Nix los mit der sozialen Bewegung?

Der geringe Widerstand gegen die Sparpakete macht die außerparlamentarische Linke ratlos
Etwa 3000 Menschen haben vergangenen Freitag in der Nähe des Berliner Reichstags gegen das Sparpaket der Bundesregierung protestiert. Ein Drittel davon Berliner Schüler, die sich den Protesten angeschlossen haben. Die von den beschlossenen Kürzungen am meisten betroffen sind, die Ärmsten der Gesellschaft, waren hingegen zu Hause geblieben. Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland schlägt deshalb eine politische Richtungsänderung vor. Statt der Betroffenen solle die Mittelschicht mobilisiert werden. Den sozialen Bewegungen müsse es gelingen, »exponierte Vertreter der bürgerlichen Mitte für das Anliegen der Deklassierten zu gewinnen, um die soziale Frage als das solidarisch verbindende Element weiter Teile unser Gesellschaft in den Vordergrund zu rücken, ohne sich von der bürgerlichen Mitte vereinnahmen zu lassen«.
Solche konkreten Vorschläge sind wenige Tage nach der Aktion in der Nähe des Bundestages noch selten. Die Ratlosigkeit ist bei vielen Aktivisten groß. Klar ist für viele nur, der heiße Herbst war kälter erwartet.

 Das wurde auf einer Konferenz des bundesweiten Krisenprotestbündnisses in Berlin am vergangenen Wochenende deutlich. Dort wurde eine selbstkritische Analyse angemahnt. Man müsse darüber reden, warum es der sozialen Bewegung nicht gelungen sei, in diesem Herbst einen Punkt zu setzen, meinte Guido Grüner von der Arbeitslosenselbsthilfe (ALSO). Die Organisation hatte mit einer bundesweiten Erwerbslosendemonstration am 10. Oktober die Proteste dieses Herbstes eingeläutet. Aber das Ziel, dass Erwerbslose überall da, wo sich Politiker der Hartz-IV-Parteien treffen, mit Kochtopf und Löffel Krach schlagen, sei bisher nicht erreicht worden, stellte Grüner fest.

Ein Gewerkschafter sieht in der veränderten wirtschaftlichen Situation einen Grund für die aktuelle Protestflaute. Vor einem Jahr habe kaum jemand für möglich gehalten, dass sich die Wirtschaft so schnell wieder erhole und der Anteil der Erwerbslosen und Kurzarbeiter zurückgehe.

Auch die linke Organisation Avanti sieht in der falschen Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung einen Grund für den Misserfolg. »Kaum jemand hat damit gerechnet, dass die Bundesregierung binnen kurzer Zeit 480 Milliarden Euro mobilisieren würde und schon zwei Jahre nach dem Crash der Finanzwelt ein ›Jobwunder‹ und Wirtschaftswachstum verkünden könnte«, schreibt Avanti in einer Stellungnahme und kommt zu dem ernüchternden Fazit: »Bislang ist der Versuch, die ökonomische in eine politische Krise zu überführen, gescheitert.« Das trifft vor allem auf die Versuche zu, in den sozialen Protesten die Aktionsform der Blockade zu verankern. Eine für den 18. Oktober in Frankfurt am Main geplante Bankenblockade war von den Organisatoren wegen zu geringer Resonanz kurzfristig abgesagt worden. In Berlin scheiterte die »Bundestagsbelagerung« am Freitag ebenfalls.

Florian Wilde, Bundesvorstand des Studierendenverbandes Die Linke.SDS, betrachtet nicht nur in Deutschland die Krisenproteste mit Ernüchterung. »In vielen europäischen Nachbarländern gab es viel größeren Widerstand und auch Streiks. Aber die Verabschiedung der Spar- und Kürzungsbeschlüsse konnte in keinem Land verhindert werden.«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/185427.nix-los-mit-der-sozialen-bewegung.html

