Und wo ist die Anti-AKW-Bewegung?

Berlin: Während ein Lobbyverein der AKW-Industrie vor dem schnellem Ausstieg warnt, blieben die Proteste hinter den Erwartungen zurück

Rund 1.300 Teilnehmer aus 60 Ländern treffen sich noch bis Donnerstag in der Berliner Kongresshalle zur Jahrestagung Kerntechnik 2011.

Die Warnung vor einem „überhasteten Atomausstieg“ prägte das Treffen. Schon bei der Eröffnungsrede erklärte der Präsident des Deutschen Atomforums Ralf Güldner, die europäischen AKWs seien sicherer als die japanischen. Dann zählte er noch einmal alle Argumente auf, die in den letzten Wochen gegen einen schnellen Ausstieg aus der AKW-Industrie vorgebracht wurden: Güldner warnte vor höheren Kosten für die gesamte Volkswirtschaft, vor der Verfehlung der klimapolitischen Ziele, vor erhöhter Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und vor weniger Versorgungssicherheit beim Strom.

In Sichtweise der Kongresshalle am Alexanderplatz hat ein Bündnis von AKW-Gegnern ein dreitägiges Protestcamp aufgebaut, wo es Diskussionen und kulturelle Darbietungen gibt. Ein kleines AKW wird symbolisch in Mörtel eingemauert. Die geplante Blockade des Treffens in der Kongresshalle scheiterte am Dienstagmorgen aufgrund der geringen Teilnehmerzahl.

Manche der meist jungen Organisatoren des Anti-AKW-Camps zeigte sich enttäuscht über die geringe Resonanz. Sie hatten gehofft, dass die mediale Dauerpräsenz des Atomthemas nach dem Desaster in Japan mehr Menschen zu Protesten ermutigt. Die Voraussetzungen schienen günstig. Schließlich gab es schon im Vorfeld Kritik an den Methoden, mit denen die Reaktorsicherheitskommission ihren Abschlussbericht erstellte, der am ersten Tag des Atomforums veröffentlicht wurde.

Auch die Situation in den japanischen Reaktoren ist noch keineswegs geklärt, was eher die Warnungen der Kritiker bestätigt. Zudem wurde unmittelbar vor der Tagung bekannt, dass die Stromkonzerne zumindest vorübergehend alte Meiler wieder in Betrieb nehmen wollen. Doch auch diese Nachrichten hatten keine mobilisierende Wirkung.

Atomausstieg selber machen oder die Regierung machen lassen?

Unter den Aktivisten im Camp gab es unterschiedliche Meinungen zu den Gründen der schwachen Beteiligung. Während eine Frau mutmaßte, dass man vielleicht von Anfang an zu optimistisch an die Protestvorbereitung herangegangen sei, ist ein junger Mann der Meinung, dass es die Politiker verstanden hätten, die Bevölkerung glauben zu lassen, der Atomausstieg sei bei ihnen in guten Händen, es werde nur noch über das Tempo gestritten.

Wo aber scheinbar alle einer Meinung sind, können sich die Aktivisten mit ihrer Losung „Atomausstieg selber machen“ schwer Gehör verschaffen. Ein Mann mit längerer AKW-Erfahrung blickte 25 Jahre zurück. „Nach dem Gau in Tschernobyl waren Tausende aktiv gegen den AKW-Bau und ihre Profiteure“, erinnert er sich.

Im Unterschied zu jetzt haben 1986 alle großen Parteien ihr Bekenntnis zur Atomkraftnutzung bekräftigt. Bei den Aktionen gab es massive Polizeieinsätze mit vielen Verletzten. Ein Diskutant im Anti-AKW-Camp führt vor allem ökonomische Gründe für den Wechsel im Diskurs an. „Mittlerweile ist Deutschland Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien, die durch den Weiterbetrieb der AKWs behindert werden.“

http://www.heise.de/tp/blogs/2/149854

Peter Nowak