Viele Klischees

China-Bilder
Räuber der Globalisierung«, »Produktpiraten«, »Diktatur«, »Klimasünder«. Die Liste der Vorwürfe der Begriffe, mit denen in deutschen Medien China beschrieben wird, ist lang. Dort sprechen offizielle Stellen mittlerweile gar von einer Verschwörung der Medien gegen die Volksrepublik China. Dieser Vorwurf sei haltlos. Doch die Berichterstattung sei an Krisen, Kriegen und Katastrophen statt an der Realität orientiert, Klischees würden zu wenig hinterfragt. »Die Arbeitswelt oder soziale Fragen kommen in der China-Berichterstattung kaum vor«, so Carole Richter. Die Erfurter Kommunikationswissenschaftlerin ist Herausgeberin der Studie »Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien«, die am Montagabend in den Berliner Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt wurde. Herausgegeben wurde die Studie von der Stiftung in Kooperation mit den Universitäten Erfurt und Duisburg-Essen.

 Für die Untersuchung wurden 8700 Artikel aus führenden Printmedien, darunter der »Spiegel«, der »Focus«, die »FAZ« und die »taz«, aus dem Jahr 2008 ausgewertet. In diesem Jahr stand China wegen der Unruhen und der Unruhen in Tibet besonders im Blickfeld der Medien. Die von chinesischen Stellen formulierte Kritik an der Berichterstattung zu den Konflikten in Tibet wurde durch die Studie bestätigt. Weil es außer Aufnahmen von Gewalt ausübenden tibetischen Mönchen keine Bilder aus der Konfliktregion gab, musste das Klischeebild von der Repressionsmacht China mit Fotos prügelnder Polizisten aus Nepal bestätigt werden.

Dass über die Produktion mancher Vorurteile auch die deutschen Korrespondenten in China erstaunt sind, machte der Pekinger »taz«-Reporter Sven Hansen deutlich. Die oft besonders klischeebeladenen Überschriften seien von der Redaktion kreiert worden, auch der Korrespondent habe sie erstmals erst im Internet gesehen. Der Erfurter Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez sieht die Gründe der Schieflagen der deutschen China-Berichterstattung auch in der zunehmenden ökonomischen Konkurrenz des asiatischen Landes für die westlichen Staaten. Dies schlage sich vor allem in der Berichterstattung auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen und Zeitschriften nieder.

Das Publikum reagierte nicht nur mit Zustimmung auf die Erfurter Studie. So wurde bemängelt, dass es keine Vergleiche über Berichte anderer Länder gibt, die ähnlich wie China in der besonderen Kritik der deutschen Medien stehen. Ein weiterer Mangel sei, dass man in der Untersuchung nicht auch Medien wie das »Neue Deutschland«, den »Freitag« oder andere linke Zeitungen einbezogen habe. Diese hätten die hiesige China-Berichterstattung in den deutschen Medien in der Vergangenheit ebenfalls kritisch beleuchtet. So spiele bei der Berichterstattung über Tibet sicherlich auch die oft distanzlose Bezugnahme auf den Dalai-Lama und das von ihm repräsentierte System in vielen deutschen Medien eine wichtige Rolle. In der Regel werde das geistige Oberhaupt der Tibeter unkritisch als »Mann des Friedens« gefeiert.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/173163.viele-klischees.html

„Räuber der Globalisierung“

Keine Verschwörung, aber viele Klischees: die China-Berichterstattung in deutschen Medien
2008 war China besonders oft im Fokus der deutschen Medien. Es war das Jahr der Unruhen in Tibet und der Olympischen Spiele. In China war man über diese Art von Aufmerksamkeit gar nicht erfreut und fühlte sich an den Pranger gestellt. Man verwies darauf, dass Journalisten wegen zu pekingfreundlicher Berichterstattung ausgewechselt wurden oder wie Zhang Danhong (siehe Wie frei darf die freie Meinung sein? als „politisch verwirrt“ bezeichnet. Um bei den Unruhen in Tibet die gewünschten Fotos von einer brutalen Soldateska zeigen zu können, griff man auf Aufnahmen aus Nepal zurück (siehe Edle Wilde gegen eine schießwütige Soldateska). Sogar von einer anti-chinesischen Verschwörung war daraufhin in Peking die Rede.

Diesen Vorwurf wies die Kommunikationswissenschaftlerin Carola Richter zurück, bestätigte aber, dass die deutsche Chinaberichterstattung von Klischees geprägt ist, die sie mit den K-Wörtern „Konflikte, Krisen, Katastrophen, Kriege“ zusammenfasste. Das ist auch das Ergebnis der von Richter erarbeiteten Studie „Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien“, welche die Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit den mit den Universitäten Erfurt und Duisburg-Essen herausgegeben hat. Für die Studie wurden 8700 Artikel aus führenden Printmedien, darunter der Spiegel, de Focus, die FAZ und der taz aus dem Jahr 2008 ausgewertet.

„Räuber der Globalisierung“

Der Duisburger Politikwissenschaftler Thomas Heberer, der an der Studie mitgearbeitet hat, verwies auf einige besonders klischeehaften Formulierungen in deutschen Medien. Da wurden während der Olympiade Parallelen zum NS-System 1936 gezogen. Auf ökonomischen Gebiet wurde China als „Räuber der Globalisierung“ tituliert.

Hier müsste sich die Frage stellen, ob in solchen Formulierungen nicht die Aversion gegen die Wirtschafsmacht China mitschwingt, die als Konkurrent auch der EU wahrgenommen wird. Das würde auch erklären, warum ab 2004 in deutschen Medien in der Regel eine negative China-Berichterstattung vorherrschte. Der Erfurter Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez problematisierte in seinen Beitrag zur Studie die mangelnde Einordnung der chinesischen Politik in die weltpolitische Situation durch deutschen Berichterstatter.

Wie die China-Berichterstattung auch mit innenpolitischen Diskursen korreliert, kann an der Tibet-Berichterstattung gezeigt werden. In den meisten deutschen Medien überwiegt eine völlig distanzlose Berichterstattung zum Dalai-Lama, der als der Mann des Friedens oft fast mystifiziert wird. Leider wurden in der Studie meist kleinere Zeitungen, die diese von Romantik und Mystik gespeiste Dalai-Lama-Begeisterung kritisieren (siehe „Die hiesige Tibet-Schwärmerei ist reine Projektion“) nicht berücksichtigt. Bei der Vorstellung der Studie wurde zudem moniert, dass die Internetmedien aus der Untersuchung ausgeblendet wurden.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147829

Peter Nowak