Krank und erwünscht

Abdoul Drammé Kaboré soll abgeschoben werden

Die Abschiebung eines Asylsuchenden und Flüchtlingsaktivisten wurde bisher durch Protest verhindert. Nun soll der gesundheitlich angeschlagene Kaboré nach Spanien ausgeflogen werden.

An diesem Dienstag, dem 14. Juli, soll der Flüchtlingsaktivist Abdoul Drammé Kaboré trotz kritischen Gesundheitszustands und einer geplanten Heirat nach Spanien abgeschoben werden. Der Oppositionelle aus Burkina Faso hatte in Spanien Asyl beantragt und war dann weiter nach Deutschland weitergereist, wo er sich bei den Flüchtlingsprotesten engagierte.
Als Aktivist der Gruppe »Asylum Rights Evolution« beteiligte er sich im Mai 2014 an einem Besetzungsversuch der Berliner Gedächtniskirche. Die elf Geflüchteten aus verschiedenen afrikanischen Ländern forderten ein Bleiberecht und protestierten gegen das europäische Abschiebesystem. Die Kirche verweigerte ihnen den Schutz und die Gruppe wurde festgenommen. Kaboré wurde sofort ins Abschiebegefängnis Grünau gebracht. Die Ausländerbehörde will ihn seitdem nach Spanien abschieben. Nach dem Dublin III-Abkommen ist das Land für ihn zuständig, weil er dort seinen ersten Asylantrag stellte.

Ein erster Abschiebeversuch am 28. Mai 2014 scheitere an den Protesten von über 70 Aktivisten im Flughafen Tegel. In einem Aufruf der Unterstützer wurden damals auch Passagiere und der Flugkapitän aufgefordert, die Abschiebung zu verweigern. Daraufhin wurde sie abgesagt.

Kaboré hatte im vergangenen Jahr erklärt, er werde sich gegen die Abschiebung wehren, und durch lautes Schreien auf seine Situation aufmerksam machen. »Bei einer erneuten Abschiebung wird sich Kaboré nicht wehren. Der Grund liegt allerdings an seiner Traumatisierung und ist kein Einverständnis mit der Maßnahme«, sagte seine Verlobte Dorothea Lipper dem »neuen deutschland«. Am 7. Juli 2015 musste ein erneuter Abschiebeversuch von Kaboré aus gesundheitlichen Gründen ausgesetzt werden. »Er saß bereits im Flugzeug, wurde ohnmächtig und wurde von der Polizei in ein Krankenhaus gebracht«, so Lipper. Er sei dort unter ständiger Anwesenheit der Polizei untersucht worden. Der Arzt habe erklärt, es sei für Kaboré aus gesundheitlichen Gründen am besten, wenn er in Berlin bleiben könnte, erklärte ihn aber nicht für transportunfähig. Die Ausländerbehörde ordnete nun an, dass Kaboré bei der Abschiebung von einem Arzt begleitet wird.

Lipper beklagt die massive Grundrechteeinschätzung durch das Asylsystem. So haben Abschiebegefangene keine Möglichkeit, einen Arzt ihres Vertrauens zur Untersuchung zu konsultieren. Auch der Verlobungswunsch von Kaboré sei von den Behörden torpediert worden. Zudem macht sich Lipper große Sorgen um ihren Verlobten nach einer Abschiebung. »Er leidet unter massiven Angstzuständen, hat immer wieder Suizidgedanken und Alpträume. Doch in Spanien ist der Zugang zu medizinischer Hilfe schlecht und die Asylanträge werden erst nach mehreren Jahren bearbeitet.«

Uptdate: Die Kampagne gegen Abdoul Drammé Kaboré hatte Erfolg. Am Montagabend wurde er aus der Abschiebehaft entlassen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/977724.krank-und-erwuenscht.html

Peter Nowak

Hungern gegen Ignoranz

Nachdem die Flüchtlinge vom Berliner Alexanderplatz ihren Hungerstreik aufgegeben hatten, bemühten sie sich vergeblich um Kirchenasyl.

