V-Maoisten

Annotiert

Der Autor des »Neue Deutschland« war empört über die KP Chinas. In einem 1963 veröffentlichten Artikel bezichtigte er jene, sich in die inneren Angelegenheiten der »Bruderparteien« einzumischen. Zahlreiche Mitglieder der in der BRD illegalisierten KP hatten Broschüren chinesischer Kommunisten erhalten, in denen die Linie der osteuropäischen Kommunisten als »Revisionismus« scharf kritisiert worden ist. Der Streit zwischen der chinesischen und der sowjetischen KP eskalierte damals, was an der Basis diverser kommunistischer Parteien zu Verwirrung und Streit führte, darunter auch in der Bundesrepublik.

Was der empörte ND-Autor nicht wusste, offenbarte jetzt Mascha Jacoby einer größeren Öffentlichkeit. Die Hamburger Historikerin forscht über die Rezeption des Maoismus in der BRD und stieß dabei eher zufällig auf die Hilfe des Verfassungsschutzes in den frühen 1960er Jahren bei der Verbreitung maoistischer Schriften. In dem kürzlich im Verlag Matthes & Seitz erschienenen Band »Ein kleines rotes Buch – Die Mao-Bibel und die Bücher-Revolution der Sechzigerjahre« (28 €) fasste sie ihre Recherchen zusammen.

Der Verfassungsschutz hatte Karten mit den Anschriften ihm bekannter KP-Mitgliedern an die Bestelladresse der chinesischen Broschüren geschickt, die in westdeutschen Zeitungen, darunter in der »FAZ«, per Anzeigen beworben wurden. Es sei darum gegangen, die deutschen Kommunisten zu unterwandern, bekannte Anfang der 1970er Jahre der Präsident des Verfassungsschutzes Günther Nollau diese ungewöhnliche Hilfe für Peking. Das Amt registrierte mit Genugtuung, dass die chinesischen Publikationen tatsächlich unter westdeutschen Kommunisten intensiv diskutiert wurden. Manche der unfreiwilligen Empfänger meldeten die ungebetene Post aber auch sofort ihren führenden Genossen.

Der Verfassungsschutz war ungemein kreativ bei der Verbreitung des Maoismus in der Bundesrepublik. Laut Jacoby gründete er die – allerdings kurzlebige – Zeitschrift »Der 3. Weg« als sogenanntes Forum kritischer Kommunisten. Sogar eine Partei, die sich MLPD nannte, jedoch nichts mit der heute noch existierenden gleichen Namens gemein hatte, rief das Amt ins Leben. Sie hatte gesamtdeutschen Anspruch, löste sich aber bald wieder auf. Langlebiger war eine vom niederländischen Geheimdienst im Nachbarland gegründete maoistische Partei.

Jacoby betont, dass der Aufschwung maoistischer Ideen in der Folge der Rebellion von 1968 nicht allein mit dem Agieren des Verfassungsschutzes erklärt werden könne. Weltweit stießen während der chinesischen »Kulturrevolution« maoistische Vorstellungen auf großes Interesse unter Linken. Wie der Verfassungsschutz damit umging, harrt noch der Forschung. Fakt ist, dass die 68er nicht nur, wie oft zu hören und zu lesen, von der ostdeutschen Stasi infiltriert worden sind.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1093488.v-maoisten.html

Peter Nowak

Neonazistische Finte

Weißenburg – Im bayerischen Weißenburg sind Neonazis als Betreiber einer Facebook-Seite geoutet worden, die den Rücktritt eines Kommunalpolitikers fordert. Unterzeichnet haben aber auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger.

Bisher war Erkan Dinar nur im bayerischen Weißenburg bekannt. Dort war kandierte er chancenlos für die Linke zum Bürgermeisteramt und sitzt für seine Partei als Abgeordneter im Kreistag. Doch seit einigen Wochen geht sein Namen durch das Internet. „Wir fordern den Rücktritt von Erkan Dinar als Stadtrat“, lautete die Forderung, die innerhalb weniger Tage über 800 Menschen unterzeichneten. Zum Anlass für diese Forderungen wurde eine Auseinandersetzung zwischen dem Kommunalpolitiker Dinar, einigen Mitarbeitern vom Sicherheitsdienst und der Polizei auf der Kirchweih von Weißenburg genommen.

Zum Hergang gibt es unterschiedliche Versionen und die juristischen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Geschlossen worden ist aber mittlerweile die Facebook-Seite mit der Rücktrittsforderung. Zuvor haben sich die Betreiber selber geoutet. „Ja, wir sind bekennende Nationalisten“, schreiben sie und rechnen sich der Partei „Der III. Weg“ zu. Diese wurde im September 2013 gegründet und ist ein Sammelbecken für Freie Nationalisten und versprengte Ex-NPD-Mitglieder. In einem Zehn-Punkte-Programm fordert „Der III. Weg“ unter anderem einen „deutschen Sozialismus“ und die „Wiederherstellung Gesamtdeutschlands“ über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Auf der Homepage der Neonazi-Partei prangen Plakate mit der Parole „Kriminelle Ausländer raus“.

Der Verdacht, dass die Facebook-Kampagne gegen Dinar aus dieser Ecke kommt, begründete sich aus der rechten Argumentation und der anfänglichen Weigerung der Betreiber der Seite, sich zu erkennen zu geben. Nachdem der rechtsextreme Hintergrund der Facebook-Seite bekannt wurde, zogen einige der Unterzeichner ihre Unterstützung zurück, weil sie sich nicht vor der Karren von Neonazis spannen lassen wollten. Die aber reagierten auf die Kritik selbstbewusst: „Schon in der Vergangenheit waren es stets Aktivisten des nationalen Widerstandes, die angeprangert haben, dass Herr Dinar weder als Stadtrat noch als Inhaber irgendwelcher Ämter tragbar ist.“ Tatsächlich war Erkan Dinar in der Vergangenheit als Sprecher mehrerer Bündnisse gegen Rechts in Weißenburg wiederholt ins Visier der Rechtsextremisten in der Region geraten. Bereits im Juli 2013 wurde er auf der Homepage der „Freien Nationalisten Weißenburg“ als „Krawalltourist aus der Türkei“ beschimpft.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/neonazistische-finte

Peter Nowak