Peter Nowak

Rote Karten an der Siegessäule

Nach der geringen Resonanz bei den Aktionen gegen das Sparprogramm der Bundesregierung stellt sich die Frage nach der Zukunft der Krisenproteste
„Ohne die Beteiligung der Schüler wäre die Aktion ein totales Desaster geworden“ – das Urteil eines Erwerbslosenaktivisten mag hart klingen. Nach der nur mäßig besuchten Protestaktion anlässlich der Verabschiedung des schwarz-gelben Haushalts im Bundestag am Freitag teilten allerdings viele Teilnehmer die ernüchternde Einschätzung. Mehrere Tausend Menschen hatten zunächst an einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor teilgenommen, später setzte sich noch ein Demonstrationszug in Richtung Großer Stern in Bewegung. Ein Drittel der etwa 3.000 Teilnehmer waren Berliner Schüler, die dem Aufruf des Bündnisses „Bildungsblockaden einreißen“ gefolgt sind.
 Angesichts der geringen Resonanz konnte von einer Bundestagsbelagerung an diesem Tag keine Rede sein. Alle Versuche, auch nur in die Nähe des Gebäudes zu kommen, wurden von der massiv auftretenden Polizei verhindert. Am Ende wurden in der Nähe der Siegessäule rote Karten gegen das Sparpaket hochgehalten. Als dann noch von einem Lautsprecherwagen fälschlich verkündet worden war, dass die unweit gelegene Bundeszentrale der CDU besetzt worden sei, machte sich eine große Polizeiarmada auf den Weg – immerhin konnte rund 1.000 Menschen mit einer weiteren Kundgebung den freitäglichen Autoverkehr für einige Zeit lahmlegen.

Soll das der Höhepunkt des monatelang vorbereiteten heißen Herbstes des sozialen Bewegungen gewesen sein? Die misslungene Bundestagsbelagerung dürfte vorerst der letzte Versuch gewesen sein, unter dem Label „Krisenproteste“ auf die Straße zu mobilisieren. Im Frühjahr 2009 waren die ersten Aktionen unter dem Motto „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ organisiert worden. Die Resonanz war nicht berauschend, aber die Organisatoren hielten sie für ausbaufähig. Immerhin hatten zu jener Zeit auch die bürgerlichen Medien außerhalb des Feuilletons mitunter Marx zitiert und entdeckt, dass der Kapitalismus ein Verfallsdatum haben könnte.

Harmlose Gewerkschaften

Doch schnell zeigte sich, dass die Mehrheit der Gewerkschaften bei den Krisenprotesten nicht mitziehen würde. Vor allem die IG Metall propagierte im Schulterschluss mit den Unternehmern die Standortverteidigung, setzte auf Abwrackprämie und Kurzarbeiterregelung. Derweil übten sich die Organisatoren der Krisenproteste in Zweckoptimismus und redeten sich ein, die Bewegung werde doch noch wachsen, wenn die Krise bei den Menschen angekommen ist und die Bundesregierung endlich die Sparprogramme vor legen würde, die sie wegen der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen lange in den Schubläden behalten hatte.

Im November 2010 muss dies als Selbsttäuschung erkannt werden. Die Bundesregierung hat mit der Gesundheitsreform und dem Sparpaket Maßnahmen eingeleitet, die Millionen Menschen in Zukunft massiv belasten werden. Der Protest dagegen wurde jedoch kaum wahrgenommen. Selbst Demonstrationen mit einer fünfstelligen Teilnehmerzahl – im Rahmen der Aktionswochen des DGB gegen das Sparpaket – fanden auf den Medien nur auf hinteren Seiten Platz. Was nicht zuletzt daran lag, dass die Aktionen derart konstruktiv angelegt waren, dass sie den Medien zu harmlos schien. Das Krisenbündnis musste auf seine eigenen Kräfte zurückgreifen – und die sind,  wie sich nicht erst am 26. November zeigte, sehr schwach.

