Pegida, Patzelt, Petry

Kurz vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern nähert sich die Führung der Dresdner Pegida-Bewegung an die »Alternative für Deutschland« an. Diese hat jedoch kein Interesse an einem solchen Bündnis. Derweil geht die Diskussion über den Rechtsextremismus in Sachsen weiter.

»Ja, Sachsen hat ein Problem mit dem Rechtsextremismus.« Aus dem Munde des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich sind diese Worte durchaus bemerkenswert. Schließlich hat seine CDU im Freistaat Sachsen in den vergangenen 25 Jahren den Feind zumeist links gesehen. Die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, hatte nach dem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Bautzen und der Blockade eines Busses mit Flüchtlingen durch einen rechten Mob in Clausnitz gesagt: »Wenn man mal einen Feldversuch machen will, wie man Nazis groß bekommt, dass die richtig machen können, was sie wollen, dann muss man sich Sachsen angucken.« Alle bisherigen sächsischen Landesregierungen hätten nie richtig etwas gegen rechte Tendenzen unternommen, so Kahane. Nur wenn es nicht mehr anders gegangen sei hätten sie reagiert – und auch das nur halbherzig. Stattdessen seien diejenigen, die sich gegen Neonazis engagierten, als Linksextremisten diffamiert und beschimpft worden.

Von diesem sächsischen Mob geht keine Gefahr aus: Räucherfiguren aus Pirna

Von diesem sächsischen Mob geht keine Gefahr aus: Räucherfiguren aus Pirna (Foto: PA / dpa / Sebastian Kahnert)

Die Replik kam vom sächsischen CDU-Landtagsabgeordneten Alexander Krauß – ausgerechnet in der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit. »Von jemandem, der Rassismus mit umgedrehten Vorzeichen betreibt, brauchen wir in Sachsen keine Belehrungen«, sagte er und machte damit deutlich, wie berechtigt Kahanes Kritik an den sächsischen Verhältnissen ist. Selbst der sächsische SPD-Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig warf der sächsischen Polizei vor, mit Pegida zu sympathisieren. Er habe den Eindruck, dass es in der Landespolizei einen großen Nachholbedarf bei der interkulturellen Kompetenz und bei der Führungskultur gebe, sagte Dulig. Er frage sich, warum die Polizei nicht die Personalien feststelle, wenn von Bühnen herab volksverhetzende Reden gehalten werden, so Dulig in der Zeit.

Auch Carsten Wolf von der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI) kritisiert die sächsische Polizei. Die Initiative hatte kürzlich eine Liste von 107 Vorfällen rechter Gewalt in Sachsen allein für die ersten beiden Monaten des Jahres veröffentlicht. Als Quelle dienten in erster Linie Polizeiberichte. Dass die meisten rechten Vorfälle nicht einmal von der Lokalpresse wahrgenommen wurden, liegt Wolf zufolge an den Polizeiberichten. Dort würden rassistische Übergriffe »häufig entpolitisiert oder schlichtweg verharmlost, oft findet eine Täter-Opfer-Verwischung statt«. So vermeldete ein Polizeibericht am 3. Februar »eine tätliche Auseinandersetzung in der Straßenbahn« in Chemnitz. Dass der Täter aus dem rechtsextremen Milieu kam, wurde nicht erwähnt. Die ARI veröffentlichte den Vorfall auf der von ihr erstellten Liste unter der Überschrift: »Chemnitz-Helbersdorf Neonaziüberfall in Straßenbahn«.

