Die linke Regierungspartei im Wartestand oder konsequente Opposition?

Nochmal ist der Kelch einer Regierungsbeteiligung an der Linkspartei vorrübergegangen, aber für wie lange?

Während bei FDP, Grünen und Piraten die Auseinandersetzung über Personen und Programm weitergehen, scheint die Linkspartei ein Hort der Ruhe und Stabilität zu sein. Obwohl die Partei bei den Wahlen verloren hat, wird das Ergebnis flügelübergreifend als Erfolg angesehen. Denn die vorigen Wahlen mit den guten Ergebnissen fanden zu einer Zeit statt, als die Linkspartei noch den Nimbus des Neuen hatte und allerlei Protestwähler anzog. Ein Teil von ihnen ist nun zur Alternative für Deutschland gewandert, andere sind zur SPD oder den Grünen oder ins Lager der Nichtwähler zurückgekehrt.

Unter diesen Umständen war das Wahlergebnis tatsächlich ein Erfolg. Zudem hat der Wiedereinzug der Partei in den hessischen Landtag deutlich gemacht, dass die Linkspartei mehr ist als eine Ostpartei mit einem kleinen westdeutschen Anhang. Das hat auch inhaltliche Konsequenzen.

In Hessen wurde die Linke als Bewegungspartei gestärkt

Eine Linkspartei, die sich vor allem auf die ostdeutschen Gliederungen stützt, wäre schnell bereit, politischen Ballast abzuwerfen, um in eine Wunschkoalition mit der SPD eintreten zu können. Schließlich dominieren dort Pragmatiker, die noch in der DDR sozialisiert wurden und in den 80er Jahren auf den Abgang der alten Garde um Honecker warteten. Nach der Wende und den darauf folgenden Elitentausch konnten viele von ihnen in linken Verlagen und Parteien überwintern.

In der Linkspartei treten die meisten von ihnen besonders pragmatisch auf und der Verdacht, dass sie in einer Koalition mit der SPD doch noch an Posten kommen wollen, scheint begründet. Der Berliner Publizist Sebastian Gerhardt befasst sich mit der Genese dieser ostdeutschen Pragmatiker und wird bei den Modernen Sozialisten fündig, die Ende der 80er Jahre das Konzept einer sozialdemokratischen Reform entwickelten und damit in der PDS großes Gewicht hatten. Die sozialdemokratischen Neuzugänge bei der Gründung der Linkspartei waren für diese ostdeutschen Pragmatiker fast schon linke Sektierer, was deutlich macht, dass sich viele von ihnen in der vielzitierten politischen Mitte positionierten.

Im Streit zwischen dem Ostpragmatiker Bartsch und den westdeutschen Sozialdemokraten Oskar Lafontaine im Vorfeld der Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahlen trafen diese beiden Politikkonzepte aufeinander. Mit dem Rückzug von Bartsch und Lafontaine aus der ersten Reihe wurde die Auseinandersetzung entschärft. Mit Katja Kipping und Bernd Riexinger versucht sich die Linkspartei, als Ansprechpartner politischer und sozialistischer Bewegungen zu profilieren. In Hessen ist vor allem durch die gemeinsame Vorbereitung der Blockupy-Aktionstage die Linke als Bewegungspartei bei außerparlamentarischen Initiativen anerkannt, die vor der hessischen Landtagswahl die Linke unterstützten. Zu den Erstunterzeichnern gehört der Frankfurter Philosoph Thomas Seibert, der sich Gedanken darüber macht, wie eine linke Regierungspartei und die außerparlamentarische Bewegung ein Verhältnis entwickeln können, das nicht von gegenseitigen Verratsvorwürfen geprägt ist.

„Wo wollen uns die Steinbrücks und Trittins bis 2017 politisch platzieren?“

Der Ernstfall könnte in Hessen schneller, aber im Bund spätestens 2017 eintreten. Bis dahin begreift die SPD, dass sie die Linkspartei nicht überflüssig machen kann, und setzt auf Wandel durch Annäherung. Daher wird schon jetzt von kooperationswilligen Sozialdemokraten und Grünen der Eintrittspreis genannt, den die Linkspartei zahlen muss, wenn sie mitregieren will. Dazu gehört ein Bekenntnis zur Nato, zur Marktwirtschaft und zum freien Unternehmertum. Die in der Linkspartei nicht besonders einflussreiche Kommunistische Plattform hat in einer Erklärung bereits vor den Folgen gewarnt]:

„Wir werden unsere Verantwortung nur dann wahrnehmen können, wenn niemand mit uns und niemand von uns taktische Spielchen veranstaltet. Genau dazu aber wollen uns Protagonisten der SPD und der Grünen offensichtlich verführen. Bis 2017, so Steinbrück einen Tag vor der Wahl, werde es keine rot-rot-grüne Koalition im Bund geben. Und Trittin äußerte am Wahlabend in der „Berliner Runde“, mit einer Partei, die sich vornimmt, bis 2017 alle Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden, könne man schon unter außenpolitischen Gesichtspunkten nicht koalieren. Wo wollen uns die Steinbrücks und Trittins bis 2017 politisch platzieren?“

Einstweilen geht zumindest im Bund der Kelch einer Mitverwaltung an der Linkspartei noch einmal vorüber, was ihr auch eine Menge interne Auseinandersetzungen zumindest vorerst erspart. Doch demnächst steht eine Personalentscheidung an, deren Ausgang zumindest einen Hinweis auf die innerparteilichen Kräfteverhältnisse geben könnte. Es geht um die Frage, ob Gregor Gysi weiterhin wie bisher alleine die Linksparteifraktion leitet oder ob auch für ihn die Parteisatzung gilt, die eine quotierte Fraktionsführung vorsieht. Doch Gysi hat sich bisher geweigert, weil ein Großteil der Basis Sarah Wagenknecht dort sehen würde. Doch zwischen beiden gibt es schon eine jahrelange Abneigung.

Vor mehr als 10 Jahren hat Gysi eine Wahl von Wagenknecht dadurch verhindert, dass er mit seinem Rücktritt drohte. Damals galt Wagenknecht noch als DDR-Nostalgikerin . Mittlerweile hat sie sich zu einer Politikerin entwickelt, der zugetraut wird, sogar ein Ministerium zu übernehmen, wenn es in einem Bundesland zu einer Regierungsbeteiligung ihrer Partei kommt. Sollte es das innerparteiliche Kräfteverhältnis allerdings nicht einmal zulassen, dass Wagenknecht Teil der Fraktionsführung wird, braucht sich die SPD keine Sorgen zu machen, dass die Linkspartei bereit wäre, wenn sie gerufen wird.

Warum nicht Gesetze ändern, ohne zu regieren?

Zurzeit ist die Linkspartei noch in der komfortablen Lage, testen zu können, wie wichtig SPD und Grünen ihre eigenen Wahlversprechen sind. Die Forderung nach einem Mindestlohn haben die drei Parteien im Wahlkampf stark gepusht. Nun hätten sie die parlamentarische Mehrheit, diese Reform, die eine reale Verbesserung der Lebensbedingungen von vielen Menschen bedeuten würde, durchzusetzen. So hatte auch vor einigen Jahren in Hessen ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei die Abschaffung der Studiengebühren beschlossen und die spätere Unionsregierung wagte nicht, sie wieder einzuführen.

Doch im Bundestag wollen SPD und Grüne vor den ersten Gesprächen mit der Union nichts unternehmen, was das Klima zwischen den Parteien trübt. So werden sie die Möglichkeit, hier eine Forderung, die sie so vehement propagiert haben, parlamentarisch durchzusetzen, verstreichen lassen. Dabei könnte diese Nutzung der parlamentarischen Mehrheit, ohne gemeinsam zu regieren, noch weitergedacht werden. So könnten SPD und Grüne Koalitions- und Tolerierungsgespräche mit der Union verweigern, aber es auch ablehnen, der Regierung das Vertrauen zu entziehen. Dann säße die Bundesregierung in der Falle und die drei Nichtregierungsparteien könnten ihre parlamentarische Mehrheit für die Gesetzgebung nutzen.

Da eine Auflösung des Bundestages als Voraussetzung von Neuwahlen nicht von der Bundesregierung verfügt werden kann, sondern eine verlorene Vertrauensabstimmung dafür nötig ist, wäre das Parlament in einer starken Position. Natürlich ließe sich eine solche Variante nur eine begrenzte Zeit durchhalten. Aber wenn sich die Oppositionsparteien auf einige in der Bevölkerung populären Gesetzesänderungen verständigen würden, müssten sie auch später die Neuwahlen nicht fürchten. Solche Überlegungen sind in vielen europäischen Ländern nach unklaren Mehrheitsverhältnissen im Parlament an der Tagesordnung. In Deutschland hingegen sind alle im Parlament vertretenen Parteien so staatstragend ,dass sie darüber nicht einmal diskutieren.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/155046

Peter Nowak 28.09.2013

Links

[1]

http://planwirtschaft.files.wordpress.com/2013/03/unrast_sg.pdf

[2]

http://wahlaufrufhessen.de/

[3]

http://www.solidarische-moderne.de/de/article/22.dr-thomas-seibert.html

[4]

http://www.neues-deutschland.de/artikel/833111.ein-kompliziertes-verhaeltnis.html

[5]

http://www.die-linke.de/partei/zusammenschluesse/kommunistischeplattformderparteidielinke/dokumente/ohnewennundaberantikriegsparteibleiben