Frustrierte Aktivisten

Das zeichnete sich schon ab, als die monatelang vorbereitete und für den 18. Oktober geplante Blockade von Großbanken in Frankfurt/Main wegen zu geringer Resonanz abgesagt werden musste. Bis auf einige hämische Artikel gab es in linken Medien und Internetforen kaum eine Auseinandersetzung darüber. Dafür wuchs der Frust bei den Aktivisten, die viel Zeit und Kraft in die Vorbereitung gesteckt hatten. Wie die Bankenblockade hatte auch die Bundestagsbelagerung das Ziel, die sozialen Proteste zu radikalisieren und Möglichkeiten des Widerstands jenseits von Demonstrationen aufzuzeigen. In beiden Fällen ist man nicht näher gekommen.

Auf einer Konferenz des bundesweiten Krisenprotestbündnisses wurde im Anschluss an die Berliner Demonstration am Freitag eine selbstkritische Analyse angemahnt. Man müsse jetzt ernsthaft darüber reden, warum es der sozialen Bewegung nicht gelungen sei, in diesem Herbst einen Punkt zu setzen, forderte Guido Grüner von der Arbeitslosenselbsthilfe. Ein Gewerkschafter bemängelte die überholte Krisenanalyse des Bündnisses. Den raschen Wirtschaftsaufschwung habe vor einem Jahr niemand für möglich gehalten. Statt der Krise komme nun mit sinkenden Arbeitslosenzahlen und weniger Kurzarbeit der Aufschwung „bei den Menschen in den Betrieben“ an – ein Aufschwung, der allerdings erkauft ist mit der Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen und Niedriglöhnen, die mit Hartz IV aufgestockt werden müssen. Für viele Erwerbslose wiederum findet die Krise nicht auf dem Börsenparkett statt, sondern bei Schikanen in Jobcentern und Beschäftigungsmaßnahmen. Ein Bündnis gegen diese Krisen im Leben vieler Menschen ist bisher nicht in Sicht.

http://www.freitag.de/politik/1047-rote-karten-an-der-siegessaeule

Peter Nowak

Der heiße Herbst ist ausgefallen

Nach den geringen Teilnehmerzahlen bei den Protesten gegen das Sparprogramm der Bundesregierung beginnt die Fehleranalyse
Ca. 3.000 Menschen haben gestern in der Nähe des Berliner Abgeordnetenhauses gegen das Sparpaket der Bundesregierung protestiert, das an diesem Tag beschlossen wurde.

Erst am Vortag wurde die geplante Demonstration gerichtlich genehmigt. Sie war wegen der Teilnahme von zwei antifaschistischen Gruppen verboten worden, weil das Landeskriminalamt befürchtete, dass ein Teil der Demonstranten in die Bannmeile eindringen könnte, um in die Nähe des Parlaments zu kommen. Diese Versuche gab es auch. Doch zur großen Überraschung der Polizei tauchte ein Teil der Demonstranten vor der Parteizentrale der CDU auf. Auch wenn ein großes Polizeiaufgebot den Zugang verhinderte, äußerten sich viele Aktivisten zufrieden mit dieser Aktion. Zumal die anderen Ziele des Protestes nicht wurden. Der Bundestag konnte nicht, wie angekündigt, belagert werden. Das Zücken von Roten Karten mehr als 2 Kilometer entfernt davon, war nicht einmal eine symbolische Aktion.

Die Gesamtbilanz des Aktionstages fällt noch viel negativer aus, wenn man berücksichtigt, dass der 26. 11. der Höhepunkt des heißen Herbstes der sozialen Bewegungen gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung sein sollte Er begann mit einer lautstarken Erwerbslosendemonstration in Oldenburg. Doch schon die für den 18.Oktober geplante Bankenblockade in Frankfurt/Main musste wegen zu geringer Beteiligung abgesagt werden.

Im Rahmen der gewerkschaftlichen Aktionswochen gegen die Politik der Bundesregierung gab es in den letzten Wochen durchaus Demonstrationen mit einer Teilnehmerzahl im fünfstelligen Bereich. Auch an regionalen Protesten gegen die Sparpolitik, beispielsweise in Dresden, nahmen viele Menschen teil. Darauf wiesen Redner auf der Aktionskonferenz des bundesweiten Sozialprotestbündnisses in Berlin hin, das im Anschluss an die Demonstration begann. Dort äußerten viele Aktivisten ihre Ratlosigkeit angesichts der ausbleibenden Sozialproteste in Deutschland.

