Hässliches Spiel

Eine Betriebsrätin von Toys R US wehrt sich gegen Mobbing durch die Filialleitung

»Toys R Us ist tot. Die größte Spielwarenkette der Welt ist von uns gegangen.« Was sich zunächst wie eine Trauerbekundung treuer Kund*innen nach der Insolvenz der US-Spielzeugkette liest, erweist sich schnell als Persiflage, wenn es weiter heißt: »Jahrelanges Leiden unter einem von blinder Profitgier getriebenen Management hat nun ein Ende.« Die Bürgerrechtsorganisation aktion./.arbeitsunrecht fordert mit diesen Sätzen die neuen Besitzer*innen der Deutschland-Filialen von Toys R Us auf, auch im Umgang mit Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen vollkommen neu anzufangen. »Dazu gehört ein Einzelhandelstarifvertrag, für den die Belegschaft mit der Gewerkschaft ver.di seit Jahren kämpft. Dazu gehört ebenso die sofortige Einstellung von juristischen Nachstellungen und Zermürbungsmaßnahmen gegen die Würselener Gewerkschafterin Mona E.«, erklärt Jessica Reisner von der Arbeitsrechtsgruppe.

Die Betriebsrätin Mona E. hatte am 6. Juli erneut einen Prozesstermin am Aachener Arbeitsgericht. Sie kämpft gegen eine Abmahnung wegen des Vorwurfs, Arbeitszeit und Betriebsratstätigkeit vermischt zu haben. Damit geht eine jahrelange Auseinandersetzung in die nächste Runde. Bereits im November 2017 hatte der Gesamtbetriebsrat von Toys R Us auf die Situation aufmerksam gemacht. »Die Mitarbeiter*innen der Toys R US-Filiale in Aachen stehen seit Monaten unter Druck der Marktleitung. Sie sind inzwischen fast täglich dem Mobbing durch den stellvertretenden Marktleiter ausgesetzt«, heißt es in der Erklärung. Besonders die Betriebsrätin Mona E. sei mehrmals mit unterschiedlichen Begründungen abgemahnt worden. »Sie haben ein Gespräch eigenmächtig abgebrochen«, lautete etwa ein Grund für eine Disziplinarmaßnahme. Dabei hat Mona E. nichts anderes getan, als das, was eine gute Betriebsrätin tun sollte: bessere Arbeitsbedingungen und Löhne einfordern. Doch das macht sie offenbar schon zur Zielscheibe.

Immerhin wurde der stellvertretende Filialleiter von Aachen-Würselen versetzt – aus Sicht der Unterstützergruppe von Mona E. ein hoffnungsvolles Zeichen. Er war seit Sommer 2017 in der Filiale in Aachen-Würselen eingesetzt gewesen, zum zweiten Mal. Nach Aussage des Gesamtbetriebsrats sei er bereits in seiner ersten Amtszeit bis 2012 bei den Mitarbeiter*innen gefürchtet gewesen. Mehrere hätten gesundheitliche Schäden davongetragen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Spielzeugkette durch ihren rüden Umgang mit Gewerkschafter*innen auffällt. In Heilbronn erinnert man sich an einen ähnlichen Fall. So eine Geschichte habe sie in ihrem Bezirk noch nicht erlebt, erklärte die dortige ver.di-Vorsitzende Marianne Kugler-Wendt zum jahrelangen Mobbing der Betriebsrätin Simone H.

Die Beschäftigten der Heilbronner Filiale hatten sich mehrheitlich der Gewerkschaft angeschlossen, weil sie sich für eine tarifgemäße Bezahlung einsetzen wollten. Der Ärger begann, als die Schichteinteilung geändert werden sollte. Dazu ist die Einwilligung des Betriebsrats nötig, die Simone H. verweigerte. Auch wenn sie vor Gericht ihre Abmahnungen erfolgreich zurückweisen konnte und als Betriebsrätin wiedergewählt wurde, verließ sie das Unternehmen schließlich. Durch die Auseinandersetzung war das Klima auch unter den Kollegen vergiftet. Ein Teil der Belegschaft sei gegen die Betriebsrätin aufgehetzt worden, sagt ver.di. So wurden in der Filiale sogar Unterschriften gegen die Frau gesammelt.

Ob sich in Aachen mit dem Wechsel im Management der Umgang mit Betriebsrät*innen ändert, muss sich noch zeigen. Der berüchtigte Filialleiter ist schließlich nicht entlassen worden, sondern in der Betriebshierarchie sogar aufgestiegen. Mona E. wird jedenfalls weiter Unterstützung brauchen. Ihr Prozess wurde auf den 8. November vertagt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1093354.toys-r-us-haessliches-spiel.html

Peter Nowak

Vor Gericht für den »wahren Martin«

Wegen einer Satireaktion mit einem Schulz-Double verklagte die SPD die »Aktion Arbeitsunrecht«

Ungewöhnliche Töne kamen am 16.12.2017 vom ehemaligen SPD-Bundestagskanzlerkandidaten Martin Schulz auf einer Kundgebung in seiner Heimatstadt Würselen in Nordrhein-Westfalen. »Hartz IV – das waren wir. Aber ich verspreche Euch, wir haben uns geändert«, rief er. 15 Minuten versuchte er das Publikum von der neuen, sozialen SPD zu überzeugen. Es gab viel Gelächter. Denn schnell war klar, dass hinter dem »wahren Martin« der Kölner Mietrebell und Kandidat der LINKEN bei der NRW-Landtagswahl, Karl Gerigk, steckte, der wegen seines Widerstands gegen seine Zwangsräumung bundesweite Bekanntheit erlangte. 

