Hungerlöhne im Hostel

„Für  Euch ist es Urlaub –  für uns ist es Ausbeutung“, skandierten ca. 70 TeilnehmerInnen vor dem Amadeus-Hostel in Bezirk Wedding. Unter ihnen waren mehrere ehemalige Beschäftigte, aus verschiedenen europäischen Ländern. Sie erhoben schwere Vorwürfe gegenüber der Geschäftsleitung des Hostels.
„Ich arbeitete täglich ca. 8 Stunden an 6 Tagen die Woche  Am Monatsende erhielt ich für die Arbeit 100 Euro, “ erklärte der   Belgier Thomas“.  Er wollte Berlin kennen lernen und landete im Amadeus-Hostel wie  Nathan Letore aus Frankreich:   „Wir suchten ein Zimmer und im Hostel sagen sie uns, wir können hier leben und arbeiten“.
Die Beschäftigten sind mittlerweile alle entlassen oder haben selber besser gekündigt.  Sie fordern von der Geschäftsleitung des Hostels die Nachzahlung der ihnen vorenthaltenen Löhne. In der nächsten Woche wollen einige Klagen einreichen.
Doch auch der Protest soll nach der Kundgebung weitergehen. Unterstützt wird er von der  Erwerbsloseninitiative Basta, die im Wedding regelmäßig Sozialberatung macht. Dort haben sich auch die ehemaligen Amadeus-Beschäftigten getroffen, um die Kundgebung vorzubereiten. Für Gitta Schulz vom Basta sind auch die Jobcenter ein Teil des Problems.

Beschäftigte ohne Arbeitsvertrag würden  von den Jobcentern nicht als AufstockerInnen anerkannt und seien so gezwungen, von den geringen Löhnen  leben zu müssen.   Die Erwerbsloseninitiative bekomme  die Dringlichkeit des Problems wöchentlich zu spüren.
„Erst war es ein  junger Mann und dann kamen immer mehr Menschen aus verschiedenen Ecken Europas in unsere Sozialberatung“, berichtet Schulz.   Nach der Kündigung werden ihnen die Leistungen erneut verweigert, da sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Für Menschen aus der EU ohne deutschen Pass stellt Erwerbsarbeit aber eine Bedingung für den Bezug von ALG II dar. Daher fordert Basta den uneingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen für alle, unabhängig vom Pass  und Aufenthaltstatus.

Hostel im Wohnblock
Die Kundgebung endete mit einem spontanen Rundgang durch das Hostel. Die Türen stand offen und kein Mensch war zu sehen.  Dabei wurde deutlich, in welch schlechten Zustand die Räumlichkeiten sind. Im Internet haben viele ehemaligen Gäste ebenfalls darüber geklagt. Am Beispiel des Amadeus-Hostel wird  aber auch die Problematik der ausufernden Tourismusindustrie in Berlin besonders deutlich. Die schlechten Arbeitsbedingungen und Dumpinglöhne sind dabei ein wichtiges Problem,  die Auswirkungen auf die Umgebung ein anderes. Das Amadeus-Hostel  befindet sich  im Weddinger Teil der Brunnenstraße, in einer Gegend  im der viele einkommensschwache Mieter  leben. Das Hostel erstreckt sich auf große Teile eines Wohnblocks. So wird Wohnraum in den unteren Preiskategorien für touristische Zwecke  zweckentfremdet. Ein ehemaliger Beschäftigter berichtet, dass in das Hostel öfter vom Jobcenter Wohnungslose  vermittelt wurden. So sorgt das Hostel dafür, dass es immer weniger   billigen Wohnraum gibt und verdient dann an der Unterbringung der Obdachlosen,

aus: MieterEcho online 16.02.2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/amadeus-hostel-kundgebung.html
Peter Nowak

Häftlinge als Arbeitskräfte?

Axel Köhler-Schnura ist Konzernkritiker und Vorstand der ethecon-Stiftung


nd: Warum startete ethecon eine Kampagne gegen die Ausbeutung Strafgefangener?

