Sind die Anti-Bankenproteste Teil der Occupy-Bewegung?

Nicht überall ist das Verhältnis zwischen den alten sozialen Bewegungen und den jungen Empörten konfliktfrei
Am vergangenen Samstag ist der Protest gegen die Banken auch in Deutschland wieder auf die Straße getragen worden. Nach Polizeiangaben mehrere Tausend, nach Angaben der Veranstalter ca. 18000 Menschen beteiligten sich in Frankfurt/Main und Berlin an symbolischen Protesten. Während in der Hauptstadt das leere Regierungsviertel umzingelt wurde, war es in Frankfurt das Bankenviertel.

Das Aktionsbündnis „Banken in die Chancen“ und die globalisierungskritische Organisation Attac sprachen von einem unüberhörbaren Protest, den die Menschen gegen Politik und Wirtschaft formuliert hätten. Linke Kritiker monierten hingegen, die Parolen seien nicht über „Brecht die Macht der Banken und Konzerne“ und „Keine Macht der Banken“ hinausgegangen. Dabei wurden diese Slogans vom antikapitalistischen Teil der Protestkette gerufen. In den Aufrufen zu den Aktionen war nur von einer besseren Regulation der Banken die Rede. Die Konzerne wurden gar nicht erwähnt.

Der reine Symbolcharakter der Aktion war auch Gegenstand der Kritik. So erinnerten Aktivisten aus Frankfurt/Main an den, im letzten Jahr am 18. Oktober eine Blockade des Bankenviertels an einen Wochentag zu organisieren. Das Projekt wurde nach einer mehrmonatigen Vorbereitungsphase auch deshalb abgebrochen, weil zentrale Organisationen, die am 12. November auf der Straße waren, damals eher bremsten. Die geplante Blockade im letzten Jahr sollte der Höhepunkt eines Herbstes der Krisenproteste sein, der dann doch relativ bescheiden ausfiel.

Nach diesen Erfahrungen waren ursprünglich in diesem Herbst keine Proteste geplant. Dass es jetzt doch dazu gekommen ist, hat zweifellos einen Grund in den weltweiten Events der Empörten, die im Frühsommer von Spanien aus in andere Länder überschwappten. Dabei dauerte es aber in Deutschland besonders lang. Noch im Hochsommer versuchten beispielsweise vergeblich kleine Gruppen nach dem spanischen Vorbild Zelte auf zentralen Plätzen Berlins aufzubauen. Es bedurfte erst des Umwegs über die USA bis die Aktionen nun als Occupy-Bewegung auch in Deutschland eine gewisse Resonanz fanden, die aber immer medial größer als in der Realität war.

„Wir packen unsere Fahnen nicht ein“

Über die Frage, ob die Aktionen vom Samstag Teil der Occupyberlin.de sind, gibt es auch unter den Aktivisten unterschiedliche Antworten. So wird im Aufruf für die Menschenkette in Berlin die Gemeinsamkeit herausgestellt. Die Aktionen seien ein Beitrag zu den Protesten und Demonstrationen, die seit Wochen durch die Occupy-Bewegung auf die Beine gestellt werden. Gemeinsam solle „echte Demokratie“ erkämpft werden, hieß es dort.

Wesentlich konfliktreicher gestaltet sich das Verhältnis zwischen der Occupy-Bewegung und Teilen der sozialen Bewegung in Frankfurt. Besonders Basisgewerkschaftler] wollen sich nicht dem Verdikt der Occupy-Bewegung beugen, auf von ihnen veranstalteten Aktionen ohne ihre Organisationsfahnen und -banner aufzutreten. Der Ruf „Wir lassen uns unsere Banner und Fahnen nicht verbieten“ hatte auch eine Diskussionsveranstaltung zwischen Vertretern der Occupy-Bewegung und Gewerkschaftern im Frankfurter DGB-Haus Anfang November bestimmt. Dort beklagte ein Gewerkschafter, ihm sei das Tragen der Gewerkschaftsfahne verboten wurden, während drei junge Männer unbehelligt eine Armbinde mit der Aufschrift „Stolz ein Deutscher zu sein“ tragen konnten.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150828

Peter Nowak

Banken in die Schranken

Am Wochenende wird zum symbolischen Massenprotest aufgerufen, zahlreiche Wissenschaftler fordern eine andere EU-Wirtschaftspolitik

Um die Occupy-Bewegung ist es zumindest in Deutschland ruhig geworden. Dabei gibt es durchaus noch Menschen, die auch bei der spätherbstlichen Witterung weiter draußen campen wollen. In Berlin haben sie erreicht, ihre Zelte sogar näher an das Zentrum der Macht zu rücken. Während sie in den letzten Wochen auf der Wiese im toten Winkel von Berlin-Mitte campierten, haben sie jetzt ihre Zelte am Bundespressestrand im Regierungsviertel aufgestellt. Bis Ende November können sie wohl bleiben.

