Das moderne Gebäude mit den großen Fenstern ganz am Ende der Schulze-Boysen-Straße in Berlin-Lichtenberg fällt schon optisch auf. Zudem ist bemerkenswert, dass keine großen Zäune den Zutritt zum Areal in der Schulze-Boysen-Straße 38 versperren. Schließlich soll das Nachbarschaftshaus Kiezspinne, das in dem Gebäude sein Domizil hat, für alle Menschen barrierefrei erreichbar sein.

Ein Haus mit Vorbildcharakter

Ganz sorgenfrei kann das Nachbarschaftshaus nicht in die mittlere Zukunft. Die Miete und die anfallenden Kosten werden aus einem Fonds beglichen, der für die Arbeit der Willkommenskultur und Integration angelegt wurde. Spätestens in 10 Jahren wird der Fond abgeschmolzen sein. „In einigen Jahren müssen wir mit dem Bezirk über unsere weitere Finanzierung sprechen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Manfred Becker. Eine weitere Unsicherheit sind die Pläne des weiteren Ausbaus der A100. Die nächste Trasse soll in der Nähe enden. Wenn auch das Gelände selber davon nicht betroffen ist, so könnten doch Einschränkungen die Folge sein.

Schon am Vormittag vertreiben sich viele Kinder und Jugendliche dort die Zeit. Einige spielen auf dem Rasen, andere besuchen in einem der Räume die angebotenen Kurse. Die Jugendarbeit ist eine wichtige Säule der Kiezspinne. Doch auch die ältere Generation nimmt die zahlreichen Angebote gerne wahr. Andere bieten selber eine Arbeitsgruppe an. Wie vielfältig die Auswahl ist, wird auf dem Faltblatt deutlich, das in dem lichtdurchfluteten Foyer der Kiezspinne ausliegt. Dort finden sich auch die Termine für die zahlreichen Selbsthilfegruppen für Beschwerden und Krankheiten aller Art, die sich in den Räumlichkeiten regelmäßig treffen. Die Liste beginnt bei A wie Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätstsyndrom (ADHS) im Erwachsenenalter und endet bei V für vietnamesische Senior/innen zum Thema Gesundheit. Denn seit der Gründung gehört es zu den Grundsätzen der Kiezspinne: …

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Baumbesetzung endet mit Geldstrafen

Nach ihrem Protest gegen den Weiterbau der Autobahn A 100 landeten Aktivisten vor Gericht

Im Januar 2013 besetzten Aktivisten im Protest gegen den Weiterbau A 100 mehrere Bäume. Der Prozess gegen einzelne Aktivisten endete, vorerst, am Mittwochabend.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte am Mittwochnachmittag zwei Gegner der Autobahn A 100 zu Geldstrafen in der Höhe von 350 bzw. 400 Euro. Sie hatten sich am Widerstand gegen den Weiterbau der Autobahn A 100 beteiligt.

Im Januar 2013 hatte das »Aktionsbündnis A 100 stoppen!« und die Umweltorganisation Robin Wood eine Baumbesetzung an der Grenzallee in Neukölln gestartet. Über ein Jahr blieben die Pappeln besetzt und wurden ein sichtbarer Ort des Widerstandes gegen die Stadtautobahn. Am 3. Februar beendete ein Großaufgebot der Polizei die Besetzung. Unmittelbar danach nahm die Stadt das Gelände in Besitz. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, sich am Tag der Räumung auf dem Gelände aufgehalten und damit den Hausfrieden gebrochen zu haben. Zunächst hatten fünf A 100-Gegner Strafbefehle wegen Hausfriedensbruch erhalten und dagegen Einspruch eingelegt. Zwei Verfahren waren bereits vor Wochen eingestellt worden. Am Mittwoch war mit Peter Schwartz ein weiterer Angeklagter freigesprochen worden. »Durch öffentlich zugängliche Foto- und Videoaufnahmen war nachweisbar, dass ich mich außerhalb des Geländes aufgehalten hatte, sodass der Vorwurf Hausfriedensbruch haltlos war. Dies war zuvor im Zuge der Anklageerhebung ignoriert worden«, sagte Schwartz dem »nd« und kritisierte, dass er überhaupt angeklagt wurde.

