Wenn Wohnraum "aus der Bindung fällt": Der Stadtsoziologe Andrej Holm weist nach, dass die private Eigentumsförderung kein Weg ist, um Wohnungen für alle zu errichten

Die Legende vom sozialen Wohnungsbau

Hintergrund ist, dass sie ganz bewusst auch den sozialen Wohnungsbau mit kapitalistischer Eigentumsbildung verknüpfen wollten. Natürlich gab und gibt es Alternativen. Vor allem in nichtkapitalistischen Ländern wurde der Wohnungsbau vom Staat kontrolliert.

Wenn von der aktuellen Wohnungsmisere in Deutschland die Rede ist, verweisen auch gern auch von Mieteraktivisten auf die Kappung des sozialen Wohnungsbaus als eine der wichtigsten Ursachen. Der Hinweis scheint erst mal vernünftig, weil die Wohnmisere schließlich nicht darin besteht, dass zu wenig gebaut wird, sondern darin, dass kaum …

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Weniger Profit, mehr bezahlbarer Wohnraum

Seit über einem Jahr stellt die Linkspartei in Berlin die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen. An den steigenden Mieten in der Hauptstadt hat das nichts geändert.

Ein Jahr im Amt – das ist für Politiker immer eine willkommene Gelegenheit für Selbstbespiegelung und die Präsentation ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Erfolge. Auch Katrin Lompscher von der Linkspartei nutzte ihr einjähriges Jubiläum als Berliner Wohnungs- und Stadtentwicklungs­senatorin für eine Bilanz. »Was wurde in einem Jahr in der Wohnungsfrage ­geschafft beziehungsweise was nicht?« – unter diesem leicht verschwurbelten Motto stand die Diskussion, zu der die »Helle Panke«, die Berliner Sektion der Linkspartei-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, Ende Januar eingeladen hatte.

Moderiert wurde die Debatte von Andrej Holm, den viele der zahlreichen Besucher freundlich begrüßten und mit Vornamen anredeten. Schließlich ist Holm seit Jahren als Mieteraktivist bekannt. Sein kurzes Gastspiel als Staatssekretär, das er wegen Stasivorwürfen bald beenden musste, schuf ein ungewöhnliches Bündnis: »Holm bleibt« lautete das Motto einer kurzlebigen Kampagne, bei der sich Mitglieder der außerparlamentarischen Mieterbe­wegung erstmals in ihren Leben für einen Politiker stark machten. Was bei der Veranstaltung deutlich wurde: Nach Holms Rücktritt blieb das Verhältnis zwischen großen Teilen der mieten- und stadtpolitischen Bewegung in Berlin und dem Senat entspannt.

Nur kurz wurde es etwas lauter – weil sich einige Menschen beschwerten, die keinen Einlass mehr in dem vollen Saal fanden.

Die mehr als 250 Teilnehmer hörten geduldig zu, als Lompscher ihre kleinen Erfolge anpries. Zu der lockeren Atmosphäre dürfte beigetragen haben, dass die Senatorin gar nicht bestritt, dass sich für einen Großteil der Mieter mit geringen Einkommen in Berlin wenig zum Besseren gewendet hat. Das bestätigte die Mieteranwältin Carola Hand­werg mit einem Bericht aus ihrer täglichen Praxis. Demnach formulierten die Eigentümer die Begründungen für Kündigungen immer kreativer und kämen damit bei den Gerichten häufig sogar durch. Zudem sei die Zahl der Zwangsräumungen von Wohnungen in Berlin weiter gestiegen, auch städtische Wohnungsgesellschaften seien an dem Anstieg beteiligt.

Lompscher behauptete, dass die Wohnungen meistens schon verlassen und Zwangsräumungen daher nicht nötig seien. Dabei ist bekannt, dass viele ­Betroffene aus Scham lieber bei Bekannten auf der Couch oder gleich auf der Straße übernachten, als sich räumen zu lassen. An der Stelle wäre für die ­außerparlamentarische Linke zumindest die Forderung nach einem Räumungsmoratorium bei städti­schen und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften angebracht gewesen. Eine solche Forderung muss allerdings von unten durchgesetzt werden, indem man die betroffenen Mieter bestärkt, nicht freiwillig auszuziehen, und stattdessen die Verantwortlichen in ihren Büros besucht.

