Ein satirisches antirassistisches Plakat ruft die Staatsanwaltschaft auf den PlanRechte Chat-Gruppen in der Polizei werden immer wieder publik. Statt das Problem zu untersuchen, wird nach Künstler*innen gefahndet, die darauf aufmerksam machen wollen.

Seehofers Rache

Unterstützung kommt auch von der Politik. »Wir sind solidarisch mit dem Adbusting-Kollektiv Dies Irae.Wir brauchen gerade in diesen Zeiten mehr und nicht weniger engagierte politische Kunst«, so Linke-Geschäftsführer Jörg Schindler. Aktionskunst vom Verfassungsschutz und dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum verfolgen zu lassen, sei in einer Demokratie eine dramatische Fehleinschätzung. Auch der Grafiker Klaus Staeck, der selber zahlreiche Verfahren wegen seiner Plakate hatte, wendet sich gegen die Kriminalisierung.


»Polizeiproblem« ist groß auf dem Plakat zu lesen, auf dem der ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer mit einer Augenklappe mit Polizeiemblem abgebildet ist. In Spiegelstrichen werden die Vorteile dieser Augenklappe aufgeführt: »Macht Studie zu rassistischer Polizei überflüssig« heißt unter anderem auf dem Plakat. Damit soll auf den Kontext aufmerksam gemacht, in dem das Plakat entstanden ist. In verschiedenen Bundesländern waren immer …

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Politsatiregruppe steht nicht mehr im Geheimdienstbericht

Keine Verfassungsfeinde

Die Kriminalisierungsversuche der letzten Jahre haben die Aktivisten unterdessen eher motiviert. »Es gibt mehr Adbusting-Aktionen als in den letzten zehn Jahren jemals zuvor, und gerade der Geheimdienst ist in 2020 ein beliebtes Ziel der Kommunikationsguerilla geworden«, sagt Klaus Poster von der Gruppe Plakativ.

Die Gruppe Plakativ ist ein wenig enttäuscht: »Leider« werde die politische Aktionsform des »Adbustings« im vergangenen Donnerstag veröffentlichten Verfassungsschutzbericht nicht mehr erwähnt, heißt es in einer Stellungnahme. Das sieht die Initiative Plakativ auch als Erfolg ihres in den letzten Monaten verstärkten Engagements gegen die Kriminalisierung von Menschen, die politische Plakate mit künstlerischen Mitteln verfremden. Besonders betroffen von Aktionen der »Kommunikationsguerilla« waren Plakate der …..

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Der Enkel-Trick

Der Täter des Nationalsozialismus gedenken? Hohenschönhausen macht’s möglich.

Die Kritik an den rechtsradikalen Positionen des Berliner Historikers ist von der Meinungsfreiheit gedeckt«, kommentierte der Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano im Juni 2016 in einem Gastbeitrag in der »Frankfurter Rundschau« eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln. Es hatte entschieden, dass der Lehrstuhlinhaber für die Geschichte Osteuropas an der Berliner Humboldt-Universität, Jörg Baberowski, als rechtsradikal und rassistisch bezeichnet werden darf.

Im Februar 2014, ein Jahr vor Erscheinen seines Buches Räume der Gewalt, hatte Baberowski in einem Interview mit dem »Spiegel« den revisionistischen Historiker Ernst Nolte verteidigt. Nolte »wurde Unrecht getan. Er hatte historisch Recht.« Baberowski bezog sich auf Noltes Leugnung der Singularität des Holocaust, die 1986 den Historikerstreit ausgelöst hatte. Damals warnten Fachkollegen wie Jürgen Habermas vor einem revisionistischen Trend in der Geschichtswissenschaft. Die NS-Verbrechen sollen durch aufrechnende Vergleiche mit anderen Massenverbrechen zugunsten eines einheitlichen nationalkonservativen deutschen Geschichtsbilds eingeebnet werden, so die Kritiker Noltes.

