polizei, die mit ihren Maßnahmen für die Blockaden sorgte. Den ganzen Tag über waren sie auf der Suche nach Menschen, die sich vielleicht zu politischen Zwecken im öffentlichen Straßenraum bewegten. Immer wieder wurden Menschen eingekesselt, gelegentlich setzte die Polizei auch Wasserwerfer ein. Insgesamt wurden im Laufe des Tags fast 500 Personen zumindest kurzzeitig festgenommen.

Auswärtige Aktivisten kamen oft schon gar nicht nach Frankfurt, das von Schwarz-Grün regiert wird. So waren schon am Donnerstag mehrere Busse aus Berlin in unmittelbarer Nähe von Frankfurt angehalten und von der Polizei zur Rückkehr nach Berlin aufgefordert worden. Eine italienische Protestgruppe musste in den letzten Tagen auf einen Campingplatz am Rande von Frankfurt bleiben. Wenn sie in der Innenstadt entdeckt worden wären, hätte ihnen Haft gedroht. Dagegen regte sich in Italien Protest. Vor der deutschen Botschaft in Rom demonstrierten Menschen gegen die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. In Venedig wurde sogar das deutsche Konsulat besetzt.

Die erneuten Stadtverbote sind schon deshalb erstaunlich, weil erst vor wenigen Tagen an mehr 400 Personen persönlich gerichtete Verfügungen aufgehoben worden waren, während der Aktionstage die Frankfurter Innenstadt nicht zu betreten. Damals waren die Maßnahmen zuvor begründet worden, dass die Betroffenen während des antikapitalistischen Aktionstages am 31. März polizeilich kontrolliert worden seien. Da aber niemandem eine Straftat nachgewiesen wurde, hätte das Stadtverbot wohl einer juristischen Nachprüfung nicht standgehalten, was ein Grund für die Aufhebung war. Wieso aber nun ein Stadtverbot gegen Personen, die nur mit einem Bus aus Berlin nach Frankfurt gefahren sind, eine größere rechtliche Basis haben soll, konnten auch Anwälte nicht beantworten.

Die Frankfurter Polizei zumindest äußerte sich höchst zufrieden mit dem bisherigen Ablauf. In der täglichen Pressemitteilung wurde unter den wenigen Sachbeschädigungen ein abgerissenes Verkehrsschild aufgeführt. Trotzdem geht der harte Kurs, der vor allem von der Lokalkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausdrücklich begrüßt wurde, noch bis in die Abendstunden weiter. Am späten Freitagabend wurden rund um den Unicampus, auf dem sich zahlreiche Aktivisten aufhielten, die Kontrollen verstärkt.

Weniger Teilnehmer als erwartet

Insgesamt blieb die Zahl der Teilnehmer an den Aktionen hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück. Daran hat sicher das Verbot ebenso beigetragen wie die mediale Berichterstattung, die Menschen von der Teilnahme abschrecken sollte. Allerdings zeigte sich auch in den letzten Tagen wieder einmal, dass ein ausgeprägtes Krisenbewusstsein bei einem großen Teilen der Bevölkerung nicht vorhanden ist und auch nicht durch Großaktionen erzeugt werden kann.

Jetzt wird von der Teilnahme an der genehmigten Großdemonstration abhängen, ob die Aktionstage ein Erfolg waren oder nicht. Nach den Tagen der Demonstrationsverbote wird eine fünfstellige Teilnehmerzahl erwartet. Vor allem wird sich nun zeigen, ob sich das liberale Frankfurter Bürgertum, das in den letzten Tagen still blieb, in die Debatte einmischt. Schließlich können sich selbst langjährige Aktivisten, wie die Ökolinx-Stadtverordnete Jutta Ditfurth, an ähnlich massive Demokratieeinschränkungen in Frankfurt nicht erinnern. Man muss schon in die späten 70er Jahre zurückblicken, um auf ähnliche flächendeckende Verbote zu stoßen.

