Zutiefst braun – bis zu seinem Schlussschluchzer

Alfred J. Noll demaskiert den rechten Werkmeister aus dem Schwarzwald: Martin Heidegger

Martin Heidegger war ein durch und durch reaktionär-faschistischer Denker, von seinen neoscholastisch-theologischen Anfängen bis zu seinem Schlussschluchzer.« Die Haltung des Wiener Soziologen Alfred E. Noll ist klar. Er gehört nicht zu jenen, die Heideggers Sympathie für den Nationalsozialismus relativieren. In seinem Buch wird der Rektor der Freiburger Universität schonungslos demontiert.

Noll belegt sein Urteil anhand von Zitaten, teils aus einer Zeit, als es die NSDAP noch nicht gab. So schrieb der Philosoph bereits 1916 an eine Freundin: »Die Verjudung unsrer Kultur und Universität ist allerdings schreckerregend und ich meine, die deutsche Rasse sollte soviel innere Kraft aufbringen, um in die Höhe zu kommen.« Als dann 1933 der »nationale Aufbruch« marschierte und sich die KZ und Folterkeller der Gestapo füllten, belehrte er eine andere Freundin: »Wenn sie sich die grauenhafte Arbeit des Kommunismus in den letzten Jahren ansehen, dann werden sie sich über die Art des heutigen Ansturms nicht wundern. An uns ist es jetzt, dem Aufbau beizustehen, zu reinigen und zu klären, die Ziele und Maßstäbe wirksam zu machen.« Noll findet aber auch in Heideggers philosophischen Werken Belege für dessen zutiefst reaktionäres Denken. Seine ausdrückliche Orientierung auf das Ländlich-Provinzielle gegen das Industrielle, Städtisch-Urbane habe der nazistischen Blut-und-Boden-Ideologie zugearbeitet.

Natürlich studierte Noll auch die »Schwarzen Hefte«, jene Tagebücher, die Heidegger 1931 bis 1978 führte und die erst kürzlich veröffentlicht wurden. Sie haben in der Heidegger-Gemeinde für große Verwirrung gesorgt, weil dort deutlich wurde, dass jener auch nach seinem Rücktritt als Rektor der Freiburger Universität NS-Ideologie vertrat und sogar noch nach 1945 am »geistigen Nationalsozialismus« festhielt. Bis an sein Lebensende, auch dies verrät die Lektüre der »Schwarzen Hefte«, blieb Heidegger ein Antisemit. Vereinzelte Angriffe von NS-Philosophen auf dessen Werk wertet der Autor als Auseinandersetzung innerhalb der völkischen Bewegung.

Den Juden warf Heidegger vor, selber an ihrer Vernichtung Schuld zu sein. Für das Nachkriegsdeutschland hatte er kein gutes Wort übrig. Nach 1945 erging er sich wie so viele Deutsche, die das NS-System mitgetragen haben, in Selbstmitleid. Es waren die wenigen aktiven Nazigegner, die schon früh das wahre Gesicht des rechten Werkmeister aus dem Schwarzwald entlarvten. In dieser Tradition steht dieses Buch, das Noll einem Philosophen und Hegelforscher widmete, der sich dereinst auf die Seite der DDR gestellt hatte – seinem Lehrer Raimund Beyer: »Seine provozierenden und despektierlichen Heidegger-Kritiken sind, ignoriert von allen, bis heute ungeachtet ihres rüden und oftmals der Zeit des Kalten Krieges geschuldeten Tonfalls trefflicher als alles, was sonst über Heidegger geschrieben wurde.«

Alfred J. Noll: Der rechte Werkmeister. Martin Heidegger nach den Schwarzen Heften. Papyrossa. 238 S., br., 18 €.

Peter Nowak