Es versteht Baberowski allerdings miss, wer ihm vorwirft, dass er Hitler und Stalin auf eine Stufe stelle: »Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird. Stalin dagegen hat die Todeslisten voller Lust ergänzt und abgezeichnet, er war bösartig, er war ein Psychopath.« Solche Aussagen qualifizieren Baberowski für seine neue Aufgabe. Für die Gedenkstätte Hohenschönhausen koordiniert er einen »Forschungsverbund zur Erfassung und Analyse der politischen Repression in SBZ und DDR«. Er soll ein Register mit den Namen aller Opfer des Kommunismus in Deutschland erstellen.

Am 27. Juli hat das erste Arbeitstreffen dieses Forschungsverbunds stattgefunden. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit mindestens 5,3 Millionen Euro gefördert. »Eingang in die Datenbank sollen zunächst lediglich jene Kommunismus-Opfer finden, die zwischen 1945 – der Einrichtung der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) – und 1989 inhaftiert, deportiert oder getötet wurden. Wenn wir den Opferbegriff zu weit fassen, also auch die von Zersetzungsmethoden der Stasi Betroffenen einschließen, werden es zu viele«, erläuterte der Sprecher der Gedenkstätte Hohenschönhausen, André Kockisch.

Der Opferbegriff ist allerdings weit genug gefasst, um alle NS-Täter aufzunehmen. Jeder verhaftete Nazi: ein Opfer des Kommunismus. Besonders perfide ist die Tatsache, dass die Gedenkstätte Hohenschönhausen die Datenbank der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem, in der die Opfer der Shoah namentlich verzeichnet sind, zum Vorbild für ihr Projekt erklärt hat. NS-Judenmörder, die auf dem Gebiet der SBZ verhaftet oder während der Waldheimer-Prozesse verurteilt wurden, werden mit ihren Opfern gleichgesetzt.

Die Angeklagten der Waldheimer-Prozesse konnten, nachdem die BRD-Justiz auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wieder galt, ihre Rehabilitierung beantragen. Einige noch lebende Richter und Staatsanwälte der Prozesse wurden wegen Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung angeklagt. Die für die Waldheimer-Prozesse zuständige Justizministerin Hilde Benjamin konnte einer Anklage nur entgehen, weil sie wenige Monate vor dem Fall der Mauer starb. Die Antifaschistin und NS-Verfolgte, die wesentliche Reformen im Familienrecht der DDR angestoßen hatte, war wegen ihrer kompromisslosen Verfolgung der NS-Täter zum besonderen Hassobjekt von Rechten aller Couleur geworden. Die mit ihrer Hilfe Verurteilten können nun im Register der Gedenkstätte Hohenschönhausen als Opfer des Kommunismus aufgeführt werden.

Vor einigen Wochen musste sich Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte, von Siegmar Faust, einem ehemaligen »DDR-Bürgerrechtler« und langjährigen Mitstreiter, trennen. Im Gespräch mit der »Berliner Zeitung« hatte sich Faust nicht nur zur AfD bekannt, sondern auch die Verurteilung von Horst Mahler wegen seiner notorischen Holocaust-Leugnung gerügt. Mit Blick auf die Shoah fragte Faust, ob die Zahl von sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden denn »heilig« sei. Er verstehe, dass die Verbrechen der Nazi-Zeit noch heute ein Thema seien, »aber irgendwann muss das mal ein bissl aufhören. Man darf es nicht übertreiben.«

Man darf Faust Glauben schenken, wenn er sagt, dass es in Hohenschönhausen nur wenige gibt, die anders denken als er. Der Historiker Jens Gieseke, der Mitglied im Beirat der Gedenkstätte Hohenschönhausen und Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam ist, teilt diese Einschätzung. »Ich betrachte mit Sorge die wachsende Nähe der Gedenkstätte Hohenschönhausen zur AfD und ihrem Rechtspopulismus«, erklärte er der »Berliner Zeitung«. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg wirft dem Vorsitzenden des Fördervereins der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Jörg Kürschner, AfD-Nähe vor. Er habe zudem den Beitritt des AfD-Vorstandsmitglieds Georg Pazderski in den Förderverein forciert.

