Rechte wollen am 17. Juni demonstrieren

Pegida bis AfD rufen zum »nationalen Gedenktag« auf

Rechte wollen am Sonntag bundesweit auf die Straßen gehen. In neun Städten sind bisher Demonstrationen geplant. Die Initiative ging von den Rechtspopulisten Michael Stürzenberger und Thomas Böhm aus, beide waren in der mittlerweile aufgelösten rechten Kleinstpartei »Die Freiheit« aktiv. Sie verteilten einen Aufruf unter dem Motto »17. Juni 2018 – Tag der Patrioten – Eine Republik geht auf die Straße«. In dem Text werden verschiedene Städte aufgezählt, wo in den vergangenen Monaten rechte Demonstrationen stattgefunden hatten – von Dresden über Cottbus bis Kandel.

»Diese Bewegung gilt es zu kanalisieren und zu noch mehr Durchschlagskraft zu verhelfen«, benennt das rechte Duo das Ziel des Aktionstages. Dieser wird im rechten Duktus als »Kampftag gegen eine Entdemokratisierung unseres Landes im System Merkel« bezeichnet. Man wolle »den symbolträchtigen 17. Juni« in diesem Jahr zu einem Tag des Widerstandes auf der Straße machen, heißt es in dem Aufruf weiter. »Wie damals, als die Bürger der DDR gegen ihr totalitäres Regime protestierten, sollen die Menschen jetzt in ihren Städten und Gemeinden zeigen, dass es so nicht mehr weitergehen kann.«

Mobilisiert wird vor allem über das Internet. Mehrere rechte Blogger rufen in einem Mobilisierungsvideo zur Beteiligung an den Protesten auf. Ein zentrales Thema gibt es jedoch nicht. Die organisierenden Gruppen vor Ort sollen die Themenfelder aussuchen, die jeweils mobilisierungsfähig sind. Das könne der Widerstand gegen einen Moscheebau ebenso sein, Gewalt auf der Straße Straße, die Flüchtlingspolitik oder das Netzwerkdurchsetzungsgesetz.

Die Resonanz auf den Aufruf dürfte dementsprechend von Stadt zu Stadt variieren. In Berlin gelingt es etwa dem für die Aktion verantwortlichen »Merkel muss weg«-Bündnis nicht, über den harten Kern hinaus Menschen zu mobilisieren. Anders sieht es in Dresden und Cottbus aus, wo mit »Pegida« und »Zukunft Heimat« Gruppen für die Proteste Verantwortung tragen, die mobilisierungsfähig sind. In Rathenow ruft das »Bürgerbündnis Havelland« zu den Demonstrationen auf. In Salzgitter mobilisiert die örtliche AfD unter dem Motto »Unser Land – unsere Heimat«.
In Mödlareuth an der bayerisch-thüringischen Grenze gehört neben weiteren Parteifunktionären der AfD-Landesvorsitzende von Thüringen, Björn Höcke, zu den Redner_innen. »Packt Eure Deutschlandfahnen ein und kommt nach Mödlareuth«, heißt es in einem Aufruf . Gegner_innen haben sich zum »Dreiländereck«-Bündnis zusammengeschlossen und rufen zu Protesten auf.

Es ist nicht das erste Mal, dass der 17. Juni von extremen Rechten zum »nationalen Gedenktag« ausgerufen wird. Schon Ende der 1970er Jahre lud die NPD an diesem Tag zu Demonstrationen nach Frankfurt am Main. Es gab damals eine starke Gegenbewegung, an der sich auch Verfolgte des Naziregimes und KZ-Überlebende beteiligen. Am 17. Juni 1979 wurden die antifaschistischen Gegenaktionen von der Polizei mit Wasserwerfern aufgelöst, was zu Protesten im In- und Ausland führte. Später hatten auch die rechten Republikaner den 17. Juni als ihren »nationalen Feiertag« entdeckt. Daran wollen nun die AfD und ihre Bündnispartner in diesem Jahr anknüpfen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1091236.rechte-wollen-am-juni-demonstrieren.html

Peter Nowak

Im Bündnis mit dem Militär

Historiker Malte Meyer über Gewerkschaften und Militär und warum sich Kriegsgegner besser nicht um eine Friedensresolution auf einem Gewerkschaftstag bemühen sollten

Malte Meyer studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Marburg und stieg über die dortige »Arbeitsgemeinschaft für gewerkschaftliche Fragen« in die Bildungsarbeit ein. Gerade erschien sein Buch »Lieber tot als rot. Gewerkschaften und Militär in Deutschland seit 1914« in der Edition Assemblage. Mit dem 43-jährigen Historiker sprach Peter Nowak.

