Protest vor der Schule

Schwedische Kirche entlässt Erzieher in Wilmersdorf

Nach Kündigungen wehren sich Erzieher und Pädagogen an der Schwedischen Schule Berlin (SSB) in Wilmersdorf.

Das kommt in der beschaulichen Landhausstraße in Wilmersdorf nicht alle Tage vor. Rund 50 Menschen demonstrierten am vergangenen Freitagabend vor der dort ansässigen Schwedischen Schule in Berlin (SSB). »Komm schon Lena« war auf deutsch und schwedisch auf Transparenten und bunten Luftballons zu lesen. Es war ein Appell an die Geschäftsführerin der SSB, Lena Brolin, die Kündigungen zurückzunehmen, die der Anlass für den Protest sind. Am 28. Mai wurde der gesamten Belegschaft der Schule gekündigt. Insgesamt handelt es sich um acht Beschäftigte, darunter Lehrende, Erzieher und Betreuer. Zuvor hatten sie in einem Offenen Brief gegen von der Schulleitung geplante Lohnkürzungen bei der Hortbetreuung protestiert.

Weil mehrere Beschäftigte in der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) organisiert sind, hat die noch vor Pfingsten mit dem Protest begonnen. Am Freitagabend fand im Schulgebäude ein Fest für Kinder und Eltern statt. Sie sollten mit der Kundgebung angesprochen werden. Deswegen schallten aus den vor dem Gebäude aufgebauten Lautsprechern auch schwedische Kinderlieder. Eltern und Kinder beteiligten sich spontan an der Kundgebung. Vor allem die Luftballons fanden bei den Kindern Anklang. Weniger erfreut zeigte sich dagegen die Schulleitung über den Ballons aufgedruckten Appell an die Geschäftsführerin.

Einer der entlassenen Erzieher ist Linus Kolberg. »Noch am Dienstag sah es so aus, als könnten wir uns mit der Schulleitung über die Verteilung der Unterrichtsstunden im neuen Schuljahr einigen und dann kam die Kündigung, ohne dass mit uns gesprochen wurde«, sagt er dem »nd«. Auch seine Kollegen sehen in dem Schritt einen Bruch in den bisherigen Beziehungen zwischen Beschäftigten und Schulleitung. Bereits vor vier Jahren kämpfte die Belegschaft der Schule erfolgreich gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Seit 2010 hatte die FAU-Gewerkschaftsgruppe zahlreiche Verbesserungen durchgesetzt. Ab Herbst 2011 erhielten alle Pädagogen erstmals schriftliche Arbeitsverträge. Alle Arbeitsstunden und Klassenfahrten werden seitdem bezahlt. Zudem wurden ein Arbeits- und ein Lehrerzimmer in der Schule eingerichtet.

Einen wesentlichen Anteil an den Verbesserungen hatte der Lehrer Johnny Hellquist, der bereits in der schwedischen Basisgewerkschaft SAC organisiert war, bevor er den Job in der SSB antrat. Zuvor hatten sich die Lehrer vergeblich an die schwedische Akademikergewerkschaft und die Berliner GEW gewandt. Die SAC will auch nach der Kündigung Solidaritätsaktionen mit den Entlassenen in Schweden organisieren, wo der Schulbetreiber, die protestantische Kirche in Schweden, sitzt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/935440.protest-vor-der-schule.html

Peter Nowak

EIN FALL FÜRS ARBEITSGERICHT

Gekündigt – wegen Gründung eines Betriebsrats

Als 2007 in Kreuzberg die Pflegeeinrichtung Türk Bakim Evi eröffnet wurde, fand sie bundesweit Beachtung. Das „Haus des Wohlbehagens“, so die Übersetzung des Namens, war das bundesweit erste Seniorenheim für Menschen, die aus der Türkei eingewandert waren. Heute nennt sich die Einrichtung schlicht Pflegehaus Kreuzberg und hat von ihren multikulturellen Zielen Abstand genommen. „Eine Aufrechterhaltung wurde aus kulturellen und ökonomischen Gründen nicht länger verfolgt“, heißt es auf der Website.

