„Wir haben uns immer als MieterInnen verstanden“

Nach zweiwöchiger Polizeibelagerung der BewohnerInnen der Rigaer Straße 94  wurde die  Räumung von mehreren Räumen in dem Haus vom Gericht für rechtswidrig erklärt. Darauf wurde die Polizeibelagerung beendet. Peter Nowak sprach mit einem Hausbewohner, der nicht namentlich genannt werden will:

Frage: Haben Sie mit dem juristischen Erfolg gerechnet?
B.: Nein, wir waren alle überrascht. Wir dachten, dass die Politik die Aktionen gegen uns weiter durchzieht.

Frage. Man könnte also von einem Erfolg des Rechtsstaates sprechen?
B.: Es war vor allem ein Erfolg der HausbewohnerInnen und der vielen NachbarInnen, die vehement ein Ende der Absperrungen und einen Rückzug der Polizei gefordert haben. Noch einen Tag vor dem Gerichtsbeschluss haben sie diese Forderungen auf einer Pressekonferenz vertreten. Mit der Gerichtsentscheidung wurde auf diese Stimmung reagiert. Die Politik und besonders Innensenator Henkel waren dazu nicht in der Lage.

Frage: Oft wird auch von UnterstützerInnen der Rigaer Straße 94 von einen besetzten Haus gesprochen. Warum definieren Sie sich nicht als MieterInnen, die sich gegen Vertreibungsversuche durch die Eigentümer wehren?
B.: Tatsächlich  ist die überwiegende Mehrheit der BewohnerInnen im Besitz von  Mietverträgen  Sie haben sich auch immer als MieterInnen verstanden. Das zeigt sich auch daran, dass mehrere BewohnerInnen Mitglieder der Berliner  Mietergemeinschaft sind. Wir haben mit unserer erfolgreichen Klage gegen die Teilräumung auch deutlich gemacht, dass wir unsere Rechte verteidigen, ohne uns deshalb auf die Justiz zu verlassen.

Frage: Könnte ein solches Verständnis als rebellische MieterInnen auch die Zusammenarbeit mit den NachbarInnen fördern, die in Häusern wohnten, die nie besetzt waren?

B.: Wir haben uns seit Jahren bemüht, mit den  NacbbarInnen gemeinsam für einen solidarischen Kiez zu kämpfen. Dabei haben wir nie einen Unterschied zwischen BewohnerInnen von besetzten und nicht besetzten Häusern gemacht. Es ging uns darum, mit allen Menschen zusammen zu arbeiten, die sich solidarisch wehren.  Deswegen gab es auch de große Solidarität sowohl bei der Belagerung des Hauses im Januar 2016 als auch jetzt. Auch die von uns mit organisierten Kieztreffen haben noch einmal deutlich  gemacht, dass wir hier im Stadtteil nicht isoliert sind. Das ist unser größter Erfolg.

Frage: Wie soll es nach dem juristischen Erfolg jetzt mit der Nachharschaftsarbeit weitergehen?
B,; Nein, wie bisher natürlich nicht. Die Proteste gegen das Carré Sama Riga  wurden von den BewohnerInnen gemeinsam organisiert. Die Bewohner/innen haben sich in den letzten Monaten besser kennen gelernt und akzeptieren, dass es unterschiedliche politische Erfahrungen gibt.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/riager-str-interview.html

MieterEcho online 18.07.2016

Interview: Peter Nowak

Keine Akzeptanz für das Carré Sama Riga im Friedrichshainer Nordkiez

Ca. 300 Menschen haben sich am 16.7.2016 im Nordkiez von Berlin-Friedrichshain an einer Demonstration gegen das Carré Sama Riga beteiligt. Dabei handelt es sich um ein Nobelprojekt der CG-Gruppe, das seit Wochen für Protest im Stadtteil sorgt.