Der Sketch könnte jetzt juristische Folgen für das Bündnis »Aktion Arbeitsunrecht« haben, das die Veranstaltung organisierte. Es setzt sich für Gewerkschafter*innen und Beschäftigte ein, die gemobbt werden. Dazu gehörte Mona E, Betriebsrätin bei der Spielwarenkette Toys R US. Am dritten Advent letzten Jahres organisierte die »Aktion Arbeitsunrecht« vor der Würselener Filiale des Einzelhändlers eine Solidaritätskundgebung für die Betriebsrätin mit dem »Wahren Martin« als Überraschungsgast. 

Zuvor hatte Werner Rügemer vom Bündnis »Aktion Arbeitsunrecht« den SPD-Mann persönlich zu der Kundgebung eingeladen. Dessen Referent antwortete, dass Schulz die Einladung aus Termingründen nicht annehmen könne. Daraufhin verschickte die Initiative eine satirische Pressemitteilung mit einem angeblichen Brief von Schulz, in dem er ankündigte, er werde auf der Veranstaltung eine Würseler Erklärung verlesen, die einen Kurswechsel der SPD und eine Abschaffung der Hartz-IV-Gesetze beinhalte. Der WDR hatte diese Pressemeldung damals ernst genommen und mit einem Großaufgebot zum Schulz-Auftritt nach Würselen fahren wollen. Das wurde erst abgeblasen, nachdem auf telefonische Nachfrage auf den Charakter der Veranstaltung hingewiesen wurde.
Wegen des satirischen Schreibens hat der SPD-Bundesvorstand bereits am 17. Dezember 2017 eine Anzeige wegen Urkundenfälschung gegen Rügemer erstattet. Seitdem ermitteln das LKA Berlin und die Kölner Kripo. Der Pressesprecher der Initiative, Elmar Wigand, beklagt nicht nur die Humorlosigkeit der SPD-Führung. »Es geht um die Freiheit der Kunst und der Meinungsäußerung – hier der Satire. Es geht auch um den Schutz vor Schnüffeleien und Überwachung«, erklärte Wigand gegenüber dem »nd«. Das LKA hatte sich im Rahmen der Ermittlungen Zugang zum E-Mail-Konto von Werner Rügemer verschafft. Für Wigand ist die Anzeige ein weiteres Beispiel für eine »SPD im Selbstzerstörungsmodus«. 

Die Kundgebung vor der Filiale zeigte auch bei Toys R US Wirkung. Ein Vorgesetzter, der von den Aktivisten als hauptsächlich verantwortlich für das Mobbing von Mona E. benannt wurde, soll inzwischen in eine andere Filiale versetzt worden sein. Doch die juristischen Auseinandersetzungen gehen weiter. Am 5. Juli findet vor dem Aachener Arbeitsgericht der nächste Prozess statt. Dann kehrt auch der »wahre Martin« zurück. Karl Gerigk hat angekündigt, dass er dort seine Schulz-Satire ebenso aufführen wird wie am 13. Juli vor einer Real-Filiale in Düsseldorf. Dort protestieren die Aktivisten erneut gegen das Mobbing von Betriebsrät*innen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1093024.vor-gericht-fuer-den-wahren-martin.html

Peter Nowak

Schwarzer Freitag für Deliveroo

Das Medieninteresse an der gewerkschaftlichen Organisierung der Kurierdienste ist groß. Denn die galten lange Zeit als Vorbild eines Wirtschaftsliberalismus, der von Gewerkschaften nichts wissen wollte

Am 13. April gibt es Ärger. Dafür sorgt die Initiative aktion./.arbeitsunrecht[1] mit Sitz in Köln gemeinsam mit einem Netzwerk engagierter Gewerkschaften. Sie besuchen immer dann, wenn der 13. eines Monats auf einen Freitag fällt, Unternehmen, die durch Behinderung von Betriebsräten bekannt geworden sind.

Von Unionbusting sprechen Gewerkschafter in den USA. Der Name hat sich für den organisierten Kampf gegen Betriebsräte mittlerweile auch in Deutschland eingebürgert. Der Kreis der Firmen, in denen Betriebsräte gemobbt werden, ist groß. Daher fällt die Auswahl nicht leicht. Sie ist nur möglich, weil engagierte Kollegen vor Ort die Informationen zusammentragen. Für den 13. April standen drei Unternehmen zur Auswahl, die für ihre Gewerkschaftsfeindlichkeit bekannt und berüchtigt waren.

