The Faculty of Sensing. Thinking with, through and by Anton Wilhelm Amo. Kunstverein Braunschweig. Bis 13. September

Der vergessene Aufklärer

Der Braunschweiger Kunstverein erinnert in seiner Ausstellung »The Faculty of Sensing. Thinking with, through and by Anton Wilhelm Amo« an den schwarzen Philosophen, der als Sklave an einen deutschen Fürstenhof kam.

»Kennen Sie Dr. Anton Wilhelm Amo?« Diese Frage steht auf Postkarten, mit denen der Braunschweiger Kunstverein auf seine aktuelle Ausstellung »The Faculty of Sensing. Thinking with, through and by Anton Wilhelm Amo« hinweist. Kaum jemandem ist dieser Name geläufig, obwohl Ami ….

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»Nach Deutschland verschleppt«

Small Talk mit Tahir Della von der »Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland« über die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße

Am Mittwoch vergangener Woche wurde in der Berliner Mohrenstraße, kurz M-Straße, ein Fest gefeiert, mit dem eine Änderung des kolonialrassistischen Straßennamens gefordert wurde. Die Jungle World hat mit Tahir Della gesprochen. Er ist Vorstandsmitglied der »Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland« und hat das Fest mitorganisiert.

Small TalkvonPeter Nowak

Welche Bedeutung hat der 23. August, an dem das Fest stattfand?

Am 23. August 1791 begann in Haiti die Revolution. Es war ein Aufstand schwarzer Menschen gegen Versklavung und Unterdrückung, der weiterhin aktuell ist. Der 23. August ist der UN-Gedenktag gegen die Sklaverei. Wir stellen die M-Straße in den Kontext dieser Kolonialgeschichte und des transatlantischen Sklavenhandels, in den auch Deutschland verwickelt war, was häufig ausgeblendet wird. Ich erinnere nur an die brandenburgische Kolonie Groß Friedrichsburg in Westafrika, die von 1683 bis 1717 bestand und von wo aus Menschen nach Nord- und Südamerika, aber auch nach Europa, auch nach Deutschland verschleppt wurden.

Warum wollen Sie die M-Straße nach Anton Wilhelm Amo benennen?

Amo steht für die unsichtbar gemachte Geschichte und Präsenz schwarzer Menschen in Deutschland, die entgegen der verbreiteten Auffassung bis ins 17. Jahrhundert zurückgeht. Der in Ghana geborene Gelehrte setzte sich im 18. Jahrhundert in Deutschland gegen die Diskriminierung schwarzer Menschen und gegen die Kolonisierung ein. Mit der Benennung der M-Straße nach Anton Wilhelm Amo würden wir nicht nur diesen Kämpfer für die Gleichberechtigung aller Menschen würdigen, sondern auch deutlich machen, dass unser Widerstand eine lange Geschichte hat, die sichtbar werden muss.

Die Auseinandersetzung um die Umbenennung zieht sich schon einige Jahre hin. Sehen Sie Fortschritte?
Wir haben teilweise Fortschritte zu verzeichnen, was sich beispielsweise im Wedding zeigt, wo nach jahrelangen Kämpfen drei Straßen, die Kolonialverbrecher ehren, umbenannt werden sollen. Auch in der M-Straße gibt es einen wachsenden Zuspruch aus der Bevölkerung für eine Umbenennung. Am diesjährigen Fest haben sich viele beteiligt, die sich im Kampf gegen Diskriminierung engagieren und sich deshalb unserem Anliegen nach einer Umbenennung anschließen. Sie sehen genau wie wir, dass es hier nicht um eine historische, sondern um eine sehr aktuelle und politische Forderung geht. Der Aufstieg des Rechtspopulismus in Europa und Deutschland ist eng mit der kolonialrassistischen Geschichte verbunden. Andererseits sehen wir, dass der Mainstream der Gesellschaft und besonders einige Historiker unsere Forderungen ablehnen.

