93 Schilder, 93 Orte

Debatte um Straßennamen in Friedrichshain, die an polnische Städte erinnern

Soll die Grünberger Straße in Friedrichshain künftig Zielona Góra Straße heißen? Dieser Frage widmete sich eine Diskussion am Donnerstagabend.

In der Alten Feuerwache in Friedrichshain-Kreuzberg ist noch bis zum 20. September ein Teil der Ausstellung »93 Straßenschilder« zu sehen. Die Schilder von neun Straßen, die die deutschen Namen von Städten tragen, die heute in Polen liegen, sind mit pinkfarbenen Klebefolien markiert, auf denen in deutsch und polnisch Kurzinformationen über die Stadt zu finden sind. Am Donnerstagabend widmete sich eine Diskussionsrunde der Frage, ob die Grünberger Straße umbenannt werden sollte nach Zielona Góra.

Zu Beginn der Diskussion berichtete die Historikerin Nancy Waldmann, dass die Straßen vor nun mehr 140 Jahren nach den Herkunftsorten der Arbeitsmigranten aus Schlesien und Ostpreußen benannt wurden, die sich damals in der Umgebung des Schlesischen Bahnhofs niederließen. Der wurde in der DDR zum Ostbahnhof. Auch ein Teil dieser Straßen wurde bis 1951 umbenannt. Die neun Namen blieben nach Meinung Waldmanns wohl deshalb erhalten, weil es sich um eher kleinere Städte handelte. Die polnische Historikern Marta Bakiewicz vom deutsch-polnischen Forschungsinstitut bescheinigt der jüngeren Generation Polens ein verstärktes Interesse an deutscher Geschichte. So führt eine junge Punkband aus Zielona Góra den Namen Grünberg in ihrem Namen. Marta Bakiewicz hatte die Frage, ob die Grünberger Straße den Namen Zielona Góra tragen soll, auf polnisch im Internet verbreitet, bekam aber kaum Reaktionen.

Die Wissenschaftlerin selbst bejaht die Frage. »Es wäre eine Anerkennung für die vielen Menschen aus Polen, die heute in Berlin wohnen«, so ihre Begründung. Sie schlug vor, nur einen Teilbereich der Straße umzubenennen. Martin Düspohl vom Friedrichhain-Kreuzberg Museum regte an, mit Schildern an die heutigen Namen der Städte zu erinnern. Zuhörer im Publikum waren sich einig darin, dass es weniger um die Umbenennung sondern um die Diskussion über die Straßennamen gehe. Anfang der 90er Jahre habe sich ein Stadtteilladen in der Grünberger Straße nach Zielona Góra benannt. »Es ist damals um eine Positionierung angesichts des nationalistischen Taumel gegangen«, meinte ein Teilnehmer. Weitere Termine finden sich hier: 93strassenschilder.de

Peter Nowak

Revanchistische Straßenschilder

»Grünberger Straße, ehem. Rominter Straße, geänd. 1936«. Dieser Satz steht auf einer pinkfarbenen Folie, die seit einer Woche an den Schildmasten in der gleichnamigen Straße im Berliner Stadtteil Friedrichshain kleben. An anderen Straßenecken werden wir über die Anzahl der McDonald’s-Filialen in Zielona Góra, wie Grünberg seit über 60 Jahren heißt, informiert.

»93 Straßenschilder« lautet der Titel einer Intervention im öffentlichen Raum. Es geht um neun Straßen in Friedrichshain, die noch immer die deutschen Namen polnischer Städte tragen. In Schulatlanten wurden die Städtenamen sehr zum Verdruss der Vertriebenenverbände vor Jahrzehnten aktualisiert. Anfang der neunziger Jahre wurde hingegen mit der Kadiner Straße der deutsche Name von Kadyny neu ins Berliner Straßenbild eingefügt. Schon vor zwei Jahrzehnten wurde auch in Friedrichshain die Debatte um die Umbenennung vor allen in der Besetzerbewegung geführt. Damals hat sich der Stadtteilladen in der Grünberger Straße den Namen Zielona Góra gegeben. Ob bald der Name des Ladens und der Straße übereinstimmen werden, ist aber noch unklar. Am 3. September soll im Galerieraum Alte Feuerwache über eine Umbenennung der Grünberger Straße diskutiert werden. Bereits vor der offiziellen Eröffnung der Aktion haben Rechte einige Folien abgerissen und NPD-Aufkleber hinterlassen. Dabei sind manche der Texte zur Intervention selber nicht gerade kritisch gegenüber dem Revanchismus. So wird behauptet, die deutschen Namen hielten den Gedanken an ein multikulturelles Europa wach. Und während auf einem Straßenschild erwähnt wird, wie viele Einwohner von Grünberg sich nach der Niederlage Nazi-Deutschlands das Leben nahmen, sucht man die Zahl der deportierten Juden und den Prozentsatz der NSDAP-Mitglieder in dem Ort vergeblich.

http://jungle-world.com/artikel/2015/34/52534.html

Peter Nowak