Die SPD gewinnt Mitglieder

Und der Vorstand streitet, ob er sie überhaupt will

Was ein deutscher Juso ist, der geht für die SPD durch dick und dünn. Eben noch haben sie ihre Kampagne gegen ein Bündnis mit der Union am Sonderparteitag knapp verloren und nun machen sie der SPD ein besonders Geschenk.

Sie organisieren eine Eintrittskampagne[1]. Was Besseres könnte der doch nun wahrlich nicht erfolgsverwöhnten Partei gar nicht passieren.

Da treten womöglich noch junge Leute in die SPD und was macht die? Sie sagt, nicht mit uns. Wer womöglich nur in die SPD eintreten wolle, um bei den Regierungsoptionen mit zu bestimmen, der soll möglichst draußen bleiben. Schon ist von einem Stichtag die Rede, wer danach eintrete, habe erst einmal nicht mit zu entscheiden.

Diese Stichtagsregelung kann aber auch als Signal an die Jusos verstanden werden, dass man über die Mitgliederbefragung so sauer denn doch nicht ist. Sonst hätte man ja die Mitwirkungsmöglichkeiten sofort beendet.

Die Stichtagsregelung dagegen könnte ja zunächst eine neue Eintrittswelle provozieren. Zumal sich ja auch der Juso-Chef Keven Kühnert wieder einmal besonders staatstragend gibt und erklärt, er wolle auch keine Kurzzeitmitglieder. Damit distanziert er sich von den flotten Sprüchen anderer Jusos, die mit einem Zehner gegen die Groko[2] antreten wollte. Prompt monierte die FAZ eine unlautere Mitgliederwerbung[3].

Juso-Kampagne und Kritik unpolitisch

Diese Kritik ist genauso unpolitisch wie die Juso-Kampagne selber. Zunächst haben die sie nicht erfunden. In Großbritannien haben Masseneintritte mit dafür gesorgt, dass die wirtschaftsliberalen Blair-Anhänger gegenüber dem Sozialdemokraten Corbyn in die Defensive gerieten.

Auch sie wurden vom Parteietablishement vielfältig behindert. Nicht anders geschah es jungen Anhängern von Bernie Sanders innerhalb der Wahlmaschinerie der Demokratischen Partei in den USA, die ganz auf Clinton eingeschworen war und mit ihr verlor. Auch in Deutschland ist es nichts Neues, dass Masseneintritte in eine Partei propagiert wurden, um ein politisches Ziel zu erreichen. Idealerweise eignen sich dafür kleinere Parteien besonders.

So kamen 1998 nach einen Studierendenstreik Kommilitonen auf die Idee, die FDP, die sich damals gerade in der Opposition befand, zu kapern und in ihrem Sinne zu verändern[4]. Die Reaktion der Liberalen schwankte von Unmut bis Existenzangst. Die hatte sich aber bald gelegt. Drei Jahre später meldete der Spiegel, dass einige der Sponti-Studierenden in der Partei Karriere machten[5].

So war die angebliche Sponti-Aktion eigentlich eine etwas coolere Form, sich der FDP anzunähern. Nun ausgerechnet die bürokratische und unbewegliche SPD durch Masseneintritte in eine bestimmte politische Richtung drängen zu wollen, ist eine besondere Schnaps-Idee und soll wohl nur dazu dienen, der SPD einige Neumitglieder zu bescheren. Der poltische Inhalt ist fragwürdig, vage und wenig durchdacht.

Das beginnt schon damit, dass hier das gedankenlose Geschwätz von der großen Koalition tradiert wird, die eine Koalition zwischen Union und SPD nicht mehr ist. Die hätte weniger Sitze als die sogenannte kleine Koalition von SPD und FDP in den 1970er Jahren. Nun könnte man sagen, dass sind eher Details. Doch es zeigt, wie wenig die ganze Eintrittsaktion durchdacht ist.

Was wollen die Neumitglieder in der SPD?

Die Probleme mit dem Konzept gehen tiefer. Was wollen die Neumitglieder außer, das Bündnis mit der Union zu verhindern?

