Mit Stempeluhr in den Unterricht

Bundesamt verschärft Kontrollmaßnahmen bei Deutschkursen für Migranten
Wie viel ist dem deutschen Staat die Integration von Einwanderern wert? Offenbar nicht viel, denn gerade die sogenannten Integrationskurse sind seit Jahren unterfinanziert. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Träger wie an die Teilnehmer hoch – und sie sollen jetzt noch erhöht werden.

Angefangen hat es mit einem TV-Bericht: Das ARD-Magazin »Report Mainz« berichtete im Sommer über angeblich lasche Anwesenheitskontrollen bei den Integrationskursen, in denen Einwanderer – teilweise verpflichtend – die deutsche Sprache erlernen. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) reagierte prompt: Seit dem 1. August muss jeder Teilnehmer von Integrationskursen neben den bisher üblichen Anwesenheitslisten in einem weiteren Papier unterschriftlich bestätigen, während der gesamten Dauer des Kurses anwesend gewesen zu sein. Zudem sollen die Lehrkräfte auf die Minute genau dokumentieren, wenn Teilnehmer den Kurs vorzeitig verlassen oder verspätet zum Unterricht erscheinen. In einem Merkblatt des BAMF werden die Träger der Integrationsmaßnahmen belehrt, wann eine Nichtteilnahme an Integrationskursen als unentschuldigt gilt. So wird die Fehlzeit eines Kursteilnehmers wegen der Teilnahme an einer Hochzeit von Verwandten oder wegen eigener Eheschließung ebenso als unentschuldigt klassifiziert wie die Teilnahme an der Beerdigung eines Verwandten ab dem zweiten Grad oder ein Wohnungswechsel. In einem Rundschreiben weist das BAMF die Träger darauf hin, dass ihnen der Widerruf ihrer Zulassung drohen kann, wenn sie die Regelungen nicht oder mangelhaft umsetzen.

Die Kontrollmaßnahmen stoßen jedoch nicht nur bei den Migranten, sondern auch bei vielen Trägern dieser Maßnahmen auf heftige Kritik. In der letzten Woche begründeten 15 Sprachschulen in einem Offenen Brief an das BAMF die Argumente für ihre Ablehnung. »In den Kursen wird so ein Klima des Misstrauens und der Entfremdung geschaffen«, monieren die Bildungsträger und warnen vor gravierenden Folgen. »Das würde die für den Lernerfolg der Kursteilnehmer essenzielle Atmosphäre des Vertrauens und der Lust am Erlernen der deutschen Sprache und der Auseinandersetzung mit der deutschen Gesellschaft zerstören.« Im Gespräch mit »nd« nennt Kay Wendel von der Berliner Sprachschule Babylonia e.V. die Kontrollmaßnahmen einen Versuch, den Kursen die Methoden einer deutschen Fabrikgesellschaft aufzuzwingen. Damit werde verkannt, dass Bildungseinrichtungen nicht nach den Kriterien von Misstrauen und totaler Kontrolle funktionieren können.

In dem Offenen Brief werden Vorschläge für eine bessere Integrationsarbeit formuliert: »Statt den irrigen Weg einer ›perfekten‹ Kontrolle zu gehen, sollte ein neues Abrechnungssystem für die Integrationskurse geschaffen werden, das die kulturellen Gepflogenheiten der Kursteilnehmer berücksichtigt und den Kursträgern ein kostendeckendes Wirtschaften ermöglicht«.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/212913.mit-stempeluhr-in-den-unterricht.html
Peter Nowak

Studentenstreik – war da was?

Bildungsproteste blieben in diesem Jahr hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück
Mehr als eine Woche nach dem bundesweiten Bildungsprotesttag fällt die Bilanz nüchtern aus. Von einem von manchen Kommilitonen erhofften Auftakt zu neuen Protesten an den Hochschulen kann keine Rede sein. Vielmehr blieben die Teilnehmerzahlen bei den Kundgebungen fast überall hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück.

Zuletzt setzten die studentischen Aktivisten auf den »Occupy«-Effekt. Doch auch die von manchen erwarteten Impulse der Occupy-Bewegung auf die Hochschulproteste waren kaum spürbar, obwohl seit Wochen der Versuch eines Brückenschlags probiert wurde. Die Versuche gehen weiter. »Occupy FU gibt nicht auf«, heißt es unverdrossen in einer Pressemitteilung einer Berliner Initiative, die mittlerweile 400 Unterschriften für den Rücktritt des Präsidenten der Berliner Freien Universität (FU), Peter-André Alt, gesammelt hat. Der hatte Mitte November die Zustimmung zur polizeilichen Räumung eines nach einer Vollversammlung besetzten Hörsaals der FU gegeben. Damit wurde erstmals seit Jahrzehnten Polizei auf den FU-Campus eingesetzt. Doch nur der emeritierte Politologie Peter Grottian wies darauf hin, dass es lange Zeit an der Uni guter Brauch war, Besetzungen als Teil der politischen Protestkultur zu tolerieren. Trotzdem erregte die Räumung weder am Campus noch außerhalb große Aufmerksamkeit. Auch die Zahl der studentischen Unterstützer der Rücktrittsforderung an Alt ist verglichen mit der Zahl der Kommilitonen eher bescheiden. Bei nicht wenigen stieß Alt gar auf Verständnis, weil er die Räumung mit der Sicherung des »störungsfreien Ablaufs des Universitätsbetriebs« begründete und dabei auch auf die räumlichen Probleme wegen der gestiegenen Zahl der Studierenden hinwies.

