Helferlein für die Gewerkschaft?

Eine kritische Bilanz der linken Streikunterstützung beim Tarifkonflikt im Einzelhandel

Wie können AktivistInnen der außerparlamentarischen Linken einen Streik unterstützen? Diese Frage streifte Jan Ole Arps in der Novemberausgabe dieser Zeitung in einem Artikel zum Streik im Einzelhandel. Darin schilderte er unter anderem eine »Blitz«-Aktion, bei der linke UnterstützerInnen bei der Mitgliedergewinnung für ver.di halfen, und stellte die Frage, welche Rolle das Aktivistenmilieu in Tarifkämpfen spielen kann, »in denen die Gewerkschaft den Fahrplan bestimmt« (ak 588). In diesem Beitrag soll eine kritische Bilanz der Solidaritätsaktionen mit dem Kampf im Einzelhandel gezogen werden.

»Ob Ost, ob West – gleicher Lohn jetzt«, lautete eine der Parolen, die DemonstrantInnen am Nachmittag des 20. Dezember 2013 vor einer H&M-Filiale in Berlin-Mitte skandierten. Es war eine Solidaritätsaktion des Berliner Blockupy-Bündnisses mit den Streiks im Einzelhandel. (1)

Das Bündnis, in dem Gruppen der außerparlamentarischen Linken, gewerkschaftliche Organisationen, aber auch die Studierendengruppe Die Linke.SDS zusammenarbeiten, bereitete die bundesweiten Krisenproteste Anfang Juni 2013 in Frankfurt/Main vor. Schon damals stand bei einer Aktion auf der Frankfurter Einkaufsmeile Zeil der Kampf im Einzelhandel auf der Agenda. Mit der Gründung der Berliner Streik-AG wollte das Blockupy-Bündnis verdeutlichen, dass Krisenproteste nicht nur auf ein Großevent zu reduzieren sind, sondern auch im Alltag unterstützt werden müssen.

Schon im Spätsommer diskutierte das Bündnis über geplante Solidaritätsaktionen und nahm Kontakte zu den Beschäftigten und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf. Die zuständigen GewerkschafterInnen waren über die außergewerkschaftliche Unterstützung erfreut. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Vorstellungen im Detail durchaus auseinander gingen. Die ver.di-Verantwortlichen hatten mehrere sogenannte Blitz-Aktionen geplant. Im Rahmen dieser Aktion besuchten Beschäftigte, GewerkschafterInnen und UnterstützerInnen ausgewählte Einzelhandelsfilialen, um die dort Beschäftigten über den Stand des Arbeitskampfes zu informierten. Ziel der Aktion sollte es sein, Beschäftigte zum Eintritt in die Gewerkschaft zu motivieren.

Ein Teil des Blockupy-Bündnisses beteiligte sich an diesen Blitz-Aktionen, ein anderer Teil, vor allem aus der außerparlamentarischen Linken, blieb auf Distanz. Dieser kritisierte vor allem, dass die Blitz-Aktion vollständig in der Regie von ver.di lief und beteiligte Gruppen und Einzelpersonen nur als UnterstützerInnen agieren konnten. Zudem wollten viele AktivistInnen des Blockupy-Bündnisses nicht ausschließlich als Werbetrupp für die Gewerkschaft auftreten.

Konzept kritischer KundInnen

Die KritikerInnen des Blitz-Konzeptes verwiesen auf die Solidaritätsaktionen außerparlamentarischer Linker in Berlin beim Arbeitskampf im Einzelhandel im Jahr 2008. (Siehe ak 530) Damals agierten unterstützende Gruppen als kritische KundInnen, denen die Arbeitsbedingungen und Löhne der Beschäftigten nicht egal sind. 2008 war das Konzept der kritischen KundInnen auch von ver.di unterstützt worden. Es gab ein gemeinsames Auftreten im Rahmen der Berliner Euromayday-Parade am 1. Mai, an dem sich Beschäftigte aus dem Einzelhandel beteiligten. Später erarbeiteten Beschäftigte, BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen und solidarische Linke bei einem gemeinsamen Workshop ein Konzept, wie der Arbeitskampf im Einzelhandel unterstützt werden konnte. Höhepunkt war die Aktion Dichtmachen, bei der im Juni 2008 AktivistInnen aus der außerparlamentarischen Linken in Berlin eine Reichelt-Filiale belagerten. Die Beschäftigten standen dabei und machten deutlich, dass sie die Aktion unterstützten.