In Hohenschönhausen können die Nazis von heute also bald ganz offiziell der Nazis von gestern gedenken. Von der DDR verurteilt und bestraft zu werden adelt noch jeden Kriegsverbrecher. So geht gelebter Geschichtsrevisionismus; und Ernst Nolte rotiert im Grab – vor Freude.

Peter Nowak schrieb in konkret 6/18 über die Propaganda der Polizeigewerkschaften

aus: konkret 9/18
https://www.konkret-magazin.de/hefte/id-2018/heft-92018/articles/der-enkeltrick.html

Peter Nowak

Kann man Troika-Politik einfach wegklagen?


Der Rechtswissenschaftler Fischer-Lescano kritisiert, dass die von Deutschland vorangetriebene Austeritätspolitik dem europäischen Rechtssystem zuwiderlaufe. Die Fokussierung auf den Rechtsweg könnte allerdings zu Illusionen führen

Der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano hat vor drei Jahren für innenpolitische Furore gesorgt, weil er das Plagiatsverfahren gegen den damaligen Verteidigungsminister Guttenberg ins Rollen brachte. Sein aktuelles Projekt würde, wäre es erfolgreich, sogar für Wirbel in ganz Europa sorgen.
In einem Gutachten, das der zur Zeit am Zentrum für Europäische Rechtspolitik lehrende Fischer-Lescano für den Europäischen Gewerkschaftsbund und die österreichische Arbeitskammer erstellt, kommt er zu dem Fazit, dass die wesentlich von Deutschland vorangetriebene Austeritätspolitik dem europäischen Rechtssystem zuwiderläuft. Da das Thema natürlich von allgemeinen Interesse ist, hat der Wissenschaftler eine Zusammenfassung seiner Thesen ins Netz gestellt. Das Fazit des 68-seitigen juristischen Gutachtens fasst Fischer-Lescano so zusammen:
1. Auch in der Finanzkrise sind die europäischen Organe und Institutionen zur Beachtung des Unionsrechts verpflichtet. Es gibt keinen Ausnahmezustand, der das Unionsrecht suspendiert. Die europäischen Institutionen müssen in ihrem institutionellen Eigeninteresse die existenziellen sozialen Fragen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ernst nehmen.
2. Die Europäische Kommission und die EZB sind an Grundrechte gebunden. Das bezieht sich auf die Grundrechtscharta, aber auch auf völkervertragliche Menschenrechtskodifikationen und Völkergewohnheitsrecht.
3. Durch ihre Beteiligung am Abschluss der Memoranda of Unterstanding beeinträchtigen EZB und Europäische Kommission zahlreiche der nach diesen Normen geschützten Rechte.
4. Durch ihre Beteiligung an der Aushandlung, dem Abschluss und der Durchsetzung der Memoranda of Unterstanding verletzen die Unionsorgane das Primärrecht. Sie handeln rechtswidrig.
5. Die Verletzung der genannten Menschenrechte kann zum einen vor europäischen Gerichten und Ausschüssen geltend gemacht werden. Aber auch Verfahren auf internationaler Ebene stehen zur Verfügung.
Zurück auf den Boden des Rechts?
In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau konstatiert Fischer-Lescano die bekannten Folgen der Austeritätspolitik:
„Die Tarifautonomien werden ausgehöhlt, Mindestlöhne gesenkt, Gesundheitskosten auf Patienten abgewälzt. Ähnliches gilt für den Bereich Bildung. Die Folgen dieser Politik sind von der Internationalen Arbeitsorganisation bis zum Europäischen Sozialausschuss, der die Einhaltung der Europäischen Sozialcharta überwacht, als menschenrechtswidrig kritisiert worden, weil sie gerade die besonders verletzbaren Gruppen – Kinder, Frauen, Migrantinnen und Migranten, Behinderte – benachteiligt; aber auch weil sie zu einer Verarmung geführt haben, die ganze Generationen in die Hoffnungslosigkeit treibt.“