In Prozesserklärungen haben die Angeklagten auf die politische Dimension des Verfahrens hingewiesen. Sie verwiesen darauf, dass für den Weiterbau der A 100 mittlerweile mehrere gut erhaltene Wohnhäuser in der Beermannstraße in Treptow gegen den Protest von Mietern und der Stadtteilinitiative Karla Pappel abgerissen werden (»nd« berichtete). Selbst der Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja wollte die Gebäude für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen.

Die Robin Wood-Pressesprecherin Ute Bertrand sagte, die Proteste gegen die A 100 seien mit großem Aufwand kriminalisiert worden.

Schließlich waren dafür vier Prozesstage angesetzt, was auch für die Angeklagten zusätzliche Belastungen über die Geldstrafen hinaus bedeutete. »Das gesamte Verfahren war nur möglich, da die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch unter Michael Müller (SPD), der inzwischen Regierender Bürgermeister von Berlin ist, einen Strafantrag gestellt hatte, den sie bis heute aufrechterhält«, kritisiert Bertrand.

Dabei hatte Müller in einem Brief an zwei Mitglieder der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, Dirk Behrend und Harald Moritz, betont, dass der Senat nicht gegen alle Personen, die auf dem geräumten Grundstück angetroffen worden waren, Strafantrag stellt. Doch bereits am ersten Verhandlungstag lehnte der A 100-Projektleiter bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Arne Huhn, die Rücknahme der Anzeigen ab. Mit dem Urteil ist die Angelegenheit juristisch noch nicht beendet. Die beiden Verurteilten haben Rechtsmittel angekündigt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/992730.baumbesetzung-endet-mit-geldstrafen.html

Peter Nowak

Verkehrte Welt

A 100 Der Bund will die versprochene Entschädigung für Mieter, die der Autobahn weichen mussten, nicht zahlen und klagt nun

Geht es nach dem Bundesministerium für Verkehr, sollen sechs Mietparteien der Beermannstraße 20 und 22 in Treptow doch keine Entschädigung für den Verlust ihrer Wohnungen bekommen. Die beiden Häuser müssen der Verlängerung der Stadtautobahn A 100 weichen. Die sechs Mietparteien hatten sich als Letzte und sehr beharrlich geweigert, ihre Wohnungen zu räumen, unterstützt wurden sie von der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel und der Umweltorganisation Robin Wood. Als die MieterInnen Ende Februar schließlich doch nachgaben, bekamen sie eine weitreichende Entschädigung zugesichert: Die zuständige Enteignungsbehörde vereinbarte mit ihnen Ausgleichzahlungen in Höhe der Differenz zwischen ihren (günstigen) Mieten in der Beermannstraße und den Mietkosten in neuen Wohnungen –für die Dauer von bis zu 191 Monaten, bezahlt aus Bundesmitteln.  Auch die Kaution für die Ersatzwohnungen und die Anwaltskosten der Mieter sollten übernommen werden, ebenfalls aus Bundesmitteln. Doch das zuständige Bundesministerium will die Entschädigung nicht zahlen. Es hat Klage gegen das Land Berlin eingereicht. Begründung: Zum Zeitpunkt der Vereinbarung habe kein Mietverhältnis mehr bestanden. „Alle angegriffenen Regelungen beruhen auf der von cem Beklagten ungeprüften Annahme, dass ein Mietverhältnis weiterhin besteht“, heißt es in dem Klagebegründung des Bundes, die der taz vorliegt. Die Enteignungsbehörde des Landes Berlin wiederum fordert die Rückweisung der Klage; sie spricht dem Bund die Befugnis für die Anfechtung ab. „Es fehlt der Bundesrepublik Deutschland mithin die Befugnis, Rechte in diesen Eilverfahren selbstständig wahrzunehmen“, heißt es in der Begründung
der Enteignungsbehörde, die der taz ebenfalls vorliegt. Auch inhaltlich findet die Enteignungsbehörde klare  Worte für den Versuch des Bundes, die Vereinbarung mit den MieterIn nen für ungültig zu erklären. „Der Kern des vorliegenden Rechtsstreits ist die Frage, ob die Rechtslage es erlaubt, einem Mieter seine Wohnung zu entziehen, ohne ihm die gleichzeitige Möglichkeit  der Anmietung einer Ersatzwohnung zu gewähren. Es ist traurig, dies sagen zu müssen, aber die Klägerin scheint dies zu glauben.“ Die Enteignungsbehörde ist anderer Auffassung; sie hält eine Klage, die darauf abzielt, dass „einem mittellosen Mieter seine Wohnung entzogen werden kann, ohne dass gleichzeitig eine für den Neubezug einer anderen Wohnung notwendigen Kompensationsregelung in Kraft tritt, für von unserer Rechtsordnung nicht gedeckt“. Benjamin S., einer der betroffenen Mieter, sieht sich in seinem Widerstand bestätigt. „Jahrelang wurden wir auch von der Senatsverwaltung wie Illegale behandelt. Jetzt wird bestätigt, dass wir MieterInnen waren, die um ihre Rechte kämpfen“, sagt er. Von der vereinbarten Entschädigung haben die MieterInnen bisher nichts gesehen – und es könnte auch noch eine Weile dauern. „Es liegen keine Erkenntnisse dazu vor, wann mit einer mündlichen Verhandlung in den Verwaltungsstreitsachen, gar mit Entscheidungen gerechnet werden kann. Da es sich um keine Eilverfahren handelt, ist von einer mehrjährigen Prozessdauer auszugehen“, erklärt die stellvertretende Sprecherin  der Umweltverwaltung, Petra Rohland.

