Baustopp statt Kungelrunden


Im Friedrichshainer wollen sich Anwohner/innen nicht vom Bezirk eingeleiteten Dialog-Prozess beteiligen, sondern setzen weiter auf Widerstand gegen Nobelprojekte.

„Zutritt verboten“ heißt es auf dem Holzzaun. Das wäre nichts Ungewöhnliches, wenn damit nur eine Baustelle abgesperrt würde. Doch der Bauzaun trennt die gesamte Rigaer Straße. Seit 1.August 2017 müssen Anwohner/innen einen Umweg nehmen, wenn sie zum Bäcker oder zum Späti gehen. Seit mehr als zwei Monaten ist die 1 Kilometer lange Straße in der Höhe der Rigaer Straße 71 – 73 durch die Bauzäune getrennt (MieterEcho-Online berichtete). Damit sollen zwei Nobelbauten geschützt werden, die von der CG-Gruppe und der KW-Development auf beiden Seiten der Rigaer Straße errichten wollen. Doch auf dem Gelände, auf dem die CG-Gruppe das sogenannte Carree Sama-Riga errichten will, ruhen die Bauarbeiten seit Monaten. Über die Gründe hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen.

CG-Gruppe will an die Börse gehen
Sind es finanzielle Probleme der CG-Gruppe, die gemeinsam mit der Gewerbe-AG Consul Commercial mit Sitz in Leipzig an die Börse gehen will? „Man wolle einen integrierten Immobilienkonzern schaffen, der sich über den Kapitalmarkt zusätzliche Finanzierungsquellen für neue Projekte erschließt. Es wäre der erste gewerbliche Projektentwickler mit Börsenpräsenz in Deutschland“, schreibt die Immobilienzeitung. Den Verantwortlichen passen kritische Presseartikel gar nicht, weil die Börse darauf sehr sensibel reagiert. Doch kritische Berichte über das Agieren der CG-Gruppe gab es in den letzten Monaten viele. Dazu trug auch der Arbeitskreis Rigaer Straße 71-73 bei, in dem sich Anwohner/innen des Friedrichshainer Nordkiezes gegen den Nobelbau wehren. Am kommenden Samstag wollen die Mieter/innen ihre Forderung nach einem Baustopp mit der Kundgebung und einem Konzert bekräftigen. Los geht es am 21.10. um 16 Uhr am Bauzaun der Rigaer Straße 71 – 73 mit Beiträgen von Mieter/innen und Gewerbetreibenden, die über höhere Mieten und Kundenrückgänge durch die Baustelle und die Straßensperrung berichten werden. Eingeladen sind auch Mieter/inneninitiativen aus anderen Stadtteilen. Schließlich lautet das Motto der Kundgebung „Gegen die Verdrängung im Friedrichshainer Nordkiez und Anderswo“. Die Kundgebung wird auch von dem linken Hausprojekt Rigaer Straße 94 unterstützt. Dort wird bereits am 20. Oktober um 19 Uhr darüber diskutiert, wie sich die AnwohnerInnen über die Fortdauer der Polizeikontrollen und – schikanen in der Rigaer Straße wehren sollen. Die gehen auch nach dem Wechsel des Berliner Innensenats von Henkel (CDU) zu Geisel (SPD) weiter. Teilweise stehen abends bis zu 10 Polizeiwannen in der unmittelbaren Nähe der linken Hausprojekte. Passant/innen werden willkürlich kontrolliert. Wenn es in der Rigaer Straße 94 Veranstaltungen gibt, baut die Polizei regelrechte Kontrollstellen auf. Davon waren auch die Aktivist/innen der Anwohner/inneninitiative Rigaer Straße 71-73 betroffen, deren Treffen von der Polizei mehrmals durch Kontrollen und Einkesselung massiv behindert wurden. Anfang November verletzte sich eine Aktivistin, als ihr die Polizei bei einer Kontrolle in den Fahrradlenker griff, dass sie stürzte und zwei Wochen stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. „Sowohl die Polizeikontrollen als auch die Straßensperre sollen den Friedrichshainer Nordkiez fit für die Gentrifizierung machen“, erklärt Ilona Weber von der Aktionsgruppe Rigaer Straße 71-73 gegenüber MieterEcho online.

Sozialpädagogische Beforschung wird abgelehnt
Die Kundgebung ist auch eine indirekte Antwort auf dem von dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg angekündigten Dialogprozess im Nordkiez. Das Sozialpädagogische Institut (SPI) wurde beauftragt, die Probleme im Kiez und die Wünsche der Anwohner/innen zu eruieren. Für die Aktivist/innen, die seit Monaten ihre Forderungen auf die Straße tragen, ist es ein schlechter Witz, dass sie jetzt vom Bezirksamt sozialpädagogisch beforscht werden sollen. „Hier soll der Eindruck erweckt werden, dass Bezirksamt hat etwas zu sagen“, erklärte Ilona Weber. Dabei zeigt sich deren Machtlosigkeit, wenn es um Kapitalinteressen geht, an der fortdauernden Sperrung der Rigaer Straße. Anfang September hatte der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt noch erklärt, die Sperrung sei gegen den Willen seiner Behörde erfolgt und werde aufgehoben. Doch sowohl die Polizei als auch die Investoren waren damit nicht einverstanden und so bleibt die Straße weiter gesperrt.

https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/baustopp-statt-kungelrunden.html
MieterEcho online 19.10.2017

Peter Nowak