Doch wenn sie auch noch so trotzig auf ihrer Webseite behaupten: „Wir sind die 99 %“, so könnte man in der Zahlengabe ohne das Prozentzeichen noch eine gewisse Annäherung an die Realität erkennen. Mit Meditationen für ein friedvolles Wirtschaftssystem scheint die spirituelle Fraktion langsam die Oberhand zu bekommen. Über einen Zelt steht ein Schild mit der Aufschrift: „Dominik und Saskia sind empört.“

Viel Symbolik, wenig Inhalt

Am kommenden Samstag dürfte es für die Camper noch einmal ein Protest-Highlight geben. Die globalisierungskritische Organisation Attac und die NGO Campact rufen bundesweit zu einer Umzingelung des Berliner Regierungs- und des Frankfurter Bankenviertels auf. Mit mehreren zehntausend Menschen wird gerechnet. Mittlerweile haben auch der DGB, verschiedene Einzelgewerkschaften, Umweltgruppen, die Grünen und die Linkspartei aufgerufen.

Die symbolische Aktion im am Samstag leeren Regierungs- und Bankenviertel soll der Höhepunkt der neuen Krisenproteste sein, die in Deutschland wesentlich später als in anderen europäischen Ländern in Gang kamen und auch mit der Occupy-Bewegung wenig zu tun haben. Allerdings wird dieser Begriff jetzt gerne verwendet und unter Plakate und Aufrufe gesetzt, weil er mittlerweile als Platzhalter für weltweit völlig unterschiedliche Protest- und Widerstandsformen benutzt wird.

Inhaltlich geht der Aufruf zur Bankenumzingelung nicht die über die Forderungen hinaus, die mittlerweile in allen Parteien diskutiert werden. „Das Wohl der Menschen, nicht der Unternehmen muss wieder im Mittelpunkt der Politik stehen“, heißt einer der Sätze, denen kaum jemand widersprechen wird. Auch dass Großbanken in kleinere Einheiten aufgeteilt und das Investmentbanking von anderen Kreditgeschäften getrennt werden sollen, wird mittlerweile sogar unter konservativen Ökonomen diskutiert. So ist eigentlich unklar, gegen wen mit der Aktion Druck ausgeübt werden soll. Zumal in dem Aufruf jeder Verweis auf das Machtgefälle innerhalb der EU-Staaten fehlt. Dass dabei nicht abstrakt Banken, sondern wirtschaftlich einflussreiche Länder wie Deutschland massiven Druck auf Staaten wie Griechenland und Italien ausüben, wird nicht erwähnt .und folgerichtig auch nicht kritisiert.

Zurück zur Sozialdemokratie der 70er Jahre?

Da ist eine Stellungnahme zur Krisenpolitik der EU konkreter, die von zahlreichen Wissenschaftlern unterschrieben wurde:

„Die von der EU verordneten Kürzungsprogramme haben in den betroffenen Ländern das Gegenteil von dem bewirkt, was sie erreichen sollten. Nicht nur die Wirtschaftskrise wurde verschärft, sondern auch noch die Schuldenkrise selbst. Die betroffenen Länder werden systematisch in die Rezession getrieben. Schuldenbremsen und Stabilitätsversprechen sind in einer solchen Situation reine Augenwischerei.“

Das ist ein Verriss der EU-Politik gegen Länder wie Griechenland und Italien. Für die Unterzeichner steht die EU vor der Alternative, entweder auseinander zu fallen oder eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die eine Abkehr von den Dogmen des Ordoliberalismus bedeutet. Neben einer Transaktionssteuer und Kapitalkontrollen werden auch die Einführung eines Mindestlohns und eine Entschuldung gefordert.

Das Programm liest sich wie ein Regierungsprogramm der Sozialdemokraten der 70er Jahren, als Reformen noch mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse der Mehrheit der Menschen und nicht mit weiteren Kürzungen und Belastungen assoziiert wurden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150804

Peter Nowak