Wenn es um das Kleinreden rechtsextremer Umtriebe in Sachsen geht, darf auch der Dresdner Politologe Werner Patzelt nicht fehlen. Er gibt sich in der Öffentlichkeit gerne als Pegida-Erklärer, Kritiker bezeichnen ihn schon lange als Pegida-Versteher. »Pegida-Demonstranten sind mehrheitlich keine Gegner des Demokratieprinzips; viele von ihnen haben aber dessen bundesrepublikanischer Gestalt innerlich gekündigt«, lautete der Befund in Patzelts neuester Studie vom 25. Februar. Auch wenn eine gewisse Radikalisierung bei Pegida zu verzeichnen sei, gibt Patzelt Entwarnung: »Von einer allgemeinen Entwicklung von Pegida hin zum Rechtsradikalismus kann nur bedingt gesprochen werden.« Viele Befürchtungen der Demonstranten hätten sich inzwischen bewahrheitet, »Masseneinwanderung ohne Grenzkontrolle, islamistische Anschläge, große Kosten der Einwanderung bei geringer Beschäftigungswirkung, zerreißender gesellschaftlicher Zusammenhalt«, so Patzelt.

Der Münchner Rechtspopulist und Organisator zahlreicher Pegida-Aufmärsche in Bayern, Michael Stürzenberger, lobte Patzelt auf dem antimuslimischen Webportal »PI-News« für ein Interview, das der Politologe dem Lokalsender »FMR spezial« kürzlich gab. Darin sagte Patzelt, es sei geradezu lachhaft, wenn Politiker bestritten, dass die Grenzen effektiv geschlossen werden könnten. Auf die Einschätzung der sächsischen Linkspartei-Politikerin Juliane Nagel, das Asylpaket II sei eine »lange Liste von Grausamkeiten« erwidert Patzelt: »Was eine Grausamkeit ist, hängt sehr stark vom Empfinden dessen ab, dem diese Grausamkeit widerfährt.« Auch eine »Wurzelbehandlung beim Zahnarzt« sei »natürlich unschön, aber ab und zu notwendig«.

In seiner Studie konstatierte Patzelt, dass es der »Alternative für Deutschland« (AfD) gelinge, im Lager von Pegida Fuß zu fassen. Der Dresdner Pegida-Sprecher Lutz Bachmann betrachtet diese Entwicklung zu Recht als Gefahr für seine Bewegung. Schon seit Wochen ist das Medieninteresse an den Pegida-Aufmärschen zurückgegangen. Dafür bekommt die AfD immer mehr Medienaufmerksamkeit. Wenn Bachmann, wie Anfang vergangener Woche geschehen, der AfD eine Listenverbindung nach »Verhandlungen auf Augenhöhe« vorschlägt, geschieht das aus genau diesem Grund. Vor wenigen Monaten wollte Bachmann noch eine eigene Pegida-Partei in Konkurrenz zur AfD gründen. Bei der Dresdner Oberbürgermeisterwahl hatte die Pegida-Kandidatin Tatjana Festerling knapp zehn Prozent der Stimmen bekommen, während der weitgehend unbekannte AfD-Kandidat unter fünf Prozent geblieben war.

Doch Jörg Meuthen, Vorsitzender der AfD neben Frauke Petry, lehnte Bachmanns Vorstoß umgehend ab. Weder befürworte er eine Zusammenarbeit mit Pegida, noch könne er sich eine Listenverbindung vorstellen, so Meuthen. Die AfD sei »auf keinerlei Koalitionen oder wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit anderen Parteien oder Organisationen angewiesen«. Für Meuthen kommt eine Annäherung an Pegida zur Unzeit, will er sich doch als seriöser Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl in Baden-Württemberg am kommenden Sonntag präsentieren. Petry hingegen hatte in der Vergangenheit von »inhaltlichen Schnittmengen« von AfD und Pegida gesprochen. Vor anderthalb Wochen allerdings sagte sie, ihre Partei wolle unabhängig von Pegida bleiben. AfD und die Dresdner Bewegung seien »politisch unterschiedliche Instrumente«.

Schließlich winkt der AfD politischer Erfolg auch ohne die schwer berechenbare Pegida. Letzte Umfragen sahen Petrys Partei in allen drei Bundesländern, in denen am Sonntag gewählt wird, im zweistelligen Bereich. In Sachsen-Anhalt könnte sie sogar aufw 20 Prozent kommen.

http://jungle-world.com/artikel/2016/10/53629.html

Peter Nowak