Bekommt der Bundestag ein temporäres „Politbüro“?

Links

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http://www.tagesspiegel.de/politik/geplanter-hauptausschuss-bundestag-wird-zum-provisorium/9104100.html

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http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/hauptausschuss/index.jsp

[3]

http://www.bundestag.de/

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http://www.norbert-lammert.de/01-lammert/

[5]

http://www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/hauptausschuss-waere-wider-demokratie/

[6]

http://blog.wawzyniak.de/?s=Hauptausschu%C3%9F

[7]

http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/go_btg/go07.html

[8]

http://www.petra-sitte.de/

[9]

http://www.tagesspiegel.de/politik/bundestag-im-stand-by-modus-linke-eine-sehr-fatale-geschichte/9108552.html

[10]

http://www.jura.hhu.de/dozenten/morlok/prof-dr-martin-morlok.html

[11]

http://www.deutschlandfunk.de/rechtswissenschaftler-bundestags-hauptausschuss-ist-eine.694.de.html?dram:article_id=270403

Mehr Einfluss für den Bundestag in der EU


Bundesverfassungsgericht stärkt die Rechte des Bundestages, aber nicht die Demokratie in Europa

Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stärkt die Rechte des Bundestages in einem Europa, in dem Parlamentsrechte vor allem der Länder der Peripherie durch wesentlich von Deutschland mit initiierte Sparprogramme missachtet werden

„Grüner Sieg“, heißt es auf der Homepage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht ihren Antrag stattgegeben und die Bundesregierung gerügt, weil sie das Parlament zu spät und ungenügend über europäische Entscheidungen informiere.

Konkret hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Bundesregierung gegenüber den Deutschen Bundestag sowohl im Hinblick auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus als auch hinsichtlich der Vereinbarung des Euro-Plus-Paktes in seinen Unterrichtungsrechten aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

Dieser Artikel räumt dem Bundestag in Angelegenheiten der EU weitgehende Informations- und Mitwirkungsrechte ein. Das Gericht erklärte jetzt, dass es sich auch bei den völkerrechtlichen Verträgen um solche Angelegenheiten der EU handelt, wenn sie in einem besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen. Ausdrücklich stellt das Gericht klar, dass diese Informationspflicht sich nicht nur auf die Initiativen der Bundesregierung beschränkt: „Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich vielmehr auch auf die Weiterleitung amtlicher Unterlagen und Dokumente der Organe, Gremien und Behörden der Europäischen Union und anderer Mitgliedstaaten.“

Der Bundestag müsse die Gelegenheit haben, sich mit den Initiativen zu befassen und eigene Stellungnahmen zu verfassen, bevor die Bundesregierung dazu rechtsverbindliche Erklärungen abgibt oder Vereinbarungen unterzeichnet. Die Grenzen der Informationspflicht sieht das Gericht im Grundsatz der Gewaltenteilung begründet. Solange bestimmte Vorhaben noch in der Beratungsphase sind, bestehe noch keine Pflicht, den Bundestag zu unterrichten. Wenn die Bundesregierung allerdings mit Zwischen- und Teilergebnissen an die Öffentlichkeit geht, müsse auch das Parlament informiert werden.


Ein guter Tag für die Demokratie und Europa?

Erwartungsgemäß feiern die Grünen die Entscheidung in den höchsten Tönen und sprechen von „einer guten Entscheidung für die Demokratie in Deutschland und Europa“. Doch gerade hier müssten Fragezeichen gesetzt werden. Tatsächlich stärkt die Gerichtsentscheidung zunächst lediglich die Rechte des Deutschen Bundestags – auch bei europäischen Entscheidungen, die alle anderen EU-Staaten tangiert. Damit werden auch die Rechte des Bundestags in Europa gestärkt, wodurch auch auf diesem Gebiet die realen Kräfteverhältnisse in der EU sichtbar werden.

In zentralen Fragen ist Deutschland die Führungsmacht und das passt durchaus nicht allen EU-Regierungen, noch weniger der Bevölkerung. Die Warnungen vor einem deutschen Europa bzw. dem deutschem Sparmodell sind mittlerweile nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien, Belgien und Italien zu hören. Die Gerichtsentscheidung stärkt diese Machtstellung im Bereich des Parlaments. Einen guten Tag für eine Demokratie in Europa kann daher nur sehen, wer das Machtgefälle und auch die unterschiedlichen Interessen der Länder der EU ausblendet.

Schließlich war die deutsche Regierung maßgeblich daran beteiligt, als Druck auf die Regierungen von Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ausgeübt wurde, bei den Verhandlungen mit der EU Parlamentsrechte zu minimieren. Da sollten Verpflichtungen eingegangen werden, die ausdrücklich nicht durch Änderungen der Mehrheitsverhältnisse mittels Wahlen tangiert werden durften. In vielen Ländern der europäischen Peripherie gab es Klagen, dass mit dem EU-Fiskalpakt und der Schuldenbremse gerade die Entscheidungen von Wahlen und damit auch die Parlamentsrechte ausgehebelt würden. Daher ist es zumindest ein sehr deutscher Blick, wenn nun die verstärkte Informationspflicht des Parlaments als guter Tag für die Demokratie in Europa gefeiert wird.