Vom Deliveroo-Hero zur Deliverunion

Dass gerade Deliveroo als Sieger aus dieser Negativwahl[2] hervorging, liegt an einer erstaunlichen Entwicklung. Während allerorten über den Bedeutungsverlust der Gewerkschaften gesprochen wird, haben sich in den letzten Jahren Kurierfahrer organisiert. Mittlerweile gibt es gleich mehrere Initiativen.

Vor über einem Jahr begannen sich in Berlin Kurierfahrer mit Unterstützung der Basisgewerkschaft FAU in der Deliverunion[3] zu organisieren. Mittlerweile gibt es eine Sektion auch in Leipzig[4]. Weitere könnten folgen. Schließlich ist die Deliverunion transnational ausgerichtet.

An der Gründung waren auch Basisgewerkschaften aus Spanien, Großbritannien, Italien und anderen Ländern beteiligt. Ein Teil der Kurierfahrer ist jung, flexibel und reisefreudig. Dieses Image wird von den Kurierfirmen natürlich genutzt. So werden Praktika in andere Länder unterstützt. Auch damit kann sich, so das Kalkül der Unternehmer, eine gewerkschaftliche Aktivität gar nicht erst verfestigen.

Daher ist es nur praktisch, wenn dann vor Ort gleich die passende Gewerkschaft ist. So muss der Wunsch vieler Kurierfahrer nach häufigen Ortswechseln kein Widerspruch zu gewerkschaftlicher Organisierung sein. Damit wird auch der Ideologie der angeblich so modernen und hippen Unternehmen wie Foodora und Deliveroo desavouiert, die mit Begriffen wie Deliver-Hero das Rollenbild der immer flexibel und rund um die Uhr ausbeutbaren Kurierfahrer kreiert.

Doch im Aufsichtsrat sollen sie nichts zu suchen haben. Delivery Hero[5] wehrt sich gegen einen Gerichtsbeschluss[6], der besagt, dass auch Kurierfahrer im Aufsichtsrat vertreten sein müssen. „Warum findet ausgerechnet eine anarchistische, kapitalismuskritische Kleingewerkschaft in der neuen, hippen Plattformwirtschaft so viel Anklang?“ Diese Frage[7] stellt sich die Wochenzeitung Zeit. Eine FAU-Aktivistin gibt eine Antwort: „Unsere Art, die Leute zu organisieren, ist für diese Form der Arbeit angemessener. Die Mitgliedschaftsstrukturen sind loser, über alles entscheidet die Fahrerbasis.“

Tatsächlich ist der Einstieg bei einer Basisgewerkschaft wie der FAU für Menschen, die sich zu organisieren beginnen, einfacher als bei einer DGB-Gewerkschaft. Allerdings betont auch die Deliverunion, dass sie auch mit Kollegen aus den DGB-Gewerkschaften kooperiert.

Liefern am Limit

Mittlerweile haben auch die DGB-Gewerkschaften die Fahrradkuriere entdeckt. Im Januar 2018 vermeldete[8] der DGB stolz, dass man in den Bereich einen ersten Betriebsrat gegründet hat. Doch wesentlich sind auch die Basisaktivitäten der Kurierfahrer, die die Initiative Liefern am Limit[9] gegründet haben. Auch bei Liefern am Limit wird die neoliberale Ideologie, die über diese Beschäftigung verbreitet wird, mit der Realität konfrontiert:

Sie sind jung und sie flitzen quer durch Köln, um Pizza und Burger auszuliefern. Doch die Realität bei den Lieferdiensten Deliveroo und Foodora sieht ganz anders aus: Die Jobs sind befristet und unsicher, nur 9 Euro Stundenlohn, die Kosten für Winterkleidung, Fahrradverschleiß und Reparaturen übernimmt der Chef nicht. Kurz: Liefern am Limit!

Liefern am Limit

Die NGG machte Anfang Februar mit einem Flashmob auf diese Verhältnisse aufmerksam und erhielt ebensoviel Presseaufmerksamkeit wie zwei Jahre vorher die FAU und die Deliverunion. Hier zeigte sich auch, dass eine Basisgewerkschaft in dieser Branche eine Avantgardefunktion eingenommen hat, die nun auch die DGB-Gewerkschaften zum Nachziehen veranlasste.
Die Beschäftigten sind so in der angenehmen Situation, auch ein Druckmittel gegen ihre eigene Gewerkschaft zu haben. Sie können immer noch zur Deliverunion wechseln, wenn die NGG zu bürokratisch agieren sollte. Aktuell klagen die Beschäftigten mit Unterstützung der NGG gegen den Versuch von Deliveroo, nach der Betriebsratswahl alle Festangestellten zu entlassen und nur noch Freelancer zu beschäftigen. Dieses Gebaren, das die Initiative aktion./.arbeitsunrecht als klassische Methode des Unionbusting bezeichnet, hat auch dazu geführt, dass der Lieferdienst nun im Fokus der Proteste am 13. April steht. Sowohl die in der FAU als auch die in der NGG organisierten Beschäftigten organisieren in zahlreichen Städten Proteste.