http://www.heise.de/tp/artikel/36/36964/1.html
Peter Nowak

„Wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut“

Trotz eines starken Polizeiaufgebots gab es heute Demonstrationen von Kapitalismuskritikern in der Innenstadt von Frankfurt, Blockupy plant weitere Kundgebungen

Um die 1000 Menschen protestierten auf dem Frankfurter Paulsplatz mit dem Grundgesetz in der Hand gegen die gerichtlich bestätigten Demonstrationsverbote in der Frankfurter Innenstadt und die gestrige Räumung des Occupy-Camps. „Wir sind hier und wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut“, lautete ein häufig gerufener Protestslogan.

Der Platz wurde wegen der historischen Implikationen bewusst gewählt. Die Paulskirche gilt als Geburtsstätte der bürgerlichen Demokratie von 1848. Allerdings ist dieser Bezug nicht unproblematisch. Schließlich waren die in der Paulskirche diskutierten Konzepte längst nicht so demokratisch, weil dort Freiheiten weitgehend vom Einkommen abhängig gemacht wurden. Außerdem bekommen die Proteste durch den Paulskirchenbezug einen nationalstaatlichen Bezug, den die Blockupy-Proteste gerade überwinden wollten. So könnte schnell in den Hintergrund geraten, dass noch immer die griechische Bevölkerung von den EU-Sparplänen am meisten betroffen ist.

Attac erinnerte in einer Pressemitteilung immerhin daran, dass die EZB massiven Druck auf die griechische Regierung ausübt, gegen den Wählerwillen die Vereinbarungen mit der EU-Troika umzusetzen. Zudem hat die EZB mehreren griechischen Banken keine weitere Liquidität mehr zur Verfügung gestellt, um den Druck zu erhöhen „Mit dieser Entscheidung beteiligt sich die EZB an der Erpressung Griechenlands. Sie will das Land zwingen, die desaströse Austeritätspolitik fortzuführen, die weder tragbar noch erfolgreich ist“, sagte Thanos Contargyris von Attac Hellas, der sich an den Blockupy-Protesten beteiligen will. Auch aus weiteren europäischen Ländern sind Aktivisten auf dem Weg in die Mainmetropole.

Das Blockupy-Bündnis hat mittlerweile eine aktuelle Protestagenda veröffentlicht, die sie trotz der massiven Behinderungen in den nächsten Tagen umsetzen will. Neben Demonstrationen und Kundgebungen will man auch eine Konferenz der sozialen Bewegungen abhalten.

Juristische Auseinandersetzung geht weiter

Schon jetzt ist klar, dass die juristische Auseinandersetzung auch nach dem Ende der Aktionstage weitergehen wird. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass wie schon in der Vergangenheit bei anderen Protestaktionen das Verbot nachträglich für rechtswidrig erklärt wird. Die juristischen Auseinandersetzungen der letzten Monate haben nach Meinung von Protestbeobachtern Auswirkungen auf den Polizeieinsatz in Frankfurt. So sei bisher auf den Einsatz von Drohnen und die Funkzellenauswertung verzichtet worden. Diese Maßnahmen kamen bei Demonstrationen in den letzten Jahren zur Anwendung und haben Kritik von Datenschützern und Juristen ausgelöst.

Morgen wird sich zeigen, ob die Polizei weiterhin ohne diese viel kritisierten Instrumentarien auskommen wird. Dann werden Tausende Globalisierungskritiker aus der ganzen Republik zu den lange geplanten Protesten in Frankfurt eintreffen. Allerdings hat die Polizei mit ihren Maßnahmen bereits für ein Ziel des Protestes gesorgt: das Bankenviertel in Frankfurt ist blockiert.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152017
Peter Nowak

Bankenviertel soll protestfreie Zone werden

Die für Mitte Mai geplanten Krisenproteste wurden von den Behörden verboten und könnten zum Mobilisierungsschub führen, sind aber auch Ausdruck der Nervosität durch die EU-Krise

Um die Occupy-Bewegung war es zumindest in Deutschland in den letzten Wochen stillgeworden. In Frankfurt war das Camp der Bewegung in den kalten Tagen des vergangenen Winters zum Zufluchtsort der wachsenden Zahl der Wohnungslosen geworden, die es in der Bankenmetropole gibt.