Die Eigentumsfrage stellte in der »Hellen Panke« dann wenigstens Ralf Neumann von der Mieten-AG der Interventionistischen Linken (IL). Man ­müsse dafür sorgen, dass die Profite der Immobilienfirmen sinken, sagte er. Dazu hat die Mieten-AG unter dem Titel »Das Rote Berlin« eine Broschüre veröffentlicht. Der Titel knüpft an die linkssozialdemokratische Wohnungs­politik im sogenannten Roten Wien der zwanziger Jahre des vorigen Jahr­hunderts an, als mit großzügig finanziertem kommunalem Wohnungsbau tatsächlich einige Erfolge in der Wohnungsfrage erzielt wurden.

In ihrem Konzept schlägt die IL »Strategien für eine sozialistische Stadt« vor, so der Untertitel. Der private Wohnungsmarkt solle durch Steuern, ­Regulierung und Marktbehinderung zurückgedrängt und so die Spekula­tion mit Wohnraum un­attraktiv gemacht werden. In einem nächsten Schritt ­solle der Wohnraum durch Aufkauf und Enteignung ­rekommunalisiert und zusammen mit den bereits in Landeseigentum befindlichen Wohnungen in demokratische Selbstverwaltung überführt werden. Dafür will die IL Mieter politisch organisieren und zivilen Ungehorsam sowie Projekte wie das Mietenvolksbegehren unterstützen.

Die Bewegung müsse außerparlamentarisch bleiben, betont die IL in der Borschüre. Gespräche mit Parteien­vertretern lehnt sie aber nicht ab. Es sei radikaler bei den Parteien die Erfüllung von Wahlversprechen einzufordern, als abstrakte Verratsvorwürfe zu er­heben, heißt es in Richtung jener Autonomen, die etwa in der aktuellen ­Ausgabe der Zeitschrift radikal die IL bereits als Vorfeldorganisation der Linkspartei einordnen – und bekämpfen wollen.

Interventionistische Linke Berlin: Das Rote Berlin. Strategien für eine sozialistische Stadt. Berlin 2018, 47 Seiten, kostenloser Download unter interventionistische-linke.org/beitrag/das-rote-berlin

https://jungle.world/artikel/2018/07/weniger-profit-mehr-bezahlbarer-wohnraum

Peter Nowak

Parteien sondieren – Bevölkerung lässt es in Vollnarkose über sich ergehen

Doch das Desinteresse an den Verhandlungen sollte nicht als unpolitisch missverstanden werden

„Vorsicht, lassen Sie sich nicht breitschlagen.“ Dieser Appell der Politsatiregruppe Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen an die SPD-Sondierungsgruppe, die Regierungsmöglichkeiten mit der Union erkunden soll, fand in den Medien keine Resonanz. Dabei erinnerte der Brief die SPD-Politiker an ihre Wahlversprechungen, die Mietsteigerungen zu bremsen:

Laut einer Umfrage befürchten 47% der Berlinerinnen wegen Mietsteigerungen ihre Wohnung zu verlieren – ähnlich wie in den meisten Städten. Katastrophale Spekulanten-freundliche Gesetze führen immer massenhafter zu willkürlichen Luxus-Modernisierungen, völlig legalen Wuchermieten, Verarmung, Entmietung und faktische Vertreibung der Menschen aus Ihrer Heimat. Solche Gesetze wie z.B. der Umlage-§ 559 müssen abgeschafft oder grundlegend novelliert werden, damit die Menschen nicht in permanenter Angst leben müssen! Die Härtefall-Klausel ist nur ein Deckmäntelchen – aber faktisch völlig unzureichend. Das schafft gerade in Deutschland eine Situation, die schlimmer ist als im Mittelalter! Dort wurden die Menschen nur mit einem „Zehnten“ Teil ausgeplündert – heute darf es hierzulande schon ein Vielfaches sein.“

Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen

Nun kann man es für naiv halten, die Parteien an ihre Wahlversprechen und die SPD an die Bedeutung ihres Anfangsbuchstabens zu erinnern. Unbestreitbar ist aber die Angst vor hohen Mieten ein Thema, das viele Menschen bis in die Mittelschichten umtreibt.