Bei der Kundgebung des Blockupy-Bündnisses am 20. Dezember 2013 dagegen waren weder die Beschäftigten aus der H&M-Filiale noch GewerkschafterInnen anwesend. Obwohl die Aktion im Vorfeld mit ver.di abgestimmt war und sogar auf deren Wunsch einmal verschoben wurde, hatte die Gewerkschaft am 20. Dezember zu einer Aktion in eine Brandenburger Kleinstadt mobilisiert. Obwohl es zeitlich möglich gewesen wäre, zeigte ver.di bei der Blockupy-Aktion am späten Nachmittag nicht einmal symbolisch Präsenz.

Nimmt man den Aktionsrahmen 2008 zum Maßstab, hat ver.di die Kontakte zu den sozialen Bewegungen 2013 zurückgefahren. Der Grund liegt in den unterschiedlichen politischen Ausgangsbedingungen 2008 und 2013. Vor fünf Jahren, beim Berliner Einzelhandelsstreik 2008, war ver.di in der Defensive. Zum Zeitpunkt, als die Zusammenarbeit mit den linken UnterstützerInnen begann, dauerte der Arbeitskampf bereits mehr als ein Jahr an, der Einzelhandelsverband stellte sich stur. Es war klar, dass die Gewerkschaft ohne eine veränderte Streikstrategie nicht in der Lage sein würde, den Arbeitskampf mit einem Ergebnis zu beenden. In dieser Situation war ver.di eher bereit, auch Aktionen zu unterstützen, die nicht unter der Federführung der Gewerkschaft standen. Man könnte auch sagen: In der Defensive hatte sich ver.di der außerparlamentarischen Linken geöffnet.

2013 war die Situation eine andere. Die Debatte über einen Mindestlohn zeigte, dass bis weit in bürgerliche Kreise das Thema Niedriglohn diskutiert wurde. In einem solchen politischen Umfeld war es für ver.di wesentlich einfacher, den Arbeitskampf zu führen. Auch organisationsintern hatte ver.di die Defensive überwunden. Vor allem in Baden-Württemberg hatten die KollegInnen einen offensiven Kampf geführt, der sicher Anteil an dem allgemein als positiv für die Beschäftigten eingeschätzten Tarifabschluss hatte. Die ver.di-Führung war hingegen an einem schnellen Abschluss interessiert und hatte kein Interesse, die Solidaritätsaktionen auszuweiten.

Bessere Kooperation der Solidaritätsstrukturen nötig

Gewerkschaftslinke wie Anton Kobel kritisierten denn auch, dass ver.di keine bundesweite Kampagne zur Streikunterstützung initiiert hat. In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass die Bereitschaft von ver.di, mit außerparlamentarischen Linken auf Augenhöhe zu kooperieren, 2013 wesentlich geringer ausgeprägt war als 2008.

Selbstkritische Töne gab es auf einer Nachbereitungsveranstaltung zur Streikunterstützung Anfang Februar in Berlin. Die TeilnehmerInnen waren sich einig, dass die Kooperation mit den GewerkschafterInnen nicht erst beginnen sollte, wenn ein Arbeitskampf bereits im Gange ist. Die losen Strukturen der außerparlamentarischen Linken führen oft dazu, dass in konkreten Kämpfen geknüpfte Kontakte wieder abbrechen.

In Hamburg haben sich linke Gruppen, die in Arbeitskämpfe intervenieren, im Riseup-Bündnis zusammengeschlossen. In Berlin gibt es mit dem Blockupy-Bündnis (2) und dem Klassenkämpferischen Block (3) zurzeit zwei außerparlamentarische linke Zusammenhänge, die sich zum Ziel gesetzt haben, Betriebs- und Arbeitskämpfe zu unterstützen. Nach dem Ende des Einzelhandelsstreiks steht die Frage einer festeren Organisierung auf der Agenda, damit beim nächsten Arbeitskampf eine schnellere Reaktion möglich ist.