Nun macht die Einrichtung wieder Schlagzeilen – allerdings keine positiven. Am heutigen Freitag werden die Verfahren zweier ehemaliger Beschäftigter vor dem Berliner Arbeitsgericht verhandelt. Zwei MitarbeiterInnen des Pflegehauses seien fristlos gekündigt worden, weil sie einen Betriebsrat gründen wollten, so Michael Musall von Ver.di. „Wildwestmethoden“ wirft Ver.di den Betreibern der Einrichtung, der Marseille-Kliniken AG, deshalb vor. Seine Gewerkschaft hat den Kolleginnen Beratung und rechtliche Unterstützung zugesagt. Die Geschäftsführung des Pflegehauses war gegenüber der taz zu keiner Stellungnahme bereit.

Unterdessen beschäftigen sich Solidaritätsgruppen mit der Situation von Beschäftigten im Pflegebereich und unterstützten sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte. So organisiert ein Solikomitee am heutigen Freitag ab 21 Uhr im Friedrichshainer Vetomat eine Solidaritätsparty für eine weitere Pflegehelferin. Sie hatte sich für bessere Arbeitsbedingungen bei der Hauskrankenpflege Mitte eingesetzt und war gemobbt worden. Nun droht ihr Erzwingungshaft, weil sie sich weigert, die Kosten aus dem folgenden Arbeitsgerichtsverfahren zu bezahlen (taz berichtete).
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2012%2F05%2F11%2Fa0225&cHash=9779f84bc6
PETER NOWAK

TÜV-Nord sorgt nicht für Sicherheit

Hälfte der Mitarbeiter von Bildungszentren soll ihren Arbeitsplatz verlieren. Der Bund kürzt Bildungsmaßnahmen und trifft damit auch die Beschäftigten in Bildungszentren.
»Wir machen die Welt sicherer«, lautet das Motto des Dienstleistungsunternehmens TÜV-Nord, das bei der Zertifizierung von technischen Geräten, Fahrstühlen oder Fabriken weltweit tätig ist. Doch viele Mitarbeiter der TÜV-Nord-Bildung können den Slogan nur als Hohn entfinden. Sei sollen Lohnkürzungen von bis zu 20 % hinnehmen. Die Hälfte der Beschäftigten sollen den Arbeitsplatz verlieren, weil 17 von 40 Bildungszentren schließen müssen.
Betroffen davon sind Standorte in der ganzen Republik davon einige in Mecklenburg-Vorpommern. Die Lausitzer Rundschau hatte Ende August aus einem Schreiben der TÜV-Geschäftsführung zitiert, in dem es hieß: „Mittelfristig werden wir auch die Bildungszentren in Cottbus, Erkelenz, Geilenkirchen, Hagen, Hückelhoven und Waren schließen müssen“. Ein Konzernsprecher erklärte allerdings, dass für den Standort Cottbus noch eine Lösung gesucht werde, weil die Auftragslage gut sei. Mehrere Mitarbeiter klagen über die widersprüchlichen, nervenzerrenden Angaben zur Zukunft des Cottbuser Standortes. Zudem haben sie mit Lohnkürzungen zu rechnen. Über die Tarife wird zur Zeit neu verhandelt. Der zuständige Bezirksleiter der IG-Bergbau, Chemie, Energie Ralf Hermwapelhorst nannte die Kürzungspläne Geschäftsführung so nicht hinnehmbar. Der Gewerkschaftler verwies darauf, dass schon bisher ihre Löhne unter denen in der Industrie lagen. Gesttern wurden die Tarifverhandlungen abgebrochen .

Geschlossen werden soll das erst im letzten Jahr eröffnete TÜV-Nord-Bildungszentrum in Waren-West in Mecklenburg-Vorpommern, wie der TÜV-Nord-Pressesprecher Sven Ulbrich bestätigte. Dort absolvieren 18 Jugendliche zurzeit ihre Ausbildung in Berufen des Bausektors. Die können sie nach Angaben von Ulbrich beenden, weil die Finanzierung bis 2013 gesichert ist.