Auf der Kundgebung sprachen auch Politiker. Ist bei ihnen die Zustimmung zur Umbenennung gewachsen?
Mehr und mehr erkennen auch Politiker die Notwendigkeit einer Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte und damit verbundener Straßenumbenennungen. Wenn sie sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen engagieren, müssen sie sich auch mit der noch immer nicht aufgearbeiteten Geschichte des Kolonialismus befassen. Wir müssen aber auch feststellen, dass sich das zuständige Bezirksamt Mitte bei der Umbenennung der M-Straße nicht bewegt.

Wie wollen Sie weiter vorgehen?
Wir wenden uns an die Landesregierung. Schließlich hat die im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Berliner Kolonialgeschichte zum festen Bestandteil der Erinnerungskultur werden soll. Es sollte aus meiner Sicht nicht nur im Belieben der einzelnen Bezirke liegen, wie die Stadt damit umgeht.

Interview: Peter Nowak
#https://jungle.world/artikel/2017/35/nach-deutschland-verschleppt

Spuren des Kolonialismus auch in Deutschland

Ein Berliner Bündnis nimmt sie kritisch unter die Lupe

Am 23. August 2014, dem Internationalen Tag zur Erinnerung an den Handel mit Versklavten und an seine Abschaffung, veranstalteten antirassistische und antikoloniale Gruppen in Berlin-Mitte das 1. Fest zur Umbenennung der Berliner M.-Straße[1]. Sie heißt eigentlich Mohrenstraße, wird aber von den Veranstaltern nur mit den Angriffsbuchstaben genannt, um nicht kolonialistische Begriffe zu reproduzieren[2].


Warum ist das Wort Mohr rassistisch?

Auf ihrer Webseite begründet[3] das Bündnis mehrerer Gruppen[4], warum der Straßenname für sie nicht akzeptabel ist:

Vor allem weiße Menschen maßen sich an, die von ihnen verwendete Fremdbezeichnung M. für Schwarze Menschen als „harmlos“ zu bewerten. Seit der Antike schwang dabei jedoch auch das griechische Wort moros (μωρό[ς]) in der Bedeutung von „töricht“ und „dumm“ mit. Im europäischen Mittelalter kam dazu die Vorstellung vom schwarzen Teufel, der im Mittelhochdeutschen auch direkt als mōr bzw. hellemōr bezeichnet wurde.

In der Hochzeit des transatlantischen Versklavungshandels verfestigte sich in Deutschland das mit dem M-Wort verbundene Bild eines unzivilisierten, schmutzigen und zur Arbeit für die weiße (Kolonial-)Herrschaften bestimmten Menschen. Im 20. Jahrhundert schlug sich die Abwertung dann schließlich in der kolonialrassistischen Werbefigur des kindlichen und diensteifrigen „Sarotti-M.“ nieder, die vom verantwortlichen Konzern inzwischen (halbherzig) verfremdet und umbenannt wurde.
Decolonize Berlin[5]

Es gibt allerdings noch immer kein Signal von der zuständigen Bezirksregierung des Berliner Stadtteils Mitte, über die Umbenennung auch nur nachzudenken. Dabei gäbe es eine Alternative für die Straße. Sie soll nach Anton Wilhelm Amo[6] benannt worden. Er wäre eine sehr gute Alternative.

Er war der erste schwarze Philosoph in Deutschland, setzte sich bereits im 17. Jahrhundert für die Gleichheit der Menschen und gegen Rassismus ein und wurde schließlich in Deutschland selbst Opfer des Rassismus und musste das Land verlassen. Über sein weiteres Leben ist sehr wenig bekannt.

Amo ist ein Beispiel dafür, wie die Arbeit Schwarzer Menschen in Deutschland unsichtbar gemacht wurde. Es wäre also eine Geste der Wiedergutmachung, wenn die Straße in Berlin Mitte nach Amo benannt wird.

Dabei sollte auch keine Rolle spielen, ob der Name „Mohrenstraße“ tatsächlich von allen Menschen im rassistischen Sinne verwendet wurde und es ist auch nicht erforderlich, die Herkunft des Begriffs zu untersuchen. Schließlich ist es ein Fakt, dass das Wort Schwarze Menschen an die kolonialrassistische Vergangenheit erinnert und das müsste ein guter Grund für die Umbenennung sein.

Von den USA lernen?