Es gab bereits vor einigen Wochen erste Kundgebungen, ein Kiezspaziergang begann an dem Areal (siehe MieterEcho Online vom 15.6.2016). Ein von der CG-Gruppe anberaumter Informationstag am 11.6. war zu einem Fiasko für das Immobilienunternehmen geworden. Ca. 80 BesucherInnen forderten einen Stopp des Baus. Christoph Gröner vom CG-Vorstand erklärte dann, die KritikerInnen seien vernagelt und er werde auf jeden Fall bauen, auch wenn er einen Sicherheitsdienst zur ständigen Überwachung engagieren muss. Vor zwei Wochen wurden die alten Basalthäuser, die dort standen, abgerissen. Nun befindet sich auf dem Gelände ein Trümmerfeld Eine Baugenehmigung liegt noch nicht vor. „Der Abriss war eine Kampfansage an die NachbarInnen und sollte ihnen signalisieren, dass der Bau des Carré Sama Riga nicht mehr zu verhindern ist. Doch für viele  NachbarInnen war der Abriss der Grund, mit der Demonstration noch vor der Sommerpause deutlich zu machen, dass es für das Projekt im Kiez keine Akzeptanz gibt“, erklärte eine Aktivistin der Stadtteilinitiative „Keine Rendite mit der Miete/Friedrichshain“.Auf der Route durch den Friedrichshainer Nordkiez wurde PassantInnen und MieterInnen in kurzen Redebeiträgen auf den Zusammenhang zwischen dem Bau solcher Nobelprojekte und dem Anstieg der Mieten hingewiesen. Spontan  schlossen sich MieterInnen der Demonstration an.

Schlecht bezahlte Arbeitsplätze nehmen zu

Eine andere Folge der Verdrängung ist der Druck auf Läden des alltäglichen Bedarfs, die schließen müssen. Sie werden ersetzt durch Spätverkäufe und Imbisse. Die aber sind gekennzeichnet durch besonders schlecht bezahlte Arbeitsplätze und lange Arbeitszeiten, 12 Stunden Arbeit täglich auf Hartz IV-Basis sind keine Seltenheit, hieß es in einem Redebeitrag. Es wurde das Beispiel eines Arbeitskampfes in einem Spätkauf in der Samariterstraße erwähnt, der für den Beschäftigten positiv ausging. In einem weiteren Redebeitrag wurde auf einen Fall von Mieter/innenverdrängung und Widerstand in der Schreinerstraße 57 hingewiesen. Dort sollen die Mieter/innen mit Abfindungen dazu gebracht werden, ihre Mietverträge aufzulösen. Wer sich weigert, wird unter Druck gesetzt. Die Demonstration sollte den MietrebellInnen den Rücken stärken.

Neuer Kommunaler Wohnungsbau statt Luxus-Neubauten

Ein Mitglied der von der Redaktion des MieterEcho initiierten Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau (inkw) betonte in seinem Redebeitrag, dass die Mehrheit der Berliner Bevölkerung bezahlbare Wohnungen statt Luxusprojekte brauche. Wenn CG-Vorstand Gröner in einem Tagesspiegel-Interview eine Miete von 12 Euro nette kalt als sozial bezeichne, zeige es von einen durch die Politik geförderten Zynismus. Beim Neuen Kommunalen Wohnungsbaus gehe es darum, nach den Vorbild des Roten Wiens in den 1920er Jahren, den Wohnungsbau den Verwertungsinteressen kapitalistischer Immobilienfirmen zu entziehen. Stattdessen soll die Kommune dafür sorgen, dass Wohnungen als soziale Infrastruktur für Menschen, unabhängig von ihren Einkommen, bekommen sollen.  Damit wurde eine schon heute machbare Alternative angesprochen, die allerdings nur durch starken Druck von unten durchsetzbar sei. Die Demoorganisatoren betonten, dass bei ihnen Mieter/innen mitarbeiten, die in Häusern wohnen, die vor 20 Jahre besetzt waren und Bewohner/innen von Mietshäusern, die keine besetzt waren. „Wir sind alle NachbarInnen und werden uns nicht spalten lassen. Wir können von den unterschiedlichen Erfahrungen und Widerstandstraditionen kennen“, hieß es in einem Redebeitrag.