aus Taz: 1.8.2015

Peter Nowak

Mieter in der Beermannstrasse werden von Senatsverwaltung unter Druck gesetzt

„Am Donnerstagvormittag  haben  Bauarbeiter die Mauer zu unseren Haus eingerissen und  dann  sofort über 100 Jahre alte Birken und Ahornbäume wenige Meter vor unserem Fenster gefällt.“ Jonas Steinert ist die Empörung in der Stimme anzumerken, wenn er  berichtet, wie der baumbestandene Hof seines Wohnhauses in der Beermannstraße 22 verwüstet wurde. Das  Haus soll dem Weiterbau der A100 in Berlin-Treptow weichen. Aber noch wohnen 10 Mietparteien dort, die nicht bereit sind, unter den vom Senat diktierten Bedingungen ihre Wohnungen zu verlassen. Einer Kündigung haben sie widersprochen. Darauf haben die Mieter weder eine Antwort noch einen Gerichtstermin  erhalten. Dafür bekamen sie   von der Senatsverwaltung  die Mitteilung, dass sie enteignet  und so wesentlicher Mieterrechte beraubt werden sollen (MieterEcho Online berichtete). Danach stellte die Senatsverwaltung die Kommunikation mit den Mietern ein. Mehrere Briefe blieben beantwortet.

„Wir haben den Eindruck, die Behörden ignorieren uns  und agieren so, als würde in den Haus niemand mehr wohnen“, beschrieb ein weiterer Mieter der Beermannstraße 22 das Vorgehen am vergangen Donnerstag. So hätten sie  sie keinerlei Information erhalten, dass die  Mauer zum Hof eingerissen und die Bäume gefällt werden sollen. Trotz mehrerer Nachfragen wurde ihnen auch die  die Einsicht in die   behördliche Genehmigung für diese Maßnahmen verweigert. Nachdem ein  Mieter die Polizei gerufen hat, weil er die Baumaßnahmen für rechtswidrig hielt, gab es von der Senatsverwaltung die telefonische Auskunft, dass eine Genehmigung vorliege.

Versuch einer Blockade durch die Mieter
Trotzdem  hatten einige der Mieter am Donnerstagvormittag versucht, die Baumaßnahmen im letzten Augenblick zu stoppen, in dem sie sich in  die  Lücke stellten, die nach dem Abriss der Mauer entstanden war. Doch der Baggerfahrer reagiert so wie die Senatsverwaltung, er ignorierte  die Mieter. Das hätte sogar gefährlich werden können, wie Jonas Steinert gegenüber MieterEcho berichtet. „Der Bagger fuhr direkt auf mich zu und ich konnte  in letzter Minute   zur Seite springen,  um einen Zusammenstoß Unfall zu vermeiden.“ Mittlerweile hat Steinert gegen den Baggerfahrer Anzeige wegen versuchter Körperverletzung erstattet. Die Situation für die letzten Mieter in der Beermannstraße hatte sich seit dem 1. Dezember verschärft. An diesem Tag hatte die Senatsverwaltung die verpachtete Gartenanlage hinter die Beermannstraße 22 wieder in Besitz genommen und sofort in eine Baustelle verwandelt. Am Tag zuvor hatte die Umweltorganisation Rob Wood gemeinsam mit der Treptower Stadtteilinitiative  Karla Pappel die Gartenanlage besetzt, wurden aber am nächsten Tag geräumt.