Köhler-Schnura: 2011 wurde die US-Menschenrechtsaktivistin Angela Davis u. a. für ihren unermüdlichen Kampf gegen den gefängnisindustriellen Komplex mit dem ethecon Blue Planet Award geehrt. Großkonzerne lassen zu Minimalkosten in Haftanstalten produzieren. Die Häftlinge erhalten in der Regel nur einen geringen, manchmal gar keinen Lohn. Nebenkosten wie die Gesundheitsvorsorge oder besondere Sicherungen des Arbeitsplatzes entfallen. Stattdessen genießen die Konzerne zusätzliche Steuervorteile für die Beschäftigung von Gefängnisinsassen. Auch in Deutschland gibt es Bestrebungen, das Gefängniswesen in dieser Weise zu »reformieren«. Da wollen wir Öffentlichkeit herstellen.

BP setzte nach der Ölkatastrophe am Golf von Mexiko Gefangene ein. Eine übliche Praxis?
Der Einsatz Strafgefangener außerhalb von Haftanstalten hat in den USA eine jahrhundertelange Tradition. Aktuell sitzen in den USA 2,3 Millionen Menschen im Gefängnis. Das ist etwa ein Viertel aller Gefängnisinsassen weltweit. Davon arbeiten in den USA bis zu eine Million in Vollzeit. Auch die Tatsache, dass der Einsatz von Häftlingen für BP organisatorisch keine Herausforderung für die Gefängnisbetreiber war, zeigt, dass die »Nutzung« dieser Arbeitskräfte jenseits der Gefängnismauern nichts Außergewöhnliches ist. Besonders zynisch allerdings war, dass BP die Gefangenen umsonst für sich arbeiten ließ, während die ortsansässige Bevölkerung durch die Ölkatastrophe in die Arbeitslosigkeit getrieben wurde und vor dem Ruin stand.

Wie sieht die Situation in Deutschland aus?
In Deutschland gibt es leider kaum Öffentlichkeit für das Thema. Dabei lud bereits 1995 die Berliner Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit zum ersten Spatenstich für ein privat finanziertes Gefängnis. 2004 wurde gemeldet, dass in Hessen erstmals die Führung einer Haftanstalt komplett in private Hände gelegt wurde. Die Justizvollzugsanstalt Burg in Sachsen-Anhalt wird vom Baukonzern Bilfinger Berger betrieben. Dass Konzerne auch hierzulande keine Hemmungen haben, von Zwangsarbeit zu profitieren, zeigen die Beispiele von IKEA, Quelle und Neckermann, die schon in den 1970ern und 1980ern Insassen von DDR-Gefängnissen für sich produzieren ließen.

Welche Schritte sind im Rahmen der ethecon-Kampagne geplant?

Wir sind keine Aktionsgruppe, sondern eine Stiftung. Wir wollen mit unserer Kampagne einen grundlegenden Anstoß geben, das Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, informieren mit einem Flugblatt und sammeln Unterschriften. Wir wenden uns mit einem Protestbrief an die US-Regierung und mit einem Offenen Brief an den Bundestag. Wir bitten um Aufklärung, wie weit fortgeschritten die Entwicklung in Deutschland bereits ist und was geplant ist, sowohl in Bezug auf die Arbeit von Strafgefangenen für Konzerne als auch auf die Privatisierung von Gefängnissen.

Wer unterstützt die Kampagne?
Bisher unterstützt uns vor allem die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt bei unserer Arbeit. Wir hoffen darauf, dass andere das Thema aufgreifen und vorantreiben. Wir freuen uns über jeden, der Interesse daran hat, diese verhängnisvolle Entwicklung zu stoppen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/239868.haeftlinge-als-arbeitskraefte.html

Interview: Peter Nowak

Korpsgeist im Späti

In den Spätverkäufen sind nicht nur die Arbeitsverhältnisse prekär, auch die Läden selbst kämpfen häufig ums Überleben. Wie schwer es dadurch ist, die Situation der Beschäftigten zu verbessern, zeigt der Fall eines ehemaligen Verkäufers aus Berlin.
Welcher Hauptstadtbewohner hat sich noch nicht zu später Stunde etwas in einem sogenannten Spätkauf besorgt. Doch wer macht sich dabei Gedanken über die Arbeitsbedingungen des Verkäufers? Diese Frage richtete ein Redner Mitte Oktober bei einer Aktion im Berliner Stadtteil Friedrichshain an die Passanten. Dort hatte die Freie ArbeiterInnen-Union (FAU) zusammen mit Stadtteilaktivisten eine Kundgebung organisiert, die der Unterstützung eines ehemaligen Spätkauf-Beschäftigen galt, der sich im Konflikt mit seinem alten Arbeitgeber befindet.