MieterEcho online 18.07.2016

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/carre-sama-riga-2.html

Peter Nowak

Die Friedelstraße ist verkauft

VERDRÄNGUNG Investor kaufte das Wohngebäude einer Mietergemeinschaft

„Wir möchten Sie hiermit in Kenntnis setzen, dass wir die Immobilie Friedelstraße 54 an einen anderen Investor verkauft haben.“ So lautet der lapidare Satz, mit dem die Immobilienfirma Citec die Hoffnungen zahlreicher MieterInnen eines Neuköllner Hausprojekts zerstört hat. Mehr als ein Jahr kämpfen die BewohnerInnen gegen ihre drohende Verdrängung. Mitte März überbrachten sie der Citec-Zentrale in Wien ihr eigenes Kaufangebot. Die Verhandlungen begannen zunächst vielversprechend. „Die Nord-Süd-Stiftung, die wir kontaktiert hatten, wäre sogar bereit gewesen, die von der Citec  geforderte Summe zu zahlen“, erklärte Matthias Sander, Pressesprecher vom Verein Akazie e.V. Der wurde von dem im Haus befindlichen Stadtteilladen f54 gegründet. Auch die Finanzierungszusage der Bank habe der Citec vorgelegen. Die Firma habe die Verhandlungen in die Länge gezogen und erst nach mehrmaligen Anfragen reagiert. Deshalb ist es für Sander nicht nachvollziehbar, dass die Citec nun sagt, die Zusage sei nicht präzise genug gewesen. Zudem versucht die Firma die MieterInnen als unprofessionelle VerhandlungspartnerInnen vorzuführen. „In eher unüblicher Weise wurde Ihrerseits
der Kaufwunsch so breit kommuniziert, dass eine große Zahl von Investoren an uns herangetreten ist“, heißt es in dem
Schreiben an die BewohnerInnen:  Sie hatten Mitte Juni bei einem Prozess zur Duldung der Modernisierungen beiläufig erfahren, dass ihr Haus neue Eigentümer bekommen soll. Seit dem 1. Juli ist im Grundbuchamt eine Firma mit Namen „Pinehill
s.a.r.l.“ vorgemerkt. Sander hat schon angekündigt, dass sie sich weiter wehren werden. „Viele BewohnerInnen sind Mitglieder der Berliner Mietergemeinschaft und werden ihre Rechte einfordern.“ Neuköllns Bürgermeisterin Franziska Giffey, die Ende
April die Gespräche angebahnt hat, hat sich am 13. Juli in einem Schreiben an die Citec „im Interesse der Hausgemeinschaft
Friedelstraße 54 ausdrücklich für weitere Gespräche und den Fortgang der Verhandlungen“ ausgesprochen.

aus Taz vom 18.7.2016

Peter Nowak

Damals wie heute

WOHNEN MieteraktivistInnen haben einen 40 Jahre alten Film über Mietervertreibung wiederentdeckt
Es ist die Geschichte eines alten Mannes, der zusammen mit anderen Mietern aus seiner Berliner Altbauwohnung in ein Neubauviertel umgesetzt wird. „Am Widerstand des Mannes wird deutlich, wie tief der Eingriff in lebenswichtige Wurzeln eines
Menschen ist und wie weit der Druck der ,Profitgeier‘ mit gemeinnützigem Anstrich gehen kann“ – so fasste ein Filmlexikon
den Inhalt des Dokumentarfilms „Der Umsetzer“ zusammen. Der Titel bezieht sich auf den Angestellten einer Immobilienfirma,
der mit schönen Worten und Druck MieterInnen zum Auszug bewegen soll. Im Dezember 1976 wurde der vonund Benno Trautmann produzierte 75-minütige Streifen von der Jury der Evangelischen Filmarbeit zum Film des Monats gekürt. „In der erschütternden Geschichte von dem Zweikampf zwischen dem ,Umsetzer‘ als dem Vertreter einer ,gemeinnützigen‘ Wohnungsgesellschaft und dem alten Nachtwächter, der auf seinem Wohnrecht beharrt, spiegelt sich zugleich die allgemeine Versuchung zur Unmenschlichkeit und die Lust an der Verplanung von Menschen, die mit der wachsenden Bürokratisierung in den großen Demokratien verbunden sind“, heißt es in der Begründung. Lange Jahre war der einst viel gelobte Film verschollen. Nun wurde er im Zuge einer neu erstarkten Berliner MieterInnenbewegung wiederentdeckt. Eine von Verdrängung aus ihrer Wohnung betroffene Mieterin war auf den Film gestoßen und hatte Kontakt zur Regisseurin aufgenommen. Am heutigen Donnerstag wird der Streifen um 20 Uhr in der Groninger Straße 50 im Wedding wieder zu sehen sein. Im Anschluss werden heutige MietrebellInnen gemeinsam mit dem Stadtsoziologen Andrej Hol m über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Verdrängungsstrategien von MieterInnen und den Widerstand dagegen damals und heute diskutieren.
aus taz 14.7.2016
Peter Nowak

