Ein Bündnis zur Verteidigung des Streikrechts meldet sich zu Wort. Grundlage seiner Einschränkung ist das 70 Jahre alte Gutachten eines früheren Nazijuristen. Am besten lässt sich das Streikrecht aber in der Praxis verteidigen.

Untotes Element der Nazijustiz: Warum bis heute politische Streiks verboten sind

Den Organisatoren der Veranstaltung am vergangenen Samstag ist es zumindest gelungen, sehr unterschiedliche Klassensegmente zusammenzubringen – das war verbindende Klassenpolitik in der Theorie. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich auch in die Praxis umsetzt, vielleicht schon bei den nächsten Tarifrunden, dem Frauenstreik 2023 oder dem kommenden Klimastreik und weiteren Protesten gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die lohnabhängige Bevölkerung. 

„Es kann nicht sein, dass bei uns immer noch die Entscheidungen eines Nazijuristen im Streikrecht gelten“, erklärte der Rechtsanwalt Benedikt Hopmann am 10. Dezember auf einer Kundgebung unter dem Motto „Streikrecht ist Menschenrecht“. Eine Gruppe von Berliner Gewerkschaftern vor allem aus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), aber auch Unterstützer aus Stadtteilinitiativen und Sozialbündnissen hatten bewusst den Internationalen Tag der Menschenrechte für diese Veranstaltung gewählt. „Wir wollen klarmachen, dass das Streikrecht ein Menschenrecht ist“, erklärte einer der Organisatoren. Der Kampf für ein umfassendes Streikrecht ist seit Jahren das Anliegen von  …

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Das flächendeckende Wahldesaster betraf bei der EU-Wahl unterschiedliche Spektren der Linken

Die Linke in den „Zeiten der Monster“

Die auch und vor allem von der deutschen Regierung verantwortete Niederlage des griechischen Frühlings 2015 hat die Linke in Europa bis heute nicht überwunden. Und das war auch das Kalkül von Schäuble und Co.

Viele Medien waren es nicht, die überhaupt wahrgenommen haben, dass die Ökolinx, eine kleine linke Partei, die sich seit 2 Jahrzehnten einer linken Ökologiekritik widmet, nur mal 0,1 Prozent der Stimmen bei den Europawahlen erhalten hat. Die Spitzenkandidatin Jutta Ditfurth kritisiert, dass auch langjährige Bündnispartner dieses Mal auf etablierte Parteien setzen. Im Kampf werden plötzlich Grüne und SPD wieder als linke proeuropäische Parteien akzeptiert und die neue Jugendumweltbewegung scheint plötzlich…

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Eine Fahne zu viel

Zensur auf Facebook:   Wer auf Facebook Symbole kurdischer Gruppen und Parteien postet, läuft Gefahr, gesperrt zu werden. Beim Unternehmen kursieren dazu offenbar interne Handlungsanweisungen
Eigentlich dachte Florian Wilde, er hätte diesmal besonders aufgepasst. Er weiß, welche Bilder und Symbole Facebook nicht mag und deswegen löscht: Gewaltverherrlichendes zum Beispiel oder Terrorpropaganda.

Als Gewerkschaftsreferent bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung war er im vergangenen November delegiert, die türkischen Parlamentswahlen zu beobachten und über sie zu berichten. Bei Facebook schreibt er regelmäßig über die Situation in Kurdistan – auf dem Luxemburg-Account, aber auch seinem privaten. Immer waren einzelne Beiträge auf seiner Pinnwand zensiert worden. Meist, weil sie Symbole der kurdischen Arbeiterpartei PKK gezeigt hatten, die in Deutschland verboten sind.

iner linken türkischen Kleinstpartei auf einem Foto ausreicht, um komplett gesperrt zu werden, damit hatte er nicht gerechnet. Ende März hatte Wilde auf seinem Privataccount drei Fotos von der Newroz-Feier, dem kurdischen Neujahrsfest in Hannover, geteilt. Sie zeigten unter anderem die Flagge des Partisanen-Flügels der Kommunistischen Partei der Türkei. Als sich Wilde am 29. März in sein Konto einloggen will, bekommt er eine Fehlermeldung: Konto gesperrt. Warum, erfährt er nicht.