Massive Kürzungen bei Bildungsmaßnahmen

Erst vor einem Jahr war die Gesellschaft von der TÜV-Nord von der RAG-Bildung gekauft worden. Damals hofften die Mitarbeiter, dass damit ihre Arbeitsplätze gesichert sind. Schließlich wurde beim Verkauf der Gesellschaft ein Beschäftigungsrahmenvertrag vereinbart, in dem Kündigungen in den nächsten drei Jahren ausgeschlossen werden. Die Klausel galt allerdings nicht für Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen. Daher war die Überraschung groß, als die Belegschaft im Mai 2011 in einem Schreiben der TÜV Nord AG vom Mai 2011 darüber informiert wurden, dass Verluste in den vergangenen neun Monate“ zum vollständigen Eigenkapitalverzehr” geführt hätte und massive Einsparungen notwendig seien. Der Grund für die finanzielle Misere liegt in den massiven Kürzungen von Bildungsmaßnahmen durch das Bundesministerium für Bildung, die zu einem Rückgang im Bereich staatlich geförderter Bildungsmaßnahmen geführt hat. Neben den Erwerblosen sind die Mitarbeiter der Bildungseinrichtungen die Hauptbetroffenen dieser Einschnitte. Doch zu gemeinsamen Protesten kam es nicht. Während die Gewerkschaften von Anfang an auf konstruktive Verhandlungen und die Erstellung eines Sozialplans setzten, gab es in der Belegschaft von TÜV-Nord auch andere Stimmen. So äußerte der Tüv-Nord-Mitarbeiter des Standorts Hückelhoven Thomas Wasilewski gegenüber ND massive Kritik an Geschäftsleitung und Betriebsrat. „Wer sich so gut am Arbeitsmarkt auskennt wie die TÜV Nord Bildung, hätte auch einmal über Arbeitszeitmodelle oder Kurzarbeit nachdenken sollen“, meinte er. Schließlich wirft das Unternehmen mit dem Slogan “Wir entwickeln Kompetenzen“. Dem Betriebsrats wirft Wasilewski vor, nicht auf eine Gesamtbetriebsversammlung aller TÜV-Nord-Standorte gedrängt zu haben, wie sie vor allem von Beschäftigten in Ostdeutschland gefordert wurden, die als erste entlassen werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/205888.tuev-nord-sorgt-nicht-fuer-

sicherheit.html?sstr=TÜV|Nord

Peter Nowak

Rettich statt Widerstand

Die mehr als 1500 Beschäftigten der TÜV Nord-Bildung GmbH müssen die vielen Meldungen über den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland als Hohn empfinden. Seit der Mutterkonzern TÜV-Bildung im Mai massive Stellenstreichungen bei dem Bildungsträger angekündigt hat, ist die Angst unter den Angestellten gewachsen. Die Politik trägt eine große Verantwortung für die Misere. Weil die Bundesregierung die Mittel für die Bundesagentur für Arbeit, den hauptsächlichen Geld- und Auftraggeber für TÜV-Nord, massiv gekürzt hat, droht dem Bildungsträger die Insolvenz.

 Anfang Juli informierte die Geschäftsleitung per E-Mail, dass mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze verlorengehen und 17 der 40 Standorte von TÜV Nord aufgegeben werden sollen. Nach diesen Planungen sind davon unter anderem Filialen in Berlin, Bochum, Kleve und Neustrelitz betroffen. Auch die Beschäftigten, die ihre Arbeitsplätze behalten, sollen Opfer bringen. Die Geschäftsführung verlangt eine Absenkung ihres Bruttojahresentgeltes von 15 Prozent im Westen und 22 Prozent im Osten sowie die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Auf Betriebsversammlungen bekundete der Vorstandsvorsitzende von TÜV-Nord, Guido Rettich, sein Bedauern über die Einschnitte, bezeichnete sie allerdings als alternativlos.

