„Kritische Begleitung des Prozesses“

15 Jahre »Bologna-Prozess« – das nahm der Freie Zusammenschluss von Studierendenschaften zum Anlass, am vergangenen Wochenende in Bonn eine Bologna-Konferenz zu veranstalten, an der sich Studierendenvertreter, Hochschulmitarbeiter und Gewerkschafter beteiligten. Katharina Mahrt ist Mitglied des Vorstands des Freien Zusammenschlusses von Studierendenschaften und hat mit der Jungle World über die Konferenz gesprochen.

Small Talk von Peter Nowak

Es gab bereits in den Jahren 2009 und 2011 Bologna-Konferenzen. War das nicht genug?

In den Jahren 2009 und 2011 fanden zwei Bologna-Konferenzen statt, die wesentlich vom Ministerium für Bildung und Forschung organisiert wurden. Sie waren eine Folge der Bildungsproteste 2009 und sollten den Dialog zwischen Studierenden, Hochschulmitarbeitern und Politikern über die weitere Umsetzung des »Bologna-Prozesses« fördern. Es gab aber damals von vielen Studierenden die Kritik, dass auf diesen Konferenzen vor allem der Bachelor als Erfolgsmodell dargestellt wurde.

Was ist der Unterschied zu den Konferenzen des Freien Zusammenschlusses von Studierendenschaften?

Seit zwei Jahren organisiert der Freie Zusammenschluss von Studierendenschaften eine eigene Bologna-Konferenz. Dort stehen die aktuellen Umsetzungsprobleme des »Bologna-Prozesses« im Mittelpunkt.

Jahrelang protestierten Studierende gegen den »Bologna-Prozess«. Hat sich Ihre Organisation mittlerweile mit ihm arrangiert?

Keineswegs. Die auf der Konferenz veröffentlichten Ergebnisse einer Online-Umfrage des Freien Zusammenschlusses unter 3 000 Studierenden zeigen, dass zur Zufriedenheit kein Grund besteht und eine kritische Begleitung der Umsetzung des »Bologna-Prozesses« weiterhin notwendig ist. Viele Befragte benennen die Überfrachtung der Lehrpläne und mangelnde finanzielle Ausstattung als Hindernisse für ihr Studium. Zudem sind die Hürden für ein Auslandsstudium noch immer zu hoch.

Gibt es neben der kritischen Begleitung auch noch Studierende, die den »Bologna-Prozess« insgesamt ablehnen?

Mittlerweile kennen mehrere Generationen von Studierenden nur noch den »Bologna-Prozess«. Da spielen diese Diskussionen keine große Rolle mehr.

http://jungle-world.com/artikel/2014/32/50364.html

Peter Nowak

Mit der Reform nicht versöhnt

Auf einer Konferenz von Studierenden wurde anhaltende Unzufriedenheit deutlich

Katharina Mahrt studiert an der Christian Albrecht Universität Kiel Jura und ist Mitglied des Vorstands des freien zusammenschlusses von studierendenschaften (fzs). Anlässlich einer vom fzs organisierten Konferenz in Bonn sprach Peter Nowak mit ihr über die Probleme der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge, die auch nach 15 Jahren seit Beginn des Bolognia-Prozesses noch nicht behoben sind.

Der fzs hat Studierende zu ihren Erfahrungen mit dem Bologna-Prozess befragt.
Zum 15. Geburtstag des Bolognaprozesses haben wir im Sommersemester 2014 eine bundesweite Online-Umfrage unter Studierenden organisiert. Über 3300 Kommilitonen und Kommilitoninnen haben sich daran beteiligt. Wir wollten damit die aktuelle Sichtweise der Studierenden auf ihre Studiensituation, auf Erfolge aber auch auf Probleme der Umsetzung des Bologna-Prozesses evaluieren, um daraus Forderungen an die Politik abzuleiten.

Welche Probleme haben die Studierenden in der Umfrage genannt?
Immer noch findet über ein Drittel, dass das Studium zu viele Prüfungen hat. 50 Prozent kritisieren, dass Leistungspunkte den benötigten Arbeitsaufwand kaum widerspiegeln und viele Lehrpläne weiterhin überfrachtet seien. Studierende müssen auch 15 Jahre nach Beginn des Bologna-Prozesses noch immer hohe Hürden überwinden, wenn sie ins Ausland gehen wollen. Diese Probleme sind seit langem bekannt. In den vergangenen Jahren wurden sie mit der Umstellung des Studiensystems auf Bachelor- und Masterprogramme begründet und als Kinderkrankheiten abgetan. Wenn aber, wie die Umfrageergebnisse zeigen, diese Probleme 15 Jahre nach der Bologna-Reform noch immer auftreten, kann man sagen, dass der Bologna-Prozess auch als Teenager noch Kinderkrankheiten hat.