Dieser Schwarzer Freitag für Deliveroo ist aber nur das Ergebnis eines länger andauernden Organisierungsprozesses in einer Branche, die lange Zeit als schwer organisierbar galt. Hier können andere Prekäre aus ebenfalls schwer organisierbaren Branchen Erfahrungen sammeln, wie kollektive Prozesse möglich sind. Die Taxi-AG bei verdi[10] hat das begriffen. Sie hat sich mit den Kurierfahrern solidarisiert und in ihrer Erklärung betont, dass in ihrer Branche die gleichen Probleme des Niedriglohns und der technologischen Überwachung durch Apps bestehen, aber auch bei vielen Mitarbeitern die Vorstellung herrschte, dass sie Gewerkschaften nicht brauchen.

Peter Nowak

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[1] https://arbeitsunrecht.de/
[2] http://arbeitsunrecht.de/schwarzer-freitag-fuer-deliveroo/
[3] http://deliverunion.fau.org/
[4] https://halle.fau.org/2017/11/23/deliver-union-organisierung-der-fahrradkurierinnen/
[5] http://www.deliveryhero.com/
[6] https://ngin-food.com/artikel/delivery-hero-arbeitnehmer-aufsichtsrat-se/
[7] http://www.zeit.de/arbeit/2017-10/kurierfahrer-foodora-arbeitsbedingungen-gewerkschaft-protest
[8] http://www.dgb.de/themen/++co++c4832886-04e3-11e8-a62b-52540088cada
[9] http://www.ngg-koeln.de/branchen__betriebe/branchen/hotel_und_gaststaettengewerbe/deliveroo/liefern-am-limit/
[10] https://berlineraktiongegenarbeitgeberunrecht.wordpress.com/category/taxigewerbe/

Nordsee vor Deliveroo

Online-Abstimmung über schlimmsten Unionbuster

Derzeit laufen die Planungen für die nächste Protestaktion gegen ein Unternehmen, das Betriebsräte behindert. Eine Initiative fordert härteres Durchgreifen der Staatsanwaltschaften.

Am Freitag, den 13. April, wird es Ärger geben: An diesem Tag könnte der britische Essenskurier Deliveroo, der Flughafensicherheitsdienst I-Sec oder die Imbisskette Nordsee Besuch von kritischen Gewerkschaftern bekommen. Die drei Unternehmen sind von der Initiative aktion./.arbeitsunrecht nominiert worden, weil sie durch die Behinderung von Betriebsräten negativ aufgefallen sind. Bis 15. März können Interessierte im Internet noch darüber abstimmen, wer Ziel des Protests werden soll. Im Moment liegt Nordsee vorne, dicht gefolgt von Deliveroo.

Immer dann, wenn der 13. eines Monats auf einen Freitag fällt, organisiert die Initiative mit Sitz in Köln gemeinsam mit einem Netzwerk engagierter Gewerkschafter_innen eine Aktion gegen »Unionbusting«. Das Wort, das aus den USA stammt, hat sich für den organisierten Kampf gegen Betriebsräte mittlerweile auch in Deutschland eingebürgert. Der Fischrestaurantkette Nordsee, die zur Unternehmensgruppe Theo Müller gehört, wirft die Arbeitsrechtsinitiative vor, langjährige Betriebsratsmitglieder kurz vor den Betriebsratswahlen zu leitenden Angestellten befördert zu haben. Dadurch können sie sich nicht mehr zur Wahl stellen.

Das I-Sec-Management hat sich durch die Kündigung von drei Betriebsräten für einen Besuch qualifiziert. Mittlerweile seien mehrere Hausverbote gegen sie ausgesprochen worden, um den Kontakt zur Belegschaft zu unterbinden. Auch der Widerstand gegen die Entlassungen soll sanktioniert werden. Der auf Unionbusting spezialisierte Arbeitsrechtler Walter Naujocks verklagte den gekündigten Betriebsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter auf Schadenersatz in Millionenhöhe. Ihr Protest gegen die Kündigungen soll dem Unternehmen geschadet haben.

Dem Management von Deliveroo wiederum wird vorgeworfen, in Köln eine Betriebswahl gezielt sabotiert zu haben, indem die Zahl der Festangestellten reduziert und die Zahl der Selbstständigen erhöht wurde. Die Initiative moniert auch, dass die Deliveroo-App, mit der die Arbeit organisiert wird, so umgestellt wurde, dass die Beschäftigten nicht mehr untereinander, sondern nur noch mit ihrem Schichtkoordinator Kontakt aufnehmen konnten. In Berlin forderte die Freie Arbeiter Union bisher vergeblich einen Tarifvertrag.