Beim Umbenennungsfest am 23. August wurde das Straßenschild mit dem Namen „Anton Wilhelm Amo“ symbolisch angebracht und dann wieder entfernt. Sollte allerdings die Politik weiter nicht auf die Forderungen reagieren, wäre es schon angebracht, dass die Initiativen etwas energischer auftreten.

Sie können sich ein Vorbild an der antirassistischen Bewegung in den USA nehmen, die nach den rechten Aufmärschen der letzten Wochen und dem Nazi-Mord in Charlestown zahlreiche rassistische Denkmäler, die Sklavenhalter und ihre Befürworter zeigten, in Eigenregie demontierten.

Dafür bekamen sie auch in der hiesigen Presse viel Verständnis. Nur die FAZ hatte vor eine kleine Meldung die Überschrift gesetzt, dass Demonstranten in den USA Denkmäler „schändeten“. Hier wird schon deutlich, wie reagiert würde, wenn auch in Deutschland kolonialrassistische Spuren in Eigenregie entfernt würden. Das können Denkmäler ebenso sein wie die Namensschilder der M-Straße.

So zeigte sich wieder einmal, dass in den USA auch unter, bzw. gegen Trump eine sehr aktive Zivilgesellschaft existiert, die nicht auf Gesetze und Gerichtsbeschlüsse wartet, wenn sie etwas durchsetzen will. Eine solche Bewegung wäre in Deutschland wohl viel größerem Druck ausgesetzt als heute in den USA.

https://www.heise.de/tp/features/Spuren-des-Kolonialismus-auch-in-Deutschland-3813441.html

Peter Nowak
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http://www.heise.de/-3813441

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[1] https://www.facebook.com/events/911908208826361/
[2] http://decolonize-mitte.de/?p=238
[3] http://decolonize-mitte.de/?p=238
[4] http://decolonize-mitte.de/?page_id=26
[5] http://decolonize-mitte.de/?page_id=26
[6] https://scilogs.spektrum.de/die-sankore-schriften/black-history-month-2011-anton-wilhelm-amo-der-erste-schwarze-philosoph-an-einer-deutschen-universit-t/

Das Gesetz der Straße

In Halle an der Saale wird über die Umbenennung der Emil-Abderhalden-Straße im Universitätsviertel gestritten. Ihr Namensgeber unterstützte als Wissenschaftler die NS-Ideologie.

War der Biochemiker Emil Abderhalden ein »eugenischer Rassist der ersten Stunde«? Darüber haben in den vergangenen Wochen Wissenschaftler in der Universitätsstadt Halle heftig gestritten. Der in der Schweiz geborene Abderhalden lehrte ab 1911 in Halle. 1912 wurde er in die dortige Gelehrtenakademie Leopoldina aufgenommen, mit den Stützen der wilhelminischen Gesellschaft war er bestens bekannt. Durch die Vermittlung des Stellvertretenden Heereskommandos wurde Abderhalden die Organisation der Verwundetentransporte im Ersten Weltkrieg übertragen. Dafür erhielt er das Eiserne Kreuz 2. Klasse am Eisernen Band.

Doch der Wissenschaftler sorgte sich auch anderweitig um Deutschland. So war er 1915 Mitbegründer des Bundes zur Erhaltung und Mehrung der deutschen Volkskraft. Obwohl Abderhalden kein Mitglied der NSDAP war, gehörte er ab 1934 dem NS-Lehrerbund an. Im gleichen Jahr unterzeichnete er auch den Aufruf »Wissenschaftler für Hitler«, der im NSDAP-Blatt Völkischer Beobachter veröffentlicht wurde. Zu diesem Zeitpunkt fungierte er bereits zwei Jahre als Präsident der Leopoldina, die er 1945 verlassen musste. Nach der Niederlage des Nationalsozialismus wurde er von den US-Alliierten ausgewiesen und konnte sich in seine Schweizer Heimat absetzen, wo er einen Lehrstuhl für Chemie an der Universität Zürich erhielt und 1950 starb. 1944 war er für seine kriegswichtigen Forschungen mit dem Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden.