Daniel Reilig* hatte mehrere Jahre im Spätkauf »Mumbai Corner« im Samariterkiez gearbeitet. Als Minijobber, der sein ALG II ein wenig »aufstocken« wollte, sollte er laut Vertrag 20 Stunden monatlich arbeiten, wie er der Jungle World berichtet. Doch in Wirklichkeit, beklagt Reilig, habe seine Arbeitszeit bis zu 60 Stunden in der Woche betragen. Dadurch habe er faktisch für weniger als zwei Euro die Stunde gearbeitet. Zudem habe er seine Mahlzeiten meistens an der Ladentheke verzehren müssen. Da dem Laden überdies ein Internet-Café und ein Hermes-Versandhandel angegliedert sind, waren die Pausen selten, erklärt der ausgebildete Industriekaufmann.
Prekärer Kreislauf: Als billiger Kneipenersatz ziehen Spätis, Trinkhallen und »Wasserhäuschen« – so die regionalen Bezeichnungen – auch eine Kundschaft mit schmalem Geldbeutel an
Prekärer Kreislauf: Als billiger Kneipenersatz ziehen Spätis, Trinkhallen und »Wasserhäuschen« – so die regionalen Bezeichnungen – auch eine Kundschaft mit schmalem Geldbeutel an (Foto: PA/Julian Stratenschulte)

Unter solchen Bedingungen soll Reilig drei Jahre lang gearbeitet haben. Erst als ein Streit mit dem Besitzer über eine auf die Kasse gerichtete Kamera eskalierte, war »das Maß des Erträglichen überschritten«, so der ehemalige Verkäufer. Nachdem das Arbeitsverhältnis aufgelöst worden war, wandte sich Reilig an die FAU Berlin, die ihm gewerkschaftliche Unterstützung zusicherte. Mit Hilfe des Berliner Arbeitsrechtlers Klaus Stähle versucht Reilig nun, seinen entgangenen Arbeitslohn rückwirkend einzuklagen. Der Anwalt sieht grundsätzlich gute Chancen. »Wichtig dabei ist, dass sich durch Zeugenaussagen oder andere Belege die tatsächliche Arbeitszeit nachweisen lässt«, betont der Jurist gegenüber der Jungle World. Und in diesem Fall würden einige Stammkunden bezeugen können, dass sie Reilig sehr häufig hinter der Ladentheke gesehen haben. Der Spätkaufbesitzer ließ dagegen über seinen Anwalt erklären, Reilig sei, wie vertraglich vereinbart, nur 20 Stunden im Monat beschäftigt gewesen und habe sich in dieser Zeit vor allem um die Warenbestellung gekümmert.

Für Stähle ist die Klage juristisches Neuland. Bisher habe sich noch nie ein Spätkaufbeschäftigter an ihn gewandt. Als einen Grund für die Zurückhaltung führt der Anwalt an, dass viele Betroffene nicht wüssten, dass sie mit Prozesskostenhilfe rechnen können. Auch die für die Berliner Einzelhandelsbranche zuständige Verdi-Sekretärin Erika Ritter kann sich nicht daran erinnern, dass sich je ein Beschäftigter aus jenem Bereich an ihre Gewerkschaft gewandt habe. Selbst für die FAU, die bereits Erfahrung mit Organisierungsprozessen in prekären Sektoren gesammelt hat, ist es der erste Fall im Bereich der Spätverkäufe.

Die Gründe für die geringe Gegenwehr in Spätverkäufen sieht man bei der FAU Berlin nicht nur in dem unzureichenden Kenntnisstand, den viele Beschäftigte über ihre Rechte hätten. Schließlich habe man es »nicht nur mit prekären Arbeitsverhältnissen zu tun, sondern mit einer regelrechten prekären Ökonomie«, sagt Florian Wegner, Sekretär der FAU Berlin. Tatsächlich ist nach der Einführung von Hartz IV die Zahl der Selbstständigen vor allem im Einzelhandel und der Gastronomie angewachsen, wo der Brancheneinstieg relativ einfach erscheint. Jedoch erweist sich der Traum vom eigenen Laden, mit dem man aus der Arbeitslosigkeit flüchten möchte, meist als Illu­sion. Für die Selbständigen setzt sich dort häufig die Prekarität fort. Denn »die hohe Wettbewerbs­intensität«, so Wegner, »kann meist nur durch schonungslose Selbstausbeutung oder die Ausnutzung billigster Arbeitskräfte kompensiert werden«. Dabei wird häufig auch auf mithelfende Familienangehörige zurückgriffen, aber auch auf Freunde und Bekannte. »Flache Hierarchien« und lockere Umgangsformen scheinen dazu beizutragen, dass beim Lohn häufig nicht so genau nachgerechnet wird.