Selbstkritische Analyse angemahnt

Guido Grüner von der Oldenburger Arbeitslosenselbsthilfe plädierte dort für eine gründliche, selbstkritische Analyse der Krisenproteste. Ein Gewerkschafter wies darauf hin, dass ein Grund für die Protestflaute auch in der schnellen Erholung der Wirtschaft in Deutschland liege. Es handele sich dabei nicht nur um Propaganda der Bundesregierung, wie der Rückgang der Zahlen für die Kurzarbeit zeigt.

Auf diesen Aspekt wies auch das Bündnisprojekt Avanti in seiner Auswertung hin. „Bislang ist der Versuch, die ökonomische in eine politische Krise zu überführen, gescheitert. Bedeutsam hierfür war die relative Stabilität der bundesdeutschen Wirtschaft und die im weltweiten Vergleich enormen Finanzreserven, aber auch die geschickte Verzögerung der ‚gefühlten Krise‘ durch die Regierung.“ 
 
http://www.heise.de/tp/blogs/8/148822

Peter Nowak

Protest vor dem Reichstagsgebäude teilweise verboten

 

Berliner Polizei verbietet Demonstration gegen Sparpaket, weil zwei antifaschistische Gruppen dazu mit aufrufen

Die Debatte um den neuen Haushalt hat heute im Bundestag begonnen. In diesem Rahmen soll am kommenden Freitag auch das Sparpaket beschlossen werden, das Einschnitte unter anderem bei Erwerbslosen und Rentnern vorsieht. Dagegen ruft seit Monaten ein breites Bündnis unter dem Motto Sparpakete stoppen am 26. November zur Belagerung des Bundestags auf. Heute hat die Berliner Polizei die geplante Demonstration verboten. Lediglich eine Kundgebung am Brandenburger Tor wurde genehmigt.

Im Vorfeld waren verschärfte Auflagen für die Proteste angekündigt werden, weil am 26. November der russische Präsident Putin zu Besuch in Berlin ist. Dieser Staatsbesuch spielt nun in der Verbotsverfügung keine Rolle mehr. Auch die erhöhte Sicherheit anlässlich der Terrorwarnungen, von denen auch der Reichstag betroffen ist, wird in dem Bescheid nicht erwähnt. Die Sicherheitsbehörden sehen offenbar doch in der Berliner linken Szene die größere Gefahr.

In der Begründung zum Verbot wird darauf verwiesen, dass zu den Protesten neben Untergliederungen der Linken, gewerkschaftlichen und sozialen Gruppen auch die Antifaschistische Linke Berlin und die Antifaschistische Revolutionäre Aktion aufrufen. Bei beiden Gruppen bestünde die Gefahr, dass sie in die Bannmeile um den Reichstag vordringen könnten und so die Sicherheit gefährden würden, begründete das Berliner Landeskriminalamt das Verbot.

Der Pressesprecher des Protestbündnisses Michael Prütz kündigte juristische Schritte gegen das Verbot an. Damit will er nicht nur die Proteste gegen das Sparpaket in der geplanten Form durchsetzen, sondern auch gegen die Einschränkung des Demonstrationsrechtes vorgehen. „Schließlich gab es in der Vergangenheit zahlreiche Demonstrationen, zu denen auch die beiden Organisationen mit aufgerufen haben, die jetzt als Begründung für das Verbot genannt werden.“ Sollte das Beispiel Schule machen, könnten in Zukunft viele Demonstrationen verboten werden, befürchtet nicht nur Prütz. Auf einer von dem Bündnis geplanten Pressekonferenz wird auch die Bezirksvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Berlin sprechen. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/148798

Peter Nowak

Auf der Suche nach dem „heißen Herbst“

Während der Castorwiderstand die Medien beherrschte, haben es soziale Proteste in Deutschland schwerer

Alle Welt blickte in den letzten Tagen nach Gorleben und verfolgte den Kampf „Castortransport versus AKW-Gegner“. Alle Welt? Nein. Es gab auch andere soziale Ereignisse. So wurde medial kaum registriert, dass am vergangenen Samstag parallel zum Landesparteitag der CDU-NRW in Bonn Erwerbslose unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“ demonstrierten. Für eine Erhöhung der Einkünfte für Erwerbslose von mindestens 80 Euro, um eine gesunde Ernährung zu gewährleisten.
   