MieterEcho online 05.12.2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/mieter-beermannstr.html

Peter Nowak

Mieter/innen der Beermannstr. 22 sollen für den Bau der A100 enteignet werden

Am kommenden Sonntag laden GartennutzerInnen und MieterInnen aus dem Haus in Berlin-Treptow zur MieterInnenversammlung.
„Bringt Lichter mit Freunde, Stirnlampen  und Freunde mit“, heißt es in einer Erklärung, in der für kommenden Sonntag um 15 Uhr  zu einer Mieterversammlung geladen werden.  Dort  wollen sich MieterInnen der  Beermannstraße 22  und  einige NutzerInnen der dahinterliegenden Gartenanlagen mit NachbarInnen und Stadtteiliniaitiven  über ihren weitern Widerstand beraten. Denn ihnen droht Enteignung wegen des Weiterbaus der A100.

Jonas Steinert (Name geändert) gehört zu den 10  Mietparteien, die nicht bereit sind, sich nach den Bedingungen der Senatsverwaltung aus ihren Wohnungen vertreiben zu lassen. Er habe als Freiberufler kein hohes Einkommen. Daher seien für ihn Ersatzwohnungen, deren Miete zwischen 65 und 120 Prozent über der Miete seiner derzeitigen Wohnung liegen, ein großes Problem. Doch das scheint die Senatsverwaltung nicht zu interessieren.  Statt einer Antwort erhielten Steinert und andere MieterInnen  der Beermannstraße Schreiben, in denen die Senatsverwaltung die Enteignung der Mieter ankündigte.  „Ich teile Ihnen mit, dass ich zur Wahrung unserer Interessen in Kürze bei der zuständigen Behörde die vorzeitige Besitzeinweisung und die Enteignung des Mietrechts beantragen werde“, heißt es in den dem MieterEcho vorliegenden Briefen. Steinert musste sich von einem Rechtsanwalt erklären lassen, dass ihm damit mitgeteilt werde, dass nach Paragraph 116 des Baugesetzbuchs gegen ihn vorgegangen werden soll und er dadurch zahlreiche Rechte, die er als Mieter gegen eine Kündigung hat, verliert.
Eine vorzeitige Besitzeinweisung dürfe allerdings nur getroffen werden, wenn die »Maßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten« ist, heißt es im Gesetz.  Dass die umstrittene Verlängerung der A100 allerdings dem Wohl der Allgemeinheit dient, bezweifeln nicht nur die MieterInnen in der Beermannstraße und die Stadtteilinitiative Karla  Pappel. Auch die Umweltorganisation Robin Wood beteiligt sich an den Protesten.

Der künftige Regierende Bürgermeister steht in der Kritik
„ Wenn solche Töne aus der Senatsverwaltung kommen, sagen wir, das lassen wir mit uns nicht machen«, sagt Karl Pfeiffer (Name geändert), der im Vorderhaus der Beermannstraße 22 wohnt.  Die verbliebenen Mieter sind besonders empört, dass in den Schreiben der Senatsverwaltung, das sie Mitte Oktober erhalten hatten,   eine Räumungsaufforderung der Wohnungen bis zum 31. Oktober enthalten ist. Als Drohung ohne jegliche Grundlage bezeichnet Steinert diesen Passus, den die MieterInnen daher nach juristischer Beratung  ignoriert haben.  Sie sind empört, dass der Senat eine solche Drohkulisse aufbaut und damit Angst bei den Mietern erzeugt. Zumal die Senatsverwaltung in dem Schreiben auch betonte, dass sie zur Bereitstellung von Ersatzwohnungen nicht verpflichtet sei. Das klang am 16. Januar 2014 noch ganz anders. Damals erklärte der zuständige Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller (SPD), auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (Grüne) zu den sozialen Folgen der Verlängerung der A 100 im Berliner Abgeordnetenhaus: „Im Zusammenhang mit den zuständigen Verwaltungen der Grundstücke … werden insbesondere die Mieterinnen und Mieter unterstützt, bei denen sich die Wohnraumsuche aus privaten Gründen schwierig gestaltet.“ Die MieterInnen werden den künftigen Regierenden Bürgermeister von Berlin an diese Worte erinnern.

aus:

MieterEcho online 28.11.2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/beermannstr-22-a-100.html

Peter Nowak

Begehung mit öffentlicher Anteilnahme

A100 Auch Kleingärtner in Treptow müssen der Autobahn weichen – und hoffen auf höhere Abfindungen

„Ich wohne seit 1987 hier und der Garten ist mein Leben. Jetzt soll ich hier vertrieben werden“, empört sich Erika Gutwirt. Die rüstige Rentnerin steht vor dem Eingang ihres grünen Domizils in der Kleingartenanlage in der Beermannstraße in Treptow. Die soll der geplanten Verlängerung der A100 weichen.