Das starke Anwachsen der Studierendenzahlen, das im aktuellen Semester durch die Abschaffung der Wehrpflicht begünstigt wurde, hatte aber noch vor einem Jahr bei manchen Mitorganisatoren der Bildungsproteste die Hoffnung auf wachsenden Widerstand am Campus geweckt. Im Studierendenverband »LINKE.SDS« wurde damals sogar über das Mittel eines Besetzungsstreiks diskutiert, mit dem der Universitätsbetrieb behindert werden sollte. Mittlerweile ist davon keine Rede mehr. Denn die hohen Studienanfängerzahlen, die mit oft völlig überfüllten Hörsälen, zu wenig verfügbaren Studienmaterialien und fehlenden Wohnungen für Studierende verknüpft ist, führt oft zu Anpassung und begünstigt Versuche, sich individuell im Hochschulalltag durchzuschlagen. In Zeiten, in denen es wenig Beispiele für erfolgreichen kollektiven Widerstand gibt, ist es eine erklärbare Handlungsweise.

Die studentischen Aktivisten wären gut beraten, bevor sie einen neuen Protesttag ausrufen, gründlicher über Möglichkeiten und Bedingungen erfolgreicher Hochschulproteste zu diskutieren. Die Konzentration auf eine konkrete Forderung könnte sinnvoller sein als allgemein gehaltene Appelle, wie sich in Frankfurt am Main zeigte. Dort fand die Besetzung eines leerstehenden Unigebäudes als Protest gegen die studentische Wohnungsnot breite Unterstützung, die nach der polizeilichen Räumung noch zunahm.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/211860.studentenstreik-war-da-was.html

Bundeswehr raus aus dem Klassenzimmer

»Schüler sollen aus Gewissensgründen einer Bundeswehr-Veranstaltung in den Schulen fern bleiben können. Sie werden währenddessen anderweitig beschult.« Diese Forderung ist der Kern einer Petition, die der bayerische Elternverband eingereicht hat und die in der letzten Woche im Bildungsausschuss des bayerischen Landtags beraten wurde. In der Petition wird auch gefordert, dass in dem aus Lehrern, Eltern- und Schülervertretern zusammengesetzten Schulforum entschieden wird, ob Jugendoffiziere in die Schule eingeladen werden. Bisher lag das allein in der Verantwortung der Schulleitungen.

In der Begründung der Petition wird auf den Kooperationsvertrag zwischen den Schulbehörden und der Bundeswehr verwiesen, der dem Militär Einfluss auf die politische Bildung, sowie die Aus- und Fortbildung sichert. Dagegen regt sich zunehmend bei Schüler- und Elterngruppen, aber auch der GEW Widerstand. Daher hat die bayerische Petition auch bundesweit Beachtung gefunden. Organisationen wie »terre des hommes« zeigten Interesse an der antimilitaristischen Basisarbeit, die vom bayerischen Elternverband sowie der AG »Friedliche Schule« der Münchner GEW und vielen Friedensorganisationen geleistet wird. So soll am 23. November im Münchner DGB-Haus im Rahmen der antimilitaristischen Wochen eine Podiumsdiskussion unter dem Motto »Schule und Hochschule ohne Militär« stattfinden.

Zudem hat der bayerische Elternverband einen Musterantrag entwickelt, mit den Eltern die Befreiung vom Bundeswehrunterricht erklären können. Eine solche bundesweite Initiative könnte ein Kristallisationspunkt für eine antimilitaristische Arbeit an den Bildungseinrichtungen werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/211371.bundeswehr-raus-aus-dem-klassenzimmer.html

Peter Nowak

Umkämpfte Studienplätze

Studierst Du schon oder klagst Du noch? Dieses Bonmot könnte in den nächsten Wochen auf dem Campus die Runde machen. Immer mehr Studierende versuchen, auf den Klageweg das Studienfach ihrer Wahl durchzusetzen. Diese Entwicklung ist nicht unproblematisch. Denn es sind in erster Linie Kommilitonen aus der Mittelschicht, die oft mit Unterstützung ihrer Eltern den Klageweg beschreiten. Klagen statt streiken ist aber die falsche politische Strategie. Schon haben Universitätsleitungen angekündigt, der verstärkten Klagewelle ihrerseits juristisch begegnen zu wollen. Spätestens hier wird deutlich, dass das Recht kein neutrales Instrument sondern ein umkämpfter Raum ist. Deshalb ist es auch wichtig, den Zusammenhang von juristischen Schritten und gesellschaftlichem Protest deutlich zu machen. Wenn erst die Klagemöglichkeiten eingeschränkt werden, ist es dafür zu spät.