Doch gerade zu Beginn der wärmeren Jahreszeit wächst die Kritik von Geschäftswelt und den Behörden. So soll eine rumänische Familie, die Teil des Camps ist, den Platz verlassen. Die Occupy-Aktivisten lehnen das Ansinnen, ihre Teilnehmer nach Pässen zu sortieren, empört ab. Auch andere, lange Zeit von den Behörden geduldeten Vorgänge werden auf einmal von den Behörden moniert. Die Zeit, in der sich Opernbesucher, Polizisten und sogar Bankchef Ackermann gerne mit den Paradiesvögeln von Occupy ablichten ließen, scheint vorbei.

Der Grund ist schnell gefunden und nennt sich Blockuppy, eine Kooperation der Krisenproteste und der Occupy-Bewegung, die vom 16.-19. Mai mit internationaler Beteiligung das Zentrum von Frankfurt zu einem Forum der Debatten und des Protestes machen will. Die Aktionstage knüpfen an den europäischen Krisenprotesttag M31 an, an dem am 31. März in verschiedenen europäischen Ländern soziale Bewegungen auf die Straße gegangen waren. Doch knapp zwei Wochen vor dem anvisierten Protestbeginn wollen die Behörden das Areal um das Bankenviertel zur demonstrationsfreien Zone erklärt.

Zunächst haben die Behörden 12 von den Blockuppy-Organisatoren angemeldete Mahnwachen, Camps und Kundgebungen untersagt. Wenige Tage später verschärften die Behörden ihren Kurs noch einmal und verboten sogar einen Rave und eine Mahnwache von kapitalismuskritischen Ordensleuten verboten. Die Aktivisten geben sich kämpferisch und organisieren juristischen und politischen Protest. Die Liste der Unterzeichner der Protestresolution gegen das Blockupy-Verbot reicht von Politikern der Grünen und der SPD bis zu international bekannten Wissenschaftlern.

Wiederholt sich das Szenario von Dresden in Frankfurt?

Manche Aktivisten witzeln schon, das Verbot sei das beste, was den Aktivisten geschehen konnte. Schließlich war die mediale Aufmerksamkeit für Blockuppy lange gering und auch die Mobilisierung in der sozialen Bewegung ließ eher zu wünschen übrig. Zudem fragen sich manche Aktivsten, warum sie nach dem M31-Aktionstag wenige Wochen später erneut in Frankfurt/Main protestieren sollen.

Das Demoverbot hat die Frage beantwortet. Nun geht es um die Verteidigung der Grundrechte, die mit dem Totalverbot aller Kundgebungen in Frage gestellt sind. Erinnerungen werden wach an die Wochen vor den Protestaktionen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, die durch eine Polizeirazzia Zulauf bekamen. Ähnlich war es mit den Blockadeaktionen gegen einen rechten Aufmarsch in Dresden, gegen den die Justiz mit Hausdurchsuchungen und Strafverfahren mobilisierte. Die Folge war eine enorme Sympathiewelle für die Aktivisten, die als Sieger .aus dem Machtkampf mit der Justiz hervorgingen.

Vieles spricht dafür, dass es Mitte Mai in Frankfurt/Main ähnlich ausgeht. Da es weder politisch noch juristisch möglich sein wird, Tausende Menschen daran zu hintern, nach Frankfurt zu kommen, werden die Behörden ihre harte Haltung kaum aufrecht erhalten können. Es ist wahrscheinlich, dass die Gerichte das Totalverbot kippen.