Am Mittwoch hatten sich um 11 Uhr MitarbeiterInnen der Senatsverwaltung angemeldet, um die Übergabe der Gärten vorzubereiten. „Das ist kein öffentlicher Termin“, rief ein aufgebrachter Behördenmitarbeiter, als er etwa 50 Menschen vor dem Eingang der Gartenanlage versammelt sah. Neben GartenbesitzerInnen hatten sich auch AktivistenInnen der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel eingefunden.

„Die Begehung der Gärten durch die Behörden ist eine öffentliche Angelegenheit, und deswegen wollen wir sie beobachten“, begründete eine Aktivistin die Unterstützung.

Zuerst wussten einige GartenbesitzerInnen nicht, ob sie sich über so viel Öffentlichkeit freuen sollten. Manche befürchteten, die Begehung werde abgebrochen. Später aber bedankten sich mehrere GartenbesitzerInnen für die Unterstützung. Schließlich wurde bei der Begehung verkündet, dass möglicherweise noch einmal über die Höhe der Abfindungen diskutiert werde, die die Kleingärtner erhalten sollen. „Wir mussten uns selbst um einen neuen Garten und den Umzug kümmern. Von Entschädigung kann also keine Rede sein“, monierte man in der Familie Zentgraf, die seit über zehn Jahren eine Gartenparzelle mit acht alten Bäumen in der Beermannstraße hatte.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F11%2F13%2Fa0196&cHash=2074f510b0d0cf4a153a2caf0e2f15a0

Peter Nowak

Eingebaute Vorfahrt

Für den Bau einer Autobahntrasse sollen in Berlin Häuser abgerissen werden. Was aus den Mietern wird, die sich die Miete der Ersatzwohnungen nicht leisten können, scheint den Senat nicht zu interessieren.

Ein fast undurchdringliches Wurzelwerk, seltene Tierarten und alte Bäume. Nur das Rauschen der S-Bahn im Minutentakt erinnert daran, dass dieses grüne Idyll nicht irgendwo in der Provinz, sondern in Berlin-Treptow liegt. Nur wenige Meter entfernt von viel befahrenen Straßen, in denen sich rund um die Uhr Stoßstange an Stoßstange drängt, findet sich noch eine ausgedehnte Kleingartenanlage. Für Annika Badenhop und Andreas Germuth ist es ihr »grüner Himmel«. So nennen sie auch ihren Blog, auf dem sie seit Frühjahr 2010 ihre Beobachtungen, die sie als ständige Gartennutzer machen, protokollieren. Akribisch wird dort notiert, wann welcher Vogel in welchem Baum seinen Nistplatz aufgeschlagen hat, welche Pflanze gerade blüht und wo sich ein Waldkauz gezeigt hat. »Natur, Garten und Selbstversorgung« lautet der Untertitel des Blogs, der gut zur derzeitigen Konjunktur des Urban Gardening passt. Doch mit dem grünen Idyll in Treptow soll es in diesem Herbst vorbei sein. Wo derzeit noch hohe Bäume seltenen Tierarten ein Domizil bieten, soll bald eine Großbaustelle für den 16. Bauabschnitt einer Autobahn entstehen.

»Die Bundesautobahn A 100 ist für das Fern-, Regional- und Stadtstraßennetz der Hauptstadt Berlin von großer Bedeutung«, heißt es auf der Homepage der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. »Die Erreichbarkeit des zukünftigen Flughafens Berlin-Brandenburg und des Wissenschaftsstandorts Adlershof sowie die weiträumigen Verbindungen nach Dresden, Cottbus und Frankfurt/Oder werden damit wesentlich verbessert.«

Von den Gartennutzern ist hier ebenso wenig die Rede wie von den zwölf Mietparteien, die noch in der Beermannstraße 22 wohnen. Das Haus befindet sich im Besitz des Bundes und soll noch in diesem Herbst abgerissen werden, damit die Vorarbeiten für die A 100-Trasse beginnen können. Man habe den Mietern Angebote für Ersatzwohnungen gemacht, sagt Birgit Richter von der Senatsverwaltung. Jonas Steinert*, einer der letzten verbliebenen Mieter in der Beermannstraße, berichtet im Gespräch mit der Jungle World, dass er als Freiberufler kein großes Einkommen habe. Daher seien für ihn Ersatzwohnungen, deren Miete zwischen 65 und 120 Prozent über der Miete seiner derzeitigen Wohnung liegen, aus finanziellen Gründen nicht akzeptabel. »Für mich ist eine Erhöhung von maximal zehn Prozent der Nettokaltmiete tragbar«, schrieb Steinert an die Senatsverwaltung.