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17. Juni 1953 – Sozialrevolte oder deutscher Aufstand?

Zum 60. Jahrestag ist der Aufstand vom 17. Juni wieder in der Diskussion

Sind die Jungen Liberalen Nordberlin in den militanten Untergrund gegangen? Diese Frage stellt sich, nachdem sich diese bisher wenig bekannte FDP-nahe Jugendorganisation mit der Sprengung des Thälmann-Denkmals in Berlin-Mitte in die Schlagzeilen gebracht hat.

Natürlich handelte sich nur um eine symbolische Aktion, mit der die FDP-Jugend deutlich machen wollte, dass 22 Jahre nach dem Ende der DDR ein Denkmal für einen KPD-Vorsitzenden in Berlin auch dann nichts verloren hat, wenn er von den Nazis ermordet wurde.

Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten fand die Aktion allerdings gar nicht witzig und erinnerte daran, dass in den letzten Jahrzehnten verschiedene Alt- und Neonazis mit versuchten Anschlägen auf solche Denkmäler aufgefallen waren und verweist auf eine gerne vergessene Geschichte der frühen FDP.

„Ein Unterwanderungsversuch der FPD durch Altnazis wurde in der Nacht zum 15. Januar 1953 auf Veranlassung der Alliierten durch fünf Verhaftungen von Mitgliedern der sogenannten ‚Gruppe Naumann ‚ gestoppt. Insoweit zeigt sich das Sprengkommando der Berliner Julis, die das Thälmann-Denkmal ’symbolisch‘ in die Luft jagen wollen, durchaus traditions- und geschichtsbewusst „, so die VVN-BdA in einer Pressemitteilung.

Arbeiter- oder Volksaufstand ?

Dass vor 60 Jahren die Alliierten einen Nazivorstoß in der FDP verhinderten, ist im deutschen Jubiläumskalender vergessen und hatten auch die Julis wohl nicht im Sinn. Ihnen ging es mit ihrer Sprengaktion um ein anderes Jubiläum, um das es wieder viel Streit gibt. War der 17. Juni 1953 nun ein Arbeiteraufstand, wie es antikapitalistische Linke in Ost und West seit Jahren behaupten, oder doch ein Aufstand des „geknechteten deutschen Volkes im Osten“?

Diese von Konservativen schon immer vertretene Version scheint sich jetzt mehr und mehr durchzusetzen. Auch in der taz wird die Version des 17.Juni als Arbeiteraufstandes von einem Historiker als „linke Version“ abgekanzelt. Zuvor hatte schon Bundespräsident Gauck in seiner Rede deutlich gemacht, dass er den 17. Juni als nationale Freiheitsbewegung und keinesfalls nur als Arbeiteraufstand verstanden wissen will.

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Beauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn, der gleich vorschlägt, den 17. Juni wieder zum bundesweiten Nationalfeiertag zu erklären und dafür den 3.Oktober zu streichen.

Doch die Stilisierung des 17.Juni wirft Fragen auf, der sich kürzlich eine Diskussionsrunde in Leipzig widmete. „17 Juni – Sozialrevolte oder Aufstand der TäterInnen?“, hieß es dort. Es müsste eigentlich eine berechtigte Frage sein, wie demokratisch 7 Jahre nach dem Ende des Naziregimes dieser deutsche Aufstand war? Wenn es den Akteuren so sehr um Freiheit gegangen ist, wie heute Politiker aller Couleur behaupten, warum haben sie dann nicht vor 1945 schon ihre Loyalität zum Regime verweigert? Oder hat sie an der politischen Unterdrückung vor allem gestört, dass sie von Kommunisten und Sozialisten ausgeübt wurde?

Jüdische NS-Überlebende, auch wenn sie keine Kommunistin waren, haben zumindest diesen deutschen Aufstand damals eher mit Befürchtung entgegengesehen. Und ob der Ironiker Bert Brecht mit seinen vielzitierten Bonmot zum 17. Juni, die SED solle sich ein neues Volk wählen, wirklich die Nominalsozialisten und nicht das Volk kritisieren wollte, ist gar nicht ausgemacht.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154459
Peter Nowak