Auch Reilig sah zunächst kein größeres Problem darin, gewissermaßen als Filialleiter auf Minijob-Basis zu fungieren. Zuvor hatte er Erfahrungen mit unbezahlter Arbeit gemacht. Vier Wochen lang habe er als Praktikant in einem Discounter Regale eingeräumt, erzählt er. Während dieser als Probezeit deklarierten Beschäftigungsphase habe er ständig unter der Beobachtung der Filialleiterin gestanden und kaum Pausen gehabt. Obwohl er keinen Lohn bekam, wollte er diesen »Null-Euro-Job« nicht kündigen, weil er als ALG-II-Empfänger Sanktionen vom Jobcenter befürchtete. Danach sei Reilig erst einmal froh gewesen, den Job im Spätkauf gefunden zu haben.

Die lockere Atmosphäre im Spätkauf, wo scheinbar alle gleich prekär arbeiten, war es auch bei Reilig, die ihn zunächst über den niedrigen Lohn hinwegsehen ließ. In einem Arbeitspapier der FAU Berlin ist in diesem Zusammenhang von »einer Art Mini-Korporatismus« die Rede, der sich in prekären Ökonomien häufig zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten herausbilde: »Alle Beteiligten haben im Hinterkopf, dass höhere Löhne den Laden ruinieren könnten.« Das bekam auch Reilig zu spüren. Nachdem er sich zu wehren begonnen hatte, blieb die Unterstützung durch die anderen Angestellten des Inhabers, der zwei Läden betreibt, aus, obwohl diese unter den gleichen Bedingungen gearbeitet und sich im kleinen Kreis häufiger beklagt haben sollen.

»Wo sich Belegschaften nur schwer wehren können, müssen andere Wege der Unterstützung gefunden werden«, hieß es in einem Redebeitrag auf der Kundgebung. So könnten Kunden, die meist in der Nähe des Ladens wohnen, Einfluss auf die Situation nehmen. In den USA ist dieser Ansatz unter dem Begriff »Community Organizing« bekannt. Dort wird schon länger versucht, Arbeitskämpfe in schwer organisierbaren Bereichen durch Initiativen von Nachbarn und Kunden zu unterstützen. Selbst Verdi hat beim letzten großen Einzelhandelsstreik 2008 auf das Konzept der »kritischen Kunden« zurückgegriffen. So wurde während eines Aktionstags die Filiale einer bestreikten Ladenkette von solidarischen Kunden blockiert.

Dass solche Aktionen durchaus etwas bewirken können, machte zuletzt die Kampagne für »Emmely« deutlich. Von der Kündigung der Kassiererin bei Kaiser’s erfuhren damals einige Kunden im Rahmen eines solchen Aktionstags. Sie gründeten daraufhin ein Solidaritätskomitee und ini­tiierten eine bundesweite Kampagne, die nicht nur dafür sorgte, dass die Frau wieder eingestellt werden musste. Ihr Fall wurde auch zu einem Symbol für Gegenwehr und Solidarität in schwer organisierbaren Bereichen. Die Soziologin Ingrid Artus wies in diesem Zusammenhang darauf hin, wie wichtig die Unterstützung in solchen »Einzelfällen« ist. Auch im Fall von Reilig scheint die Unterstützung durch ein solidarisches Umfeld Wirkung zu zeigen. So beklagte die Arbeitgeberseite in der ersten Güteverhandlung Ende Oktober, dass deren Umsatz um die Hälfte eingebrochen sei. Außerdem wurde inzwischen die Klage des Ladenbesitzers gegen das Onlinemagazin »Trend« abgewiesen, mit der anscheinend die Berichterstattung über den Fall unterbunden werden sollte. Auch damit hatte sich der Besitzer keine Freunde im Kiez gemacht.