Gab es auch Klagen über die finanzielle Situation der Studierenden?
Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen, dass für die Hälfte aller Kommilitonen die fehlende Studienfinanzierung ein gravierendes Problem bei der Fortsetzung ihres Studiums ist. Angesichts der gerade anlaufenden Novellierung des BAföG besteht hier dringender Nachbesserungsbedarf, um die sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen, allen Interessierten die Aufnahme und Fortführung eines Studiums zu ermöglichen.

Sie sehen auch bei den Masterabschlüssen Handlungsbedarf.
Ja, die Ergebnisse zeigen, dass die Studierenden den Master weiterhin als Regelabschluss ansehen. 71 Prozent der Bachelorstudierenden streben einen Masterabschluss an, aber nur 38 Prozent sehen den Master dabei als Weg zur Promotion. Die Hochschulen haben aufgrund der schlechten Umsetzung der Bachelorstudiengänge versäumt, den Bachelor als vollwertigen Abschluss zu etablieren, jetzt müssen sie den Studierenden den Weg in den Master ebnen.

Am Freitag endete in Bonn eine zweitägige Konferenz zum Bologna-Prozess, mit welchem Ergebnis?
In den Jahren 2009 und 2011 fanden zwei Bologna-Konferenzen statt, die wesentlich vom Ministerium für Bildung und Forschung organisiert waren. Sie waren eine Folge der Bildungsproteste 2009 und sollten den Dialog zwischen Studierenden, Hochschulmitarbeitern und Politikern über die weitere Umsetzung des Bologna-Prozesses fördern. Es gab aber damals von vielen Studierenden die Kritik, dass auf diesen Konferenzen vor allem der Bachelor als Erfolgsmodell hingestellt wurde. Seit zwei Jahren organisiert der fzs eine eigene Bologna-Konferenz.

Auch in Bonn diskutierten Studierende mit Vertretern der Hochschulen und der Kultusministerkonferenz. Auf unserer Konferenz standen allerdings die aktuellen Umsetzungsprobleme des Bologna-Prozesses im Mittelpunkt. Zudem erarbeiteten wir Vorschläge an die Politik, wie die Schwierigkeiten behoben werden können.

Jahrelang gab es massive studentische Proteste gegen den Bologna-Prozess. Haben diese Spuren hinterlassen?
Ja. In vielen Hochschulen wurden in den letzten Jahren die Prüfungsordnungen überarbeitet, was auch eine Folge der Proteste ist. Wir brauchen weiterhin eine kritische Begleitung des Bologna-Prozesses, müssen auf die Umsetzungsprobleme aufmerksam machen und von der Politik Reformen einfordern.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/941089.mit-der-reform-nicht-versoehnt.html

Interview: Peter Nowak

Angst vor einer Schavan-Show?

Die Bildungsministerin ruft zur Bolognakonferenz, die mit einem Gegengipfel beantwortet wird
Am kommenden Montag will Bildungsministerin Schavan mit Studierenden über deren Kritik am Bildungssystem konferieren. Weil sich der Unmut vieler Studierender am Bolognaprozess bzw. an dessen Umsetzung entzündet hat, wurde das Meeting auch Bolognakonferenz genannt. Das Treffen ist ein Resultat der Studierendenproteste der letzten Semester.

Neben Schavan sollen auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, und der Chef der Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle zu den Teilnehmern gehören. Von studentischer Seite werden der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften und der SDS.Die Linke Vertreter zu dem Treffen schicken.

Der der Linkspartei nahestehende Studierendenverband will den Gipfel allerdings kritisch begleiten und warnt vor einer Schavan-Show. Deshalb beteiligt er sich auch einen Gegengipfel, der am Montag in der Berliner Humboldtuniversität stattfinden soll. Die Organisatoren haben den Anspruch formuliert, gemeinsam mit Unterstützern aus dem Wissenschaftsapparat konkrete Alternativen zur aktuellen Bildungspolitik auszuarbeiten. Allerdings wird dort sicherlich auch die Perspektive der Bildungsproteste zur Sprache kommen. In den letzten Wochen war in der Taz eine kontroverse Debatte darüber entbrannt. Während der SDS.Die Linke in seiner Bildungsstreikagenda 2010 für eine inhaltliche Zuspitzung unter anderem durch Besetzungen der Hochschulen eintrat, warnten andere vor Aktionismus.

So empfahl der emeritierte Berliner Politologe Peter Grottian den Studierenden "mehr Zeit zum Nachdenken" und ein gesundes Misstrauen gegenüber den Politikern. Auch der langjährige Bildungsprotestorganisator Clemens Himperle innerhalb plädiert für stärkere inhaltliche Auseinandersetzungen der Protestbewegung. Aktivisten des SDS.Die Linke verweisen darauf, dass sich unabhängig von dieser Debatte in diesem Semester bereits neue Protestbündnisse gegründet haben. Der Ausgang der Perspektivdebatte dürfte für die Bildungsproteste entscheidender als die Konferenz am Montag sein. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/147628

Peter Nowak