Anmerkungen:

1) Der Tarifkonflikt im Einzelhandel war Anfang Dezember mit einer Einigung zwischen ver.di und der Arbeitgeberseite im Pilotbezirk Baden-Württemberg zu Ende gegangen, die den Manteltarif wieder in Kraft setzte und Lohnerhöhungen von drei Prozent (rückwirkend zum 1. Juli 2013) und 2,1 Prozent ab April 2014 vereinbarte. (Siehe ak 588 und 589) Strittig blieb aber im Tarifbezirk Berlin-Brandenburg die Frage der Angleichung der Löhne und des Urlaubs- und Weihnachtsgelds in Brandenburg und Ostberlin an die Löhne im Westteil der Stadt. In den Ostberliner Bezirken und Brandenburg müssen die Beschäftigten für den gleichen Grundlohn eine Stunde pro Woche länger arbeiten, die Differenz beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld beträgt laut ver.di 332 Euro (Ostberlin) bzw. 387 Euro (Brandenburg).

2) www.facebook.com/BlockupyPlattformBerlin

3) klassenkampfblock.blogsport.de

ak 591 vom 18.2.2014

http://www.akweb.de/

Peter Nowak

Kundenbindung kritisch

Auseinandersetzung im Berliner Einzelhandel: verdi und die Solidaritätsgruppen

Anfang Dezember letzten Jahres ist in mehreren ver.di-Bezirken der Arbeitskampf im Einzelhandel beendet worden (express 12/2013). In Berlin zog sich die Auseinandersetzung noch bis zum 7. Januar hin. Hier wollte ver.di auch die Angleichung der Ost- und Westlöhne erreichen. Die jetzige Einigung sieht vor, dass dies bis Ende März 2015 geschehen soll.

Bei den Aktionen wurde ver.di auch von Berliner AktivistInnen aus dem globalisierungskritischen Blockupy-Bündnis (http://berlin.blockupy-frankfurt.org/) unterstützt. „Ob Ost, ob West – gleicher Lohn jetzt“, lautete denn auch eine der Parolen, die am Nachmittag des 20. Dezember von DemonstrantInnen vor einer H&M-Filiale in Berlin-Mitte skandiert wurden.

Das Bündnis, dem in Berlin Gruppen aus der außerparlamentarischen Linken, gewerkschaftlichen Organisationen, der Studierendengruppe „Die Linke.SDS“ u.a. angehören, hatte die bundesweiten Krisenproteste Anfang Juni 2013 in Frankfurt/Main mit vorbereitet. Schon damals stand der Kampf im Einzelhandel auf der Agenda des Bündnisses: „Mit unserer Aktion in Berlin knüpfen wir an die Aktion auf der Frankfurter Zeil im Mai dieses Jahres an, wo wir mit kreativen Mitteln unseren Widerstand in eine zentrale Einkaufsmeile getragen und mit einer Blockadeaktion den Geschäftsbetrieb gestört haben“, erklärte Anton Kohanov vom Blockupy-Bündnis. Mit der Gründung einer Streik-AG wollte das Bündnis im Anschluss daran verdeutlichen, dass Krisenproteste nicht nur bei einem Großevent, sondern auch im Alltag unterstützt werden müssen. Schon im Spätsommer diskutierte das Bündnis über geplante Solidaritätsaktionen und nahm Kontakte zu den Beschäftigten und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf. Die zuständigen Sekretärinnen und Sekretäre waren über die außergewerkschaftliche Unterstützung erfreut. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Vorstellungen von ver.di und dem Blockupy-Bündnis im Detail durchaus verschieden waren.

Blitz-Aktion unter Kontrolle von ver.di

Die ver.di-Verantwortlichen hatten mehrere sogenannte Blitz-Aktionen geplant (siehe express 12/2013). Im Rahmen dieser Aktion wurden von Beschäftigten, GewerkschafterInnen und UnterstützerInnen ausgewählte Einzelhandelsfilialen besucht, um die Belegschaften über den Stand des Arbeitskampfes zu informieren. Ziel der Aktion sollte es sein, Beschäftigte zum Eintritt in die Gewerkschaft zu motivieren. Nur dann würden sie bei der Teilnahme an einem Ausstand auch von ver.di mit Streikgeld unterstützt, lautete die Argumentation. Ein Teil des Blockupy-Bündnisses beteiligte sich aktiv an diesen Blitz-Aktionen, ein anderer Teil vor allem aus der außerparlamentarischen Linken übte daran Kritik. Diese entzündete sich vor allem daran, dass die Blitz-Aktion vollständig in der Regie von ver.di lief und die beteiligten Gruppen und Einzelpersonen nur als ausführende UnterstützerInnen agieren konnten.

