Eine deutsche Eiche vor dem Rostocker Sonnenblumenhaus

Am Wochenende gab es zweierlei Gedenken in Rostock

„Störer wie euch dürfen niemals durchkommen.“ Diese unsouveräne Antwort gab Bundespräsident Joachim Gauck einer Gruppe von Antirassisten, die ihn am Sonntag vor dem Rostocker Sonnenblumenhaus mit „Heuchler“-Rufen und einem Transparent mit der Aufschrift „Rassismus tötet“ empfingen.

Das renovierte Haus war in den letzten Wochen in vielen Zeitungen und auf vielen Plakaten zu sehen. Vor 20 Jahren wurde es durch von einem Bürgermob angefeuerte Neonazis in Brand gesteckt. Zu dem diesem Zeitpunkt waren Polizei und Feuerwehr abgezogen worden. In letzter Minute konnten sich die noch im Gebäude anwesenden Flüchtlinge samt Unterstützer durch eine Dachluke vor den Flammen retten. Von Gauck, der heute gerne auf seine Rostocker Herkunft verweist, war damals übrigens nichts zu hören. Das Foto eines Betrunkenen mit erhobenen rechten Arm ging um die Welt und prägt für viele bis heute das Bild jener pogromartigen Ereignisse vor 20 Jahren. In dem Buch Kaltland hat ein Autorenkollektiv noch einmal das Klima jener Zeit nicht nur im Osten Deutschlands festgehalten.

„Sie können jetzt einpacken“

Vielleicht hätte ein anderes Bild, das leider nie so bekannt geworden ist, noch treffender die damaligen deutschen Zustände vermittelt. Es zeigt eine rumänische Romafrau, die mit den anderen Rostocker Flüchtlingen nach den rassistischen Ausschreitungen auf die Busse wartet, die sie aus Rostock abtransportieren. Das Foto des Fotografen Jürgen Siegmann dürfte in der nächsten Zeit bekannter werden. Schließlich ist es in dem Film Revision zu sehen, der demnächst in die Kinos kommt und die Geschichte von zwei rumänischen Flüchtlingen aufarbeitet, die Ende Juli 2002 an der deutschpolnischen Grenze von Jägern erschossen worden, die sie angeblich mit Wildschweinen verwechselten.

Das Foto spielt deshalb in dem Film eine Rolle, weil die abgebildete Frau die Witwe eines der Erschossenen ist. Ihre wenigen Habseligkeiten sind in einer Plastiktüte mit der Aufschrift „Sie können jetzt einpacken“ verstaut. Der lustig gemeinte Werbespruch eines Discounters wurde dem Mob aus Bürgern und Nazis in Rostock umgedeutet. Als die Flüchtlinge abtransportiert wurden, applaudierten sie über ihren „Sieg“.

Als wenig später die Asylgesetze in Deutschland so sehr eingeschränkt wurden, dass kaum noch ein Flüchtling in Deutschland davon profitieren kann, konnten sie noch einen vermeintlichen Sieg feiern. Welches Signal sendet nun das Pflanzen einer Eiche vor dem renovierten Rostocker Sonnenblumenhaus aus? Die Initiatoren argumentieren einerseits pragmatisch damit, dass die Eiche besonders langlebig sei und sprechen von der Friedenseiche als einem alten deutschen Symbol. Linke Kritiker sehen in der Eiche eher ein deutschnationales Symbol.

Gedenktafel oder Eiche?

Bei der unterschiedlichen Ausgangslage ist es nicht verwunderlich, dass es am Wochenende zwei unterschiedliche Arten des Gedenkens in Rostock gab. Die offizielle Gedenkfeier verurteilt die rassistische Übergabe und spricht scheinbar selbstkritisch vom Versagen des Staates. Gauck forderte eine „wehrhafte Demokratie“. Die könnte sich dann ebenso gegen die Antirassisten richten, die Gauck als Störer adressierte, wie gegen angeblich illegale Flüchtlinge. Schließlich wird im offiziellen Gedenken peinlich darauf geachtet, dass die massive Einschränkung des Asylrechts nicht mit dem Pogrom von Rostock in Verbindung gebracht wird, obwohl vor 20 Jahren zahlreiche Politiker selber den Zusammenhang herstellten. So reiht sich das offizielle Gedenken in ähnliche Veranstaltungen zu den NS-Verbrechen ein. Schlimme Zeit damals, aber Deutschland hat daraus gelernt und ist gestärkt darauf hervorgegangen, heißt kurz zusammengefasst das Fazit. So gesehen ist die Eiche vielleicht ein passendes Symbol.

Die linken Kritiker hingegen betonten im Aufruf zu der von mehreren tausend Menschen besuchten Demonstration in Rostock besonders den Zusammenhang zwischen der Verschärfung des Asylrechts und dem Pogrom. Sie sprachen sowohl vom institutionellen Rassismus als auch von dem in der Mitte der Gesellschaft. Sie brachten eine Gedenktafel erneut am Rostocker Rathaus an, mit der die Organisation Töchter und Söhne der aus Frankreich deportierten Juden bereits vor 20 Jahren gegen den Rassismus Stellung nahmen. Die Tafel wurde von der Stadt entfernt, die Aktivisten, darunter auch Beate Klarsfeld, festgenommen.

Gedenktafel versus Eiche, allein in diesen Symbolen wird die Unterschiedlichkeit des Gedenkens deutlich. Dazwischen agierte ein zivilgesellschaftliches Bündnis, das die Ablehnung von rechter Gewalt mit einer Imagewerbung für Rostock verbindet. Allerdings kooperieren manche der Aktivisten jenseits von zentralen Gedenkveranstaltungen mit Aktivisten des linken Bündnisses im Alltag in antirechten Bündnissen. Daher ist auch die Konfrontation nicht mehr so schroff wie vor 20 Jahren, als schon einmal ein Bundespräsident, damals war es von Weizsäcker im Berliner Lustgarten, bei einer offiziellen Gedenkveranstaltung zu den Opfern rechter Gewalt ausgepfiffen und mit Heuchlerrufen bedacht wurde.
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Peter Nowak