«Der Tod war unser Begleiter»

Die außergewöhnliche Filmtrilogie zeichnet die Geschichte des Widerstands griechischer Frauen nach.

Auf dem Globale-Filmfestival in Berlin konnten die Zuschauer erstmals in Deutschland die Filmtrilogie der Ende Juli verstorbenen Regisseurin Alida Dimitriou sehen – sie zog sie sofort in ihren Bann. Die Trilogie ist eine einzigartige Dokumentation griechischer Frauen aus dem linken Widerstand in Griechenland in den letzten 60 Jahren. Es ist das Lebensprojekt der 1933 geborenen Filmemacherin Alida Dimitriou, die über 50 Dokumentarfilme gedreht hat. Jahrzehntelang hat sie daran gearbeitet,  2011 hat sie sie schließlich vollendet. Die drei Filme lassen die Vergangenheit durch die Augen und Stimmen der an den Kämpfen beteiligten Frauen aufleben.

„Bilds in the Mire“ erzählt die Geschichte von 32 Frauen, die im Widerstand gegen die Nazibesatzung (1941–1944) aktiv waren und dabei verhaftet, gefoltert und vergewaltigt wurden. Nach der Befreiung von der NS-Besatzung ging ihre Verfolgung weiter. Schon Ende 1944 drängte die britische Armee den Einfluss der starken linken Bewegung in Griechenland zurück, offene Nazikollaborateure aus der griechischen Rechten wurden hingegen unterstützt. Diese Politik der Alliierten führte in den Jahren 1946–1949 zum Ausbruch des Bürgerkriegs. Alle, die auch nur im Verdacht standen, zur linken Bewegung zu gehören und gegen die NS-Besatzung Widerstand geleistet zu haben, wurden erneut verfolgt und terrorisiert. Die Täter waren fast ausnahmslos die gleichen wie unter der NS-Besatzung. Doch jetzt waren sie die Protegés der ehemaligen Alliierten der Antihitlerkoalition. Die widerständigen Frauen waren besonderem Terror ausgesetzt, weil sie gegen das reaktionäre Frauenbild der griechischen Rechten verstießen, wonach sich Frauen als Hüterinnen der Familie aus der Politik herauszuhalten hatten.  Über die besondere sexuelle Gewalt, der die Frauen in dieser Zeit ausgesetzt waren, berichten die Zeitzeuginnen in „Amok the Rocks“. Der Titel erinnert an den großen Treck linker Aktivistinnen und Aktivisten, die versuchten, während des Bürgerkriegs aus den von den Rechten kontrollierten Städten in die Berge zu gelangen, wo die Linke ihre Hochburgen hatte. Die Frauen erzählen von den schier unbeschreiblichen Strapazen, denen sie bei winterlichen Temperaturen, bedrängt von der hochgerüsteten rechten Soldateska ausgesetzt waren. Nicht alle haben die Tortur überlebt, manche brachten sich um oder wurden verrückt. Die Überlebenden halten in ihren Erzählungen immer wieder inne, suchen nach Worten und wischen sich mit den Händen über das Gesicht, als wollten sie die Erinnerungen an diese Zeit verscheuchen. Der letzte Film, „Rain Girls“, behandelt die Zeit des Militärputsches von 1967 und die Jahre danach. Abermals greift die äußerste Rechte nach der Macht in Griechenland und wieder sind viele Nazikollaborateure aktiv dabei. Die in den ersten Stunden des Putsches inhaftierten Frauen kennen viele ihrer Peiniger noch aus den Folterkellern während der deutschen Besatzung und der dunklen Jahre des Bürgerkriegs. In mehreren Fällen wurde im Lauf der Jahrzehnte eine Familie über mehrere Generationen verfolgt. So sitzt die über 80-jährige Frau, die eine wichtige Rolle im Widerstand gegen die deutsche Besatzung gespielt hat, neben ihrer etwa 50-jährigen Tochter, die als studentische Aktivistin von der Militärjunta verfolgt wurde. «Der Tod war unser Begleiter», dies sagen Frauen aus allen drei Kampfphasen immer wieder.  Dieser Film ist wichtig, weil er den widerständigen Frauen ein Gesicht und eine Stimme gibt. Aber er ist auch sehr aktuell in einer Zeit, in der in Griechenland wegen der Wirtschaftskrise erneut eine faschistische Bewegung im Aufschwung ist, die sich in die Tradition der Nazikollaborateure und Putschisten stellt. Es wäre zu wünschen, dass die Filme auch in Zukunft in Deutschland gezeigt werden, da die Bundesregierung sich weigert, die Schulden aus der Nazizeit an Griechenland zurückzuzahlen und dem Land stattdessen ein Sparprogramm aufdrückt, das große Teile der griechischen Bevölkerung verarmen lässt.

Filmtrilogie: Birds in the Mire (I), Among the Rocks (II), Rain Girls (III). Griechenland 2008–2011.

Regie: Alida Dimitriou. Griechisch mit engl. Untertiteln

aus SoZ, Sozialistische Zeitung,   September 2013

Peter Nowak