Statt einer Antwort erhielten Steinert und andere Mieter der Beermannstraße Schreiben, in denen die Senatsverwaltung die Enteignung der Mieter ankündigt. »Ich teile Ihnen mit, dass ich zur Wahrung unserer Interessen in Kürze bei der zuständigen Behörde die vorzeitige Besitzeinweisung und die Enteignung des Mietrechts beantragen werde«, heißt es in den der Jungle World vorliegenden Briefen. Steinert musste sich von einem Rechtsanwalt erklären lassen, dass ihm damit mitgeteilt werde, dass nach Paragraph 116 des Baugesetzbuchs gegen ihn vorgegangen werden soll und er dadurch zahlreiche Rechte, die er als Mieter gegen eine Kündigung hat, verliert.

»Durch die Besitzeinweisung wird dem Besitzer der Besitz entzogen und der Eingewiesene Besitzer. Der Eingewiesene darf auf dem Grundstück das von ihm im Enteignungsantrag bezeichnete Bauvorhaben ausführen und die dafür erforderlichen Maßnahmen treffen«, heißt es in dem Gesetz. Eine vorzeitige Besitzeinweisung dürfe allerdings nur getroffen werden, wenn die »Maßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten« ist, heißt es dort weiter. »Wir sollen für den Bau einer Autobahn, die in Berlin äußerst umstritten ist, aus unseren Wohnungen fliegen«, moniert Karl Pfeiffer. Der Endfünfziger wohnt im Vorderhaus der Beermannstraße. Er sei immer an Verhandlungen interessiert gewesen und lehne auch einen Auszug nicht generell ab.

»Wir sind doch für die Senatsverwaltung nur lästige Verwaltungsakte, die schnell verschwinden sollen. Wenn solche Töne aus der Senatsverwaltung kommen, sagen wir, das lassen wir mit uns nicht machen«, sagt Pfeiffer. Die letzten verbliebenen Mieter sind besonders empört, dass in den Schreiben der Senatsverwaltung eine Räumungsaufforderung der Wohnungen bis zum 31. Oktober enthalten ist. Als Drohung ohne jegliche Grundlage bezeichnet Steinert diesen Passus, den er daher auch nach juristischer Beratung ignoriert hat. Ihn empört, dass der Senat eine solche Drohkulisse aufbaut und damit Angst bei den Mietern erzeugt. Zumal die Senatsverwaltung in dem Schreiben auch betonte, dass sie zur Bereitstellung von Ersatzwohnungen nicht verpflichtet sei. Das klang am 16. Januar 2014 noch ganz anders. Damals erklärte der zuständige Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller (SPD), auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (Grüne) zu den sozialen Folgen der Verlängerung der A 100 im Berliner Abgeordnetenhaus: »Im Zusammenhang mit den zuständigen Verwaltungen der Grundstücke … werden insbesondere die Mieterinnen und Mieter unterstützt, bei denen sich die Wohnraumsuche aus privaten Gründen schwierig gestaltet.«

Die verbliebenen Mieter wollen Müller, der gerade kurz vor seinem nächsten Karriereschritt steht, nun an diese Versprechungen erinnern. Nach der parteiinternen Abstimmung hat die Mehrheit der Berliner SPD-Mitglieder Müller zum Nachfolger des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit bestimmt. »Das Thema A 100 spielte parteiintern bei der Abstimmung keine Rolle«, bedauert Mieter Steinert, der extra in die SPD eingetreten ist, um deutlich zu machen, dass das Thema A 100 noch nicht abgehakt sei. Doch er hatte nicht die Gelegenheit, einen dazu vorbereiteten Redebeitrag zu verlesen. Darin hätte er sicher auch daran erinnert, dass Müller neben Wowereit bereits zu einer Zeit, als das Bauvorhaben auch innerhalb der Berliner SPD noch umstritten war, zu einem der vehementesten Befürworter des Autobahnbaus gehörte. Eine Mehrheit für den Ausbau der A 100 kam damals nur zustande, weil Wowereit seine politische Zukunft daran knüpfte. Müller steht also für Kontinuität.