Als er sich 24 Stunden später wieder einloggen kann, sind weitere Postings und Fotos verschwunden. „Wir haben etwas entfernt, was du gepostet hast“, stand da. Darunter des Bild der Partisanen-Flagge. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass diese Fahne auf Facebook nicht gezeigt werden darf“, sagt Wilde. Sie sei regelmäßig auf Demonstrationen zu sehen, und die deutsche Polizei sei, anders als bei PKK-Fahnen, nie gegen sie vorgegangen, so Wilde.

In den folgenden Wochen wird sein Konto mehrmals für einige Zeit gesperrt, einmal sogar komplett deaktiviert. Er widerspricht den Sperren jedes Mal per Mail und erhält wieder Zugang, aber mit dem Zusatz: „Wir gestatten auf Facebook keine glaubhaften Drohungen, andere zu verletzen, keine Unterstützung gewaltbereiter Organisationen und keine übertrieben grafischen Inhalte.“

Undurchsichtige Löschpraxis

Facebook steht für seine undurchsichtige Löschpraxis schon lange in der Kritik. Einerseits behauptet das Unternehmen, gegen Hasskommentare nichts tun zu können. So sind zum Beispiel Gewalt- und Mordaufrufe gegen Flüchtlinge wochen- und monatelang nicht entfernt worden. Andererseits hat das Unternehmen zum Beispiel die Seiten von russischen Oppositionellen sehr schnell gelöscht. Während einige Löschungen eindeutig mit einem Verstoß gegen die Geschäftsbedingungen zu erklären sind, wird es bei politischen Inhalten schwierig: Sind sie von Regierungen beauftragt, die so versuchen, ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen?

Wilde glaubt das mittlerweile, und er ist nicht der Einzige. Der in München lebende, deutsch-türkische Journalist Kerem Schamberger schreibt auch regelmäßig über die kurdischen Gebiete. Seine Posts seien so oft von Facebook zensiert worden, dass er auf einen Blog ausgewichen ist. Dort stellt er die These auf, dass Facebook sich zum Handlanger türkischer Staatsinteressen macht.

Dem stimmt auch der deutsch-kurdische Journalist Bahtiyar Gürbüz zu, der für die Onlinezeitung Kurdische Nachrichten arbeitet. Seine Facebooksperren hätten begonnen, nachdem sich im letzten Jahr der Konflikt in Kurdistan wieder verschärfte, sagt er. Gelöscht worden seien auch Texte und Fotos, die drei Jahre unbeanstandet geblieben waren. Kürzlich habe er Fotos von Jugendlichen gepostet, die in den letzten Wochen bei Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee in kurdischen Städten ums Leben gekommen waren. „Ohne Namen, ohne Kommentar, trotzdem waren sie nach wenigen Stunden weg“, sagt Gürbüz.

Interne Handlungsanweisungen

Beweisen lässt sich die Vermutung, dass der türkische Staat hinter den Löschungen steckt, nicht. Die US-amerikanische Nachrichtenseite Gawker veröffentlichte 2012 jedoch interne Handlungsanweisungen für Facebook-Mitarbeiter. Unter dem Punkt „IP Blocks and International Compliance“ heißt es, dass „alle Beleidigungen von Staatsgründer Atatürk (grafisch und textlich), Karten Nordkurdistans, brennende türkische Fahnen, jegliche PKK-Unterstützung sowie Beiträge, die Abdullah Öcalan zeigen oder unterstützen“, zu zensieren sind. Sie stehen damit in einer Reihe mit dem Leugnen des Holocausts.

In einer neueren Version dieser „Abuse Standards Violations“ ist vermerkt, dass (süd)kurdische Fahnen sowie Inhalte, die sich klar gegen die PKK und Öcalan richten, von den ModeratorInnen zu ignorieren, also nicht zu zensieren sind. Von den Handlungsanweisungen hat Gawker nach eigenen Angaben von einem Whistleblower aus Marokko namens Derkaoui erfahren. Er habe zu dem wachsenden Heer schlecht bezahlter Content-ManagerInnen aus Afrika und Asien gehört, die für die Löschung von inkriminierten Inhalten auf Facebook verantwortlich sind. Gearbeitet habe er in einer 4-Stunden-Schicht zu Hause und sei dafür auf einen Stundenlohn von 4 Euro gekommen.