http://jungle-world.com/artikel/2011/44/44248.html

Peter Nowak 

Spät – aber nicht zu spät

Minijobber soll mehr als 60 Stunden in der Woche geschuftet haben

Unter dem Motto „Gegen Ausbeutung in Spätverkäufen“ organisiert ein Bündnis sozialer Gruppen am Dienstag um 18 Uhr eine Kundgebung an der Frankfurter Allee – Ecke Samariterstraße im Bezirk Friedrichshain.   Damit soll ein ehemaliger Mitarbeiter des Spätkaufs Mumbai-Corner in der Samariterstraße 3 unterstützt werden. Der Hartz IV-Empfänger war mit einem  Minijob-Vertrag in dem Laden angestellt. Nach seinen Angaben  habe er aber bis zu 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen und hätte oft nicht einmal Mittagspause gehabt.
Der Ladenbesitzer bestreitet diese Angaben. Der Mitarbeiter habe nur 20 Stunden im Monat in dem Laden gearbeitet, wie im Minijobvertrag vorgesehen.
Jetzt muss sich das Arbeitsgericht mit der Angelegenheit befassen. Dort will der ehemalige Verkäufer die ihm  seiner  Meinung nach zu stehende Löhne einklagen. Nach Angaben seines Anwalts Klaus Stähle stehen die Chancen für seinen Mandanten nicht schlecht. Er konnte mehrere Kunden des Ladens ausfindig machen, die bezeugen, dass der Kläger  häufig hinter der Ladentheke gestanden habe. Arbeit habe ich dort immerhin gegeben. Denn in dem Laden werden nicht nur Zeitungen, Getränke und Zigaretten, sondern auch die Dienstleistungen des Hermes-Paketdienstes  angeboten. Zu de gehört ein Internettreffpunkt zu den Laden.

Am kommenden Donnerstag hat das Berliner Arbeitsgericht am Magdeburger Platz 1 einen Gütetermin angesetzt. Dort soll ausgelotet werden, ob es in der Angelegenheit eine Einigung gibt.  Das Interesse an der öffentlichen Veranstaltung im Raum 209 dürfte groß sein. Denn der Kläger ist einer der wenigen Spätkauf-Angestellten, die sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren. Nicht nur Stähle sagt, dass sei sein erster Mandant aus dieser Branche. Auch Erika Ritter,  die bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di für die Einzelhandelsbranche zuständig ist, erklärt  im Gespräch mit Neues Deutschland, ihr sei Fall, wo ein Spätkauf-Beschäftigter  sich an ihre Gewerkschaft gewandt hat um seine Rechte durchzusetzen. Auch für die kleine Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU), an die sich der Verkäufer aus Friedrichshain gewandt hatte, sieht in dem Fall Neuland.
Nicht selten wollen die Spätkauf-Besitzer  mit einem eigenen Laden aus der Arbeitslosigkeit fliehen wollen. “Eine  extrem hohe Wettbewerbsintensität wird durch schonungslose Selbstausbeutung oder die Verwendung billigster Arbeitskräfte kompensiert. Nicht wenige „Spätverkäufe  sind  von mithelfenden Familienangehörigen abhängig“, meint FAU-Pressesprecherin Julia Fehrle. Ihre Organisation bietet Beratung für Beschäftige dieser Branche an. Dafür soll auf der Kundgebung ebenso geworben, wie für Solidarität mit den Beschäftigten, der sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wehrt. Mittlerweile haben sich auch Nachbarn des Spätkaufs mit den klagenden Beschäftigten solidarisch erklärt. Der Liedermacher Detlev K. hat unter dem Titel „Spätkauf aber nicht zu spät“, einen Solidaritätssong komponiert.

aus Neues Deutschland 18.10.2011
Peter Nowak

DEMO IN FRIEDRICHSHAIN

Gegen Ausbeutung

Unter dem Motto „Gegen Ausbeutung in Spätverkäufen“ organisiert die anarchosyndikalistische Freie Arbeiter Union (FAU) am heutigen Dienstag, 18 Uhr, eine Kundgebung an der Frankfurter Allee/Samariterstraße in Friedrichshain. Damit soll ein ehemaliger Mitarbeiter eines Spätkaufs in der Samariterstraße unterstützt werden. Der Hartz-IV-Empfänger war mit einem Minijobvertrag angestellt. Nach seinen Angaben hatte er aber bis zu 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen (taz berichtete). Der Ladenbesitzer bestreitet das. Nun geht die Angelegenheit vor Gericht.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F10%2F18%2Fa0147&cHash=0599bbd71d