Die nächste Freitagsaktion fällt mitten in die bundesweiten Betriebsratswahlen, die alle vier Jahre stattfinden. »Bei keiner Wahl in Deutschland werden demokratische Grundrechte so mit Füßen getreten wie bei Betriebsratswahlen«, sagt der Sprecher der aktion./.arbeitsunrecht, Elmar Wiegand. Dennoch werde nur selten darüber berichtet, kritisiert seine Mitstreiterin Jessica Reisner. Das vergleichsweise große Medieninteresse an dieser Abstimmung hat mit dem Versuch der AfD zu tun, eine rechte, unternehmerfreundliche Konkurrenz zum DGB aufzubauen. Die Initiative aktion./.arbeitsunrecht richtet dagegen den Fokus auf die alltägliche Behinderung von Betriebsratsarbeit und kritisiert »die skandalöse Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden«. In Hessen hat sie nun eine Unterschriftensammlung gestartet. Damit wird die Generalstaatsanwaltschaft aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Betriebsratsbehinderung nicht länger straffrei bleibt. Anlass sind aktuelle Fälle am Frankfurter Flughafen.

aus Neues Deutschland: 9.3.2018

Peter Nowak

»Der klassische McKinsey-Kurs«

Die »Aktion Arbeitsunrecht« veranstaltet an jedem Freitag, dem 13., Proteste gegen Unternehmen, die durch einen besonders ausbeuterischen Umgang mit ihren Beschäftigten auffallen. Am 13. Januar traf es Median, eine Firma für medizinische Rehabilitation. Elmar Wigand gehört zu den Gründern der »Aktion Arbeitsunrecht« und hat sich zum vierten Mal am »Schwarzen Freitag« beteiligt.

Small Talk mit Elmar Wigand von der »Aktion Arbeitsunrecht« von Peter Nowak

Am 13, Januar gab es bundesweit Proteste gegen Lohndumping und union busting vor den Kliniken des Konzerns Median. Warum wurde das Unternehmen ausgewählt?

Wir brandmarken immer an einem Freitag, dem 13., Betriebe, die durch ihr besonders krasses Vorgehen gegen Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschafter aufgefallen sind. Bei Median ist jede Menge Dampf im Kessel, seit die Kette 2014 von dem niederländischen Hedgefonds Waterland gekauft und durch Zukäufe erheblich erweitert wurde. Das Reha-Unternehmen beschäftigt inzwischen 15 000 Leute in 121 Einrichtungen. Waterland wird in Deutschland von einem McKinsey-Zögling gemanagt, Carsten Rahlfs. Ein weiterer McKinsey-Zögling, André Schmidt, wurde als CEO bei Median installiert. Hier wird der klassische McKinsey-Kurs zur »Optimierung der Wertschöpfungskette« verfolgt: Lohndumping, Gewerkschaftsbehinderung, Tarifflucht, Auslagerungen an Subunternehmer. Trauriger Höhepunkt war die Schließung einer ganzen Klinik, um eine Streikhochburg von Verdi zu schleifen. Die Weserklinik in Bad Oeynhausen war wohlgemerkt profitabel.

Wie war bundesweit die Resonanz an diesem »Schwarzen Freitag«?

Gut. Es gab Kundgebungen an etwa 20 Orten. Unsere Spezialität ist, das union busting anzugreifen, also nicht nur die Geschäftsführung zu kritisieren – worauf sich ML-Gruppen, Trotzkisten, aber auch konventionelle Gewerkschafter zumeist beschränken. Neben Aktionen vor und in diversen Median-Einrichtungen gab es einen Protest vor der Waterland-Zentrale in Düsseldorf, 50 Leute kamen in Frankfurt vor dem Büro einer Rechtsanwaltskanzlei zusammen, die im Auftrag von Median Leute mit Klagen fertigmacht. Andere protestierten beispielsweise in Berlin vor Büros der Deutschen Rentenversicherung. Wir haben zudem eine Online-Petition an die zuständige DRV-Referatsleiterin Nicole Wenderoth begonnen. Denn aus den Rentenkassen werden die Profite für Median bezahlt.

Ist es Ihnen gelungen, union busting in Deutschland zum Thema zu machen?

Immerhin haben wir den Begriff so weit etabliert, dass der DGB ihn offiziell verwendet. Der »Schwarze Freitag« ist nur ein Teil des Ganzen, aber ein wichtiger.

Die Aktionstage werden von wenigen Engagierten vorbereitet. Wie steht es mit der Ausweitung der Organisation?

Unser Ziel ist es, ein Netzwerk zu knüpfen, dabei aber Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von Gewerkschaften, Parteien und staatlichen Geldern zu bewahren. Das ist im Entstehen, geht aber doch langsamer voran, als wir dachten. Ein Grund ist, dass die toxische ML-Sektenkultur der siebziger Jahre zum Teil noch spürbar ist: Intrigen spinnen, Macht ausbauen, spalten. Ein weiterer Grund: Das Thema ist riesig, darauf könnte man Karrieren begründen, damit kann man leider auch EU-Fördertöpfe anzapfen und Gewerkschaftspöstchen ergattern.

Wie ist die Resonanz bei den Gewerkschaften?

