Extremismusklausel sorgt für ersten Streit in der Regierung

Links

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http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/aktuelles,did=203904.html

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http://www.bmfsfj.de/

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http://www.manuela-schwesig.de/

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http://www.spiegel.de/politik/deutschland/familienministerin-schwesig-will-extremismusklausel-abschaffen-a-940452.html

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http://demokratiebrauchtuns.de/blog/appell-gegen-rechtsextremismus-und-rassismus-was-jetzt-zu-tun-ist

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http://www.heise.de/tp/blogs/8/149236

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http://www.akubiz.de/index.php/hintergrundinformationen-zur-extremismusklausel.html

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http://www.lorenz-caffier.de/

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http://www.taz.de/Hintergruende-zur-Roten-Flora/!129866/

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http://florableibt.blogsport.de/

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http://lampedusa-in-hamburg.tk/

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http://www.regierung-mv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/im/_Service/Presse/Aktuelle_Pressemitteilungen/index.jsp?pid=64851

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http://www.deutschlandfunk.de/proteste-in-hamburg-es-gibt-einen-von-der-polizei.694.de.html?dram:article_id=272868

Extremismusklausel für Sportler?

Als Konsequenz aus der Diskussion über das Umfeld der olympischen Ruderin Nadja Drygalla soll der Staat mehr Macht bekommen

Eigentlich war man bisher davon ausgegangen, dass Sportler sich an der Olympiade beteiligen wie Fußballspieler an den Europa- und Weltmeisterschaften, weil sie sich mit anderen Sportlern in ihren jeweiligen Disziplinen messen wollen. Die Politik gehörte gemeinhin nicht dazu. Daher war es schon immer peinlich anzusehen, wenn Sportfunktionäre oder auch ausgewählte Sportler besondere politische Belange vertreten sollten. So kam es vor der diesjährigen Fußball- EM zu manchem Spreizschritt, weil sich Berufene einerseits für die Demokratie in der Ukraine einsetzen wollten, andererseits aber doch darauf zu achten hatten, dass die EM-Veranstalter und Sponsoren nicht zu stark vor den Kopf gestoßen würden. Die Sportler mussten also Diplomaten werden.

Man könnte in dieser Rolle einen Fortschritt gegen über der Weltmeisterschaft 1978 sehen. Damals wurde die WM in Argentinien ausgetragen, wo zu dieser Zeit eine blutige Militärdiktatur herrschte. Aber die Forderungen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, sich doch für die Gefangenen einzusetzen, wurde von einigen Kickern nicht nur brüsk abgelehnt, sondern sogar mit Hohn und Spott kommentiert. Unpolitisch war die deutsche Elf aber schon damals nicht. Schließlich hatten sie in den Spielpausen Zeit, den ewigen NS-Nostalgiker und Freund der argentinischen Militärjunta Hans-Ulrich Rudel rein privat zu einem Besuch in ihrem Quartier zu empfangen. Dieser Besuch löste 1978 einen Skandal aus.

33 Jahre später sind die Nazis der Generation Rudels weitgehend tot und die zweite und dritte Generation macht nun Ärger. Der Anlass sind die privaten Beziehungen der Ruderin Nadja Drygalla zu einem ehemaligen Aktivisten der neonazistischen Freien Kameradschaften und zeitweiligem NPD-Mitglied. Die Diskussion war kaum aufgebrandet, da verließ die Sportlerin schon das olympische Team. Damit war die Debatte nicht zu Ende.

SPD-Politiker warfen den Sportgremien vor, nicht rechtzeitig über die Personalie Drygalla informiert zu haben. Und bald darauf begann auch die Debatte, ob es sich bei dem öffentlichen Hype nicht um eine jener Übungen in hilflosem Antifaschismus handelt, bei dem am Ende mehr Kontrolle und Gesinnungsprüfung herauskommt. Spätestens nachdem das Bundesinnenministerium eine Extremismusklausel für öffentlich finanzierte Sportverbände ins Gespräch brachte, drängt sich dieser Verdacht noch deutlicher auf.

Schließlich sind die Pläne, wie das Ministerium betont, schon älter. So wird der Fall Drygalla also als gute Gelegenheit dafür gesehen, solche Pläne auch in die Tat umzusetzen. Schließlich will niemand ausgewiesene Vertreter der Rechten im Olympiateam haben. Aber hier zeigt sich schon die Schieflage der gesamten Debatte. Es geht nicht um irgendwelche Äußerungen oder Handlungen von Drygalla sondern um das politische Umfeld ihres Lebensgefährten. So wurde gleich Entwarnung gegeben, als nun offiziell bestätigt wurde, dass dieser die NPD mittlerweile verlassen hat. Dass ein längjähriger Aktivist der Freien Kameradschaftsszene zur NPD-Mitgliedschaft nur ein taktisches Verhältnis hat und dass Aus- und Wiedereintritte dort nicht selten sind, blieb dabei unerwähnt. Auch die politischen Ansichten von Drygalla und ihren Lebensgefährten waren kaum Gegenstand der Debatte, es ging um Organisationen und Mitgliedschaften.