Folgen für den EMS

Obwohl die Grünen die Gerichtsentscheidung besonders feierten, zeigten sich auch alle Parteien mit der Entscheidung zufrieden. Uneinigkeit gibt es lediglich über die Folgen für das weitere parlamentarische Prozedere um den EMS. Die Grünen sehen klare Konsequenzen bei den morgigen Verhandlungen zum EMS und fordern die Bundesregierung auf, die Parlamentsrechte auch bei den Begleitgesetzen zum Fiskalpakt zu stärken.

Es hätte den Grünen gut angestanden, auch für die Parlamente von Portugal, Spanien und Griechenland solche Rechte einzufordern. Dann wäre die Entscheidung tatsächlich ein guter Tag auch für die Demokratie in Europa gewesen. So ist es ein Machtzuwachs des deutschen Parlaments in Europa.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152236
Peter Nowak

Parlamentarisches Foulspiel um das Betreuungsgeld?

Fehlten heute so viele Bundestagsabgeordnete, um den Herzenswunsch der CSU doch noch zu torpedieren?

Sommer, Sonne, Fußball-EM: da träumen viele Lohnabhängigen davon, mal Pause zu machen. Die Wenigsten haben es so einfach wie die Bundestagsabgeordneten, die einfach einen wichtigen Termin in ihrem Wahlkreis nennen müssen, um Bundestagssitzungen fernzubleiben. Meistens fällt es gar nicht auf. Denn Fußball-Deutschland interessiert sich weit mehr für die Zusammensetzung der Elf als über die Anwesenheitsliste des Parlaments. Die Tatsache, dass heute lediglich 211 Bundestagsabgeordnete anwesend waren und das Parlament damit beschlussunfähig war, ist nur deswegen zum Medienthema geworden, weil an diesem Tag auch darüber entschieden wurde, wann das eigentlich nur noch von der CSU gewollte, ansonsten von einer breiten Bevölkerungsmehrheit abgelehnte Betreungsgeld in Kraft treten kann. Die Stimmung der Opposition machte der SPD-Bundesgeschäftsführer Thomas Oppermann in einen Twitter-Eintrag deutlich: „Koalition ohne Mehrheit, Betreuungsgeld nicht mehr vor der Sommerpause.“ Abgeordnete der FDP und auch der Union, die gegen das als Herdprämie verspottete Betreuungsgeld sind, schwiegen zu der Beschlussunfähigkeit.

Für den Zusammenhalt der Koalition ist dieses als Parlamentsboykott oder als Panne klassifizierte Fernbleiben sicher nicht förderlich. Deswegen ist die CSU auch besonders wütend, hat sie doch gehofft, ihre Klientel mit einer schnellen Verabschiedung des Betreuungsgeldes zufrieden stellen zu können. Denn je länger sich das Prozedere der Verabschiedung verzögert, desto unwahrscheinlicher wird, dass der CSU ihr Herzenswunsch noch erfüllt wird. Schließlich hat sich eine ganz große Koalition von Feministinnen bis zu den Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden dagegen ausgesprochen. Letztere sind dabei entscheidend, die Wirtschaft braucht in Zeiten des Bevölkerungsrückgangs in Deutschland Humankapital auch unter Frauen mit Kindern. Die ökonomischen Argumente dürften sich auch in diesem Fall gegen das Bauchgefühl von Konservativen durchsetzen, die hinter einer Kita immer noch das Gespenst der staatlichen Kindererziehung wittern.

Hat CSU ihre Niederlage begriffen?

Die Reaktionen der CSU auf ihr heutiges Scheitern im Parlament zeigen eigentlich, dass sie sich wohl schon mit der Niederlage in dieser Frage abgefunden hat. Sie findet natürlich starke Worte, um ihr Klientel ruhig zu stellen, und spricht von „dreckigem Foulspiel“, wobei sie offen ließ, ob sie damit neben der Regierung auch die Abgeordneten der eigenen Koalition meinte. Wenn auch Abgeordnete der FDP und der Union jetzt eilfertig auf die Opposition zeigen und dieser einen schlechten Stil bzw. Obstruktionspolitik vorwerfen, so können sie nicht verhindern, dass das Scheitern vor allem als eine Blamage der Bundesregierung wahrgenommen wird. Schließlich hätten die Fraktionsvorsitzenden der sie tragenden Parteien dafür sorgen müssen, dass alle ihre Mandatsträger anwesend sind, wenn ihnen wichtig gewesen wäre, dass das Betreuungsgeld wie geplant eingeführt wird. Sie stellen bei der Abstimmung zu anderen zentralen Punkten oft unter Beweis, dass die Disziplinierung funktioniert. Dass sie bei diesem Punkt gar nicht versucht wurde, macht eben deutlich, dass das Betreuungsgeld außer der CSU der Mehrheit der anderen Fraktionen nicht wichtig genug ist, um die Abgeordneten zu einem weiteren Freitag im Parlament zu vergattern. Die CSU dürfte verstanden haben – und sie hat ja auch nicht viele Alternativen. Einen Koalitionsbruch an dieser Frage wird sie nicht riskieren.