Doch viele Mitarbeiter lassen sich nicht so einfach beschwichtigen. Zumal Rettich außerhalb der Betriebsversammlung verlauten lassen haben soll, die Bildungssparte nach Indien und China auslagern zu wollen. Allerdings kommt der Unmut der Beschäftigten über hilflose Gesten nicht hinaus. So wurde dem besagten Vorsitzenden in Anspielung auf seinen Nachnamen ein Rettich überreicht. Dabei müsste ein solch gravierender Angriff auf die Beschäftigten eigentlich flächendeckenden Widerstand hervorrufen. Doch die zuständige Verhandlungsführerin der Industriegewerkschaft Chemie, Bergbau und Energie (IG BCE) will konstruktiv über einen Sozialplan für TÜV Nord beraten.

Die Botschaft, die von diesem Verhalten ausgeht, ist fatal. Wenn selbst in einer Boomphase ein massiver Angriff auf die Rechte der Beschäftigten ohne Widerstand über die Bühne geht, wozu braucht es dann noch Gewerkschaften?

http://www.neues-deutschland.de/artikel/203191.rettich-statt-widerstand.html

Peter Nowak

Testurteil: mangelhaft

 Beim TÜV Nord droht rund 450 Beschäftigten der Jobverlust. IG BCE und Betriebsrat stimmten den Unternehmerplänen zu.

Das Bildungszentrums TÜV-Nord beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Ausbildung von Facharbeitskräften. Auf der Homepage preist die Gesellschaft neue Wege, mit denen jungen Menschen ein guter Start ins Berufsleben ermöglicht werden soll. Nicht wenige der Mitarbeiter des Bildungszentrums müssen sich jetzt selber Gedanken über einen beruflichen Neuanfang machen. Ihnen eröffnet der TÜV Nord dabei keine neuen Wege. Im Gegenteil.

 Im Mai 2011 wurden die 1500 Mitarbeiter vom Vorstand darüber informiert, dass in dem Unternehmen Kündigungen und Gehaltskürzungen anstehen. Etwa die Hälfte der Bildungszentren müsste schließen, und rund 450 Personen könnten nicht weiterbeschäftigt werden. Da ein Teil der Belegschaft befristete Verträge hat, steht die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen noch nicht endgültig fest. Die schlechten Nachrichten kamen überraschend. Schließlich hatten sich erst vor einem Jahr beim Verkauf der Gesellschaft von der RAG-Bildung an den TÜV Betriebsrat und Geschäftsleitung auf einen Beschäftigungsrahmenvertrag geeinigt.

Darin heißt es: »Aus Anlass der Übernahme der Geschäftsanteile an der TÜV Nord Bildung GmbH wird keinem bei der TÜV Nord Bildung GmbH und den Tochtergesellschaften angestellten Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ab dem 1. Juli 2010 gekündigt.« Diese Vereinbarung hatte der Sprecher von TÜV Nord Jochen May noch im Mai 2011 gegenüber der »Aachener Zeitung« bekräftigt.

Der Vertrag schließe Kündigungen nur aus betriebsbedingten Gründen nicht aber aus wirtschaftlichen aus, argumentieren Geschäftsleitung und die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von TÜV Nord Ulrike Geier und Marc Welters von der Tarifabteilung der IG BCE. Unterstützungsangebote der Linksfraktion in NRW, die gegen den Personalabbau Stellung nahm, wurden von Geier abgelehnt. Das Agieren von Betriebsrat und Gewerkschaft sorgt bei einem Teil der Belegschaft für Unmut. »Ein Betriebsrat, der die Entlassungen tatkräftig unterstützt, beraubt sich seiner eigenen Existenzberechtigung«, heißt es in einen Kommentar.

Marc Welters wollte zu den Vorwürfen nicht direkt Stellung nehmen, sich aber auf eine Verteidigung der Betriebsvereinbarung und eine Ablehnung jeder Kündigung auch nicht festlegen. »Wir unterstützen die Pläne zum Erhalt der TÜV NORD Bildung. Dazu haben wir unter anderem auf die Einrichtung eines Runden Tisches bestanden, um gemeinsam mit Unternehmens- und Belegschaftsvertretern eine Perspektive für die Gesellschaft zu entwickeln«, betont Welters gegenüber ND.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/201611.testurteil-mangelhaft.html

Peter Nowak