FDP-Vorsitzender Rösler angezählt

Der FDP-Parteivorsitzende findet keine deutlichen Worte zum Rücktritt Lindners

Wer erwartet hatte, dass die Erklärung des FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler eine Perspektive aus der durch den Rücktritt von Generalsekretär Christian Lindner erneut manifest gewordenen Krise der Partei erwartet hatte, sah sich getäuscht. Seine dürre Erklärung war gespickt mit Worthülsen.

So betonte Rösler, dass die Parteigremien nach vorne schauen und dass es jetzt auf Geschlossenheit in der Partei ankomme. Statt dieser Textbausteine, die zu jeder Gelegenheit wiederholt werden, hatten Journalisten erwartet, dass Rösler Aufklärung über die Hintergründe des Rücktritts liefere. Zum Streit zwischen Rösler und Lindner – der noch von dessen Vorgänger Westerwelle vorgeschlagen wurde und aus dessen Landesverband NRW kommt – schwieg sich der Parteivorsitzende ebenso aus wie über Lindners Nachfolge. Darüber solle am Freitag in den Parteigremien beraten werden. An diesem Tag will sich die Partei treffen und über das Ergebnis des Mitgliederentscheids zu den EU-Rettungsschirmen reden, dessen Prozedere zum auslösenden Moment für Linders Rücktritt wurde.

Ihm wurde angelastet, dass er schon das Scheitern der Befragung verkündet habe, bevor diese abgeschlossen war. Den gleichen Vorwurf kann aber auch Rösler selbst gemacht werden, der sich schließlich in einem BamS-Interview überzeugt zeigte, dass die Mitgliederbefragung das nötige Quorum nicht erreicht, bevor der zu Ende war. Daher bleibt der Titel des Interviews „Sind Sie nächste Woche noch Parteivorsitzender, Herr Rösler?“ auch nach den Rücktritt Lindners weiter aktuell. Zumal schon Forderungen nach dem kompletten Rücktritt des FDP-Vorstands laut werden.

Putin Rösler?

In dem BamS-Interview hatte Rösler sein Verbleiben auf seinen Posten noch an Bedingungen geknüpft: „Selbstverständlich. Wenn das Quorum scheitert, hat sich die Linie der Parteispitze und des Vorsitzenden durchgesetzt“, erklärte Rösler dort. Und wenn das Quorum doch erreicht wurde? Womöglich noch durch das Verhalten von Lindner und Rösler, die mit ihren vorzeitigen Siegesmeldungen den Eindruck erweckten, das Ergebnis stehe für sie schon fest..

In manchen Blogs wurde Rösler deswegen schon mit dem russischen Ministerpräsidenten Putin verglichen, der bekanntlich sehr eigene Vorstellungen von Wahlen hat. Doch selbst, wenn der Mitgliederentscheid das nötige Quorum verpasst hat, ist Rösler ein Parteivorsitzender auf Abruf. Spätestens nach dem nächsten Desaster der FDP bei einer Landtagswahl, vielleicht in Schleswig-Holstein, wird sein Posten wieder zur Disposition stehen.

Schließlich ist auch auffallend, dass, anders als Rösler, andere führende FDP-Politiker klare Worte zu Lindners Rücktritt fanden. So sprach die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger von einem Schock für die Partei. Führende Liberale aus NRW sehen den Parteivorstand geschwächt.

Dort, wo viele noch Westerwelle und manche gar den vor Jahren unsanft gelandeten Jürgen Möllemann nachtrauern, könnten manche nun die Schonfrist für den glücklosen Rösler für beendet erklären. Wenn der NRW-Landesvorsitzende der FDP Daniel Bahr in einem Interview nach Lindners Rücktritt selbstbewusst erklärt „Der kommt wieder“, könnte man die Frage stellen: vielleicht als Nachfolger Röslers?
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151031
Peter Nowak

Warum nicht mal die FDP besetzen?

Occupy-FDP ruft zum Entern bzw. zu einer freundlichen Übernahme der Liberalen durch einen Masseneintritt in die Partei auf

Die Tage werden kürzer und kälter und das Leben der Occupy-Aktivisten in ihren Zelten dementsprechend härter. Da scheinen einige auf die Idee gekommen zu sein, mal die FDP zu besetzen. Platz genug ist dort ja, seit die Partei in der Wählergunst zur Splittergruppe degradiert wird. Ist sie am Ende auch mathematisch das ominöse 1% in der Gesellschaft, gegen das die Occupy-Bewegung mobil macht?