Mal so, mal so. Es hängt von einzelnen Sekretären an der Basis ab, im Fall der Syndikalisten von der Struktur der Ortsgruppen. Die Resonanz der DGB-Leitungsebene ist nicht unsolidarisch, aber auch nicht enthusiastisch. Es kommt auch darauf an, wie stark die Apparate noch mit der SPD verfilzt sind. Oder bei der FAU: wie stark man einer orthodoxen Auslegung der Lehren Rudolf Rockers folgt.

http://jungle-world.com/artikel/2017/03/55588.html

Interview: Peter Nowak

Aktionstag bei Median

Dem Klinikbetreiber wird Unionbusting vorgeworfen

Abergläubige Menschen meiden die Öffentlichkeit, wenn der Freitag auf einen 13. fällt. Seit zwei Jahren nutzt die Aktion Arbeitsunrecht diesen Termin, um Unternehmen und Anwaltskanzleien anzuprangern, die engagierte Betriebsräte mobben oder dabei helfen. Am 13. Januar hat der Verein den größten privaten Betreiber von Rehakliniken in Deutschland im Visier: Median. Unter anderem Tarifflucht, willkürliche Betriebsschließung und Behinderung von Betriebsratsarbeit werden dem Berliner Unternehmen vorgeworfen. Proteste soll es auch beim Eigentümer, dem niederländischen Investmentfonds Waterland, und vor Büros der Anwaltskanzlei Breiten Burkhardt geben. Ihr werfen Kritiker vor, juristische Unterstützung beim Unionbusting zu geben, wie das Mobben von Betriebsräten genannt wird. Aktionen sind in Berlin, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Dresden geplant.

Am 13. März 2015 fand der erste bundesweite Aktionstag vor dem Firmensitz des Verpackungskonzerns Neupack statt. Am 13. November 2015 standen der Textildiscounter kik und die Rechtsanwaltskanzlei Schreiner und Partner im Blickpunkt. Letztere sei durch Seminare bekannt geworden, in denen Unternehmensvertretern Ratschläge vermittelt werden, wie sie engagierten Betriebsräten juristisch Grenzen setzen können. Am 13. März 2016 wiederum standen die Spielzeugkette Toys ‚R‘ Us und MCS, eine Tochter des Malteser Hilfsdienstes, im Fokus der Proteste.

Neben den vier Aktionstagen wurden mehrere Konferenzen organisiert, in denen betroffene Betriebsräte aus unterschiedlichen Branchen über Mobbing berichteten. »Wir rechnen es zu unseren Erfolgen, dass es uns gelungen ist, Unionbusting auch in Deutschland zum Thema zu machen«, erklärt Elmar Wigand von der Aktion Arbeitsunrecht gegenüber »nd«. In den USA ist der Begriff Unionbusting bei kritischen Gewerkschaftern schon lange bekannt. Der Publizist gehört zu dem kleinen Kreis von Leuten, die viel Arbeit in die Vorbereitung der Aktionstage stecken. »Wir müssen sie noch immer anschieben. Ein Selbstläufer sind sie nicht«, kritisiert Wigand. Das Engagement der Gewerkschaften könnte größer sein. Oft sei dort die Angst vor unkonventionellen Aktionen noch zu groß.

Was Wigand optimistisch macht, ist das Engagement vieler gemobbter Betriebsräte und von Belegschaften, die hinter ihnen stehen. Nur Unternehmen, für die dies zutrifft und die von dort Beschäftigen vorgeschlagen werden, stehen zur Auswahl als Kandidaten für die Aktionstage. Am Ende entscheiden Online-Nutzer: Für Median stimmten 710 von knapp 1200 Teilnehmern, nur eine Minderheit für OBI und Rossmann.

In diesem Jahr wird es am 13. Oktober einen weiteren Aktionstag geben. Danach will die Aktion Arbeitsunrecht ein Resümee ziehen und überlegen, ob und wie man weiter macht. Wiegand ist sich sicher, dass der Widerstand gegen Unionbusting stärker wird.

Peter Nowak

Gewerkschafter raus!

Bei dem Berliner Onlineshop »Konsolenkost« hat der Kampf für einen unabhängigen Betriebsrat offenbar mehrere Angestellte den Job gekostet. Auch anderswo versuchen Unternehmen mit aller Macht, Gewerkschaften aus ihren Betrieben herauszuhalten. Gegen diese Entwicklung regt sich Widerstand.

»Wir wollten schlicht und einfach dazu beitragen, dass die Belegschaft in Fragen der Arbeitsorganisation, der Arbeitszeit und des Arbeitsschutzes mitbestimmen kann, wie es der Gesetzgeber vorsieht.« Das sagt Patrick Neuhaus im Gespräch mit der Jungle World. Er hat fast zweieinhalb Jahre bei dem Berliner Unternehmen Konsolenkost gearbeitet, das mit Spielkonsolen und dazugehörigen Games handelt. Mittlerweile sind Neuhaus und mehrere seiner ehemaligen Kollegen erwerbslos. Ihnen wurde in den vergangenen Wochen gekündigt. Unter den Entlassenen sind auch sechs von sieben Kollegen, die als Wahlvorstand bei einer Betriebsratswahl fungiert hatten. Der Wahlvorstand wurde am 21. Oktober bei einer Betriebsratsversammlung eingesetzt, in Anwesenheit des zuständigen Verdi-Gewerkschaftssekretärs Sebastian Triebel. Doch ein Betriebsrat wurde bis heute nicht gewählt.Das Spiel ist aus – allerdings nicht für Unternehmer, die mit allen Mitteln die Wahl eines Betriebsrats unterbinden wollen