Kein brauner Fleck auf deutsches Olympiateam

Und da sollte kein brauner Fleck auf das deutsche Olympiateam fallen. Hier wird auch eine weitere problematische Seite der gesamten Debatte deutlich. Es wird unhinterfragt davon ausgegangen, dass die Sportler nicht für sich und ihr Sportteam, sondern für die Nation Deutschland in den Wettkampf ziehen. Daher wurden auch bei der Fußball-EM die Lippenbewegung der deutschen Spieler beim Singen der Nationalhymne genau registriert und gerügt, wenn sie nicht genügend deutlich mitsangen. So wäre es auch nur konsequent, wenn dann auch die Sportler auf das deutsche Grundgesetz eingeschworen werden sollen, wie es ja bei Beamten bereits der Fall ist und bei zivilgesellschaftlichen Organisationen, wenn sie Gelder bekommen sollen, geplant ist…

Es gab anlässlich der Fußball-EM erneut Kritik an der Verschmelzung von Spiel und „Patriotismus“ – dem Einschwören von Sportlern und Fans auf die Nation. Die Kritiker müssten nun auch im Fall Drygalla gegen eine Extremismusklausel für Sportler eintreten, weil damit die Athleten auf eine heikle Weise von der Nation vereinnahmt werden. Mit dem Kampf gegen Rechts im Sport hat das sehr wenig zu tun. Der wird sowieso erfolgreicher von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Umfeld von Fußballspielen praktiziert. Dabei geht es weniger um Mitgliedschaften in rechten Organisationen, sondern um nationalistische und rassistische Alltagspraktiken, die nicht an Organisations- und Parteimitgliedschaften gebunden sind.

Der hilflose Antitotalitarismus, der im Fall Drygalla von Politik, Sportverbänden und Teilen der Medien praktiziert wird, behindert eine solche Arbeit der zivilgesellschaftlichen Gruppen eher, die ja schließlich ebenfalls einer Extremismusklausel mit merkwürdigen Auswüchsen unterliegen (Führt Extremismusklausel zu Misstrauen und Beschnüffelung?), die nun besser installiert werden kann.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152542

Peter Nowak

Mit dem Steuerrecht auf Extremistenjagd?

Die Kritik an einer scheinbar belanglosen Änderung im Steuerrecht mit möglicherweise großen Folgen wächst

Bislang konnten betroffene Organisationen im Falle einer Erwähnung im Verfassungsschutzbericht ihre Gemeinnützigkeit vor dem Finanzamt oder durch eine Klage vor dem Finanzgericht nachweisen. Durch die geplante Gesetzesänderung ist ihnen diese Möglichkeit künftig verbaut. Es bleibt nur eine zeitaufwendige Klage vor einem Verwaltungsgericht gegen die Nennung im Verfassungsschutzbericht (Steuerrecht als Verfassungsschutz?). Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen fordern daher die Bundestagsabgeordneten auf, dem Jahressteuergesetz 2013 die Zustimmung zu verweigern; in dem Aufruf der Kritiker heißt es:

„Mit dem vorgelegten Gesetz will die Bundesregierung die Abgabenordnung (AO) so ändern, dass Organisationen, die in einem Verfassungsschutzbericht im Zusammenhang mit Extremismus genannt werden, die Gemeinnützigkeit ohne Prüfung entzogen wird (§ 51, Absatz 3, AO). Damit würde dem Verfassungsschutz ermöglicht, de facto über den Fortbestand gemeinnütziger Organisationen zu entscheiden.“

Stärkung des VS im Windschatten des NSU-Skandal

Die innenpolitische Sprecherin der Linken Ulla Jelpke stellt einen Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über die Rolle des Verfassungsschutzes im NSU-Skandal her: „Dass nach dem Willen der Bundesregierung zukünftig ausgerechnet die Versager vom Verfassungsschutz mit ihren politischen Einschätzungen gemeinnützige Vereine finanziell ausbluten können, ist politisch und rechtlich bedenklich“, erklärt die Parlamentarierin .