In dem genannten Brief werden mit der Abschaffung des Modernisierungs-Umlage-Gesetzes nach § 559 BGB Maßnahmen genannt, die bei einem vorhandenen politischen Willen umgesetzt werden könnten. Kurt Jotter vom Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen empfiehlt der SPD, solche Themen in den Vordergrund zu stellen.

Sollte die Realisierung an der Union scheitern und es zu Neuwahlen kommen, könnte sie mit solchen sozialen Wegmarken vielleicht sogar wieder Stimmen gewinnen bzw. für Parlamentsmehrheiten sorgen, die eine Koalition links von der Union möglich machen würden.

Nur allein die Tatsache, dass diese Mehrheiten nie genutzt wurden, als es sie bis zu den letzten Wahlen noch gab, zeigt, wie illusionär heute die Hoffnung auf eine sozialdemokratische Reformpolitik ist.


Bevölkerung im Winterschlaf

Nun könnten solche Initiativen, wie die vom Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen auch dazu dienen, diesen Tatbestand einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen und damit außerparlamentarische Aktivitäten zu entfachen. Das weitgehende Desinteresse großer Teile der Bevölkerung an Sondierungen der unterschiedlichen Regierungsvarianten legt eine solche Lesart nahe.

Große Teile der Bevölkerung erwarten von den Parteien keine Verbesserungen ihrer Lebenssituation mehr. Wenn sie das Wort Reform hören, wissen sie, dass neue Zumutungen auf sie zukommen. Wie der Begriff „Reform“ von der Hoffnung auf ein besseres Leben im Kapitalismus zum Schrecken wurde, hat Rainer Balcerowiak in seiner Streitschrift „Die Heuchelei von der Reform“ gut analysiert.

Der Soziologe Ulf Kadritzke hat in dem ebenso kundig, wie leicht verständlich geschriebenen Buch „Mythos Mitte oder die Entsorgung der Klassenfrage“ den Mythos zerlegt, dass Wahlen nur in der Mitte gewonnen werden können. Diese Mitte gibt es gar nicht als fixen Punkt. Sie ist jeweils der Ort, wo dem Kapital die besten Verwertungsinteressen garantiert werden.

Wenn also immer wieder gewarnt wird, dass ein Politiker, der Erfolg haben will, in der Mitte bleiben soll, wird ihm damit nur bedeutet, er soll sich bloß nicht einbilden, Kapitalinteressen regulieren zu wollen. Das ist auch der Grund, warum selbst solche nun wirklich nicht systemsprengenden Maßnahmen wie eine mieterfreundliche Reform des § 559 von den Parteien nicht propagiert werden. Da müsste man sich mit Kapitalinteressen anlegen und das ist nicht karrierefördernd.

Aufregung um Klimaziel, das niemand für realistisch hielt

Die weitgehende Apathie, mit der große Teile der Medien und noch mehr die Bevölkerung die Sondierungen für eine neue Regierung über sich ergehen lassen, wurde vor einigen Tagen unterbrochen, als durchsickerte, dass womöglich im Kapitel „Klima und Energie“ der Satz stehen sollte: „Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht erreicht werden.“

Am faktischen Wahrheitsgehalt dieser Aussage zweifelt kaum jemand. „Das mag halbwegs realistisch sein. Klimapolitisch ist die Aussage ein schwerer Fehler“, kommentiert der Taz-Umweltredakteur Bernd Pötter. Wie er argumentieren viele Kritiker, die kritisieren, dass hier ein Fakt benannt wird.