Wer auf der Homepage von Occupy-FDP dazu Antworten erwartet, wird allerdings enttäuscht sein. Dort heißt es:

„Wir zeigen der FDP, was freie Märkte bedeuten. Wir übernehmen die Mehrheit der FDP und stellen sie auf ein neues Fundament. Oder wir lösen sie auf.“

Unter den Zielen wurde aus der ursprünglichen feindlichen mittlerweile die freundliche Übernahme. Als erstes wollen die Initiatoren 65.000 Mitglieder gewinnen, soviel wie die FDP bereits hat. Um auch niemanden auszuschließen, wird den potentiellen Neueintritten versichert, dass sie die FDP ja nicht wählen müssen. Zudem sollen Personen, „die einen sozial, ökologisch und ökonomisch verantwortungsvollen Kurs nicht unterstützen“, aus allen Schlüsselpositionen entfernt werden. Doch auch wenn die FDP die Besetzer nicht hereinlässt, sehen sich die Besetzer als Sieger. Am Ende des Absatzes heißt es dann fast kämpferisch: „Der Angriff auf die FDP ist also in jedem Fall erfolgreich.“

Da ist das Interview, das zwei FDP-Besetzer mit den Alias-Vornamen Guido und Philipp der Süddeutschen Zeitung gegeben haben, mehr auf das neue Zielobjekt zugeschnitten.

„Wir sind keine Anarchisten, sondern kommen aus der bürgerlichen Mitte“, bekennt Philipp. Sein Mitbesetzer ergänzt. „Wir sind keine linken Spinner, die mit Schildern auf der Straße stehen, sondern mittelständische Unternehmer, teils auch mit Familie. Was die Anonymität angeht, ist es wichtig zu betonen, dass es nicht um einzelne Köpfe, sondern um die Gemeinschaft geht.“

Bei solchen Statements fragt man sich, warum sie nicht einfach einen Mitgliedschein ausfüllen. Aber es scheint zur Zeit besonders angesagt, überall Occupy-Label dranzuheften. Die Phrasendichte im Interview reicht auch bei den Neubesetzern schon an die etablierter Politiker. So darf die Leerformel, dass der Mensch systemrelevant ist, nicht fehlen. Auch einige Kostproben ihrer männlichen Steherqualitäten haben Guido und Philipp schon abgegeben:

„Die FDP ist ein sehr sinnvoller Übernahmekandidat. Es gibt eine Regierungsbeteiligung, aber es fehlt an kompetentem Personal. Wenn Angela Merkel etwas passieren würde, wäre Philipp Rösler Kanzler – mit null Prozent Unterstützung in der Bevölkerung. Hätte die FDP Eier in der Hose, hätte sie längst aufgehört.“

Vielleicht gelingt es den Neueinsteigern damit, die Frauenquote in der FDP in Richtung Piratenpartei zu senken.

Vorbild „Projekt Absolute Mehrheit“ scheiterte

Die Frage, ob es sich hier um eine freundliche oder feindliche Übernahme handelt, ob hier Occupy-Aktivisten über den Winter ein warmes Plätzchen suchen oder gelangweilte Mittelständler ihren Parteieintritt modisch zelebrieren, dürfte bald uninteressant werden. Schließlich gibt es für die Aktion ein Vorbild.

Während des Studierendenstreiks 1998 riefen einige Berliner Bildungsaktivsten das Projekt Absolute Mehrheit aus. Auslöser war ein Taz-Beitrag des Politologen Tobias Dürr, in dem er schrieb, die Teilnehmerzahl eines überfüllten Proseminars würde genügen, um in Orts- und Kreisverbänden der etablierten Parteien neue Mehrheiten zu schaffen und andere Themen auf die Tagesordnung zu setzen.

Während vor allem die konservativen FDP-Bezirke die studentische Übernahme mit allen bürokratischen Mitteln behinderten, freuten sich andere auf den Zulauf. Nach einigen Monaten haben die Organisatoren ihr Projekt offiziell für gescheitert erklärt. Der Initiator wechselte zu den Grünen. Für ihre Wiedergänger 12 Jahre später stünde dann wohl die Piratenpartei bereit.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/150909
Peter Nowak

Westerwelle-Dämmerung

Landtagswahl in NRW wird der interne Burgfrieden halten
So schnell kann es gehen. Am Tag der Bundestagswahl wurde die FDP unter ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle noch als die große Siegerin gefeiert. Knapp vier Monate später sehen selbst die den Liberalen nahestehenden Medien die FDP im Sinkflug. Am Sonntag lud Westerwelle dann zu einer parteiinternen Krisensitzung, die natürlich offiziell nicht so genannt wurde. Kurs halten und die eigenen Pläne, vor allem bei den Steuersenkungen noch beschleunigen, hießen die Stichworte. Doch damit wird sich der koalitionsinterne Streit fortsetzen, bei dem die FDP momentan am meisten verliert.