Die Initiative vom Samstag soll der Auftakt für ähnliche Aktionen in den nächsten Monaten sein. „Die Bundestagsabgeordneten von Schwarz-Gelb sollen sich darauf einstellen, dass wir sie nicht mehr Ruhe lassen und sie permanent damit konfrontieren, dass allein für eine ausgewogene und gesunde Ernährung mindestens 80 Euro im Monat fehlen; abgesehen von den anderen Beträgen zur Teilhabe“, heißt es auf der Homepage der Oldenburger, die den neuen „Erwerbslosenaktivismus“ wesentlich mit angeschoben haben.

Am vergangenen Samstag haben in Hannover knapp 15.000 Menschen an einer vom DGB-Niedersachsen organisierten Demonstration gegen das Sparpaket der Bundesregierung protestiert. Ein Redner der Bäuerlichen Notgemeinschaft Lüchow-Dannenberg stellte in Hannover den Brückenschlag zum Anti-AKW–Protest her. Obwohl sich die Demonstration von der Teilnehmerzahl her durchaus nicht vor den Castorprotesten verstecken muss, ist die mediale Reaktion nicht vergleichbar. Während der Castor-Transport, als er die französische-deutsche Grenze passiert hatte, zum großen Medienereignis wurde und Zeitungen sogar Sonderseiten dazu produzierten, wurde über die sozialen Proteste in den letzten Tagen, wenn überhaupt nur, dann auf den hinteren Seiten kurz berichtet.

Heißer Herbst geht anders

Die Gründe für die geringe Aufmerksamkeit auf die sozialen Proteste sehen Beobachter allerdings auch bei den Organisatoren. Vor allem dem DGB wird vorgeworfen, den von ihm organisierten und propagierten „heißen Herbst“ wieder einmal zum lauen Lüftchen zu machen. Nun kann man auch der Kritik vorwerfen, dass sie alljährlich wiederkehrt und dabei ebenso zum Ritual wird wie die Gewerkschaftsaktionen.

In diesem Jahr gibt es allerdings mehrere Punkte, die dieser Kritik mehr Gewicht verleihen. So setzte der DGB auf betriebliche Protestaktionen, deren Öffentlichkeitswirkung stark begrenzt ist. Auf dem Höhepunkt der französischen Proteste hatte sich die innergewerkschaftliche Kritik an dieser Strategie des DGB noch einmal verschärft. Führende Gewerkschafter verteidigen ihren Kurs der Zurückhaltung jedoch als erfolgversprechend. „Insgesamt haben die Gewerkschaften der Regierung doch keinen so heißen Herbst bereitet, wie teilweise befürchtet worden war“, zeigte sich die unternehmerfreundliche FAZ ganz zufrieden.

Die Kritiker verweisen darauf, dass es gerade in diesem Herbst Alternativen zu der weitgehend auf die Betriebe beschränkten Fokussierung des DGB gegeben hätte, weil das Sparpaket der Bundesregierung auch über Gewerkschaftskreise hinaus für Unmut sorgt. Schon seit 2009 organisieren Antikrisenbündnisse Proteste gegen die Abwälzung der Krisenfolgen auf die Bevölkerungsmehrheit – auch mit gewerkschaftlicher Unterstützung. Im Zusammenhang mit den Sparpaketen sei auch deutlich geworden, dass die Banken mit hohen Beiträgen gerettet wurden, wohingegen Menschen mit ohnehin geringen Einkommen Geld gestrichen werde, argumentieren die Aktivisten sozialer Initiativen. Deshalb drängen sie seit dem Spätsommer auf öffentlichkeitswirksame Proteste.

