Wo die Kunst beginnt

 

Sind die in einen Steinhaufen platzierten Rosen Kunst? Ist die bunt gemalte Fassade in einem leeren Wohnblock Teil der Ausstellung? Solche Fragen gehen dem Besucher des stillgelegten Militärflughafens Militärflughafens von Neuhardenberg durch den Kopf. Dort hat das Künstlerinnenkollektiv  Endmoräne  in diesem Sommer Halt gemacht. Am 2., 3. 9. und 10. Juli ist die Ausstellung von 10. bis 18  Uhr. Ein Ausflug lohnt, allerdings weniger wegen der Installation allein, sondern wegen dem gesamten Ambiente.  Denn eigentlich ist das gesamte Areal ein Kunstprojekt. Die ehemaligen Kasernengebäude sind größtenteils von der Natur umzingelt. An vielen Stellen haben sich Bäume und Sträucher schon durchgesetzt. An manchen Wänden finden sich noch Wappen, die zur proletarischen Freundschaft mit einem unbekannten Land aufrufen. Und dann sind dann noch die 21 Installationen, die als eine Art Kunst im Kunstwerk auf dem Gelände verstreut zu finden sind. Die wenigstens sind kontrovers oder gar politisch. Ein Steinhaufen wird zum Termitenhügel,  weiße Lacken auf dem Rasen  sollen eine  Bleiche darstellen .In einem Haus finden sich ein gutes Dutzend Wecker und in einem anderen sitzen einige Menschen beim Stricken im Kreis. Auch der Bürgermeister von Neuhardenberg ist dabei, wenn die Künstlerin Erika Stürmer-Alex zur „Strickstunde“ einlädt“. Mir fiel gleich beim Eintritt in den Raum ein etwas weniger betulicher Titel ein: „Grüner Partei 1980“. Aber das ist wahrscheinlich den Künstlerinnen zu provokativ.  Das hat nur den Nachteil, dass der Betrachter viele der Installationen nett findet, und schnell wieder vergisst.
 Sehr beeindruckend ist die Totenklage einer Frau, um den in einen Krieg umgekommenen Sohn, die in   Video zu sehen ist, dass in einen ehemaligen Bunker zu sehen ist. Am Eingang eines  Häuserkomplexes werden Kopfhörer gereicht. Auf Kassette  kann man sich sehr kritische  Gespräche mit ehemaligen NVA-Soldaten anhören, die dort stationiert waren.    Die Installation von Silvia Beck hätte ein Statement gegen das Zwangssystem des Militärs werden können und verbleibt doch im nach über 20 Jahren wohlfeilen DDR-Bashing. Denn leider versäumt ein Gesprächspartner auch nicht, penetrant darauf hinzuweisen, dass die NVA ja so unterdrückerisch die Bundeswehr aber ganz anders  ist.
 Bemerkenswert ist auch die Installation On Top von Angela Lubic, eine Tafel, die das ehemalige Flughafengelände an kaufkräftige Investoren vermakeln will. Sky-Penthouses werden dort imaginiert und Grundstücke die  3004.700 Euro kostensollen.    Wer in der als Informationshalle hergerichteten  Eingangshalle die Pressestimmen zur Zukunft des Flughafengeländes liest, wird merken, dass die Realität oft die Imagination der Künstlerinnen übertrifft. Dort gibt es  seitenlange Berichte der Märkisch-Oderzeitung  aus dem Jahr 2003, dass demnächst der Aufbau des modernen Flughafens in Neuhardenberg beginnen soll. Danach kann man sich vorstellen, dass sich auch  für Lubics  Sky-Penthouses manche Lokalpolitiker erwärmen können.
Man muss nur die verstreuten  Gegenstände auf dem Neuhardenberger Areal zusammenbringen,  unabhängig, ob sie nun Installationen sind oder nicht. Das ist die wahre Kunst  und dann wird der Wochenendausflug nach Neuhardenberg auch wirklich kurzweilig.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/201648.wo-die-kunst-beginnt.html
Peter Nowak

 
„Abgeräumt. Imbiss geplant. Führungen ins Universum“, Sa. und So 10 – 18 Uhr