Das Spiel ist aus – allerdings nicht für Unternehmer, die mit allen Mitteln die Wahl eines Betriebsrats unterbinden wollen (Foto: plainpicture / Janklein)

Es dürfte unwahrscheinlich sein, dass es in dem Betrieb in absehbarer Zeit eine unabhängige Arbeitnehmervertretung geben wird. Dafür wurde ein »Vertrauensrat« eingerichtet, der für Harmonie im Betrieb sorgen und die Gewerkschaft draußen halten soll. Doch nach Angaben der Mitarbeiter hat die Mitbestimmungsinitiative das Klima im Betrieb extrem verschlechtert. Die Arbeitszeit der in dem Betrieb beschäftigten Werkstudenten sei gesenkt worden. Mündliche Absprachen über die Arbeitszeiten seien widerrufen worden, berichten ehemalige Mitarbeiter von Konsolenkost, die nicht namentlich genannt werden wollen. Eine Woche nach der Betriebsversammlung seien die Arbeitsrechner von zwei Mitgliedern des Wahlvorstands im laufenden Betrieb abgebaut und entfernt worden.

Auch die Umgangsformen im Betrieb seien restriktiver geworden. Vor der Einsetzung des Wahlvorstands habe ein lockerer Umgangston in dem Unternehmen geherrscht. Privatgespräche seien kein Problem gewesen. Doch nach der Betriebsversammlung habe sich das geändert. Zunächst seien die Mitarbeiter von der Geschäftsführung aufgefordert worden, die Privatgespräche zu minimieren. Mittlerweile seien sie während der Arbeitszeit untersagt. Es habe gegen Mitarbeiter Abmahnungen gegeben, weil sie gegen die Anweisung verstoßen haben sollen. Neuhaus’ Kündigung wurde nach dessen Angaben auch mit Verweis auf seine mehr als zehn Jahre zurückliegenden politischen Aktivitäten in der außerparlamentarischen und ökologischen Bewegung begründet. Schon zuvor seien bei Konsolenkost Gerüchte über einen der Initiatoren der Betriebsratsinitiative gestreut worden. Verdi-Sekretär Triebel bestätigte der Jungle World die Versuche engagierter Mitarbeiter, in dem Unternehmen einen Betriebsrat zu gründen. Wegen laufender Verfahren will er sich zu den weiteren Vorwürfen gegen das Unternehmen derzeit nicht äußern.

Die Auseinandersetzungen bei Konsolenkost sind charakteristisch für eine relativ neue Entwicklung. Jahrelang wurden die DGB-Gewerkschaften, jenseits des Geplänkels im Tarifkampf, von den Unternehmen durchaus geschätzt – als Garanten des Betriebsfriedens. Schließlich galt nach dem Abschluss eines Tarifvertrags die Friedenspflicht. Mittlerweile müssen viele DGB-Gewerkschaften die für sie ungewohnte Erfahrung machen, dass sie als Tarifpartner kaum noch gefragt sind. Selbst Betriebsräte, die von Anfang an betonen, dass sie konstruktiv mitgestalten wollen, werden als Gegner gesehen, die es zu bekämpfen gilt.

»Auch in Deutschland gibt es mehr und mehr Fälle, in denen Gewerkschaften und Betriebsräte offensiv bekämpft werden«, erklärte Nils Böhlke, Landessprecher der »AG Betrieb und Gewerkschaft« der Linkspartei, anlässlich einer Tagung, die die Partei am 30. Januar im nordrhein-westfälischen Hamm veranstaltete. Häufig würden dabei einzelne Meinungsführer immer wieder attackiert, um sie zu isolieren und zu demoralisieren und schließlich zum Aufgeben oder zur Kündigung bringen. »So sollen sie unschädlich gemacht und gleichzeitig andere eingeschüchtert werden, damit sie nicht ebenfalls aktiv werden«, so Böhlke.

Auch engagierte Gewerkschaften können gegen die betriebsratsfeindliche Politik mancher Unternehmer wenig ausrichten. So konnte bei dem mittelständischen Verpackungshersteller Neupack in Norddeutschland auch nach acht Monaten Streik die Geschäftsführung nicht zum Abschluss eines Tarifvertrags bewegt werden. Die Eigentümerfamilie Krüger hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass sie Betriebsräte und Gewerkschaften nicht akzeptieren will. Neupack-Geschäftsführer Lars Krüger begründete gegenüber dem NDR die harte Haltung so: »Ich glaube, da können Sie jeden Unternehmer fragen: Es ist sicherlich so, dass das Leben für einen Unternehmer relativ einfacher ist, wenn es keinen Betriebsrat gibt.«