Bankenproteste abgesagt

Dabei hatten sich die Aktivisten allerdings auch manche Ernüchterung einzugestehen. So wurde eine für den 18. Oktober geplante Bankenblockade in der City von Frankfurt/Main wenige Wochen vor dem geplanten Termin abgesagt. Mit der Begründung, in den letzten Wochen habe sich die Wahrnehmung der Krise verändert:
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 Der Stimmungswandel vor den Sommerferien („Wir zahlen nicht für Eure Krise“) in die Zeit danach („Die Krise ist vorbei“), den auch wir zu spüren bekamen, fällt derzeit vielen AkteurInnen, die gegen das Verarmungsprogramm mobilisieren, in den Rücken – auch wenn die Fakten genau das Gegenteil belegen. Doch die Zeit, diese Verunsicherung auszuräumen, dieses Zögern zu überwinden, lief uns davon.

Zur Absage dürfte auch die linksinterne Kritik beigetragen haben. Moniert wurde, dass in dem Aufruf die Rolle der Banken und des Finanzsektors als Verursacher der Krise derart geschildert wurde, dass damit einer falschen Kapitalismuskritik Vorschub geleistet werden kann.

Bundestagsbelagerung bestätigt

Diese nicht untypische linke Binnenkontroverse bleibt der Initiative „Sparpakete stoppen“ erspart. Sie ruft für den 26. November, dem Tag der dritten Lesung des Sparpaketes, zur Belagerung des Bundestages auf.

Allerdings steht auch sie vor mehreren Problemen. Auch sie muss gegen die verbreitete Stimmung ankämpfen, wonach die Krise vorbei ist. Zudem fällt der Blockadetag nicht auf ein Wochenende. Dadurch wird eine große Mobilisierung schwieriger, zumal von den großen Gewerkschaften nur verdi-Berlin zu den Unterstützern der Bundestagsblockade gehört – wie man übrigens nur auf der Seite der Initiative, nicht aber auf der Gewerkschaftshomepage erfährt. Unterstützung für die Bundestagsblockade kommt von aktiven Schülern, die an diesen Tagen einen Schulstreik planen.

Im Schatten der Castorproteste

Dass die Mobilisierung zur Bundestagsblockade bisher noch schleppend verlief, lag auch an den Castorprotesten. Denn auch an deren Vorbereitung war ein Großteil jener beteiligt, die auch in sozialen Initiativen engagiert sind. Da blieb wenig Kapazität für andere Aktivitäten. Dass aber umgekehrt die sozialen Proteste durch den Widerstand im Wendland profitieren, ist eher nicht zu erwarten. Wer sich im Wendland auf die Schienen setzt, muss noch lange nicht gegen Sparpakete auf die Straße gehen.

Die Geschichte der Anti-AKW-Bewegung war vielmehr schon in den Anfangsjahren verbunden mit einer Abwendung führender Protagonisten von sozialen Themen. Der Bremer Autor Axel Brüggemann bringt dieses Phänomen in einem Beitrag für den Freitag so auf den (farbigen) Punkt:

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 Statt auf das Arbeiter-Rot zu setzen, wählte man unbesetzte Farben: grün und gelb. (…) Es ging nicht mehr um links oder rechts, sondern um Atomkraft ja oder nein.

In Deutschland, wo es im europäischen Vergleich eine besonders starke Anti-AKW-Bewegung gibt, kommt daher der Blockade des Castortransports eine ähnliche Rolle zu, wie sie in Frankreich die soziale Mobilisierung innehat. Im Nachbarland konnte man in jüngster Zeit wieder beobachten, dass bei sozialen Protesten Menschen aller Altersgruppen vertreten sind und dass es eigene Protestsymbole und auch eine Protestkultur gibt. In Deutschland trifft das bisher eher auf die Castorproteste als auf „sozialen Widerstand“ zu. Ob sich das mit dem Kochtopfschlagen auf Erwerbslosenprotesten ändert?

