Abrisspläne in der Schublade?

Mieter der Wilhelmstraße fürchten um den Erhalt von bezahlbaren Wohnungen

Jetzt hat sich Senatsverwaltung für Stadtentwicklung immerhin bei den Mietern in der Wilhelmstraße entschuldigt. In einem Rundschreiben hatte die Verwaltung zwar über den drohenden Abriss ihrer Wohnungen informiert, aber mit keinem Wort die Bewohner über ihre Rechte aufgeklärt. Für die Aktivisten der Bürgerinitiative (BI) Wilhelmstraße reihte sich das irreführende Schreiben ein in den Versuch, sie aus der Innenstadt zu vertreiben.

Dabei kann sie der Eigentümer nicht zum Verlassen ihrer Wohnungen zwingen. Denn die meisten Mieter besitzen einen Zusatz zum Mietvertrag, wonach ihnen nicht wegen »unangemessener wirtschaftlicher Verwertung« gekündigt werden darf. Das macht einen Abriss gegen ihren Willen praktisch unmöglich. Eigentümer Karl Tesmer hüllt sich über seine Pläne jedoch in Schweigen. Vor acht Jahren hat er von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) die Wohnblocks erworben. Mittlerweile werden nach Recherchen der Bürgerinitiative von den 100 Wohnungen des abrissgefährdeten Blocks Wilhelmstraße 56-59 mehr als die Hälfte als Ferienwohnungen genutzt.

Die Mieter sind wütend und lassen sich durch die Senats-Entschuldigung auch nicht besänftigen. Das wurde am Montagabend auf einer von der BI einberufen Mieterversammlung deutlich. Rund 150 Personen waren der Einladung gefolgt. Anwesend waren auch die baupolitischen Sprecher der LINKEN, Grünen und Piraten im Abgeordnetenhaus. Die ebenfalls eingeladenen Vertreter der Regierungsparteien SPD und CDU waren nicht erschienen. Auch der Baustadtrat von Mitte, Carsten Spallek (CDU), habe sich aus Termingründen entschuldigen lassen, bedauert der stellvertretende BIVorsitzende Jürgen Mickley.

Die Teilnehmer der Bürgerversammlung forderten in einer Resolution den Senat auf, den Abriss der Wohnungen und die Umwandlung in Ferienwohnungen sofort zu stoppen. »Die Vernichtung von bezahlbaren Wohnraum im Stadtzentrum muss entschieden bekämpft werden«, betont Mickley. Die BI Wilhelmstraße werde dafür sorgen, dass so viele Mieter wie möglich, von ihren Rechten Gebrauch machen, betonte er.

Dabei werden sie auch von der Sprecherin für Stadtentwicklung der Linkspartei, Katrin Lompscher, unterstützt. Mit Verweis auf dem Grundstücksverkaufsvertrag vom November 2002 erklärt sie: »Die Mieterinnen und Mieter sind auf Dauer vor Kündigung wegen Eigenbedarfs oder besserer wirtschaftlicher Verwertung geschützt.«Wie die Mieter kritisiert auch Lompscher, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereits im Juni ein vom Eigentümer finanziertes Sozialplanverfahren mit dem Ziel eingeleitet habe, um die Mieter zum Auszug zu bewegen. In einem von der LINKEN in das Abgeordnetenhaus eingebrachten Antrag wir gefordert, den Abriss zu stoppen.

Die Mieter haben noch weitergehende Pläne. Sie fordern den Rückkauf der Wohnungen und die Überführung in eine Genossenschaft, die das Recht auf Verkauf der Wohnungen an die Mieter erhalten müsse. »Auf diesem Weg wird eine Privatisierung ohne Vertreibung und Gentrifizierung erreicht«, betont Mickley.

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Peter Nowak