Peter Nowak

Rund um die Uhr an der Kasse


PREKÄRE JOBS Ein Spätkauf-Mitarbeiter verliert erst den Job, dann will man ihm verbieten, über die schlechten Arbeitsbedingungen zu sprechen. Der Fall beschäftigt nun die Justiz

Rund um die Uhr einkaufen, sich frühmorgens Biernachschub holen oder im Internet surfen erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Zahl der Spätkaufläden in Berlin wächst – und damit auch die Zahl der prekären Arbeitsplätze.

Drei Jahre hat Daniel Reilig* in einem Spätkauf in Friedrichshain gearbeitet, offiziell war er Minijobber. Gearbeitet habe er 60 Stunden in der Woche, berichtet Reilig am Mittwochabend im Stadtteilladen Zielona Gora. Anfangs hätten ihn die Arbeitsbedingungen nicht gestört. „Ich hatte ein unbezahltes Praktikum in einem Discounter hinter mir. Da hat mir die familiäre Atmosphäre zunächst gefallen“, sagt er. Zumal ihm sein Chef bald die Verantwortung für einen Laden übertragen habe. Als Filialleiter auf Minijobbasis sei ihm der niedrige Lohn kaum aufgefallen. Erst als ein Kurzurlaub abgelehnt wurde, sei die Situation eskaliert. Reilig erhielt die Kündigung.

Sein früherer Chef, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, behauptet, Reilig sei auf eigenen Wunsch gekündigt worden. Auch die Vorwürfe gegen die Arbeitsbedingungen weist er zurück. Der Angestellte habe nur zwanzig Stunden im Monat arbeiten müssen. Sollte er länger im Laden gewesen sein, sei es freiwillig geschehen.

Die Angelegenheit beschäftigt mittlerweile die Justiz. Der ehemalige Chef wollte Reilig mit einer Klage verbieten lassen, seine Darstellung der Arbeitsverhältnisse weiter zu verbreiten. Er verklagte auch ein Internetmagazin, das einen Bericht über den Konflikt veröffentlicht hatte. In einer eidesstattlichen Erklärung hat Reilig seine Version bekräftigt. Unterstützung bekommt er von KundInnen des Spätkaufs. Die wollen vor dem Arbeitsgericht bestätigen, dass er fast rund um die Uhr an der Kasse stand.

Reilig will den Lohn für seine tatsächliche Arbeitszeit einklagen. Nach Angaben seines Anwalts Klaus Stähle stehen die Chancen gut. „Wichtig ist dabei, dass sich durch ZeugInnenaussagen oder andere Belege die tatsächliche Arbeitszeit nachweisen lässt“, betont der Arbeitsrechtler gegenüber der taz.

Reilig ist der erste Spätkauf-Beschäftigte unter seinen Mandanten. Gründe seien die informellen Arbeitsbeziehungen in der Branche und mangelnde Information der Beschäftigten über ihre Rechte. Auch an die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat sich bislang kein Spätkauf-Beschäftigter zur Durchsetzung seiner Rechte gewandt, erklärt die zuständige Gewerkschaftssekretärin Erika Ritter gegenüber der taz.

Dabei würden die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel insgesamt immer schlechter. Vor allem die Konkurrenz der Discounterketten sorge für großen Druck und verringere die finanziellen Spielräume. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft FAU, an die sich Reilig gewandt hat, ist optimistisch. „Unsere Erfahrungen, Löhne für Einzelne einzuklagen, sind sehr positiv. Der juristische Weg reicht dabei natürlich oft nicht aus“, sagt Julia Fehrte von der Berliner FAU zur taz. Am 26. Oktober soll um 18 Uhr am U-Bahnhof Samariterstraße eine Solidaritätskundgebung für Reilig auch die KundInnen dafür sensibilisieren, dass der Rund-um-die-Uhr-Service der Spätkaufe seinen Preis hat.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F10%2F07%2Fa0149&cHash=315583a9c3

Peter Nowak

Bier und Päckchen, Kippen und Ausbeutung

Alles locker am Spätkauftresen? Oftmals nicht für die Beschäftigten
Zehn Stunden Arbeit am Tag statt Minijob, nur der Lohn ist der gleiche. Erstmals will sich ein Berliner Spätkaufbeschäftigter vor dem Arbeitsgericht gegen die fiesen Arbeitsbedingungen wehren.