Nun will der Rechtswissenschaftler „die Sparpolitik juristisch diskutieren“. Diesen vagen Begriff hat der Jurist sicher bewusst gewählt. Zumindest in der FR wollte er den populistischen Eindruck vermeiden, dass man die Troika-Politik wegklagen kann.
„Wenn einzelne Auflagen rechtswidrig sind, fällt nicht automatisch der gesamte Kreditvertrag, es werden nur einzelne Klauseln unwirksam. Es ist rechtlich ein alltäglicher Vorgang, dass ein Vertrag in Kraft bleibt, auch wenn einzelne Klauseln des Vertrages unwirksam sind.“
Im Taz-Interview will sich Fischer-Lescano auch nicht festlegen, hält aber erfolgreiche Klagen gegen die Folgen der Troika-Politik für möglich. Auf die Frage, ob ein griechischer Krebspatient, der seine Medikamente nicht mehr bezahlen kann, gegen die Kreditauflagen klagen könnte, antwortete der Wissenschaftler:
„Unter bestimmten Umständen: Ja. Es gibt ja bereits Klagen, aber sie richten sich meist direkt gegen die nationalen Umsetzungsakte, also etwa die griechische Regierung. Bislang werden die Handlungen der EU-Organe selbst nicht deutlich genug problematisiert. Dabei werden auf Unionsebene die menschenrechtswidrigen Weichen gestellt.“
Dass eine Klage griechischer Beamter gegen die Streichung des 13. Monatsgehalts vom Europäischen Gerichtshof nicht zugelassen wurde, begründete Fischer-Lescano damit, dass man hier einen falschen Präzedenzfall ausgesucht hat.
Nach dem Katheder- ein Juristensozialismus?
Dabei wird bei der Diskussion um den Rechtsweg nicht einmal die Frage gestellt, warum denn die Auftraggeber nicht koordinierte europäische Streiks als Konsequenz dieser Studie vorbereiten. Schließlich handelt es um die österreichische Arbeiterkammer und europäische Gewerkschaften, deren schärfstes Kampfmittel nun mal nicht der Gang vor das Gericht sein sollte. Zumal die in der Studie an zentraler Stelle kritisierte EZB noch in diesem Jahr im Osten von Frankfurt/Main ihre neue Zentrale eröffnet.
Dazu plant ein europäisches Bündnis bereits Proteste nach dem Vorbild der Blockupy-Aktionstage vom letzten und vorletzten Jahr. Würden die Aktionen von europaweiten gewerkschaftlichen Arbeitsniederlegungen begleitet, wie es sie in Ansätzen am 14. November 2012 gegeben hat, wäre die Zukunft der Troika-Politik tatsächlich wieder offen.
Es gibt bereits ein kleines europaweites Netzwerk mit dieser Orientierung. Doch dabei ist gerade die Fokussierung auf den Rechtsweg ein Problem. Die Vorstellung, ein schönes Leben ohne Diskriminierung, Ausbeutung, Ausgrenzung etc. auf dem Rechtsweg herbeiführen zu können, ist genau so illusionär wie das Bestreben der von Marx verspotteten Kathedersozialisten vor mehr als 150 Jahren, die soziale Gerechtigkeit durch kluge Staatspolitik herbeisehnten.
Dabei zeigt das Beispiel Portugal, dass sich juristische, soziale und gewerkschaftliche Kämpfe ergänzen können. Dort hat das höchste Gericht des Landes zwei Mal Teile der von der Troika diktierten Austeritätspolitik als unvereinbar mit der nach der Nelkenrevolution entstandenen Verfassung des Landes erklärt. Die sozialen Bewegungen und Gewerkschaften des Landes nutzen solche Entscheidungen, um ihre Anstrengungen zu erhöhen, mit Streiks und Demonstrationen diese Politik infrage zu stellen. Bisher ist es auch deshalb nicht gelungen, weil diese Auseinandersetzungen nationalstaatlich begrenzt waren und nicht europaweit koordiniert wurden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155609
Peter Nowak
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