Gegenüber der taz äußerte sich Facebook nicht zu den Kriterien für die Sanktionierung. In seinem „Bericht über Regierungsanfragen“ bestätigt Facebook, dass es „auf berechtigte Anfragen im Zusammenhang mit strafrechtlichen Fällen“ von Seiten der Türkei reagiere. Demnach habe es von Januar bis Juni 2015 4.496 Inhaltseinschränkungen gegeben, „die von den türkischen Gerichten (und dem Verband der Zugangsanbieter) und der Telekommunikationsbehörde gemäß dem lokalen Gesetz 5651 gemeldet wurden“.

Zensur gegen Aktivisten

Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Privatsphäre, Diffamierung von Atatürk. Die internationale Kritik an dieser Praxis wächst. „Facebook ist in Zensur gegen Aktivisten verwickelt“, schrieb Anfang April 2016 die Journalistin Sara Spary bei BuzzFeed News. „Neben der Türkei stellen auch Großbritannien, die USA und Indien jährlich tausende Anfragen zur Löschung von politisch Missliebigen. Doch die Türkei scheint besonders erfolgreich dabei zu sein, ihre Anforderungen in die Tat umzusetzen“, bilanziert Spary.

Der für Datenschutz und Datenrecht zuständige grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz sieht die Bundesregierung in der Verantwortung: „Im Rahmen der Debatte um die Zunahme von hate speech im Netz wird offenkundig, dass die Bundesregierung sich mit der Argumentation der Anbieter zufrieden gibt, die auf Allgemeine Nutzungsbedingungen verweist.“ AGBs und Gemeinschaftsstandards aber dürften geltende Gesetze und Grundrechte nicht aushebeln, so Notz gegenüber der taz.

Neben dem Grundrechtsargument sieht der betroffene Florian Wilde noch ein anderes: „Fotodokumentationen zu türkeikritischen Demonstrationen in Deutschland sind jetzt auf Facebook faktisch unmöglich geworden.“ Wie solle er weiter über Kurdistan berichten, wenn jedes Symbol, jeglicher Verweis auf kurdische Gruppen zensiert würde? Facebook sei für ihn auch ein Tagebuch, sagt Wilde. Und weil er das nicht verlieren möchte, hat er nun selbst angefangen, Fotos und Posts, über die sich die Türkei womöglich bei Facebook beschweren könnte, zu löschen.

http://www.taz.de/!5301873/
aus: Taz vom 18.5.2016
Peter Nowak
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Reaktionen auf den Artikel:

Erdogans Zensoren

Nach Denunziation durch türkische Faschisten sperrt Facebook prokurdische Inhalte

aus dem Artikel:

Für einen Monat gesperrt wurde jetzt auch Erkin Erdogans Facebookkonto. Der Vorsitzende der Berliner Plattform der linken Demokratischen Partei der Völker (HDP) hatte einen Artikel der Tageszeitung taz zum Thema Facebookzensur auf der HDP-Seite gepostet und damit nach Meinung der Administratoren des Netzwerkes gegen die »Gemeinschaftsstandards« verstoßen. »Jetzt geht es um die Zensur regulärer deutscher Tageszeitungsartikel in Deutschland durch einen amerikanischen Konzern im ›Auftrag‹ des türkischen Präsidenten und damit um die Frage nach der Pressefreiheit in Deutschland«, warnt Wilde.

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Facebookseite von Kerem Schamberger:

https://de-de.facebook.com/kerem.schamberger/posts/10206625338937555

https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10209319193959801&set=pcb.10209319200519965&type=3

https://www.facebook.com/hamburgfuerrojava/photos/pb.584460241663706.-2207520000.1464144391./845361895573538/?type=3

Mehr als nur ein Strohfeuer?

