Italien vor faschistischen Angriffen bewahrt?

Angeblich hat eine neofaschistische Gruppe Anschläge gemäß einer Strategie der Spannung geplant

Nach Berichten zahlreicher italienischer Medien[1] verhinderte eine Spezialeinheit der italienischen Polizei in letzter Minute eine massive Anschlagswelle faschistischer Kräfte. Bei einer landesweiten Razzia wurden 50 Gebäude durchsucht, 14 als Rädelsführer bezeichnete Personen verhaftet und gegen 44 weitere Ermittlungen eingeleitet. Durch abgehörte Telefonate sei die Polizei zu dem Schluss gekommen, dass die Neofaschisten während der Weihnachtstage mit ihren Aktionen beginnen wollten und hat daher mit der Razzia womöglich ein größeres Blutbad verhindert.

Die rechte Gruppe Avanguardia Ordinovista (Avantgarde der neuen Ordnung) habe zeitgleich mehrere Politiker und hohe Justizbeamte ermorden wollen. Zudem waren Attentate gegen Bahnhöfe, Banken, Polizeistationen, Präfekturen und Dienstgebäude der Steuereinzugsbehörde Equitalia geplant. Mit diesen Aktionen sollte eine Strategie der Spannung erzeugt werden. In der Öffentlichkeit sollten die Rufe nach einer neuen Ordnung laut werden.

Die Neofaschisten sollen die Gründung einer Partei geplant haben, die diese Forderungen aufnehmen und durch Wahlen an die Macht kommen wollte, wo sie dann eine neue faschistische Ordnung aufbauen wollte. Sollte diese langfristige Strategie wirklich das erklärte Ziel gewesen sein, dann würde das eine strategisch arbeitende Gruppierung voraussetzen.

Noch viele Fragen offen

Noch ist unklar, ob es sich bei diesen Plänen um die Wunschphantasien einer kleinen Gruppierung handelte oder ob sie personell und logistisch in der Lage gewesen wäre, diese Ziele zumindest teilweise umzusetzen. Die Fragen stellen sich auch zu den geplanten Anschlägen. Wie weit waren die konkreten Vorbereitungen tatsächlich gediehen? Welche Rolle spielten bei den Plänen die in die Gruppe eingeschleusten Polizeiagenten, wird auch eine weitere wichtige Frage sein. Eine Klärung ist schon deshalb wichtig, um realistisch einschätzen zu können, welche reale Gefahr diese faschistische Gruppierung darstellte und um Verschwörungstheorien vorzubeugen, nach der die gesamte Aktion ein Manöver in- oder ausländischer Geheimdienste war.

Doch die aufgeflogene Gruppe zeigt auf jeden Fall, dass es auch in Italien weiterhin einen faschistischen Untergrund gibt, der vor terroristischen Methoden nicht zurückstreckt.

Erinnerung an die 70er Jahre

Erst Anfang Dezember war in Rom eine rechte Gruppierung mit Mafiakontakten nach längeren Ermittlungen ausgehoben[2] worden. Unter den dabei Festgenommenen befindet sich mit Massimo Carminati[3] eine wichtige Figur der faschistischen Terrornetzwerkes der 70er Jahre. Sozialisiert in der neofaschistischen MSI setzte er bald auf Gruppen, die nach dem Vorbild von Mussolini die Macht im Staat erobern wollten.

Carminati war in der faschistischen Nuclei Armati Rivoluzionari[4] aktiv und galt als Verbindungsmann zur Mafia. Nach seiner Verurteilung zu einer längeren Haftstrafe tauchte er unter und kehrte erst einige Jahre später wieder nach Rom zurück. Dort regierte damals Gianni Alemanno[5], ein alter Freund aus faschistischen Jugendzeiten als Bürgermeister.

Alemanno, der Teil von Berlusconis Rechtskoalition war, machte nie einen Hehl daraus, dass er weiter zu seiner Überzeugung aus den Jugendjahren steht. So förderte er in seiner Regierungszeit mit der Casa Pound[6] das Zentrum einer modernisierten extremen Rechten[7], die mittlerweile an Schulen und Universitäten Einfluss haben. Immer wieder gehen die Anhänger des Casa Pound und ihres Umfeldes gegen Roma vor. So verhinderten[8] sie mit einer Blockade, dass Romakinder eine öffentliche Schule besuchen konnten.

Mit dem Niedergang der Ära Berlusconi wurde auch Alemanno in Rom als Bürgermeister abgewählt. Seitdem taucht er auch wieder auf faschistischen Demonstrationen auf und wird von seinen rechten Freunden gebührend begrüßt.