Aktive Gewerkschaften haben es in einer solchen Umgebung schwer. Die Neupack-Geschäftsführung will den Betriebsratsvorsitzenden Murat G. auch nach dem Streikende loswerden. Die juristischen Auseinandersetzungen um die Kündigung sind noch nicht abgeschlossen. Weitere Betriebsratsmitglieder erhielten Abmahnungen. Auch das Berliner Kino Babylon ist wieder gewerkschaftsfreie Zone. 2009 kämpfte dort die Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) für bessere Arbeitsbedingungen. Trotzdem haben fast alle Gewerkschaftsmitglieder das Kino verlassen. Im vergangenen Jahr hatte sich in dem Kino eine Verdi-Gruppe gebildet, die mehrere Monate für einen Tarifvertrag in den Ausstand getreten war. Ende Dezember wurde der Arbeitskampf mit der Annahme eines Sozialvertrags beendet. Alle Verdi-Mitglieder und Streikteilnehmer erklärten, dass sie kein Interesse mehr an einer Weiterbeschäftigung im Kino hätten. Die fortgesetzten antigewerkschaftlichen Aktionen des Geschäftsführers hätten eine weitere Tätigkeit in dem Kino unmöglich gemacht. Unter anderem befürchteten sie, schrittweise aus dem Betrieb gemobbt zu werden, hieß es in einer Erklärung des Berliner Verdi-Landesverbandes.

Mittlerweile hat neben den Gewerkschaften auch die außerparlamentarische Linke das Thema »Union Busting« entdeckt. So nennt sich die Methode, engagierte Gewerkschafter im Betrieb zum Gegner zu erklären und zu bekämpfen. In Köln hat die vergangenes Jahr gegründete »Aktion Arbeitsunrecht« ihren Sitz. Auch die von Günter Wallraff ins Leben gerufene »Initiative Workwatch« hat dort ihr Büro. In Berlin hat sich die Initiative »Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht« gegründet. Neben den Betrieben sind auch Anwälte, die Kündigungen juristisch vorbereiten, Ziel von Aktionen. Am Dienstag vergangener Woche protestierten 60 Gewerkschafter in Hannover gegen ein Seminar der Anwaltskanzlei Schreiner und Partner, die Unternehmen über »effektive Strategien im Umgang mit schwierigen Betriebsräten« berät. In mehreren Städten waren wegen angekündigter Kundgebungen solche Seminare abgesagt worden.

http://jungle-world.com/artikel/2016/05/53426.html

Peter Nowak

Pegida im Betrieb

Ein Kommentar von Peter Nowak

„So weisen Sie den Betriebsrat in die Schranken“, lautet ein Motto auf einer Homepage, die für Praxis-Seminare von Schreiner und Partner wirbt. Dort werden Führungskräfte der Wirtschaft im Klassenkampf von oben geschult. Die Justiz ist dabei ein wichtiges Instrument und hoch bezahlte Rechtsanwälte sind darauf spezialisiert, Beschäftigte aus den Betrieben heraus zu drängen, die sich für eine kämpferische Interessenvertretung stark machen. Union Busting heißt der Fachbegriff, der in der letzten Zeit hierzulande bekannter wurde. Auf einer Tagung am 14. März in Hamburg hatten sich Betroffene aus der gesamten Republik mit ArbeitsrechtlerInnen und Aktiven aus Solidaritätsgruppen getroffen.

Jessica Reisner von der aktion./.arbeitsunrecht aus Köln, die in den vergangenen Monaten einen wichtigen Beitrag zu den Protesten gegen Union Busting geleistet hat, zog am Ende der Tagung ein vorsichtig optimistisches Fazit. Seminare, in denen der juristische Kampf gegen GewerkschafterInnen gelehrt wird, würden öffentlich zunehmend kritisiert. Tatsächlich gab es in mehreren Städten kleinere Kundgebungen vor solchen Seminarorten. Am Vortag der Hamburger Tagung startete auch erstmals die Aktion „Schwarzer Freitag“. Am 13. März war das Familienunternehmen Neupack, dessen Management noch immer einen engagierten Betriebsrat durch Kündigung loswerden will, Adressat eines Negativpreises. Künftig soll immer dann, wenn der Freitag auf einen dreizehnten fällt, die Firma diese negative Auszeichnung bekommen, die sich beim Union Busting besonders hervorgetan hat.Eine Erkenntnis der Tagung lautete, die beste Waffe gegen die Union Buster sei eine solidarische Belegschaft, die notfalls auch die Arbeit niederlegt, wenn KollegInnen gemaßregelt werden. „Pegida im Betrieb“ sieht der Berliner Arbeitsrechtler Daniel Weidmann als größtes Hindernis für eine solche Solidarität. So bezeichnete er MitarbeiterInnen, die engagierte KollegInnen als UnruhestifterInnen, die den Betriebsfrieden stören, denunzieren.

Erschienen in: Direkte Aktion 229 – Mai/Juni 2015

https://www.direkteaktion.org/229/pegida-im-betrieb

Peter Nowak