„Die große Koalition resigniert schon vor dem Start. Sie widerspricht nicht nur dem Versprechen von Angela Merkel und Martin Schulz. Sie entwertet durch die faktische Aufgabe des 2020er Ziels auch das gesamte restliche Konzept“, argumentiert Pötter.

Nun würde das Versprechen aber doch dadurch gebrochen, dass das Ziel nicht erreicht wird, wovon auch Pötter ausgeht, und nicht dadurch, dass der Misserfolg auch formuliert wird. Im Gegenteil, könnte dadurch doch darüber diskutiert werden, ob das Ziel von Anfang an unrealistisch, also das Versprechen hohl war. Oder war das Versprechen realisierbar, aber man hat keine Schritte unternommen, es umzusetzen.

In beiden Fällen wären die Politiker zu kritisieren. Doch die Tatsache, dass das Ziel nicht erreicht wird, erst gar nicht zu benennen, verhindert eine solche rationale Kritik. Nun ist das eine gängige Methode einer ökologistischen Betrachtungsweise, wo es mehr um Gefühle, Mutmaßungen und Placebos geht. Da könnte dann schon das Versprechen „Wir schaffen das Klimaziel“ für gute Gefühle sorgen.

Klimaziele und Renditeerwartungen

Damit würde sich nichts an den von vielen prognostizierten Umweltbedingungen ändern, aber die Aktien der wachsenden industriellen Branche, die sich auf den ganzen Komplex ökologischer Umstrukturierung des Kapitalismus konzentriert, würden steigen. Darum geht es schließlich auch bei dieser Debatte.

Wenn so viel von den deutschen Energiezielen geredet wird, geht es um den weltweiten Konkurrenzkampf der Industrien. Da könnte eine ehrliche Mitteilung, dass die Klimaziele nicht erreicht werden, einen Vertrauensverlust und vielleicht sinkende Renditeerwartungen bedeuten. Daher kam auch die harsche Kritik von der Lobby der Industriebranche der Erneuerbaren Energien.

Zu diesen Lobbygruppen gehören auch die meisten großen Umweltorganisationen. Sie verkleiden ihr Eintreten für die Interessen der nichtfossilen Industrie mit dem scheinbar positiv besetzten Begriff der Klimaziele. Ehrlicher ist da schon Claudia Kempfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die in ihrer Kritik am realen Stand der Klimaziele die Interessen der nichtfossilen Industrie nicht verschweigt.

Ein Großteil der einkommensärmeren Bevölkerung erkennt, dass sie für Wirtschaftsinteressen eingespannt werden soll, wenn von Klimazielen und sozial-ökologischen Umbau die Rede ist. Jüngere Menschen versprechen sich von einer postfossilen Regulationsphase des Kapitalismus bessere Lebensbedingungen und auch Jobmöglichkeiten und engagieren sich eher für ökologische Belange.

Das „Rote Berlin“ – oder Versuche der Politisierung des gesellschaftlichen Unmuts

Wie es gelingen kann, die Interessen für eine lebenswerte Umfeld mit sozialen Forderungen zusammen zu bringen, ist eine Frage, die sich nicht an die Parteien, sondern an die sozialen Bewegungen richten sollte.

Denn die fast durchgängige Apathie, mit der große Teile der Bevölkerung die verschiedenen Regierungssondierungen über sich ergehen lassen, sollte nicht als Desinteresse an Politik und an der Bereitschaft, für die eigenen Interessen einzutreten, missverstanden werden.

Nur so ist es zu erklären, dass der Film Mietrebellen, der ohne finanzielle Förderung gedreht und ohne Verleih beworben wird, seit mehreren Jahren in vielen Städten noch immer vor einem interessierten Publikum läuft. Dort bekommen die Menschen etwas zu sehen, was selten geworden ist in dem wirtschaftsliberalen Kapitalismus unserer Tage: Menschen jeden Alters, die sich wehren, wenn sie ihre Wohnungen verlassen sollen.