Wie gut Abderhaldens wissenschaftliche Arbeit mit den Bestrebungen des Nationalsozialismus harmonierte, wies bereits der Medizinethiker Andreas Frewer in seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch »Medizin und Moral in Weimarer Republik und Nationalsozialismus« nach. Dort heißt es über Abderhalden, er habe 1939 in »Nova Acta Leopoldina« einen Beitrag über »Rasse und Vererbung vom Standpunkt der Feinstruktur von blut- und zelleigenen Eiweißstoffen aus betrachtet« publiziert, in dem er unter anderem behauptete, dass die Eiweißstoffe des Gewebes und Blutes Rassenmerkmale enthielten, so dass »die einzelnen Rassen scharf unterschieden werden können«.

In der Leopoldina würdigte man Abderhalden weiter als sozial engagierten Wissenschaftler. Diese Verbundenheit dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass 1953 im Universitätsviertel der Stadt Halle eine Straße nach Abderhalden benannt wurde. Damit sollte wohl auch die Distanz zwischen der SED und dem bürgerlichen Wissenschaftsapparat überwunden werden. Da Abderhalden kein NSDAP-Mitglied war, sah man gerne über seine nationalistische und völkische Einstellung hinweg. Schließlich unterschied er sich damit nicht von der Mehrheit der deutschen Wissenschaftler.

Die Emil-Abderhalden-Straße überstand auch die Wendezeit, als Straßen, die in der DDR nach antifaschistischen Widerstandskämpfern benannt worden waren, häufig umbenannt wurden.

Erst 2010 forderten die Grünen in Halle eine Umbenennung und führten neben Abderhaldens NS-freundlicher Haltung auch dessen Vorstellungen von »Rassenhygiene« als Begründung an. Die Diskussion bekam in den vergangenen Wochen neuen Schwung, nachdem Wissenschaftler des neu errichteten Geistes- und sozialwissenschaftlichen Zentrums (GSZ) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in einem offenen Brief die Umbenennung gefordert hatten. »Denn mit der Hallenser ›Emil-Abderhalden-Straße‹ wird ein Mann geehrt, der nachweislich ein eugenischer wissenschaftlicher Rassist der ersten Stunde war, der zu den Stichwortgebern der Euthanasie-Aktionen des ›Dritten Reichs‹ gehörte – und der überdies als prominenter Fälscher wissenschaftlicher Daten bezeichnet werden darf« – so wird die Forderung begründet. Unter dem Motto »Gerechtigkeit für Abderhalden« verfasste der Mediziner Dietmar Gläßer eine von weiteren Mitarbeitern der Leopoldina unterstützte Entgegnung. Während dort wortreich Abderhaldens »wissenschaftliche Leistungen« abgehandelt werden, geht der Brief auf die eugenischen und rassistischen Aspekte kaum ein. Am Schluss des Briefes wird Abderhalden bescheinigt, »von Dezember 1931 bis Juni 1945 einer der aktivsten Präsidenten der Akademie« gewesen zu sein, der »1945, von der amerikanischen Besatzungsmacht gezwungen, gegen seinen Willen« Halle habe verlassen müssen.

Während die Grünen weiter eine politische Entscheidung für die Umbenennung der Straße fordern, hält sich die Linkspartei bedeckt. Man wolle die Ergebnisse eines von der Leopoldina in Auftrag gegebenen Gutachtens abwarten, das in den kommenden Monaten veröffentlicht werden soll, sagte Erwin Bartsch, der für die Linkspartei im Kulturausschuss der Stadt Halle sitzt, der Jungle World. Reserviert äußerte er sich auch über die Idee des Oberbürgermeisters von Halle, Bernd Wiegand, der kürzlich vorgeschlagen hatte, die Emil-Abderhalden-Straße nach Anton Wilhelm Amo zu benennen. Amo war der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft in Deutschland. Der im heutigen Ghana geborene Amo, der als Kind versklavt und nach Amsterdam verschleppt wurde, studierte und promovierte im 18. Jahrhundert an der Universität Halle, bevor er wegen einer rassistischen Kampagne, die gegen ihn initiiert wurde, nach Axim im heutigen Ghana auswanderte. Amo gegen Abderhalden – das scheint eine Alternative zu sein, die auch die Linkspartei zu einer Entscheidung zwingen müsste.

http://jungle-world.com/artikel/2014/03/49152.html

Peter Nowak