Mittlerweile ist den liberalen Spitzenpolitikern klar geworden, dass es um ihre Zukunft geht. Es reicht nicht mehr, wie es Westerwelle vor einigen Tagen noch gemacht hat, als Bundesminister weiter so zu agieren, als sei er noch in der Opposition, und gleichzeitig den jetzigen Oppositionsparteien eine Kampagne vorzuwerfen. Wenn eine Partei innerhalb weniger Monate in Umfragen fast die Hälfte der Wähler weg bricht, müssen die Parteistrategen die Ursachen in erster Linie im eigenen Lager suchen.

 

Erfolg mit Leihstimmen

Dass die FDP mit dem Wahlerfolg unabhängig von ihrer späteren Politik ihren Zenit schon überschritten hatte, war Politbeobachtern klar. Denn die hohen Ergebnisse bestanden zum nicht unerheblichen Teil aus Leihstimmen aus dem christdemokratischen Lager. Diese Wähler wollten die Fortsetzung der großen Koalition verhindern und gaben dieses Mal der FDP ihre Stimme.

Daneben hat das konkrete Agieren der FDP in den letzten Wochen auch einen Teil der liberalen Stammwähler vor den Kopf gestoßen. Sie gerierte sich in der Debatte über die Gesundheitsreform und die Steuersenkungen als eine Programmpartei, die ihre Politik von ideologischen Prämissen ableitet. Ein nicht geringer Teil der FDP-Wähler sieht sich aber als ideologiefrei. Ideologisch sind im zweifelsfrei immer die politischen Gegner, vor allem die Gewerkschaften und die Grünen.

Dieser Teil der Liberalen wirft Westerwelle vor, mit der Ideologisierung der Debatte die Verwirklichung der Ziele eher erschwert zu haben. Sie sehen sich als Pragmatiker der Macht, denen es mehr um die konkreten Ergebnisse als auf die korrekte ideologische Begründung ankommt. Sie kreiden der FDP an, ihre Rolle als Regierungspartei noch nicht gefunden zu haben. Diese Kritik kommt auch aus der FDP selber und dürfte deshalb von der gegenwärtigen Parteiführung besonders ernst genommen werden. Denn hier könnte sich ein zukünftiger innerparteilicher Konflikt auftun, an dem Westerwelle sicher kein Interesse hat.

 

Erinnerung an J.W.Möllemann

Dabei würde es auch um eine parteiintern nie geleistete Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit gehen. Es war der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann, der die Strategie der Ideologisierung der Partei gegen den Willen der an pragmatischen Politikmodellen interessierten Altliberalen vorangetrieben hatte. Zu seinen eifrigsten Unterstützern gehörte der damalige aufstrebende Jungpolitiker Westerwelle. Zeitweise wirkten beide im Kampf gegen die alte Garde aus der Kohlära wie ein Tandem.

Erst nachdem Möllemann mit dubiösen Spendentricksereien und antiisraelischen Tönen politischen und kurz danach auch physischen Selbstmord verübt hatte, war für Westerwelle der Weg an die Parteispitze frei. Möllemann wurde in kurzer Zeit zur Persona non grata. Nur die hohen Geldstrafen für die nicht angegebenen Spenden erinnern noch an seine Zeit. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Politikkonzept, das in modifizierter Form auch das von Westerwelle ist, hat es nicht gegeben. Wenn jetzt in den Medien beim Streit in der FDP auch wieder an Möllemann erinnert wird, muss das an der Parteispitze als Warnsignal aufgefasst werden.

 

Gnadenfrist für Westerwelle

Noch scheint Westerwelle parteiintern unangefochten. Seit er selber potentielle Konkurrenten wie seinen Vorgänger Wolfgang Gerhardt abservierte, gab es in der FDP keine personelle Alternative mehr. Zudem ist es Westerwelle gelungen, die Bürgerrechtsliberalen um Sabine Leutheusser-Schnarrenberger parteiintern einzubinden, die zeitweise in der FDP wie ein versprengter Haufen unter all den Wirtschaftsliberalen wirkten.

Die Kritik dürfte schnell zunehmen, wenn sich die momentane Schwäche der FDP nicht nur an Umfragewerten, sondern an Wahlergebnissen festmachen lässt. Der Wahl in NRW kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Auch dort werden der FDP hohe Verluste prognostiziert, die der schwarz-gelben Landesregierung in Düsseldorf die Mehrheit kosten könnten. Die Neuauflage eines Bündnisses zwischen SPD und Grünen wäre ebenso denkbar, wie ein schwarz-grünes Bündnis an der Ruhr. Nachdem die Grünen dort auch schon mit Wolfgang Clement regierten, gegen den Rüttgers fast schon wie ein Herz-Jesu-Sozialist wirkt, dürften sie keine großen Probleme damit haben. Wohl aber die FDP, denn jede weitere schwarz-grüne Koalition geht an ihre Existenz. Es würde sich damit eine zweite Variante einer bürgerlichen Koalition mit den auch nicht mehr ganz so jungen Linksliberalen von den Grünen etablieren.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32044/1.html

 

Peter Nowak