Daniel Reilig* gehörte zum wachsenden Heer von Minijobbern. 20 Stunden im Monat wollte er in einem Spätkaufladen im Berliner Stadtteil Friedrichshain seine Hartz-IV-Bezüge durch eine Vergütung von 120 Euro aufbessern. So steht es in dem Vertrag, den Reilig mit dem Besitzer mehrerer Spätkaufläden abgeschlossen hat. Doch sein Arbeitsalltag sah ganz anders aus.
Campact – Waffen

»Ich arbeitete sechs Tage die Woche bis zu zehn Stunden täglich. Ich hatte in dieser Zeit auch keine Mittagspause«, erklärt Reilig gegenüber ND. Bei einem Imbiss in der Nachbarschaft habe er Menüs bestellt, die er an seinen Arbeitsplatz verzehren konnte, wenn er gerade keine Kunden zu bedienen hatte. Dass sei selten gewesen, denn im Spätkauf waren ein Internetcafé, ein Getränke- und Zeitschriftenvertrieb und ein Hermes-Versanddienst integriert.

Der Chef von Reilig behauptet, seine Brüder hatten in den Läden fast rund um die Uhr gearbeitet. Reilig hingegen sei nur 20 Stunden im Monat dort tätig gewesen. Wenn er sich dort länger aufgehalten hat, sei das freiwillig gewesen. Er droht Reilig mit einer Klage, wenn er seine Beschreibung der Arbeitsbedingungen weiterhin aufrecht erhält. Der hat in einer Eidesstattlichen Erklärung seine Version bekräftigt, die von einigen regelmäßigen Kunden des Spätkaufs bestätigt wird. Er habe sich immer wieder gefragt, ob Reilig keine Freizeit habe, weil er rund um die Uhr hinter der Kasse gesessen hat, erklärte ein Anwohner, der in dem Laden regelmäßig einkauft. Diese Angaben will er beim Prozess vor dem Arbeitsgericht wiederholen.

Dort will Reilig den Lohn für seine tatsächliche Arbeitszeit einklagen. Nach Angaben seines Anwaltes Klaus Stähle stehen die Chancen gut. Wichtig sei aber, dass er durch Zeugenaussagen oder andere Belege seine tatsächliche Arbeitszeit nachweisen kann. Bisher ist dem Arbeitsrechtler kein weiterer Fall bekannt, wo sich ein in einem Spätkauf Beschäftigter juristisch wehrt. Gründe seien die informellen Arbeitsbeziehungen in der Branche und mangelnde Information der Beschäftigten über ihre Rechte. So sei vielfach auch nicht bekannt, dass Menschen mit geringen Einkommen Prozesskostenbeihilfe beantragen können, um ihre Rechte einzuklagen.

Auch Erika Ritter, bei ver.di Berlin-Brandenburg für den Handel zuständig, kennt keinen Fall, wo sich ein Spätkauf-Beschäftigter an die Gewerkschaft gewandt hat, um seine Rechte durchzusetzen. Auch sie bewertet die Erfolgsaussichten als gut. Ließe sich nachweisen, dass der in Berlin geltende Tarifvertrag um mehr als 30 Prozent unterschritten wird, sind die Arbeitsbedingungen sittenwidrig. Das kann bei einem Stundenlohn von unter acht Euro der Fall sein.

Ein Grund für die geringe Organisierungsbereitschaft liegt für Ritter darin, dass es sich überwiegend um Familienbetriebe handelt, in denen die gesamte Verwandtschaft rund um die Uhr für wenig Geld schuftet. Dabei würden die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel immer schlechter. Vor allem die Konkurrenz der Supermärkte und Discounterketten sorgte für großen Druck und verringere die finanziellen Spielräume. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft FAU will mit einer Kampagne beginnen, um die Beschäftigen in dieser Branche verstärkt über ihre Rechte zu informieren. Eine erfolgreiche Klage von Reilig könnte dabei helfen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/206864.bier-und-paeckchen-kippen-und-ausbeutung.html

Peter Nowak