Da können die Studierende von den Erwerbslosen lernen. Nach der Einführung von »Hartz IV« ist die Zahl der Klagen vor den Sozialgerichten sprunghaft gestiegen. Das ist auch eine Spätfolge der Proteste gegen »Hartz IV«. Für eine emanzipative Studierendenbewegung könnte die Klagewelle also der Anlass sein, auf die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens hinzuweisen und dagegen Protest zu mobilisieren. Auch das Onlineportal www.einklage.de, das von Studentenvertretungen aus Berlin und Brandenburg eingerichtet wurde, ist eine begrüßenswerte Entwicklung hin zum Weg zu mehr Chancengerechtigkeit beim individuellen Kampf um einen Studienplatz. Dort gibt es Tipps und Informationen für das Prozedere des Einklagens. So können auch Studierende ohne viel Geld im Hintergrund zu ihren Recht kommen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/208849.umkaempfte-studienplaetze.html

Peter Nowak

Freie Schulen – eine Alternative?

Schule geht auch anders, lautet der inoffizielle Leitspruch der bundesweit 85 Freien Alternativschulen mit knapp 5700 Schülern, die sich am kommenden Wochenende in Berlin treffen. Diese Woche wurde auf einer Veranstaltung der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiterunion (FAU) diskutiert, ob diese Schulen eine Alternative zum bisherigen Bildungssystem sind. Bei der selbstkritischen Debatte kamen nicht nur die Pluspunkte, wie flache Hierarchien, ein egalitärer Anspruch und basisdemokratische Entscheidungsstrukturen, zur Sprache. Dass die dort angestellten Lehrer ca. ein Drittel weniger als ihre Kollegen an staatlichen Schulen verdienen, liegt primär an den von dem Pädagogen Oliver Horn kritisierten staatlichen Förderkriterien. Trotzdem möchte man in den Ruf nach dem Ende des staatlichen Bildungsmonopols nicht einstimmen. Bisher schicken überwiegend Eltern aus dem Mittelstand ihre Kinder in Freie Schulen, oft auch mit dem durchaus nicht so alternativen Hintergedanken, dass diese dort schneller und besser lernen als an staatlichen Schulen, wie Ines Philipp vom Bundesverband Freier Alternativschulen kritisch anmerkte. Sollen die Kinder aus der viel geschmähten Unterschicht also sehen, wo sie bleiben?

Dass es an sozialer Sensibilität nicht fehlt, machte Nerine Buhlert vom Vorstand der Alternativschule am Berliner Mauerpark deutlich. Die wirbt gezielt – allerdings mit mäßigem Erfolg – um Kinder aus dem weniger wohlhabenden Wedding. In Bezug auf die Alternativbetriebe kam der Buchautor Arndt Neumann zu dem Fazit, sie hätten ihre politischen Ziele nicht umsetzen können, wurden aber gegen ihren Willen zum Vorreiter einer neoliberaler Deregulierung der Arbeitsbeziehungen. Um solche Effekte im Bildungsbereich zu vermeiden, sollte bei aller Unterstützung freier Schulen der Staat nicht aus der Verantwortung für eine gute Bildung für alle entlassen werden..

http://www.neues-deutschland.de/artikel/207363.freie-schulen-eine-alternative.html

Peter Nowak

Striktes Werbeverbot nicht hilfreich

Die Goethe Universität in Frankfurt am Main verzichtet in Zeiten chronisch leerer Klassen auf 130 000 Euro. So viel wollte sich der Mercedes-Konzern eine großflächige Werbung während der in der Mainmetropole tagenden internationalen Automobilausstellung vom 15. bis 25. September auf dem 116 Meter hohen AFE-Turm kosten lassen. Nachdem der Plan durch einen Bericht der »Frankfurter Rundschau« bekannt geworden war, war die Aufregung groß. Universitätssprecher Werner Müller-Esterl bekundete, wie schwer es ihm gefallen sei, den AFE-Turm, das Domizil der Frankfurter Geisteswissenschaftler, für Werbezwecke freizugeben. Auch der zuständige stellvertretende Leiter der Frankfurter Bauaufsicht, Rainer Kling, fragte sich, ob ausgerechnet an einem Unigebäude für Autos geworben werden soll. Nun hat Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) mit dem Statement »Geld ist nicht alles« Mercedes eine Absage erteilt.

Die meisten studentischen Gruppen werden ihrer OB applaudieren. Denn die haben sich kategorisch dagegen ausgesprochen, dass der AFE-Turm zur Litfaßsäule wird, wie es in einer Erklärung der Juso-Hochschulgruppe hieß. Etwas Differenzierter äußerte sich die Fachschaft Geisteswissenschaften. Auch dort wurde eine »Zweckentfremdung« des AFE-Turms und anderer Unigebäude durch Werbung abgelehnt. Aber es wurde auch daran erinnert, dass der Unicampus durch Werbung der unterschiedlichsten Art schon längst einer Fußgängerzone gleicht. Daher muss man sich schon fragen, wie sinnvoll es für linke Unigruppen ist in Zeiten, in denen Bildung zur Ware geworden ist und viele Unis ohne Sponsoren aus der Wirtschaft nicht mehr auskommen, ein striktes Werbeverbot zu propagieren? Wäre es nicht ehrlicher und auch subversiver zu fordern, die Sponsoren sollen sich durch Werbung an den Gebäuden kenntlich und damit auch kritisierbar machen?