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33635/1.html

Peter Nowak

Rote Karte für das Sparpaket

Initiativen wollen Bundestags belagern

In den kommenden Wochen mobilisieren soziale Initiativen und Erwerbslosengruppen gegen das Sparpaket. Höhepunkt soll am 26. November eine Bundestagsbelagerung sein.
Während Tausende am vergangenen Wochenende den Castortransport ins Wendland blockierten, startete knapp 100 Kilometer weiter in Hannover der Auftakt zum »heißen Herbst« des DGB. Etwa 15 000 Teilnehmer haben dort gegen die Sparpakete der Bundesregierung demonstriert. Mit dabei waren Erwerbslose aus Norddeutschland und Niedersachsen. Auch am Rande des Landesparteitages der NRW-CDU in Bonn machten sich am Samstag Erwerbslose mit dem Schlagen auf Kochtöpfe bemerkbar. »Jetzt gilt es, weiter Druck zu machen, damit die schwarz-gelbe Koalition mit ihren Plänen zur Neufestsetzung der Hartz-IV-Sätze nicht durchkommt«, heißt es in dem Aufruf des Erwerbslosenbündnisses, das am 10. Oktober mit einer bundesweiten Demonstration in Oldenburg auf sich aufmerksam machte.

 Die Aktivisten wollen ihre Proteste fortsetzen. Schließlich sind in den nächsten Wochen zahlreiche Aktionen gegen das Sparprogramm der Bundesregierung geplant. Höhepunkt der Proteste soll eine Bundestagsbelagerung am 26. November sein. »Wir werden als Akt des zivilen Ungehorsams mit möglichst vielen Menschen am Tag der Entscheidung über das ›Spar-paket‹ den Bundestag belagern«, heißt es im Aufruf. Mehrere Bundestagsabgeordnete der LINKEN haben den Aufruf zur Belagerung unterschrieben. Bisher läuft die Mobilisierung aber noch auf Sparflamme. »Ein Großteil der am Bündnis beteiligten Initiativen war auch in den Castor-Widerstand eingebunden«, erklärte ein Aktivist.

Schülerstreik gegen schwarz-gelbe Sparpläne
Unterstützung kommt auch von dem Bündnis »Bildungsblockaden einreißen«. Es mobilisiert zu einem eintägigen »Schulstreik gegen das Sparpaket« am 26. November. Die Schüler werden an diesen Tag zur Teilnahme an den Aktionen vor dem Bundestag aufgerufen. Das sieht das Aktionsbündnis als große Unterstützung. Denn große gewerkschaftlicher Hilfe ist nicht zu erwarten. Der DGB konzentriert sich mit seinen Herbstaktionen vor allem auf die Betriebe. Deshalb haben bisher nur wenige gewerkschaftliche Gruppen wie ver.di Berlin den Aufruf zur Parlamentsblockade unterstützt.

Mit einem bundesweiten Besuch der Bundestagsabgeordneten in ihren Wahlkreisbüros am 17.11. soll für die Aktion mobilisiert werden. Der Besuch wird als letzte Warnung an die Parlamentarier verstanden. »Vor Beginn der Haushaltswoche werden die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen besucht, um ihnen die gelbe Karte für das Sparpaket zu zeigen«, meint ein Aktivist. Noch offen ist, wie hoch die Beteiligung an den Aktionen sein wird.

Politische Beobachter warnen vor der Annahme, dass die große Beteiligung bei den Protesten im Wendland gleich positive Auswirkungen auf den sozialen Widerstand haben wird. Der Castorwiderstand hat mittlerweile eine eigene Protestkultur mit speziellen Symbolen hervorgebracht, die die Mobilisierung wesentlich erleichtert. Im Vorfeld der Gorleben-Proteste gab es allein in Berlin zahlreiche, sehr gut besuchte Vorbereitungsveranstaltungen der Anti-AKW-Bewegung. Die Teilnehmerzahl bei den Vorbereitungen zur Bundestagsblockade hielt sich dagegen bisher in engen Grenzen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/183799.rote-karte-fuer-das-sparpaket.html

Peter Nowak