Konzept kritischer Kunden

Zudem wollten viele AktivistInnen des Blockupy-Bündnisses nicht ausschließlich als Werbetrupp für ver.di auftreten. Dabei gab es keine grundsätzliche Kritik an der Mitgliederwerbung, wenn sie von ver.di-Mitgliedern kommt. Doch es wurde die Frage gestellt, warum Menschen, die selbst gar nicht bei ver.di organisiert sind, jetzt Beschäftigte für eine Mitgliedschaft werben sollten. Die KritikerInnen des Blitz-Konzeptes verwiesen auf die Solidaritätsaktionen außerparlamentarischer Linker in Berlin beim Arbeitskampf im Einzelhandel im Jahr 2008. Damals agierten unterstützende Gruppen als kritische Kundinnen und Kunden, denen die Arbeitsbedingungen und Löhne der Beschäftigten nicht egal sind. 2008 war das Konzept der kritischen KundInnen auch von ver.di unterstützt worden. Es gab ein gemeinsames Auftreten im Rahmen des Berliner Euromayday, an dem sich Beschäftigte aus dem Einzelhandel beteiligten. Danach gab es einen gemeinsamen Workshop, wo Beschäftigte, BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen wie die  noch amtierende ver.di-Fachbereitsleiterin Erika Ritter  und solidarische Linke gemeinsam ein Konzept erarbeiteten, wie der Arbeitskampf im Einzelhandel mit solidarischen Aktionen unterstützt werden könnte. Höhepunkt war die Aktion „Dichtmachen“, bei der im Juni 2008 in Berlin eine Reichelt-Filiale von kritischen KundInnen belagert wurde. Die Beschäftigten beteiligten sich nicht direkt daran, standen jedoch dabei und machten deutlich, wie sehr sie die Aktion unterstützten. Während der Kundgebung des Blockupy-Bündnisses am 20. Dezember 2013 hingegen waren weder die Beschäftigten noch die GewerkschafterInnen zu sehen. Obwohl die Aktion im Vorfeld mit ver.di abgesprochen war und sogar auf Wunsch der Organisation einmal verschoben wurde, hatte die Gewerkschaft am 20. Dezember zu einer Aktion in eine Brandenburger Kleinstadt mobilisiert. Obwohl es zeitlich möglich gewesen wäre, gab es bei der Blockupy-Solidaritätsaktion am späten Nachmittag nicht einmal eine symbolische gewerkschaftliche Präsenz. Wenn man den Aktionsrahmen 2008 zum Maßstab nimmt, hat ver.di jetzt die Öffnung zu den sozialen Bewegungen wesentlich eingeschränkt und Aktionen, die nicht unter ihrer Regie liefen, eher ignoriert. Dabei zeigt sich immer mehr, dass für einen erfolgreichen Arbeitskampf die Unterstützung aus der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt. Die Zeiten, in denen ein Arbeitskampf allein im Betrieb gewonnen wurde, sind schon lange vorbei. Für den Einzelhandel mit seiner schwachen Organisierung gilt das besonders.

Kooperation nicht erst, wenn ein Streik begonnen hat

Umso wichtiger ist eine Kooperation zwischen Gewerkschaftern und der  außerparlamentarischen Bewegungen,  die nicht erst beginnen sollte, wenn wieder  ein Arbeitskampf begonnen hat. . Die losen Strukturen der außerparlamentarischen Linken führen oft dazu, dass in konkreten Kämpfen geknüpfte Kontakte  wieder abbrechen. Der Euromayday, der 2008 ein gemeinsames Forum für Gewerkschafter und außerparlamentarische Initiativen war, ist  in Berlin  bereits seit 3 Jahren Geschichte.  Mit dem Blockupy-Bündnis und dem Klassenkämpferischen Block gib es zurzeit zwei außerparlamentarische Linke Zusammenhänge, die sich zum Ziel gesetzt haben, Betriebs- und Arbeitskämpfe zu unterstützen. Nach dem Ende des Einzelhandelsstreiks s steht die Diskussion einer festeren Organisierung an, damit beim nächsten Arbeitskampf eine schnellere Reaktion möglich ist.

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 1/2014

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

„Wir sind alle Amazon“?