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205782.striktes-werbeverbot-nicht-hilfreich.html

Peter Nowak

Wächst jetzt die Angst?

Bilge Gecer über Zwangsexmatrikulationen an der Universität Köln / Bilge Gecer ist Referentin für die Hochschulpolitik und Bildung beim AStA der Universität Köln

ND: Vor einigen Tagen sorgte die Exmatrikulation von 32 Studierenden an der Kölner Universität für Aufsehen. Warum wurden die Kommilitonen exmatrikuliert?

Gecer: Die Studienordnung der 32 Diplom- und Magisteranwärter war ausgelaufen. Sie hatten die Frist für die Magisterzwischenprüfung zum Ende Wintersemester 2010 / 2011 nicht eingehalten. Die Universitätsverwaltung war nicht bereit, diese Frist zu verlängern. Die Universitätsleitung hatte schon im Frühjahr die Exmatrikulationen angekündigt und in den vergangenen Tage die Bescheide rausgeschickt.

Im Frühjahr war noch von bis 1600 Kommilitonen die Rede, die von der Exmatrikulierung betroffen sind. Ist es da nicht ein Erfolg, dass sie jetzt nur bei 32 Studierenden umgesetzt wurde?

Darin kann ich keinen Erfolg sehen. Studierende sind keine Nummern. Es kommt uns auf jeden einzelnen Fall an. Zudem werden über die unmittelbar Betroffenen hinaus alle Kommilitonen unter Druck gesetzt. Die Angst vor einem Versäumen der Fristen wächst. Unter diesen Umständen erhöht sich die Gefahr, bei wichtigen Prüfungen und Klausuren zu versagen, noch zusätzlich.

Warum konnten die Studierenden die Fristen nicht einhalten?

Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Einige haben sich hochschulpolitisch engagiert, das heißt, sie haben sich für andere Kommilitonen eingesetzt; das kostet Zeit. Andere mussten nebenbei arbeiten, um sich überhaupt ein Studium leisten zu können. Auch Studierende mit Behinderungen oder mit Kind gehören zu den Exmatrikulierten.

Was bedeutet das für die Betroffenen?

Sie sind erst einmal aus der Hochschule raus. Einige von ihnen haben es vielleicht geschafft, sich an anderen Hochschulen zu bewerben, wo sie ihr Studium fortsetzen können. Aber dann müssen sie aus der Stadt wegziehen, und ob das als die beste Lösung bezeichnet werden kann, ist sehr fragwürdig. Schließlich haben sich die Studierenden zum Studienbeginn für die Universität Köln entschieden, mit der Absicht ihr Studium hier erfolgreich abzuschließen. Es wird wohl bitter: Einigen Betroffene droht wahrscheinlich die Arbeitslosigkeit als Perspektive.

Wie können sich die Gemaßregelten wehren?

Wenn die Exmatrikulation erst einmal ausgesprochen ist, ist das schwierig. Aber: Juristisch mag die Maßnahme einwandfrei sein, trotzdem ist der Umgang mit den Studierenden nicht hinnehmbar. Es handelt sich hier schließlich nicht um Daten, die einfach so aus der Kartei genommen werden können, sondern um Menschen. Wir sind weiterhin bemüht, einen politischen Druck gegen die Exmatrikulationen aufzubauen.

Gibt es schon konkrete Projekte?

Mittlerweile wurde unter exmatrikulation.blogsport.de eine Internetseite eingerichtet, auf der Informationen zum Thema zusammengetragen werden, um eine Solidaritätserklärung zu verfassen, die online unterschrieben werden kann. Es haben sich neben verschiedenen studentischen Initiativen auch gewerkschaftliche Gremien gegen die Exmatrikulationen ausgesprochen.

Drohen an anderen Universitäten ähnliche Maßnahmen?

Köln ist keine Ausnahme. Es gibt Befürchtungen von Studierenden, dass auch an anderen Hochschulen solche Restriktionen geplant sind. Auch aus diesem Grund setzen wir uns für die Rücknahme der Exmatrikulationen in Köln ein. Wir wollen verhindern, dass daraus eine Pilotprojekt wird.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205676.waechst-jetzt-die-angst.html

Interview: Peter Nowak

Solidemo für Roma

KREUZBERG Kundgebung gegen Forderung nach schneller Räumung des Görlitzer Parks

Mit einer Videokundgebung wollen sich antirassistische Gruppen am heutigen Montagabend mit den Roma solidarisieren, die seit einigen Wochen im Görlitzer Park leben. Sonja Wissel vom Protestbündnis erklärte, mit der Kundgebung wolle man auf den Druck von PolitikerInnen und Kreuzberger BewohnerInnen reagieren, die eine schnelle Räumung fordern. „Statt punktuell zu helfen, nötigen einige potenzielle WählerInnen das Bezirksamt Kreuzberg, aktiv zu werden“, kritisiert Wissel die Haltung mancher NachbarInnen. Das Bezirksamt Kreuzberg schiebe wiederum die Verantwortung an den Nachbarbezirk Mitte ab. Dort mussten die Roma ihre Wohnungen räumen.