»Wir sind Menschen, genau wie ihr. Und wir wollen die gleichen Rechte wie ihr. Wir wollen unter den gleichen Bedingungen leben wie ihr.« Diesen »Aufruf an die Zivilgesellschaft« richtete eine Gruppe von Geflüchteten, die sich »Asylum Rights Evolution« nennt. Am 3. Mai begann an der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz in Berlin ihr Hungerstreik, mit dem sie ein Bleiberecht und Korrekturen des Asylrechts einforderten. Doch die Polizei genehmigte nur einen für die Protestierenden ungünstigen Platz vor der Kongresshalle. Der Ort ist zugig und die Zahl der Passanten ist gering. Gravierender aber war, dass die durch ihren Hunger- und Durststreik geschwächten Menschen an einen Ort verwiesen wurden, an dem sie rund um die Uhr dem Lärm und den Emissionen einer vielbefahrenen Straße ausgesetzt waren. Obwohl sich der Gesundheitszustand der Menschen nach Beginn ihres Durststreiks verschlechterte, beteiligten sich an zwei Kundgebungen vor dem Bundesinnenministerium nie mehr als 70 Menschen. Am Sonntag brachen die Flüchtlinge ihren Hunger- und Durststreik ab und wollten im Rahmen des Kirchenasyls weiter für ihre Forderungen kämpfen. In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sei ihnen allerdings mit der Polizei gedroht worden, so die Flüchtlinge, die daraufhin vor dem Gebäude ihr Nachtlager aufschlugen.

Der Verlauf des Protests machte deutlich, dass von einer Solidaritätsbewegung für Geflüchtete, wie es sie in den letzten Monaten in Hamburg gab, in Berlin nicht die Rede sein kann. Selbst als sich der Gesundheitszustand einiger Hunger- und Durststreikender verschlechterte, blieb der Kreis der Unterstützer klein. Nach der Räumung des Camps auf dem Kreuzberger Oranienplatz hat das antirassistische Engagement nachgelassen. Am Abriss der Zelte hatten sich einige Flüchtlinge selbst beteiligt und Unterstützer und Aktivisten, die auf dem Platz bleiben wollten, beschimpft und teilweise tätlich angegriffen. Eine Gruppe von Geflüchteten, die seit der Räumung des Camps am 8. April auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes campiert, war erst vorige Woche mit einem Polizeieinsatz konfrontiert worden. Dabei wurden sämtliche Gegenstände beschlagnahmt, die nicht bei einer »Ansammlung unter freien Himmel« erlaubt sind. Lediglich eine Decke, ein Kissen und einen Schirm pro Person durften sie behalten. Wie die Taz berichtete, hatte sich bereits Mitte März ein fünfköpfiges Gremium unter dem Vorsitz der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), darauf geeinigt, dass eine Inanspruchnahme öffentlicher Grünflächen nicht mehr geduldet wird, wenn sie nicht durch das Versammlungsrecht oder eine Sondernutzungserlaubnis gedeckt ist.

In der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung monierten Abgeordnete der Linkspartei vorige Woche, damit werde gegen eine »jahrzehntelange Tradition politischen Ungehorsams« in Fried­richshain-Kreuzberg vorgegangen. Herrmann empörte sich über die Weitergabe der »Verschluss­sache«. Die Unterstützer der Geflüchteten sowie die Grünen in Kreuzberg werden nicht nur von der rechten Boulevardpresse angegriffen. Auch der Historiker und ehemalige Linke Götz Aly attackierte sie in einen Kommentar in der Berliner Zeitung für ihre Unterstützung und Toleranz der Flüchtlingsproteste. Die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik wird von Aly hingegen nicht kritisiert.

http://jungle-world.com/artikel/2014/20/49869.html

Peter Nowak