Berthold Kreutz*, ebenfalls ein Mieter der Beermannstraße, kann nur darüber lachen, dass Müller nach seiner parteiinternen Kür zum Nachfolger von Wowereit von der Berliner Boulevardpresse überschwänglich dafür gelobt wurde, dass er seinen Sieg ganz bescheiden mit einer Pizza feierte und sich, anders als sein Vorgänger, in den Imbissbuden der Hauptstadt auskenne. »Mich interessiert nicht, ob ein Regierender Bürgermeister Kaviar isst, sondern wie er mit Mietern mit wenig Geld umgeht«, kommentiert Kreutz diesen Populismus.

Die verbliebenen Mieter der Beermannstraße erhalten Unterstützung von der Treptower Stadtteilinitiative »Karla Pappel«, die in den vergangenen Jahren den Zuzug von Baugruppen in den Stadtteil und die Folgen für die einkommensschwache Bevölkerung thematisierte. Im Film »Die Verdrängung hat viele Gesichter«, der seit Oktober in zahlreichen Berliner Programmkinos läuft, wird diese Auseinandersetzung gut dokumentiert. Für die Mieter der Beermannstraße ist ihre drohende Verdrängung auch mit dem Gesicht des designierten Regierenden Bürgermeisters Michael Müller verbunden. Dessen Vorzimmer wurde bereits am 19. Oktober, einen Tag nach der Urabstimmung der Berliner SPD, bei der sich Müller gegen seine Konkurrenten um das Amt des Bürgermeisters, Jan Stöß und Raed Saleh, durchsetzte, von A 100-Gegnern für einige Stunden besetzt.

Namen von der Redaktion geändert

http://jungle-world.com/artikel/2014/45/50858.html

Peter Nowak

Senat setzt Mieter unter Druck

STADTAUTOBAHN Die letzten Mieter der Beermannstraße 22 wurden vom Senat aufgefordert, ihre Wohnungen bis morgen zu verlassen. Das Haus soll dem Bau der A 100 weichen

Jonas Steinert (Name geändert) ist nervös. Der Unternehmer hat eine Mail von einer Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bekommen. Darin wurde ihm am 17. Oktober mitgeteilt, dass er seine Wohnung in der Beermannstraße 22 in Berlin-Treptow verlassen soll – bis zum 31. Oktober.

Das geräumige Gebäude mit Vorder- und Hinterhaus soll der Stadtautobahn A 100 weichen, es ist im Besitz des Bundes und wird von der Senatsbehörde verwaltet. Jahrelang haben sich die MieterInnen gegen den Abriss gewehrt und stießen dabei durchaus auf Sympathie in der Öffentlichkeit. Selbst in der SPD war der Autobahnbau äußerst umstritten. Nachdem sich auf Druck von Klaus Wowereit eine Mehrheit für die A 100 aussprach und das Projekt alle juristischen Hürden genommen hatten, fügten sich viele der HausbewohnerInnen in das scheinbar Unvermeidliche und zogen aus.

Doch zehn Mietparteien denken nicht ans Packen. Steinert gehört zu ihnen. Ihm wurde bereits vor einem Jahr gekündigt. „Aber ich habe Widerspruch eingelegt“, empört sich Steinert. Doch gab es darauf keine Reaktion von den Eigentümern und auch keinen Gerichtstermin. Stattdessen kam nun die Aufforderung, die Wohnung bis Monatsende zu räumen, ohne dass dafür ein Rechtstitel genannt wurde. Steinert hält das Schreiben für einen Versuch, die letzten MieterInnen in der Beermannstraße 22 unter Druck zu setzen.

„Wir sind doch für die Senatsverwaltung nur eine lästige Verwaltungsakte“, moniert auch Steinerts Nachbar Klaus Pfeiffer (Name geändert). Der Endfünfziger wohnt im Vorderhaus und schließt einen Umzug generell nicht aus. „Wir sind an Lösungen interessiert, aber wenn solche Töne aus der Senatsverwaltung kommen, lassen wir das nicht mit uns machen“, sagt Pfeiffer.