Die Bezirke Mitte und Kreuzberg sind nach Gesprächen mit dem Senat seit gut zehn Tagen auf der Suche nach Alternativ-Wohnungen für die Familien – bislang ohne Erfolg.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F08%2F29%2Fa0146&cHash=799f27b8dd

Peter Nowak

Demo 19.30 Uhr, Eingang Görlitzer Park an der Skalitzer Straße

Wer nicht schnell studiert, fliegt

Die Kölner Universität will Studierende aus Diplom- und Magisterstudiengängen exmatrikulieren, weil sie ihre Studienzeit überzogen haben. Studentenvertreter fürchten, dass das Beispiel Schule macht

Die Universität Köln will 32 Studierende aus Diplom- und Magisterstudiengängen exmatrikulieren, weil sie ihre Studienzeit überzogen haben. Damit hat die Universitätsverwaltung vor, eine Drohung umzusetzen, die schon seit Monaten im Raum stand. Im Frühjahr war noch von bis zu 1.600 Studierenden die Rede, denen die Exmatrikulation droht, wenn sie sich nicht mit dem Studium beeilen.

Hintergrund ist die Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem, das im Zuge des Bologna-Prozesses die bisherigen Studiengänge ersetzen soll. Dort sind klare Termine für den Studienablauf festgelegt. Daran sei nicht zu rütteln, sagt ein Sprecher der Uni gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

„Die meisten Studenten könnten ja in einen Bachelor-Studiengang wechseln.“

Studierendenverbände schlagen Alarm und sehen sich in ihrer grundsätzlichen Kritik an der Bachelor- und Masterregelung bestätigt. Der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) sieht in der Maßnahme der Kölner Universität eine neue Eskalationsstufe.

„Dass die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem zu Lasten der Studierenden abläuft, ist nichts Neues. Mit den Zwangsexmatrikulationen ist nun jedoch eine Stufe erreicht, die Studierendenvertretungen nicht hinnehmen werden.“

Die Aktivsten weisen darauf hin, dass von der drohende Exmatrikulation Gruppen besonders betroffen sind, die schon bisher geringere Chancen hatten. „Studierende mit chronischen Krankheiten, mit Kindern, Studierende, die Angehörige pflegen oder auch gesellschaftlich engagierte Studierende müssen von den Hochschulen gefördert und nicht herausgeworfen werden“, heißt es in der Erklärung des fzs. Mehrere politisch aktive Studierende befinden sich in der von der Exmatrikulation bedrohten Gruppe.

Damit werde gesellschaftliches Engagement mit Füßen getreten, moniert die Berliner Landesastenkonferenz. Tatsächlich dürfte mit den Exmatrikulationsdrohungen die schon bisher nicht besonders stark ausgeprägte Bereitschaft zum politischen Engagement an der Hochschulen, nicht gefördert werden.

Daher ist auch der Protest von aktiven Studierenden bundesweit groß. Selbst mitten in den Semesterferien haben sich sofort die AstAs einiger Hochschulen mit Kritik an der Kölner Maßnahme zu Wort gemeldet. „Hier geht es nicht um die Frage, in welcher Ordnung welche Regeln wie angewendet werden können, sondern um etwas Grundlegendes. Die Lehrenden haben nicht zu entscheiden, ob Studierende weiterstudieren dürfen oder nicht. Die Studierenden maßen sich auch nicht an, den Lehrenden das Lehren zu verbieten“, so Hannah Eberle, Referentin für Bildungspolitik im AStA der TU Berlin.

Pilotprojekt Köln?

Manche Studierende fürchten, dass die Kölner Entscheidung, wenn sie Bestand haben sollte, ein Pilotprojekt sein könnte, das auch an anderen Hochschulstandorten Nachahmer finden könnte. So hatte bereits im Mai 2011 der Brandenburger Landesausschusses der Studierenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor Zwangsexmatrikulationen an der Potsdamer Universität gewarnt.

4.300 Studierende und damit ein Fünftel aller derzeitigen Studierenden der Uni sei vom Auslaufen der traditionellen Abschlüsse Magister und Diplom ab dem Jahr 2012 betroffen. Die Potsdamer Hochschuöleitung hatte diese Befürchtungen sofort zurückgewiesen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150380

Peter Nowak

Aus für Uni-Maut im Ländle?

Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg löst ein Wahlversprechen ein. Zum Sommersemester 2012 soll es in dem Bundesland keine Studiengebühren mehr geben. Die konservativ-liberale Landesregierung hatte 2005 das Bundesland zum bundesweiten Vorreiter bei der Einführung der Studiengebühren gemacht.

 Die Abschaffung ist für die Studierenden in dem Bundesland ein großer Erfolg. Hatten sie doch über Jahre gegen die Unimaut gekämpft. In manchen Städten, wie in Karlsruhe, waren Kommilitonen, die beharrlich am Studiengebührenboykott festgehalten hatten, sogar mit einer drohenden Exmatrikulation konfrontiert. Doch die Freude bei den Studierenden ist nicht ungetrübt. In einer Pressemitteilung kritisiert die Landesastenkonferenz von Baden-Württemberg die Höhe der Zahlungen, die die Hochschulen als Ersatz für die Gebühren erhalten sollen. Die Landesregierung geht von 280 Euro pro Semester für jeden Studierenden aus. Der Betrag sei zu niedrig und gehe an den tatsächlichen Bedarf vorbei, monieren die studentischen Vertreter in ihrer Erklärung.

