50 Prozent Mietsteigerung durch Modernisierung

In der Fritz-Bräuning-Siedlung in Neu-Tempelhof soll energetisch saniert werden / Anwohner protestieren

Der 1. Februar war für die knapp 500 Mieter der Fritz-Bräuning-Siedlung in Neu-Tempelhof kein guter Tag. Denn vor knapp zwei Monaten erhielten sie einen Brief ihres Vermieters. Die BUWOG AG schrieb ihnen, dass die Mieten in der Siedlung nach einer energetischen Sanierung in diesem Jahr steigen sollen. Und zwar um fast 50 Prozent.

Für eine Wohnung von 65 Quadratmetern würde die Erhöhung monatlich 185 Euro betragen«, sagt Franziska Schulte von der Mieterinitiative Gontermannstraße. »Für die meisten Bewohner sind diese Mietsteigerungen nicht tragbar.«

Viele Menschen wohnen bereits seit mehreren Jahrzehnten in der Siedlung, die vor 90 Jahren errichtet wurde. Doch auch jüngere Mieter fürchten die Verdrängung. Hier wohnen beispielsweise auch alleinerziehende Mütter und Väter. Doch mit dem bescheidenen Glück für Menschen mit niedrigen Einkommen wäre es vorbei, wenn die BUWOG die angekündigten Mieterhöhungen nicht zurücknähme.

Deshalb gründeten Bewohner der Siedlung kurz nach dem 1. Februar die Mieterinitiative Gontermannstraße. »Wir haben sofort eine Mieterversammlung einberufen, uns mit der Berliner Mietergemeinschaft beraten und Politiker kontaktiert«, sagt Schulte. Zunächst hatte man noch gehofft, dass die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg die Eigentümer zu Kompromissen bewegen könne. Erst als diese Strategie scheiterte, ging die Initiative Mitte März an die Öffentlichkeit.

Die Beziehung zwischen den Mietern und der in Wien ansässigen BUWOG hat sich in den vergangenen Wochen verschlechtert. Einem Mieter, der ein Plakat mit der Aufschrift »Wir lassen uns nicht verdrängen« aus seinem Fenster hängte, habe der Anwalt des Unternehmens mit Abmahnung gedroht. Die Bewohner wiederum ärgerten sich über ein Interview mit BUWOG-Vorstandsmitglied Herwig Teufelsdorfer zu Renditeerwartungen in Städten mit Mietpreisbremse, das im aktuellen Geschäftsbericht erschienen war. »Durch Maßnahmen wie gezielte Modernisierungen … gelingt es, die Auswirkungen der Mietpreisbremse zu dämpfen«, sagte Teufelsdorfer.

Für kommenden Sonntag lädt die Mieterinitiative ab 15 Uhr zum Protest-Picknick in den Hof der Gontermannstraße 12 ein. Im Anschluss ist ein Kiezspaziergang durch das historische Alt-Tempelhof geplant. Angekündigt haben sich auch Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei. Jörn Oltmann (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung und Bauen in Tempelhof-Schöneberg, will für den 20. April einen Runden Tisch mit Mietern und Vertretern des Unternehmens einberufen.

Barbara Lipka von der BUWOG-Marketingabteilung sagte dem »nd«, der Termin sei ihr bisher nicht bekannt gewesen. »An uns ist bislang nur der Wunsch nach einem Gespräch zwischen dem Bezirksstadtrat Herrn Oltmann und der Geschäftsführung der BUWOG herangetragen worden, wobei wir bislang lediglich wissen, dass es dabei um geplante Modernisierungsmaßnahmen in der Gontermannstraße gehen soll«, sagte sie. Weitere Auskünfte wollte sie nicht geben, »weil es sich dabei zum einen um ein relativ komplexes Thema handelt und wir zum anderen bevorstehenden Gesprächen mit anderen Beteiligten nicht vorgreifen wollen und können.«

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1046015.prozent-mietsteigerung-durch-modernisierung.html

Peter Nowak

Rendite machen in Neu-Tempelhof

uswi

VERDRÄNGUNG MieterInnen in der Gontermannstraße wehren sich gegen drastische Mieterhöhungen

„Vor 81 Jahren bin ich hier in meiner Wohnung zur Welt gekommen. Ich möchte auch hier sterben“, sagte Erika Seibert (Name
geändert). Doch jetzt fürchtet die Seniorin, ihre Wohnung nicht mehr bezahlen zu können. Seibert ist die älteste der ca. 500 MieterInnen in der Gontermannstraße in Neu-Tempelhof, die am 1. Februar ein Mieterhöhungsverlangen im Briefkasten fanden. Nach einer energetischen Sanierung soll sie für ihre 65-Quadratmeter- Wohnung monatlich 185 Euro mehr zahlen. „Für die meisten BewohnerInnen sind diese Mietsteigerungen nicht tragbar“, meint Franziska Schulte von der MieterInneninitiative
Gontermannstraße gegenüber der taz. Schon wenige Tage nach dieser Ankündigung gab es erste Treffen der BewohnerInnen. Sie informierten sich bei der Berliner MieterGemeinschaft und kontaktierten PolitikerInnen. Ein Mieter hängte ein selbst gemaltes
Plakat mit der Aufschrift „Wir lassen uns nicht verdrängen“ aus dem Fenster – nach einem Schreiben des Eigentümeranwalts
musste er es wieder entfernen, um einer Abmahnung zu entgehen. Das hat nicht gerade zur Entspannung zwischen den MieterInnen und der österreichischen Buwog AG beigetragen, der die Häuser gehören. In deren Geschäftsbericht 2015/2016
erklärt Buwog-Vorstandsmitglied Herwig Teufelsdorfer, wie das Unternehmen seine Rendite erhöhen will: „Durch Maßnahmen
wie gezielte Modernisierungen […] gelingt es, die Auswirkungen der Mietpreisbremse zu dämpfen.“ Mittlerweile haben sich PolitikerInnen von SPD, Grünen und Linken mit den MieterInnen solidarisiert. Für den 20. April hat Bezirksstadtrat Jörn Oltmann
(Grüne) einen Runden Tisch einberufen. Für Sonntag ab 15 Uhr lädt die MieterInneninitiative zum Protestpicknick in den Hof der Gontermannstraße 12. Die MieterInnen erhoffen sich auch einen Austausch mit Initiativen aus anderen Stadtteilen.
TAZ.AM WOCHENENDE, SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MÄRZ 2017 52 das war‘s TAZ.

Peter Nowak