Grundrechte im Zeichen der Krise

Dabei wäre es aber falsch, die Maßnahmen als Alleingang von einigen Behörden zu interpretieren. Schließlich hat sich die hessische Landesregierung klar hinter den harten Kurs gestellt. Zudem soll auch den Aktivisten, die in Berlin zum12 März im Rahmen eines internationalen Aktionstages einen Occupy-Neustart planen, eine zweiwöchige Dauermahnwache an einem zentralen Platz untersagt worden.

Am vergangenen Wochenende wurde in Brüssel dem international bekannten Kapitalismuskritiker Walden Bello die Einreise zu einer Konferenz untersagt, die sich mit der Koordinierung der Proteste befasste. Er wurde am Brüsseler Flughafen festgehalten und zurück in die USA geschickt. Die fortdauernde europäische Krise sorgt auch in Ländern wie Belgien und Deutschland bei den politisch Verantwortlichen für Nervosität, wie die Verbote, Einreiseverbote und andere Grundrechtseinschränkungen zeigen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151976
Peter Nowak

Zweimal Frankfurt und zurück


Für den Frühling planen verschiedene linke Gruppen Krisenproteste in Frankfurt am Main. Ein Bündnis will weg von der Bankenkritik und stellt die europäische und deutsche Krisenpolitik in den Vordergrun
d.

»Friedliche Evolution« stand auf einem gelben Banner, auf einem weißen prangte der Slogan: »Neoliberal ist asozial«. Auch eine Tafel mit dem Spruch »Wir sind das Volk« durfte nicht fehlen, als am vergangenen Samstag die »Occupy«-Bewegung in Dresden auf die Straße ging. Mit knapp 150 Teilnehmern lag die Demonstration in der Stadt durchaus im Trend, denn an ihrem dezentralen Aktionstag brachte die »Occupy«-Bewegung auch in den mehr als 40 anderen Städten – von Ansbach bis Würzburg – selten mehr Menschen auf die Straße. In der Regel lag die Beteiligung im zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich. Dass die Bewegung auch im neuen Jahr noch ein Faktor ist, daran durfte bereits gezweifelt werden, als in der vergangenen Woche, bei der Räumung des »Occupy«-Camps in Berlin-Mitte gerade einmal 15 Menschen passiven Widerstand leisteten. Nach einer Phase des Aufstiegs stagnierte die Bewegung zunächst und tritt nun offenbar in das Stadium des Verfalls ein – eine Entwicklung, wie sie viele Bewegungen schon zuvor durchgemacht haben.

Die Medien, die die »Occupy«-Bewegung im vergangenen Herbst noch als unideologische, pragmatische Kritiker des »Neoliberalismus« gefeiert haben, schreiben dieselbe nun nieder. Was vor einigen Monaten noch in der großen Presse als »Schwarmintelligenz« gelobt wurde, wird der Bewegung mittlerweile als Schwarmdummheit angekreidet.

Wenn Bewegungen zerfallen und sich viele Aktivisten zurückziehen, spielen immer auch interne Differenzen eine Rolle. Das war bei den »Occupy«-Protesten in Deutschland nicht anders. Hier kommt jedoch noch hinzu, dass das Leben in einem öffentlichen Camp im Winter eher ein körperlicher denn ein politischer Härtetest ist – oder auch ein sozialer. Vor allem in Frankfurt am Main wurde das Camp zunehmend zu einem Zufluchtsraum für Wohnungslose, die dort einen gewissen Schutz vor der Polizei, Sicherheitsdiensten und »Aktivbürgern« fanden. Dieses Sichtbarmachen von Armut und Obdachlosigkeit in einem reichen Land könnte durchaus ein Politikum sein, spielte aber in der Außendarstellung der Bewegung kaum eine Rolle. Stattdessen erging sich auch der zen­trale Aufruf zum Aktionstag in Platitüden – nach dem Motto: »Die Zeit ist reif für einen Politikwechsel« –, die häufig wirken, als wolle man die Politik lediglich beraten.

