Hausrecht gegen die Gewerkschaften

Filialleiter von Modekette »H&M« schickt Polizei zur Betriebsratswahl

Am Ende schaltete sich die Bundeszentrale des Klamottenriesen H&M ein. Die Beschäftigten der Stuttgarter Filiale konnte ihren Betriebsrat wählen – ohne die vom Filialleiter gerufene Polizei.

Die Beschäftigten der Stuttgarter H&M-Filiale hatten sich am 8. August gerade in der Heilbronner Stadtgalerie versammelt, um ihren Betriebsrat zu wählen. Doch bevor es zur Abstimmung kam, erschien die die Polizei. Der H&M-Filialleiter hatte die Beamten gerufen, dabei sie zwei Vertretern der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Hausverbot erteilen, die auf Wunsch der Beschäftigten die Wahlen beobachten sollte. Unter den missliebigen Gewerkschaftern befand sich auch der zuständige Verdi-Sekretär Thomas Müßig

Schließlich sollte in der Filiale erstmals ein Betriebsrat gewählt werden und der Leiter war darüber gar nicht begeistert. Dass dann auch noch Gewerkschaftsvertreter bei der Wahl anwesend sein sollten, wollte schon gar nicht akzeptieren und rief nach der Staatsmacht. Er nehme damit sein Hausrecht war, so seine Begründung.

Dass die Wahl schließlich mit Verzögerung doch noch in Anwesenheit der beiden Verdi-Vertreter stattfinden konnten, lag an der Deutschlandzentrale von H&M. Verdi hatte den Gesamtbetriebsrat eingeschaltet und das Unternehmen setzte auf Deeskalation und konnte letztlich auch den Filialleiter davon überzeugen, dass sein Herr im Haus-Standpunkt für die Interessen des Unternehmens kontraproduktiv ist. „Wir wollten den friedlichen Weg gehen“, erklärte eine H&M-Sprecherin, nicht ohne auch der Gewerkschaft eine Mitschuld an der Zuspitzung zu geben. Die Verdi-Vertreter seien nicht als Wahlbeobachter erkennbar und auch nicht vorher benannt gewesen.

Auch die Polizei schien mit dem Einsatz gegen Gewerkschafter nicht besonders glücklich gewesen zu sein. So habe sich nach Angaben der Lokalzeitung Heilbronner Stimme der örtliche Polizeichef Roland Eselei persönlich in den Fall einschalte und vor Ort auf Deeskalation hingearbeitet. „Wenn die Firma darauf bestanden hätte, dann hätten wir – Betriebsratswahlen hin oder her – das Hausrecht durchsetzen müssen“, betonte er allerdings gegenüber dem Lokalblatt seine Rechtsauffassung. Dass in diesem Fall die Gewerkschaftsfreiheit gegenüber Hausrecht gestanden habe, bestätigte auch der langjährige Heilbronner Gewerkschafter Helmut Schmidt gegenüber nd. Er habe in seiner 40jährigen Gewerkschaftstätigkeit viele Versuche erlebt, Betriebsratsgründungen zu verhindern. Einen Polizeieinsatz habe er allerdings noch nicht erlebt. Positiv sieht Schmidt, dass die H&M-Geschäftsleitung wohl aus begründeter Furcht vor einem Imageverlust auf Deeskalation gedrängt habe.

Auch die Heilbronner Verdi-Chefin Marianne Kegler-Wendt, kann sich in ihrer langen Gewerkschaftstätigkeit nicht daran erinnern, dass bei einer Betriebsratswahl die Polizei gerufen wurde. Allerdings hätte sie auch eine juristische Auseinandersetzung nicht gefürchtet. „Wir hätten den Fall gewonnen, wenn der Kollege wegen Hausfriedensbruch angezeigt worden wäre“. Die Betriebsratswahl war übrigens für die Beschäftigten erfolgreich. Bei einer Wahlbeteiligung von 70 Prozent haben die 56 Beschäftigten vier Frauen und nach der Minderheitenregelung auch einen Mann in das neu gegründete Gremium entsandt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/830337.hausrecht-gegen-die-gewerkschaften.html

Peter Nowak

Krisenzeiten für Betriebslinke

»Gegenwehr, das müssen wir schon selber tun«, lautete ein zentrales Motto, mit dem die linksgewerkschaftliche Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) bei Opel-Bochum zu den Betriebsratswahlen antrat. Sie erhielt allerdings nur 90 Stimmen und ist damit nicht mehr im Betriebsrat vertreten. Dabei scheuten die Linksgewerkschafter seit mehr als 30 Jahren bei Opel-Bochum mit ihrem kämpferischen Kurs keinen Konflikt mit dem Management und der Gewerkschaftsbürokratie.

Die Ursachen der Niederlage sind sicher auch in der Zersplitterung zu suchen. So kandierten IG-Metall-Mitglieder auf 12 Listen. Mindestens die Hälfte monierte mehr oder weniger deutlich die offizielle Verzichtspolitik. Zudem verteidigte die der MLPD nahestehenden Liste Offensiv ihren Sitz im Betriebsrat. Während es bei den letzten Betriebsratswahlen zwischen GoG und Offensiv zu einer Kooperation kam, wollte die GoG mit ihrer Eigenkandidatur ihre Distanz auch zu einer linksgewerkschaftlichen Position deutlich machen, die in erster Linie für eine kämpferische Betriebsratsarbeit steht und am Stellvertretermodell wenig Kritik übt.

Neben der Selbstorganisation wandte sich die GoG gegen Standortnationalismus und die Verzichtslogik. Ein großer Teil der Belegschaft, die mit Verzicht auf Lohnerhöhungen und Kurzarbeit schon lange für die Krise zahlt, folgt aus Überzeugung oder mit der Faust in der Tasche dieser Standortlogik. So erhielt die Liste »Wir gemeinsam« des Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel in Bochum ebenso klare Mehrheiten wie sein Rüsselsheimer Kollege Klaus Franz, der sich mit seiner Liste »IG-Metall: Wir sind Opel« als der bessere Manager geriert.

Für die Gewerkschaftslinke, die nur bei den Betriebsratswahlen im Mercedes-Benz-Werk Berlin-Marienfelde, wo die Liste der »Alternativen Metaller« fünf Sitze erhielt, einen Erfolg verbuchen konnte, sollte das Scheitern der GoG Anlass zur verstärkten kritischen Reflexion sein. Ebenso wie in der übrigen Gesellschaft kann auch in den Betrieben die Linke in Krisenzeiten nicht automatisch Erfolge erzielen. Ihre Stärke gewinnt sie in konkreten Ausein-andersetzungen, wie beim sechstägigen Streik bei Opel-Bochum im Jahr 2004.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/168681.krisenzeiten-fuer-betriebslinke.html

Peter Nowak