Das zeigte sich an der defensiven Argumentation der CSU-Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär, die seit Monaten immer wiederholt, dass das Betreuungsgeld kommen werde und eine andere Lösung für die CSU überhaupt nicht akzeptabel sei. Nach der Verschiebung argumentierte sie im Interview mit dem Deutschlandfunk ungewöhnlich defensiv. Sie könne nicht verstehen, warum man die Experten, die in der nächsten Woche nach den nun obsoleten Plänen im Bundestag angehört werden sollten und die sich terminlich darauf eingestellt hätten, derart vor dem Kopf stößt. Auch dort wird sich die Erkenntnis durchzusetzen beginnen, dass die Koalitionspartner, wenn sie nicht einmal einen Freitag dafür opfern wollen, auch sonst nicht mehr bereit sind, für den Wunschkatalog der CSU ihren Kopf hinzuhalten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152216
Peter Nowak

Parlamentarische Mehrheit für Truppenaufstockung in Afghanistan

Weitgehender Konsens im Parlament über mehr deutschen Soldaten am Hindukusch – Streit über Protestaktion der Linken, die die Opfer des deutschen Bombenbefehls zum Thema machen
429 von 586 Bundestagsabgeordneten stimmten gestern im Bundestag für die Verlängerung des ISAF-Mandats um ein Jahr und die Aufstockung des Bundeswehrkontingents. Künftig sollen 5350 statt 4500 Soldaten eingesetzt werden.

Das Ergebnis war keine Überraschung. Schon in den vergangenen Tagen hat die SPD-Spitze deutlich gemacht, dass die überwiegende Mehrheit ihrer Abgeordneten der Verlängerung zustimmen werde. Der ehemalige Außenminister Steinmeier begründete diese Linie mit Zugeständnissen der Regierungsmehrheit gegenüber seiner Partei. Allerdings hat sich die Bundesregierung zu dem der SPD in der Opposition wichtig gewordenen Thema des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan nicht auf einen Termin festgelegt.

46 Abgeordnete haben sich bei der Abstimmung enthalten, überwiegend die Parlamentarier der Grünen. Die Parteispitze hatte zuvor ihren Abgeordneten dieses Abstimmungsverhalten empfohlen.

Vertreter der Bundesregierung zeigten sich nach der Abstimmung zufrieden über das Ergebnis. Schließlich ist der Afghanistan-Einsatz nicht nur in der deutschen Bevölkerung unpopulär. In Holland ist vor einigen Tagen am Streit um die Verlängerung des Afghanistan-Mandats die Regierungskoalition zerbrochen. In den USA wird in Bezug nicht nur in Bezug auf Afghanistan vor einer Kriegsmüdigkeit Europas gewarnt, wodurch sogar die Existenz der Nato infrage gestellt werden könnte.

Streit um die Toten von Kunduz

Diese Antikriegsstimmung wird im deutschen Parlament vor allem von der Linkspartei artikuliert. Abgeordnete der Partei sorgten bei der Debatte um das Afghanistan-Mandat für Wirbel. Nach einer Rede ihrer Parlamentarierin Christine Buchholz hielten sie Plakate hoch, auf denen die Namen der Menschen standen, die bei der von einem deutschen Militär befohlenen Bombardierung von Tanklastwagen bei Kunduz ums Leben kamen. Bundestagspräsident Lammert verwies die Abgeordneten des Saals. Doch bei der anschließenden Abstimmung waren sie wieder zugelassen.

Während der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich der Linkspartei Instrumentalisierung der Opfer im Afghanistan-Krieg vorwarf, sprach sich der Bundestagsabgeordnete der Grünen und erklärte Kriegsgegner Christian Ströbele gegen einen Ausschluss der protestierenden Parlamentarier aus.

Er bezeichnete es als „falsches Zeichen nach Afghanistan und in die Welt“, wenn in Deutschland Parlamentarier des Saals verwiesen würden, weil sie den Opfern eines von Deutschland zu verantwortenden Luftangriffs gedacht hätten.

Zudem will die Bundesregierung keine individuellen Geldzahlungen für die Hinterbliebenen der afghanischen Opfer leisten. Stattdessen soll der Provinz unbürokratische Hilfe gewehrt werden. Gleichzeitig wird der Bremer Rechtsanwalt Karim Popal, der sich unmittelbar nach der Bombardierung für eine Entschädigung einsetzte und auch mehrmals nach Afghanistan reiste, durch Gerüchte als unglaubwürdig dargestellt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147160

Peter Nowak