Diese Bereitschaft, sich zu wehren, wenn es um konkrete Lebenszusammenhänge wie die eigene Wohnung geht, ist die Grundlage einer Veranstaltungsreihe der außerparlamentarischen Gruppe Interventionistische Linke. Unter dem Titel „Das Rote Berlin“ sollen Strategien für eine sozialistische Stadt diskutiert werden.

Der Titel rekurriert auf das Rote Wien der 1920er Jahre, das heute ein Synonym für eine mieterfreundliche Wohnungspolitik im Kapitalismus geworden ist. Träger war eine österreichische Sozialdemokratie, die mit dem Austromarxismus einen 3. Weg zwischen Kapitalismus und Sowjetmarxismus beanspruchte.

https://www.heise.de/tp/features/Parteien-sondieren-Bevoelkerung-laesst-es-in-Vollnarkose-ueber-sich-ergehen-3939524.html
Peter Nowak
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[1] https://www.bizim-kiez.de/initativen/buero-fuer-ungewoehnliche-massnahmen-kurt-jotter/
[2] https://dejure.org/gesetze/BGB/559.html
[3] https://www.amazon.de/Die-Heuchelei-von-Reform-desinformiert/dp/3958410596
[4] http://www.bertz-fischer.de/mythosmitte.html
[5] https://www.heise.de/tp/features/Mass-und-Mitte-3758545.html
[6] https://dejure.org/gesetze/BGB/559.html
[7] http://www.taz.de/Archiv-Suche/!5472414&s=&SuchRahmen=Print/
[8] http://www.diw.de/deutsch
[9] https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/diw-kritik-an-union-sondierung-abschied-von-klimazielen-100.html
[10] http://mietrebellen.de/
[11] http://interventionistische-linke.org/
[12] http://interventionistische-linke.org/termin/das-rote-berlin-strategien-fuer-eine-sozialistische-stadt-teil-iii-demokratisierung-und-neue
[13] http://www.dasrotewien.at/seite/kommunaler-wohnbau

Berliner Geschichte

»Keine Hundesteuer, keine Mietsabgaben, keine neuen Maschinen und im Tiergarten rauchen« – das waren die Forderungen einer Demonstration im Juli 1830, die als Berliner Schneideraufstand in die Geschichte einging. Mit dieser sozialen Bewegung beginnt der Historiker Axel Weipert seine »Geschichte des Roten Berlin«. Es folgen der Kartoffelaufstand am Mehringplatz 1847 und die Blumenstraßenkrawalle gegen Zwangsräumungen in Kreuzberg 1872, die vom Militär blutig unterdrückt wurden. Auch in der Weimarer Zeit legt Weipert das Augenmerk auf die Geschichte sozialer Bewegungen. Die beginnt mit den Revolutionären Obleuten, den eigentlichen Trägern der Novemberrevolution. Der Autor zeigt, wie die Rätebewegung von den Freikorps blutig unterdrückt wurde, die im Auftrag der SPD die Revolution abwürgten. Wenig bekannt sind die starke Erwerbslosenbewegung in der Frühzeit der Weimarer Republik und eine Schöneberger Siedlung, die noch in der Frühphase des Naziregimes als Rote Insel bekannt war. Weipert konzentriert sich auf den Stadtteil und selbstorgansierte Kämpfe. Diese wurden in der sozialdemokratischen Presse oft mit Krawall in Verbindung gebracht, etwa die Demonstrationen junger Erwerbsloser 1892 oder die Proteste von Obdachlosen einige Jahre später. Es ist verdienstvoll, dass Weipert diese von den Parteien und Gewerkschaften oft ignorierten oder gar diffamierten Kämpfe in seinem gut lesbaren Buch einer größeren Öffentlichkeit bekannt macht.

http://www.akweb.de//ak_s/ak590/03.htm

Peter Nowak

Axel Weipert: Das Rote Berlin. Eine Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung 1830 – 1934. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2013. 251 Seiten, 29 EUR.