Die Forderungen nach einer ausreichenden finanziellen Ausstattung der Hochschulen ohne Unimaut ist dringend erforderlich. Denn schon jetzt drohen Hochschulleitungen mit Verweis auf die entgangenen Gebühreneinnahmen mit weiteren Streichungen. Mit solchen Maßnahmen könnte unter Studierenden ein Klima geschaffen werden, dass Studiengebühren als das kleinere Übel erscheinen lässt. Zumal das Bezahlstudium auch bei der neuen Landesregierung nicht ganz vom Tisch ist. Die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) schließt Gebühren für Langzeitstudierende nicht generell aus, wenn deren Zahl steigen sollte. Dadurch wären Studenten, die durch Berufstätigkeit oder andere Belastungen benachteiligt sind, besonders betroffen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/203718.aus-fuer-uni-maut-im-laendle.html

Peter Nowak

»Farbe bekennen« gegen Olivgrün

Schulen wehren sich gegen die Präsenz der Bundeswehr im Unterricht

 Die Bundeswehr ist auf dem Vormarsch in den Klassenzimmern. An vielen Schulen halten Offiziere Vorträge oder organisieren Seminare zur Sicherheitspolitik. Doch nicht alle Schulen wollen dabei mitmachen und erklären sich zur »militärfreien Zone«.

»Danke für die mutige Entscheidung und das schöne Vorbild.« Solche lobenden Worte auf der Internetpräsenz des Berliner Robert-Blum-Gymnasiums gelten einer Entscheidung, die zunächst ganz andere Kommentare hervorgerufen hatte. Ende März hatte die paritätisch mit Lehrern, Eltern und Schülern besetzte Schulkonferenz beschlossen, die Bundeswehr nicht mehr in die Schule zu lassen. »Das vermeintliche Lösen von Konflikten mit militärischer Gewalt widerspricht der an unserer Schule gepflegten Kultur und unseren Erziehungsidealen«, heißt es in der Begründung der Antragssteller.

Damit betrat die Schule in Berlin Neuland und war bald in der öffentlichen Debatte. »Schade, dieser Beschluss ist rein ideologisch und zeigt, dass hier Kleingeister die Schule beherrschen« und »Vaterlandslose Gesellen«, lauteten zunächst einige der Kommentare auf der Homepage der Schule. Doch am Ende überwogen zustimmende Äußerungen wie die der ehemaligen Lehrerin Elke Zwinge-Makamizile, die die Entscheidung ganz im Einklang mit Artikel 1 des Berliner Schulgesetzes sieht, der eine Erziehung zur Völkerverständigung fordert. Mittlerweile trifft sich die Berliner Initiative »Schule ohne Militär« monatlich zur Planung und Koordinierung von Aktionen. In der Diskussion ist eine Initiative unter dem Motto »Farbe bekennen«, mit der die bundeswehrfreie Schule in den demnächst beginnenden Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus getragen werden soll. Unterstützung kommt von der Berliner GEW, die alle Werbungsversuche der Bundeswehr und das Auftreten von Jugendoffizieren sowie das Verteilen von Werbematerial an den Berliner Bildungseinrichtungen ablehnt und ihre Mitglieder auffordert, dagegen aufzutreten.

Auch in anderen Bundesländern wächst das Interesse von Schülern und Lehrern, sich für eine Schule ohne Militär zu engagieren. So hat sich Ende März die Käthe-Kollwitz- Schule, eine Berufs- und Berufsfachschule im hessischen Offenbach, »bundeswehrfrei« erklärt. Im Juni 2011 gründete sich in Hannover ein Bündnis »Schule ohne Militär« aus der örtlichen GEW, Schüler- und Lehrerorganisationen sowie der Linkspartei. Kritisiert wird u.a. die jüngste Werbeaktion für die Bundeswehr in Niedersachsens Hauptstadt. Unter dem Motto »Chance statt Pflicht« soll nicht nur in den Medien der Stadt, sondern auch in den bei der Zielgruppe populären Schülernetzwerken und auf Facebook für den Soldatenberuf geworben werden.

In Bayern geht mittlerweile eine Elterninitiative im Kampf gegen die Bundeswehr an der Schule ganz eigene Wege. Sie wirbt dafür, Anträge zu verfassen, mit denen die Freistellung ihrer Kinder von schulischen Veranstaltungen und vom Unterricht mit Vertretern der Bundeswehr erreicht werden soll.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/201589.farbe-bekennen-gegen-olivgruen.html

Peter Nowak

Stifter versus Zivilklausel

 »Entweder die Uni ändert die Zivilklausel oder wir lassen die Professur sein.« Diese klare Ansage des Vorsitzenden des Bremer Konzerns OHB Marco Fuchs im »Weserkurier« sorgen am Campus der Bremer Universität für Aufregung. 165 000 Euro will sich OHB eine Professur für Raumfahrttechnologie an der Uni kosten lassen. Die Zivilklausel wurde vor mehr als 25 Jahren von kritischen Wissenschaftlern und Studierenden erkämpft. Damit sollte »jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung« an der Bremer Uni ausgeschlossen werden.

