Terrorurteil gegen Journalisten in Kairo

Liberale Diktaturbefürworter

Wie Liberale die ägyptische Militärdiktatur verteidigen und Morde und Menschenrechtsverletzungen ausblenden

Die in den USA lehrende und in Ägypten geborene Religionswissenschaftlerin Sarah Eltantawi gilt als wichtige liberale Stimme und ist auch in den deutschen Medien öfter vertreten. An ihren Beiträgen lässt sich sehr gut ablesen, wie Liberale zu Parteigängern einer Militärdiktatur werden und dabei sogar ein Massaker an Hunderten unbewaffneter Demonstranten ausblenden. Noch vor einem Jahr klang Eltantawis Kommentar zur ägyptischen Innenpolitik sehr differenziert.

„Wahrscheinlich betrachten wir sie so kritisch, weil sie an unserer Privatleben ran wollen“

„Wo ist der arabische Traum“, lautete die Frage in einem Taz-Beitrag vom 26. Oktober 2012:

„Die Islamisten, die sind leichte Beute für unseren Hass und unsere Verzweiflung, sie sind die perfekte Projektionsfläche, gegen die wir ankämpfen, anstatt zu sagen, wofür wir sind. Wahrscheinlich betrachten wir sie so kritisch, weil sie an unserer Privatleben ran wollen, sie wollen unser Bewusstsein – sie beanspruchen, es besser zu wissen und in Besitz eines besseren Gesetzes zu sein. Welche denkende Person kann das schon leiden? Und wer könnte leugnen, dass die Ängste unserer christlichen Freunde berechtigt sind? Das alles aber macht nicht die Jahrzehnte währende Propaganda gegen die Islamisten ungeschehen. Vielleicht ist es ja mein Status als Außenseiter und Insider zugleich, eben als ägyptische Amerikanerin, die es mir erlaubt, mehr Geduld für den Führungsanspruch derjenigen zu haben, die immer in Ketten gehalten wurden.“

Knapp ein Jahr und einen blutigen Putsch später könnte die Autorin darüber reflektieren, wie recht sie mit ihren differenzierten Beitrag doch hatte. Doch als sie am 4. Oktober erneut in der Taz zur aktuellen Situation in der ägyptischen Innenpolitik zu Wort kam, wurde sie selber zu der Privilegierten, für die die Moslembrüder nur noch als Projektionsfläche für ihren Hass taugen.

Dass das Militär eine demokratisch gewählte Regierung stürzte, Tausende verhaftete, Hunderte ermordeten, die Medien zensierte und in Ägypten praktisch wieder die repressivste Phase der Mubarak-Diktatur rekonstruierte, ist für die Liberale kein Problem. Sie echauffiert sich vielmehr darüber, dass es tatsächlich noch Leute gibt, die daran erinnern, dass die Moslembrüder und ihr Kandidat Mursi bei einer demokratischen Wahl eine Mehrheit bekommen hatten.

„Der Westen indessen ist auf Wahlen fixiert und begreift die Ereignisse seit dem 30.Juni entsprechend als großen Rückschlag für die Demokratie. Für die Mehrheit der Ägypter ist dieser Punkt aber im Moment nicht wichtig. Sie haben instinktiv erkannt, dass die Revolution unter Mursi nicht respektiert und vorangetrieben würde. Und sie haben sich laut und klar gegen einen Verrat der Revolution ausgesprochen. Man kann das als eine Form von Demokratie bezeichnen.“

Idealisiertes Bild von der ägyptischen Oppositionsbewegung

Mit den Ereignissen vom 30. Juni ist die Machtübernahme der Militärs gemeint. Die Wiederherstellung der alten Verhältnisse wird zur Verteidigung der Revolution erklärt, die sich ja genau gegen die Mubarak-Diktator richtete. Da wird deutlich, wie idealisiert das Bild von der ägyptischen Oppositionsbewegung auch hierzulande gewesen ist. Denn zum Großteil handelt es sich um die Stützen des Mubarak-Regimes, die nur verhindern wollten, dass nun dessen Sohn zum Präsidenten ernannt werden sollte. Grundlegende gesellschaftliche Änderungen waren nur das Ziel einer kleinen Minderheit der Aktivisten.

Die Liquidierung unbewaffneter Platzbesetzer und Demonstranten wird bei Eltantawi ebenso wenig erwähnt, wie die massive Einschränkung der Grundrechte, die übrigens nicht nur die Moslembrüder betreffen. Alle Kritiker der Militärs müssen heute mit wesentlich größeren Repressalien rechnen als während Mursis Präsidentschaft. Besonders übel wird afrikanischen und asiatischen Flüchtlingen mitgespielt, die über Ägypten nach Europa gelangen wollen.

Seit das Militär an der Macht ist, werden sie gelegentlich mit Schusswaffen daran gehindert, Hierzulande erfahren wir nur über Selbstzeugnisse der betroffenen Flüchtlinge und die sind selten. Von den vielgerühmten ägyptischen Liberalen gibt es für sie keine Unterstützung. Eltantawi breitet dann noch einmal aus, was sie und andere Privilegierte am meisten an der Regierung der Moslembrüder störte.