Grund für seinen Zorn ist ein weiteres Schreiben aus der Behörde des künftigen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller an die letzten MieterInnen des Hauses. „Ich teile Ihnen mit, dass ich zur Wahrung unserer Interessen in Kürze bei der zuständigen Behörde die vorzeitigen Besitzeinweisung und die Enteignung des Mietrechts beantragen werde“, heißt es dort. Laut Paragraf 116 Baugesetzbuch können Mietern einer Wohnung, ihre Rechte genommen werden, wenn „die sofortige Ausführung der beabsichtigten Maßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten“ ist. Damit der Beschluss gilt, ist eine mündliche Verhandlung aber zwingend vorgeschrieben.

Die letzten MieterInnen bekommen nun Unterstützung von Umwelt- und Stadtteilinitiativen. Ende September organisierten sie gemeinsam mit Robin Wood und der Treptower Stadtteilinitiative Carla Pappel ein Hoffest.

Stadtentwicklungssenator Michael Müller hatte am 14. Oktober im Berliner Abgeordnetenhaus den MieterInnen der Beermannstraße 22 Unterstützung zugesagt, „bei denen die Wohnungssuche aus privaten Gründen schwierig wird“. Mieter Steinert sagt, dass ihm bereits Wohnungen angeboten wurden. Allerdings seine diese 70 bis 120 Prozent teurer gewesen. Das könne er sich nicht leisten.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F30%2Fa0198&cHash=912d07986bcbca40ba819476c6815de1

Peter Nowak

Hausbesuch bei Müller

A100 Der angehende Regierende Bürgermeister bekam Besuch umwelt- und stadtpolitischer Gruppen

Stadtentwicklungssenator Michael Müller ist nach seiner Wahl zum Wowereit-Nachfolger ein gefragter Mann. Doch die kleine Gruppe, die ihm in seinem Amtssitz am Fehrbelliner Platz am Montag einen unangekündigten Besuch abstattete, wollten ihm keine Glückwünsche überbringen. Zwölf Mitglieder aus umwelt- und stadtpolitischen Gruppen übergaben einen Forderungskatalog zu der heftig umstrittenen A100.

Müllers persönliche Referentin Katharina Jentsch und der Senatsmitarbeiter Robert Drawnicki nahmen anstelle des verhinderten Senators den Brief entgegen. Zu den Forderungen gehörte die Rücknahme der Strafanträgen gegen fünf Baumbesetzer des „Aktionsbündnisses A100 stoppen“. Sie hatten im Winter 2014 mehrere Bäume besetzt, die der Autobahntrasse zum Opfer fallen sollten. Nach der Räumung am 3. Februar erstattete die für das Bauvorhaben zuständige Behörde Anzeige gegen sie wegen Hausfriedensbruch. Die Aktivisten erhielten Strafbefehle in Höhe von bis zu 900 Euro, gegen die sie Widerspruch einlegten.

„Mit der Rücknahme der Anzeige können Sie deutlich machen, dass AutobahngegnerInnen keine Kriminellen sind“, erklärte Sven Lindner den Senatsmitarbeitern. Die blieben im Ton freundlich, in der Sache aber unverbindlich – man werde die Forderung weiterleiten.

Auch was weitere Anliegen angeht, blieb es beim Austausch von gegensätzlichen Standpunkten. Die Treptower Stadtaktivistin Karin Schuster warf der Senatsbehörde vor, Treptower Mieter und Kleingärtner enteignen zu wollen, um den Bau der umstrittenen Autobahn voranzutreiben.

Zehn Mieter in den Häusern Beermannstraße 20-22 hatten Briefe erhalten, in denen eine vorzeitige Besitzeinweisung ankündigt wurden. Mit dieser im Baurecht bei Projekten „des besonderen öffentlichen Interesses“ zulässigen Maßnahme verlieren die Mieter zahlreiche Rechte. Bisher sei eine vorzeitige Besitzeinweisung im Zusammenhang mit dem Bau der A100 gegen mehrere Gewerbetreibende erlassen worden. Nun seien erstmals Mieter davon betroffen.

Bevor die Aktivisten die Behörde verließen, kündigten sie an, dass der angehende Regierende Bürgermeister Müller – der sich SPD-intern stets für den Bau der A100 starkgemacht hatte – auch künftig mit Protesten vor Ort rechnen müsse. „Wenn er dachte, der Bau der A100 wäre kein Protestthema mehr“, erklärte Schuster zum Abschied, „hat er sich getäuscht.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F21%2Fa0118&cHash=665ec2b37b0fb

Peter Nowak