KP-Funktionär Elshafie Saeid erwartet weitere Zuspitzung des innenpolitischen Konfliktes
Elshafie Saeid ist Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei in Sudan und Sekretär für die politischen Beziehungen. Mit ihm sprach für »nd« Peter Nowak.
nd: Ende September gab es schwere Unruhen in Suden. Was waren die Ursachen?
Saeid: Die Unruhen, die sich auf das gesamte Land erstreckten, hatten zwei Gründe. Erstens die sich verschlechternde ökonomische Situation und die sich daraus ergebenden sozialen Engpässe, zweitens die fehlenden politischen Freiheiten und die verstärkte Repression des islamistischen Regimes unter Omar –al Bashir. Die plötzliche Verteuerung der lebensnotwendigen Grundnahrungsmittel auf hohem Niveau war der Funke, der die Unruhen im ganzen Land auslöste. Die meisten, die auf die Straße gegangen sind waren Jugendliche.
nd: Wie reagierte das Regime?
Saeid.: Sie begegnete den friedlichen Protest mit harten Maßnahmen, bewaffnete die islamistischen Milizen, die das Feuer auf die Menge eröffneten. Dabei kamen im ganzen Land über 200 Menschen ums Leben. Über 3000 Personen wurden verhaftet. Darunter sind auch viele Mitglieder und Anhänger der Kommunistischen Parte. Darunter sind Mitgliedieer des Zentralkomitees. Das Regime hat besonders gegen de Kommunisten eine Hetzkampagne initiiert. Sie werden beschuldigt, die Unruhen gegen die Preiserhöhungen initiiert zu haben.
nd: Ist das nur Propaganda des Regimes oder spielte die KP eine wichtige Rolle bei den Protesten?
Saeid: Die Proteste wurden hauptsächlich von der Jugendbewegung getragen. Auch viele Parteien haben die Proteste unterstützt, darunter auch die Kommunisten. Sie haben sich in einer Allianz gegen die Regierung zusammengeschlossen.
nd: Welche Rolle spielen die Gewerkschaften in der sudanesischen Protestbewegung?
Saeid: Bis 1989 spielten sie eine sehr wichtige Rolle bei den Massenprotesten. Danach wurde sie unter Aufsicht der Regierung gestellt. Darauf gründeten oppositionelle Gewerkschaftskomitees, die von staatlichem Einfluss unabhängig sind. Die beteiligten sich auch den jüngsten Protesten.
nd: Rechnen Sie damit, dass das Regime in absehbarer Zeit stürzt?
Saeid: Es ist sicher, dass die Gründe für den Aufstand weiter bestehen. Die innenpolitische Situation wird sich daher zuspitzen und könnte für das Regime gefährlich werden. Schließlich hat die sudanesische Bevölkerung in der jüngeren Geschichte bereits zweimal ein autortäres Reimge Allerdings erschwert die ethnische Spaltung eine gesamtsudanesische Opposition und gibt dem Regime die Möglichkeit, Spaltungstendenzen zu fördern. Dafur ist ein weltbekanntes Beispiel für eine solche ethnische Spaltung. Dort wurden islamistische Milizen bewaffnet und gegen die afrikanischen Ethnien eingesetzt.
nd: Halten Sie Abtrennung des Südsudan die Opposition?
Saeid: Wir waren immer Befürworter eines einheitlichen Sudans. 1995 haben wir mit anderen Oppositionsparteien und der NPLA ein Programm ausgearbeitet, dass die Einheit des Landes sichergestellt hätte. Doch das Regime hat diese Pläne ignoriert und mit massiver Repression reagiert. So hatte der Süden keine andere Wahl als sich abzukoppeln.
nd: Haben die als arabischer Frühling bezeichneten Aufstände in vielen arabischen Staaten Einfluss auf die Ereignisse im Sudan?
Saeid.: Natürlich gibt es die Gemeinsamkeit, dass es auch im Sudan um den Kampf für ein Leben in Würde geht. Doch die innenpolitischen Faktoren sind entscheidend.
nd: Der sudanesische Präsident Omar –al Bashir soll sich wegen der Verbrechen in Dafur vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten. Befürworten Sie das?
Saeid: Wir haben lange Zeit Vorschläge zur Überwindung der Krise im Sudan gemacht, ohne den Internationalen Gerichtshof einzuschalten. Doch die wurden vom Regime ignoriert. Nach dem brutalen Vorgehen gegen die Proteste sagen wir, dass es Omar-als Bashier recht geschieht, wenn er sich vor Gericht verantworten müsste.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/835517.ein-aufstand-der-jugend-sudans.html
Interview: Peter Nowak