Mursi war nicht national genug und wählte die falsche Ansprache

„Sie ignorieren auch, dass Ägypten ein Land ist, dessen Grenzen seit 7000 Jahren mehr oder weniger Bestand haben. Stattdessen propagieren sie eine panislamische Vision, die Nationalgefühle missachtet oder missbilligt.“

Neben mangelnden ägyptischen Patriotismus habe Mursi noch die falsche Ansprache an die Nation gewählt. Statt Brüdern und Schwestern habe er die Formulierung „Meine Familie und mein Stamm“ gewählt. Für einen Großteil der Menschen aus der subalternen Klasse dürfte es hingegen egal sein, wie sie angeredet werden, wenn sie in der alltäglichen Politik ignoriert, missachtet und ausgebeutet werden.

Die Einschränkung der Gewerkschaftsfreiheit findet konsequenterweise in ihrem Beitrag keine Erwähnung. Schließlich wurden unabhängige Gewerkschaften unter Mubarak schon verfolgt und unter der Militärregierung hat sich die Repression noch verschärft, was die Privilegierten sicher freut. Eltantawi steht für eine ganze Schicht von als Liberale firmierenden Menschen, die in den letzten Wochen in Ägypten zu Parteigängern einer Militärdiktatur wurden, für die hunderte tote Demonstranten keiner Erwähnung Wert und Wahlen, wenn sie das falsche Ergebnis bringen, nicht mehr so wichtig sind.

Vor 30 Jahren gab es noch Proteste, wenn Befürworter von Militärregimen in Lateinamerika nach Deutschland kamen. Ob den Befürwortern der ägyptischen Militärregierung im liberalen Gewand auch Widerspruch entgegenschlägt, könnte sich bald zeigen. Sarah Eltantawi setzt ihre Studie im Wintersemester 2013 beim Berliner Forum Transregionale Studien und wird am 22. Januar 2014 an einer Veranstaltung zum Islam in Ägypten als Referentin teilnehmen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/155089

Peter Nowak

Links

[1]

http://harvard.academia.edu/SarahEltantawi

[2]

http://www.taz.de/!104188/

[3]

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2013%2F10%2F05%2Fa0186&cHash=a46fa4b4ebab42b577c76061dfba61cd

[4]

http://www.forum-transregionale-studien.de/

[5]

http://www.forum-transregionale-studien.de/nc/forum/kalender.html

Waffen made in Germany für das ägyptische Regime

Friedensorganisationen kritisieren, dass die Waffenlieferungen zwischen 2008 und 2009 für Ägypten verdoppelt worden sind
Werden die Proteste in Ägypten auch mit Waffen aus Deutschland unterdrückt? Diese Frage stellt sich, nachdem Friedensorganisationen in einer gemeinsamen Presseerklärung darauf hingewiesen haben, dass das Land am Nil zu den bedeutenden Importeuren von Waffen aus Deutschland gehört.

Die Waffenexporte hätten sich im Zeitraum zwischen 2008 und 2009 verdoppelt, kritisieren die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, die Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben und das RüstungsInformationsBüro. „Ägypten ist als Entwicklungsland bedeutendster Empfänger deutscher Waffen“, heißt es in der Mitteilung.

Der Wert der von Deutschland gelieferten Waffen habe sich von 33,6 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 77,5 Millionen Euro 2009 „dramatisch gesteigert“, präzisierte der Rüstungsexperte Jürgen Grässlin die Vorwürfe. Er monierte explizit die Einzelgenehmigungen für Kleinwaffen, die „aufgrund der hohen Opferzahlen besonders folgenschwer“ seien. Die ägyptische Polizei verfüge über von Heckler & Koch entwickelte Maschinenpistolen des Typs MP5. Wegen Waffenlieferungen in Krisengebiete in Mexiko war das Unternehmen vor einigen Monaten ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten, die Bundesregierung hat die Verkäufe gestoppt.

Zudem seien dem ägyptischen Regime Panzerteile gepanzerte Fahrzeuge, militärische Landfahrzeuge und Kommunikationsausrüstung geliefert worden. Die Friedensorganisationen werfen Bundesaußenminister Westerwelle Heuchelei vor, wenn er als Mahnung an die ägyptische Regierung in einem Interview erklärte, dass „der Weg zur Stabilität über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte“, führe, die Waffenlieferungen an das Land aber nicht erwähnt und schon gar nicht infrage stellt. Die Friedensorganisationen hingegen fordern in ihrer Erklärung einen sofortigen Stopp von Waffenlieferungen und Rüstungsgütern an Ägypten und andere diktatorische Regime.

Bisher wird Ägypten auf den Webseiten von Großunternehmen wie Siemens als attraktiver Partner dargestellt und die Zusammenarbeit als ausbaufähiges Erfolgsobjekt bezeichnet. Ob sich die Kontakte auch bei einem Regimewechsel so positiv weiter entwickeln, ist völlig unsicher. Die Zukunft der deutschen Exporte vor allem auf dem Rüstungssektor dürfte auch davon abhängigen, ob eine künftige ägyptische Regierung die relativ prowestliche Außenpolitik fortsetzt. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149180
Peter Nowak