Erstaunlicherweise übernimmt Jelpke mit dem Begriff des Versagens eine aktuell sehr weit verbreitete Version der Rolle des Verfassungsschutzes. Es gibt allerdings durchaus Kritiker dieser Lesart. Zudem ist die Kehrseite des Versagens dann ein rekonstruierter und eben effektiver Verfassungsschutz. Daher ist es kein Widerspruch, dass im Windschatten der NSU-Debatte Pläne für eine Verstärkung der Behörden diskutiert wird. Ulla Jelpke, die dagegen für eine Auflösung eintritt, müsste eigentlich die These vom Versagen der Dienste kritischer betrachten.

Die Bundesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Jelpke ihre Pläne noch einmal bekräftigt, mit dem Steuerrecht gegen angebliche Extremisten vorzugehen. In der Antwort an die Linken bekräftigte ein Sprecher der Bundesregierung, dass sie weiter zu einer Antwort auf eine Anfrage der FDP vom Jahr 2008 steht.

„Nach den Grundsätzen unseres Rechtsstaats reicht ein Verdacht oder eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch nicht für eine Sanktion – hier: Aberkennung der Gemeinnützigkeit – aus.“

Die Organisation müsse vom VS ausdrücklich als extremistisch bezeichnet worden sein, um die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Jelpke weist mit Recht darauf hin, dass es sich hier bei um keinen definierten Rechtsbegriff, sondern um einen Kampfbegriff handele. Manche Kritiker dieser geplanten Klausel hoffen darauf, dass die FDP ihr bürgerrechtliches Engagement entdeckt und die Extremismusklausel aus dem Steuerrecht entfernt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152468
Peter Nowak

„Demokratiepreis“wegen Extremismusklausel abgelehnt

Dresden: Ein zivilgesellschaftlicher Verein lehnt Auszeichnung und Preisgeld ab, weil sie mit der Forderung verbunden ist, dass jeder Nominierte seine Partner auf „Extremismus“ prüfen lässt

Der Verein akubiz hat sich im sächsischen Pirna für eine demokratische Kultur eingesetzt. Er hat in den letzten Jahren Ausstellungen zum aktuellen und historischen Antisemitismus sowie Konzerte und Vorträge „gegen Rechts“ organisiert.

Daher war er sicherlich ein geeigneter Kandidat für den sächsischen Demokratiepreis, der alljährlich von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Unterstützung des Freistaats Sachsen ausgelobt wird. Am 9. November sollte er geschichtsträchtig in der Dresdner Frauenkirche verliehen werden.

Doch die Initiative lehnt den mit 10.000 Euro dotierten Preis ab und erhielt dafür Unterstützung von sächsischen Politikern der Grünen und der Linken sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Als Begründung für den Preisverzicht schreibt akubiz:

„Die nominierten Vereine wurden zuvor gebeten, eine Klausel zu unterzeichnen, in der es unter anderem heißt: ‚Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub gewährleistet wird.'“

Für die Pirnaer Zivilgesellschafter verstößt eine solche Klausel gegen ihr Demokratieverständnis:

„Die Erklärung fordert, dass wir als Nominierte unsere Partner auf ‚Extremismus‘ prüfen. Dafür schlagen die Verfasser u.a. Nachfragen bei den Verfassungsschutzämtern vor. Die Aufforderung an eine nichtstaatliche Initiative ihre Partner auszuspähen, erinnert eher an Methoden der Stasi und nicht an ein demokratisches System.“

Flirt zwischen Antifa und Staat beendet

Eine Umsetzung dieser Klausel hätte bedeuten können, dass sich der Verein von Teilen des Bündnisses „Dresden-nazifrei“ hätte distanzieren müssen, das im Februar 2010 mit einer Blockade den rechten Aufmarsch in Dresden verhindert hat. Die Preisverweigerung ist Ergebnis einer längeren kritischen Debatte über den Extremismusbegriff.

Der Verein hat mit der Verweigerung des Preises erstmals praktische Konsequenzen gezogen. Dieser Schritt fällt in eine Zeit, wo der Flirt zwischen antifaschistischen Initiativen und staatlichen Stellen endgültig beendet scheint, was die Wochenzeitung Jungle World zum Titel „Vom Ende der Staatsantifa“ veranlasste. Dazu haben auch die Bestrebungen des CDU geführten Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beigetragen, den sogenannten islamischen und linken Extremismus wieder stärker in den Focus zu rücken.

Die Extremismusklausel, die jetzt zu dem Eklat führte, ist Ausdruck dieser Politik. Mit der Preisverweigerung dürften sich auch die Diskussionen in zivilgesellschaftlichen Kreisen verschärfen. Auf der einen Seite stehen die Unterstützer von akubzi, auf anderen Seite Akteure, die, wie der Gründer des Aussteigerprogramms für Rechte Bernd Wagner, die neue Politik relativ kritiklos nachvollzogen haben. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/148729

Peter Nowak