Rechte suchen nach Ende von Berlusconi neue Perspektiven

Dass innerhalb weniger Woche gleich zwei rechte Gruppierungen in Italien aufgeflogen sind, ist auch eine Konsequenz des Endes der Berlusconi-Ära. Die Faschisten können nicht mehr damit rechnen, dass ihr Treiben ignoriert wird. Zudem scheinen sich einige Gruppen nach dem Ende der Berlusconi-Ära wieder mehr auf die Untergrundmethoden der 70er Jahre zu besinnen. Schließlich muss für die rechten Strategen klar geworden sein, dass sie bis 2011 Teil des von Berlusconi geschaffenen Machtblockes waren, der Italien innen- und wirtschaftspolitisch stark geprägt hat.

Doch einen längerfristigen Machterhalt konnte die Rechte nicht erreichen. Pläne eines Staatsumbaus, wie sie Berlusconi und seine ultrarechten Unterstützer vermehrt in der letzten Phase ihrer Regierung propagierten, konnten nicht umgesetzt werden. Daran ist der rechte Herrschaftsblock mit dem Abgang von Berlusconi zerbrochen. Während die Lega Nord[9] nun offen den Front National aus Frankreich kopiert, mit dem sie im Europaparlament kooperiert, und auch in Italien eine starke Rechtspartei anstrebt, scheinen andere Rechte zur terroristischen Strategie der späten 60er und frühen 70er Jahre zurückzukehren.

Da trifft es sich gut, dass der Hamburger Laika-Verlag in wenigen Wochen ein Filmbuch zu den Ereignissen in Italien mit bisher in deutscher Sprache selten zugänglichen Filmen herausgibt. Der erste Band unter dem Titel „Verdeckter Bürgerkrieg und Klassenkampf in Italien“[10] behandelt die 60er Jahre und ist bereits erschienen. Herzstück des zweiten Bandes ist der Film „12. Dezember“[11], den Pier Paolo Pasolini gemeinsam mit der linken Gruppe Lotta Continua erstellt hat. Er thematisiert das faschistische Attentat vom 12.Dezember 1969 auf die Landwirtschaftsbank von Mailand, bei dem 17 Menschen getötet und 88 verletzt wurden.

Die Aktion wurde zunächst Anarchisten in die Schuhe geschoben. Als Giuseppe Pinelli[12], einer der verhafteten Anarchisten, bei einem Sturz aus dem 3. Stock des Mailänder Polizeipräsidiums starb und offiziell behauptet wurde, es sei ein Selbstmord und ein Schuldbekenntnis gewesen, wuchs die Empörung in großen Teilen der italienischen Öffentlichkeit. Der Film zeigt, wie in Italien der Schock nach dem Terroranschlag und der Repression der Wut und Empörung wich. Der Film „12. Dezember“ galt seit Jahren als verschollen. Nun hat der Laika-Verlag die einzige Kopie des Filmes gefunden, die 1972 auf der Berlinale gezeigt wurde. Einen Verleih hatte der Film nie gefunden[13]. Niemand konnte ahnen, dass er nun durch die Ereignisse in Italien nicht nur von dokumentarischem Wert ist.

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43722/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.internazionale.it/notizie/2014/12/22/sette-cose-da-sapere-sull-inchiesta-sul-gruppo-neofascista-avanguardia-

[2]

http://www.sueddeutsche.de/politik/rom-versunken-im-mafia-sumpf-1.225725

[3]

http://espresso.repubblica.it/attualita/2014/12/23/news/gianni-letta-e-la-rete-di-massimo-carminati-1.193106

[4]

http://www.repubblica.it/2007/04/sezioni/cronaca/strage-bologna-ciavardini/strage-bologna-ciavardini/strage-bologna-ciavardini.html

[5]

http://duepuntozero.alemanno.it/

[6]

http://www.casapounditalia.org/

[7]

http://www.unrast-verlag.de/gesamtprogramm/allgemeines-programm/antifaschismus/casa-pound-italia-detail

[8]

http://roma.repubblica.it/cronaca/2014/11/28/news/roma_casapound_davanti_ad_alcuni_licei_stop_alle_violenze_dei_rom-101649932/).

[9]

http://www.leganord.org/

[10]

http://www.laika-verlag.de/bibliothek/verdeckter-b%C3%BCrgerkrieg-und-klassenkampf-italien-band-i

[11]

http://www.laika-verlag.de/termine/pier-paolo-pasolini-retrospektive-im-metropolis-kino/

[12]

http://www.uonna.it/caduta.htm

[13]

http://www.deutschlandradiokultur.de/riskantes-projekt-verschollene-filmkopie.1013.de.html?dram:article_id=287475