Viele radikale Linke in Deutschland standen der »Occupy«-Bewegung ohnehin skeptisch gegenüber. Nun mobilisieren sie jenseits von Occupy zu einem eigenen Protesttermin am 31. März, »M31« heißt die Kampagne. Für diesen Tag rufen linke Gruppen und Basisgewerkschaften in verschiedenen Ländern zu einem europaweiten Aktionstag »gegen den Kapitalismus« auf. An dem europaweiten Bündnis sind Gruppen aus Griechenland, Belgien, Österreich, Italien, Frankreich und Polen beteiligt. In Deutschland wiederum ist eine zen­trale Demonstration in Frankfurt am Main geplant, unter anderem organisiert vom »sozialrevolutionären und antinationalen Krisenbündnis« aus Frankfurt und dem bundesweiten, kommunistischen »Ums-Ganze«-Bündnis. Obwohl die Europäische Zentralbank ein Ziel der Demonstration sein soll, ist nicht Bankenkritik das Anliegen. In dem zentralen Mobilisierungsaufruf steht die Krisenpolitik der EU-Staaten im Mittelpunkt der Kritik.

»Die neoliberale Transformation der vergangenen Jahrzehnte hat auch die Finanzmärkte überkochen lassen. Ob Dotcom-Boom, Immobilienfonds oder Derivatehandel – seit Jahren platzen die Spekulationsblasen, auf jeden Boom folgt ein Einbruch«, heißt es in dem Aufruf zum »M31«. Und weiter: »Schuld daran sind nicht die vermeintliche Gier und Korruption einer kleinen Elite, wie viele glauben. Schuld ist die alltägliche Profitlogik, der wir alle unterworfen sind, ob wir wollen oder nicht.«

In den Stellungnahmen der initiierenden Gruppen und Bündnisse ist eine klare Ablehnung nationaler Interessenpolitik und nationalistischer Krisenideologien zu erkennen. Auch die Vorschläge zur Krisenregulierung, wie sie von Attac, aber auch einem Großteil der »Occupy«-Bewegung propagiert werden, finden bei ihnen, denen es erklärtermaßen um eine grundlegende Kapitalismuskritik geht, offenbar wenig Zustimmung. »Die europäische Krisenpolitik ist so spekulativ, wie es der Kapitalismus immer war. Denn schärferes Sparen gefährdet die ökonomische Stabilität genau so wie Wachstum auf Pump. Es gibt im Kapitalismus keinen sicheren Weg, nur permanentes Krisenmanagement«, ist in dem Aufruf weiter zu lesen.

Die Initiatoren schlagen darüber hinaus eine fortwährende europaweite Mobilisierung von »nicht staatstragenden« Linken und Basisgewerkschaften über den 31. März hinaus vor. Dass sie sich gerade auf diese Akteure stützen möchten, dürfte auch als Kritik an den etablierten deutschen Gewerkschaften zu verstehen sein. Große Teile des Bündnisses hatten zumindest in den vergangenen Jahren immer wieder auf deren Verantwortung bei der Errichtung eines Niedriglohnsektors verwiesen, auf dem die deutsche Krisenpolitik wesentlich basiert, und ihre Rolle im europäischen Unterbietungswettbewerb bei den Löhnen scharf kritisiert.

Die Aktionsfähigkeit über den einen Tag hinaus unter Beweis zu stellen, wird auch für das neue Bündnis die große Herausforderung sein. Zur Diskussion dürfte dann zudem stehen, ob es eineinhalb Monate später wieder zum Protest in Frankfurt auffordert. Denn Mitte Mai soll erneut in der Stadt – und wieder im Rahmen eines internationalen Aktionstags – demonstriert und blockiert werden. Dazu ruft derzeit vor allem die »Interventionistische Linke« auf. In dem Kurzaufruf stehen die »Occupy«-Bewegung und die Aufstände im arabischen Raum als Bezugspunkte wahllos nebeneinander. Etwas nebulös wird von »einer weiteren Agora der Bewegungen« gesprochen, die um den 15. Mai herum in Erscheinung treten soll.