Dazu müsste zumindest ein Minimum an politscher Debatte laufen, die aber unterbleibt. Die Neueintritte bei der Laborpartei sagen, dass sie sich die Partei von den Wirtschaftsliberalen zurückholen wollen und verweisen auf die sozialistische Pateirhetorik der 1970er Jahre.

Die aber hatte die SPD in ihrer Mehrheit nie, so kann sich dort niemand zurückholen, was es nie gab: Und so politisch, die Rücknahme der Agenda 2010 zu fordern oder einen Stopp aller Waffenlieferungen an die Türkei, sind die Jusos nicht. Damit aber könnten sie deutlich machen, dass es um mehr als Symbolpolitik geht. Dazu aber ist der Jusovorstand nicht bereit.

Das inhaltsleere Gerede über einen SPD-Eintritt, um dort eine Entscheidung mit zu bestimmen, verdeckt die inhaltlichen Leerstellen der Kampagne gegen eine weitere Zusammenarbeit mit der Union. Man will sich ideologisch nicht festlegen, weil ja viele durchaus eine Minderheitsregierung der Union mittragen würden.

Warum sollen die Neumitglieder der SPD nicht über Hartz IV und Waffenlieferungen entscheiden?

Dabei gäbe es genügend inhaltliche Positionen, die für SPD-Neumitglieder interessant sein können. Warum sollen sie die SPD nicht auf eine Revision der Agenda 2010 festlegen, die schließlich wie auch SPD-nahe Institute mittlerweile zugestehen, zu einer Verarmung großer Teile der Bevölkerung in Deutschland und zum Lohndumping führte. Und was ist mit einem Stop aller Waffenlieferungen in Staaten, die für Menschenrechtsverletzungen bekannt sind?

Das wäre doch eine sehr aktuelle Forderung, nach dem bekannt wurde, dass unter rot-schwarz die Geschäfte der deutschen Rüstungsindustrie besser florierten als unter schwarz-gelb. Verantwortlich war der Außenminister Gabriel, der in Sonntagsreden so wortreich für eine Regulierung der deutschen Rüstungsexporte eintritt.

Diese Frage wurde noch aktueller, als Fotos zeigten, dass deutsche Panzer beim Krieg der Türkei gegen die kurdischen Enklaven in Syrien mit dabei sind. Gäbe es eine Kampagne, in die SPD einzutreten, um gegen Waffenlieferungen in die Türkei oder für die Revision von Hartz IV zu votieren, wäre die Reaktion der Parteiführung wahrscheinlich viel vehementer.

Denn dann stünde die Rolle der SPD als Stütze des Kapitalismus in Frage. Die Kampagne der Jusos und einiger SPD-Linker gegen die weitere Kooperation mit der Union hingegen ist für die SPD-Führung harmlos. Einen großen Einfluss auf die Abstimmung werden die Neueintritte nicht haben. Um so viele Menschen zu einen Parteieintritt zu motivieren, müssten sie schon mit lukrativen Prämien locken. Eine verminderte Eintrittsgebühr reicht da sicher nicht.

Zudem werden manche, von denen, die tatsächlich eintreten, auch bleiben und so bekommt die SPD einige dringend benötigte Mitglieder. Bleiben sie drin oder wollen gar in der Partei aufsteigen, werden sie genauso stromlinienförmig die Parteiraison unterstützen, wie es heute Andrea Nahles und Co. tun, die schließlich auch mal als linke Jusos galten. Johanna Ueckermann, eine der Nahles-Nachfolgerin bei den Jusos, muss sich noch in Anpassung üben, das war die Botschaft der SPD, die ihr bei den letzten Wahlen keinen aussichtsreichen Listenplatz gab[6].

Peter Nowak
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[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-mitgliederentscheid-wie-die-jusos-die-groko-noch-verhindern-wollen-a-1189420.html
[2] http://www.zeit.de/news/2018-01/22/deutschland-jusos-kuendigen-kampagne-einen-zehner-gegen-die-groko-an-22083602
[3] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/jusos-in-der-spd-der-unlautere-kampf-um-neue-genossen-15412651.html
[4] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7809500.html
[5] http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/fdp-unterwanderung-sponti-studenten-machen-karriere-a-150985.html
[6] http://www.taz.de/Juso-Chefin-bekommt-kein-Mandat/!5362147/