Rassistische Beleidigung ohne Folgen?

Kritik an Urteil des Arbeitsgerichts Hannover
Das Arbeitsgerichts Hannover erklärte die Kündigung des Mitarbeiters der Hannoveraner Baufirma Renziehausen für unwirksam, der Kollegen rassisch beleidigt und sie als Kanaken und Russenschweine beschimpft hatte. Türkische Mitarbeiter hat er als Ölaugen bezeichnet. Nur mit diesem Fall hatten sich die Arbeitsrichter zu befassen und sahen keinen Kündigungsgrund. So war einem Schöffen der Begriff Ölaugen nicht als rassistische Beleidigung bekannt.

 Das kürzlich veröffentlichte Urteil von Ende März stößt auf Kritik von vielen Seiten. »Der Ton im Baugewerbe ist zwar rauer als etwa in einem Versicherungsbüro. Aber nichtsdestotrotz darf eine Schwelle nicht überschritten werden«, betonte die Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen Cornelia Höltkemeier. Auch für den Hannoveraner Arbeitsrechtler Jens Klinkert ist »die Äußerung klar ausländerfeindlich und damit nicht hinzunehmen«. In der Vergangenheit hatten Kündigungen wegen Diskriminierung von Arbeitskollegen vor den Arbeitsgerichten Bestand. So wurde die fristlose Kündigung des Beschäftigten eines Salzgitter Stahlwerks bestätigt, der einen Mitarbeiter nach dessen Sterilisation als »leere Luftpumpe« bezeichnet hatte.

Der Pressesprecher der IG Bau-Agrar-Umwelt Ruprecht Hammerschmidt konnte sich zum konkreten Fall nicht äußern, weil er die Details nicht kenne. »Wir tolerieren allerdings grundsätzlich keinerlei Diskriminierungen gegen Minderheiten am Arbeitsplatz, gegen wen auch immer sie gerichtet sind«, sagte er gegenüber ND. Es komme in der Regel sehr selten vor, dass sich Kollegen wegen rassistischer Beleidigungen an die Gewerkschaft wenden.

Nach der öffentlichen Kritik verteidigte der Direktor des Hannoveraner Arbeitsgerichts, Kilian Wucherpfennig, das Urteil und verglich es mit dem Fall Emmely. Die Kündigung der Berliner »Kai- ser’s«-Kassiererin war wegen der angeblichen Unterschlagung von Pfandbons im Wert von 1,30 Euro in mehreren Instanzen bestätigt worden. Nach einer großen Solidaritätskampagne hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt die Kündigung mit der Begründung aufgehoben, dass angesichts der langen Betriebszugehörigkeit der Kassiererin eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung nicht vertretbar ist. Dieser Vergleich wurde wegen Verharmlosung von Rassismus ebenfalls kritisiert. Der Fall wird die Arbeitsgerichte indes weiter beschäftigen: Die Baufirma Renziehausen hat Berufung eingelegt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195551.linke-zum-suendenbock-gestempelt.html

Peter Nowak