Kein Wunder, dass der OHB-Konzern, der mit dem Bau von Aufklärungssatelliten reich geworden ist, mit einer solchen Festlegung Schwierigkeiten hat. Dass Fuchs aber die Uni-Gremien jenseits aller demokratischen Prozeduren schlicht erpresste, brachte nicht nur den AStA auf die Palme. Bedenklich ist allerdings, dass der Rektor der Universität, Wilfried Müller, sich nicht eindeutig gegen die Kritik von Fuchs verwahrte. Vielmehr beteuerte Müller, dass die Uni»mit Nachdruck« zur OHB-Professur stehe und diese für »außerordentlich wichtig« halte. Die Zivilklausel müsse »aktualisiert« werden, da sich die geopolitische Gesamtsituation seit den 80er Jahren erheblich verändert habe, versuchte der Rektor dem Willen des Stifters nachzukommen.

»Das läuft auf die Abschaffung der Klausel hinaus,«kommentierte AStA-Sprecher Sören Böhrnsen dieses devote Verhalten. Er hätte noch hinzufügen können, dass die Demokratie an der Hochschule dabei gleich mit abgeschafft würde. Es ist allerdings keinesfalls nur ein Problem der Bremer Universität, wie ähnliche Debatten um die Abschaffung der Zivilklausel an der Uni Karlsruhe und an anderen Hochschulen zeigen. In Zeiten der Stiftungsuni droht auch anderswo die inneruniversitäre Demokratie auf der Strecke zu bleiben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/201045.stifter-versus-zivilklausel.html

Peter Nowak

»Du fährst zu oft nach Heidelberg«

In einem Schrank des Sitzungsraums des Zentralen Fachschaftbüros (ZFB) der Universität Heidelberg entdeckten Studierende jüngst ein Abhörgerät, auch Wanze genannt. Der Raum wurde von linken Studentengruppen, aber auch von verschiedenen Fachschaftsinitiativen und der Fachschaftskonferenz, der Vertretung aller Studierenden genutzt. Nach dem Fund des Abhörgerätes war die Verunsicherung groß, denn damit bestand faktisch die Möglichkeit, die Treffen aller studentischen Gruppen der Uni Heidelberg zu belauschen.

Da ist es kein Zufall, dass unter den Studenten die Verbindung zu dem Fall des Simon Brenner hergestellt wurde, einem LKA-Beamten, der gezielt linke Gruppierungen auch an der Uni Heidelberg ausspionieren sollte. Zur besseren Tarnung war der LKA-Mann an der Heidelberger Universität in den Studienfächern Soziologie, Ethnologie und Germanistik eingeschrieben. Nach seiner Enttarnung gab Brenner zu, zahlreiche Daten von politisch aktiven Studierenden an das LKA weitergeleitet zu haben.

Linke studentische Initiativen sehen nicht nur die mittlerweile abgewählten Politiker der schwarz-gelben baden-württembergischen Landesregierung in der Verantwortung für die Bespitzelung von Studierenden. Sie wollen auch wissen, ob die Universitätsleitung von dem Einsatz von Spitzel und Wanze auf dem Campus informiert war und ob die Überwachung weitergeht. Bisher haben sie keine zufriedenstellenden Antworten bekommen.

»Du fährst zu oft nach Heidelberg« heißt eine Erzählung von Heinrich Böll, in der thematisiert wird, wie schnell jemand in den 1970er Jahren in der alten BRD in die Radikalenecke gestellt werden konnte. Auch mehr als 30 Jahre später hat sich daran so viel nicht geändert, weder in Heidelberg noch anderswo.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/199508.du-faehrst-zu-oft-nach-heidelberg.html

Peter Nowak

Obrigkeitsstaat in Hessen

»Kannst du Dir vorstellen, dass an Deiner Schule nicht Teamgeist und Kollegialität sondern Günstlingswirtschaft, Hofschranzen- und Denunziantentum zu Organisationsmaximen erhoben werden?« Diese erstaunliche Frage findet sich in einem Flugblatt, das die hessische GEW zurzeit verteilt. Er ist Teil ihrer Kampagne »Wir wollen keine Kaiser-Wilhelm-Schule«, mit der die Gewerkschaft gegen ein von CDU/FDP-Landesregierung geplantes Schulgesetz mobilisiert. Der GEW-Landesvorsitzende Jochen Nagel kritisiert den mit der Ausrichtung der Schulen an betriebswirtschaftlichen Kriterien verbundenen Demokratieabbau. »Pädagogische Kriterien sollen weiter entwertet und demokratische, kooperative Strukturen verdrängt werden«, moniert der Gewerkschafter. Nach dem Entwurf soll die Macht der Schulleiter gestärkt werden. Begriffe wie kooperative Arbeitsweise, psychologisches Einfühlungsvermögen oder pädagogische Freiheit fehlen hingegen in dem Entwurf.