Florian Wilde (32), Bundesgeschäftsführer des Studierendenverbandes »Die Linke.SDS«, über die Perspektiven der Studentenproteste
 

ND: Vergangenes Wochenende traf sich der Studierendenverband »Die Linke.SDS« in Bochum zu seinem mittlerweile fünften Bundeskongress. Wie wurden die aktuellen Bildungsproteste bewertet?
Wilde: Wir sehen in ihnen aus mehreren Gründen einen großen Erfolg. Es ist gelungen, das Thema Bildung wieder in einer größeren Öffentlichkeit zu verankern. Die Zusammenarbeit zwischen Schülern und Studierenden stellt einen großen Fortschritt dar. An den Hochschulen war es der erste Aufstand einer Generation, die unter den völlig veränderten Bedingungen des Bachelor-Master-Systems studiert. Zudem war die zweite Protestwelle die erste soziale Bewegung unter der konservativ-liberalen Bundesregierung.

Wo sehen Sie Schwächen der Bewegung?
Sie hat noch nicht die Stärke erreicht, um substanzielle Reformen im Bildungsbereich durchzusetzen. Schließlich sind Studiengebühren und Bachelor- und Masterstudiengänge noch nicht abschafft.

Bekommt Ihr Verband nicht auch die Furcht vieler studentischer Aktivisten vor linker Vereinnahmung zu spüren?
Wir sind ein sozialistischer Verband, der in den Protesten eigene Akzente setzen will. Dabei geht es nicht um Vereinnahmung, sondern um solidarische Diskussion auf Augenhöhe im Bildungsstreikbündnis über die richtige Proteststrategie. Wir haben bei den Protesten die Erfahrung gemacht, dass Studierende durchaus auf Themen ansprechbar sind, die nicht nur das Bildungsthema betreffen. So gab es eine große Unterstützung für den Streik des Reinigungspersonals und der Mensamitarbeiter an den Hochschulen Das grundlegende Problem besteht jedoch darin, dass durch die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge der linke Aktivismus an den Unis insgesamt in eine Krise geraten ist, weil die Studierenden kaum noch Zeit für politische Aktivitäten haben. Wir müssen darauf Antworten finden, um wieder handlungsfähig zu werden. Der Aufbau eines bundesweiten Verbandes, der den Aktiven vor Ort die Arbeit erleichtert, gehört dazu.

Wie soll es mit den Bildungsprotesten weitergehen?
Wir haben den Vorschlag eines Besetzungsstreiks in die Diskussion gebracht. Im Unterschied zu den bisherigen Protesten würde damit der Unibetrieb komplett lahmgelegt. Die Studierenden müssen sich dann nicht wie bisher individuell zwischen der Beteiligung an Aktionen oder der Teilnahme an Vorlesungen entscheiden. Damit würde ein Freiraum geschaffen, um Alternativen zur bisherigen Bildungspolitik zu entwickeln und den Protest von der Uni in die Gesellschaft zu tragen. Allerdings muss eine solche Aktion gut vorbereitet werden und unter den Studierenden verankert sein. Ein Besetzungsstreik könnte 2011 oder 2012 aktuell werden, wenn die doppelten Abiturjahrgänge an die Unis drängen.

Warum soll dadurch die Protestbereitschaft steigen?
Schon jetzt sind die Studienbedingungen oft sehr schlecht. Durch die doppelten Jahrgänge wird sich die Situation noch verschärfen. Da schon bisher gerade die Erstsemester stark an den Protesten beteiligt sind, bestehen hier große Chancen, dass dann der Widerstand wächst.

Wie soll es aber in den nächsten Monaten kurzfristig mit den Bildungsprotesten weitergehen?
Wir wollen die Landtagswahl in NRW zu einer Abstimmung über die Abschaffung der Studiengebühren machen. Konkret schlagen wir eine bundesweite Demonstration in NRW Anfang Mai vor, um die Parteien außerparlamentarisch unter Druck zu setzen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/162970.mehr-als-nur-ein-strohfeuer.html

Interview: Peter Nowak