Links

[1]

http://www.labournet.de/category/branchen/dienstleistungen/handel/

[2]

https://www.verdi.de/

[3]

http://berlin.blockupy-frankfurt.org/

[4]

http://www.linke-sds.org/

[5]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154358

[6]

https://blockupy-frankfurt.org/2241/blockupy-zeil-auswertung/

[7]

https://www.facebook.com/pages/Streik-Soli-B%C3%BCndnis-Leipzig/597593186963849

[8]

http://www.amazon-verdi.de/

[9]

http://www.amazon.de

[10]

http://www.zalando.de/

[11]

http://www.theguardian.com/profile/carolecadwalladr

[12]

http://www.theguardian.com/technology/2013/dec/01/week-amazon-insider-feature-treatment-employees-work

[13]

http://www.n-tv.de/mediathek/videos/wirtschaft/Streik-bei-Amazon-geht-weiter-article11930311.html

[14]

http://www.pin-ag.de

[15]

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/pin-ag-kaempft-gegen-streik-der-zusteller-polizei-hausverbot-und-praemie/9233278.html

[16]

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/streik-bei-pin-ag-beendet-die-gekaufte-versoehnung/9244558.html

Kunden gegen Billiglohn

Berliner Blockupy-Bündnis solidarisiert sich mit Streikenden im Einzelhandel

Rund 70 Personen versuchten heute Nachmittag eine H&M-Filiale in der Friedrichstraße zu blockieren. Die Polizei versucht immer wieder den Eingang freizuhalten und drängt die Aktivisten zur Seite.

Seit über einem Jahr wehren sich die Beschäftigten im Einzelhandel, überwiegend Frauen, gegen die massive Verschlechterung ihre Arbeitsbedingungen. Die Einzelhandelsunternehmen haben sämtliche Entgelt- und Manteltarifverträge gekündigt. Ihr Ziel ist die generelle Absenkung von Löhnen und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in der Handelsbranche, wo es für die Beschäftigten besonders schwer ist, sich zu organisieren. Darauf setzt die Unternehmerseite in Berlin.

Während die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in mehreren Bundesländern Tarifverträge geschlossen hat, wollte das Berliner Unternehmerlager den Konflikt aussitzen. Doch sie hatten nicht mit der Kampfbereitschaft der Beschäftigten gerechnet. Auch die Unterstützer außerhalb der Gewerkschaften hatten sie nicht auf dem Schirm. Seit Wochen haben sich studentische und soziale Initiativen mit eigenen Aktionen mit den Beschäftigten solidarisiert. »Wir sind Kundinnen und Kunden. Uns ist es nicht egal, unter welchen Bedingungen die Kassiererinnen arbeiten«, erklärte Elke Sommer ihre Beteiligung an der Aktion am Freitag. Sie arbeitet im Berliner Blockupy-Bündnis, dessen Streik-AG die Aktion am Freitag vorbereitete. »Blockupy goes Arbeitskampf« lautet das Motto, das auch auf den Transparenten stand.

Das Bündnis, in dem Gruppen der außerparlamentarischen Linken, gewerkschaftliche Organisationen, aber auch die Studierendengruppe »Die Linke.SDS« zusammenarbeiten, bereitete die bundesweiten Krisenproteste Anfang Juni in Frankfurt am Main vor. Schon damals stand der Kampf im Einzelhandel auf der Agenda des Bündnisses: »Mit unserer Aktion knüpfen wir an die Aktion in der Frankfurter Zeil im Mai dieses Jahres an, wo wir mit kreativem Widerstand den Geschäftsbetrieb gestört haben«, erklärt Anton Kohanov vom Blockupy-Bündnis gegenüber »nd«.

Die H&M-Filiale sei ausgewählt worden, weil es dort eine besonders kämpferische Belegschaft gibt, die sich gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen seit Monaten wehrt.

Besonders sauer sind die Beschäftigten der Filiale in der Friedrichstraße, dass sie für niedrigere Löhne arbeiten sollen als ihre Kollegen in Westberlin. Während die einen Stundenlohn von 8,50 Euro erhalten, bekommen die Ostberliner Angestellten 8,25 Euro. »Ob Ost, ob West – gleicher Lohn jetzt«, lautete denn auch eine der Parolen, die von den Demonstranten skandiert wurden und auch bei den zahlreichen Passanten auf Zustimmung stießen.

Nicht wenige kehrten vor dem Eingang von H&M um. Manche wegen des großen Polizeiaufgebots, andere folgten den Aufrufen der Demonstranten, aus Solidarität mit dem Streik auf einen Einkauf in der Filiale zu verzichten.

Für Blockupy-Sprecher Anton Kohanov war die Aktion ein Erfolg, die auch im nächsten Jahr wiederholt werden könne, findet er.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/918826.kunden-gegen-billiglohn.html

Peter Nowak