Es wäre aber zu einfach, in dem Vorhaben der hessischen Landesregierung nur die Handschrift einer CDU zu sehen, die sich von Alfred Dregger bis zu Roland Koch stets als Bollwerk gegen eine Demokratisierung der Schule begriffen hat. Viel interessanter ist die Verbindung von betriebswirtschaftlicher Ausrichtung und obrigkeitsstaatlichen Strukturen. Da kann noch so oft betont werden, dass flache Hierarchien für den modernen Kapitalismus von Vorteil seien. Wo es um die Durchsetzung von Kapitalverwertung geht, kommen demokratische Prozesse ins Hintertreffen. Das zeigt sich bei der Privatisierung von öffentlichem Eigentum ebenso wie in der Zurichtung von Schulen und Hochschulen für Wirtschaftsinteressen. Es ist erfreulich, dass dieser Zusammenhang in der GEW-Kampagne hergestellt wird. Es muss sich zeigen, ob sie genügend Kraft dafür besitzt, die Regierungspläne zu behindern.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/198540.obrigkeitsstaat-in-hessen.html

Peter Nowak

Alle sind böse, alle sind gegen uns

 
Burschenschaften beklagen angeblich steigende Gewalt gegen korporierte Studentenverbindungen

 Studentische Burschenschaften gelten gemeinhin als politisch rechts orientiert, vielen wird ein offen rassistisches und antisemitisches Weltbild vorgehalten. Jetzt schlagen die Korporierten zurück. In einer Studie beklagen sie eine zunehmende Gewalt und steigende Feindseligkeit gegen ihre Studentenverbindungen.

»Alle sind böse – Studentenverbindungen beklagen sich über Polizei, Justiz, Politik, die Medien und natürlich die Antifa«, so kommentierte die Frankfurter Rundschau (FR) eine vom Convent Deutscher Akademikerverbände (CDA) in Auftrag gegebene und vom Burschenschaftler Frank Grobe verfasste Studie mit dem Titel »Gewalt gegen Korporationen«. Zu den Gewalttaten gegen Burschenschafter rechnet er auch kritische Berichterstattung über Korporierte. Ins Visier geraten ist dabei auch die FR. Sie hatte im letzten Jahr mehrmals über extrem rechte Tendenzen bei den Burschenschaften geschrieben und auch vermeldet, dass bei der Burschenschaft Germania in Kassel der mittlerweile verstorbene Altnazi Jürgen Rieger aufgetreten ist. In der Studie wurde die Berichterstattung der FR als Straftat aufgeführt. Die Rede ist von Verleumdung und übler Nachrede. Allerdings habe es keinerlei juristische Ermittlungen gegen die Artikel gegeben, betonte die Redaktion der Frankfurter Rundschau. Auch der Wahrheitsgehalt der Berichte sei nicht bestritten worden.

 
Über die vielmals belegten rechten Tendenzen bei einzelnen Burschenschaften wurde in der Studie insgesamt geschwiegen. Eine Distanzierung von den Deutschen Burschenschaften (DB), die nach Rechts als besonders weit offen gelten, wurde auch von Korporierten abgelehnt, die sonst immer die mangelnde Differenzierung bei der Berichterstattung über die Korporierten bemängeln. So erklärte der Vorsitzende des CDA, der Berliner Rechtsanwalt Joachim Schön, bei der Vorstellung der Studie, er sehe »keine Veranlassung, die DB auszuschließen«. Auch der innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, schweigt über diese rechten Tendenzen: Er unterstützt pauschal den CDA und erklärt: »Der Rechtsstaat hat auch die Unversehrtheit der Korporationen zu schützen.« Zudem bringt er Gewalt gegen Einrichtungen der Korporierten mit Protesten gegen deren Treffen in Verbindung. »Sollte sich herausstellen, dass es sich dabei um eine gezielte Kampagne der linken ›Antifa‹ handelt, dann muss dagegen vorgegangen werden.« Der CDA forderte mehr Schutz von der Polizei. Der Verfasser der Studie Frank Grobe ist Historiker und selbst Burschenschafter.

Ein Bündnis antifaschistischer und studentischer Gruppen zeigt sich von dieser Kritik und den Vorwürfen unbeeindruckt. Es hat auch für die nächsten Wochen Proteste gegen verschiedene Auftritte der studentischen Verbindungen angekündigt. Ein Hauptschwerpunkt des linken Bündnisses ist in diesem Jahr der Deutsche Burschenschaftstag am 18. Juni in Eisenach. An diesem Tag wollen die Burschenschaften auf der Wartburg an alte Traditionen anknüpfen. Die Kritiker werfen ihnen ein nationalistisches und strukturell antisemitisches Weltbild vor und erinnern daran, dass auch schon auf dem Wartburgfest der Burschenschaften 1817 gegen Juden gehetzt und Bücher von als unpatriotisch geltenden Autoren verbrannt worden seien. Aus dem gleichen Gründen mobilisieren studentische Linke gegen den Coburger Convent, der vom 10. bis 13. Juni in der nordbayerischen Stadt tagt.

Die Burschenschaftskritiker haben in den letzten Jahren durchaus Erfolge in ihrem Protest gegen die rechten Verbindungen verbucht. So konnte der Hamburger Verbändeconvent nach Protesten im Jahr 2009 nicht stattfinden und der abgewählte Regierende Bürgermeister von Hamburg, Christoph Ahlhaus (CDU), hat auch durch seine Verbindungen zum Coburger Convent einen massiven politischen Imageschaden erlitten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/197464.alle-sind-boese-alle-sind-gegen-uns.html

Peter Nowak