Am kommenden Wochenende sollen nun weitere Details der geplanten Proteste besprochen werden – selbstverständlich in Frankfurt. Während die M31-Aktivisten für den Samstag zu einem Vorbereitungstreffen laden, tagt die »Interventionistische Linke« einen Tag später im Frankfurter Gewerkschaftshaus. Obwohl beide Bündnisse vereinbart haben, sich gegenseitig zu bewerben und zu unterstützen, gibt es auch Kritik daran, dass innerhalb weniger Wochen gleich zu zwei Großaktionen mobilisiert werden soll. Aus dem Umfeld der M31-Initiatoren wird etwa darauf verwiesen, dass die Bereitschaft zum Widerstand in der deutschen Bevölkerung nicht gerade gewachsen sein dürfte. Schließlich stritten auch die Gewerkschaften und die Oppositionsparteien mit der Bundesregierung nur darum, wer sich besser um den deutschen Standort kümmere. Ob die Besinnung auf die eigene Rolle als linke Minderheit dazu taugt, über den 31. März hinaus handlungsfähig zu sein, wird sich zeigen. Immerhin wirkt es schon einmal reflektierter, sich nicht auf eine diffuse Stimmung gegen die Banken, gegen »die da oben« oder etwa auf die ominösen 99 Prozent zu beziehen.
http://jungle-world.com/artikel/2012/03/44697.html
Peter Nowak

Trittbrettfahrer

NPD & Co. versuchen, in der Occupy-Bewegung mitzumischen.

„Occupy-Demo erfolgreich okkupiert“, stellte die NPD Frankfurt zufrieden auf ihrer Homepage fest. Die Partei hatte zu einen Aktionstag gegen den Euro aufgerufen und dabei die Demonstration der Occupy-Bewegung genutzt, die aus Protest gegen das Finanzsystem im Bankenviertel der Mainmetropole campt.

„Da rechte Aktivisten heutzutage aber nicht mehr so aussehen, wie es sich linke Musterdemokraten“ für gewöhnlich vorstellen, konnten sich die NPD-Leute unbemerkt unters Volk mischen und eine ansehnliche Anzahl ihrer Flugblätter unbehelligt streuen“, schreibt  die Frankfurter NPD  auf ihrer Homepage. Die war allerdings Ende Oktober einige Tage nicht online. Der Occupy-Bewegung nahestehende Internetaktivisten hatten mehrere rechte Seiten  gehackt, auf denen unter dem Motto „Okkupiert Occupy“ dazu aufgerufen wurde, in die neue Protestbewegung mit rechten Inhalten zu intervenieren.

Nicht nur die NPD versucht, in der neuen Bewegung  mitzumischen.  Auch ein „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“ organisierte eine Kundgebung vor dem Camp. Das Bündnis agiert gegen die EU und die „Neue Weltordnung“, grenzt sich allerdings von allen Parteien ab.

Aktiv im Protestcamp waren zumindest in der Anfangszeit auch Aktivisten der Zeitgeist-Bewegung, die Politik und Ideologie grundsätzlich ablehnt. Kritiker werfen den Zeitgeistlern vor, verschwörungstheoretische und strukturell antisemitische Tendenzen in ihren  Filmen zu fördern. Die Leipziger Bankenkritiker distanzierten sich schon Mitte Oktober von mehreren rechten Internetseiten, die den Eindruck erwecken wollten, die Proteste würden von ihnen maßgeblich initiiert.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/trittbrettfahrer-0

Peter Nowak