Alternatives Projekt gegen Flüchtlinge ausgespielt


RIGAER 94 Geflüchtete unterstützen das Hausprojekt Rigaer Straße 94 mit einer Demonstration
In diesen Tagen gibt es viel Unterstützung für das von der Polizei belagerte Hausprojekt Rigaer Straße 94. Am Montagabend waren
es rund 100 Geflüchtete, die sich gemeinsam mit UnterstützerInnen von der Flüchtlingsunterkunft in der Lichtenberger Bornitzstraße auf dem Weg nach Friedrichshain machten. Mehrere BewohnerInnen monierten in Redebeiträgen die fehlende Privatsp äre in der Unterkunft, was besonders für die Frauen unerträglich sei. Probleme bei der Postzustellung wurden angesprochen – und die Versorgung:
„Seit Langem fordern wir, dass wir selbst entscheiden können, was wir essen wollen. Denn das Essen schmeckt im Lager immer gleich“, sagt Karim, der sich in der Flüchtlingsinitiative Stop Deportation engagiert. „Wir haben vor der Räumung der Kadterschmiede in der Rigaer 94 regelmäßig gekocht und das Essen gegen eine Spende verteilt“, begründete er seine Solidarität mit dem Hausprojekt. Er hält es für zynisch, dass die selbstverwalteten Räume jetzt verschwinden sollen, um angeblich Platz für Flüchtlinge zu schaffen. Bereits in der letzten Woche haben sich Organisationen aus der Flüchtlingssolidarität wie „Moabit hilft“ und „Friedrichshain hilft“ mit den BewohnerInnen der Rigaer Straße solidarisiert und sich dagegen gewandt, ein alternatives Projekt gegen die Flüchtlinge auszuspielen.
Herrmann Wehrle von der Berliner Mietergemeinschaft betonte in seinem Redebeitrag auf der Demonstration, dass für  die Wohnungsnot in Berlin nicht die Geflüchteten verantwortlich sind. „Sie ist die Folge einer Politik, die systematisch den sozialen Wohnungsbau zerstört hat.“ Auf der Abschlusskundgebung bedankte sich ein Bewohner der Rigaer Straße 94 für die Solidarität der Geflüchteten. In einer Erklärung auf der linken Internetplattform Indymedia schrieben UnterstützerInnen, es sei eine besonders „dreiste Taktik, die Räumung im Namen der Flüchtlingshilfe durchzuziehen“. Zuletzt wurde versucht, auch im Fall des Wagenplatzes Schwarzer Kanal ein alternatives
Wohnprojekt gegen Geflüchtete auszuspielen. Noch vor einem Jahr sollten die BewohnerInnen unterschreiben, keine Geflüchteten
aufzunehmen, was sie ablehnten. Nun gibt es Pläne, eine Flüchtlingsunterkunft auf dem Areal zu errichten.
aus Taz vom 7.6.2016

Wie kommen interne Polizeidaten auf Neonazi-Homepage?

Dein Freund und Helfer

Teil-Räumung der Rigaer Straße 94

Interne Daten über BewohnerInnen des Hausprojekts sind auf einer ultrarechten Homepage gelandet. Sie stammen aus einer Ermittlungsakte der Polizei.


Teil-Räumung der Rigaer Straße 94

Dein Freund und Helfer

Interne Daten über BewohnerInnen des Hausprojekts sind auf einer ultrarechten Homepage gelandet. Sie stammen aus einer Ermittlungsakte der Polizei.

Ein bunt bemaltes Haus zwischen grünen Bäumen, davor ein cremeweißes AutoUmkämpftes Objekt: Hat die Polizei mit Rechten zusammengearbeitet?

BERLIN taz | Hat die Polizei ein Datenleck? Gibt es gar Beamte, die Informationen über Berliner Linke an die rechte Szene weiterreichen? Fest steht seit Freitag: Interne Daten über BewohnerInnen des linken Hausprojekts Rigaer Straße 94 sind auf einer ultrarechten Homepage gelandet. Unter blog.halle-leaks.de findet sich die teilweise geschwärzten Angaben von zehn Personen, die bei einer Polizeirazzia im Januar 2016 kontrolliert wurden.

Die anonymen BetreiberInnen der rechten Webseite behaupten, im Besitz von 73 Datensätzen zu sein und schreiben in rassistischer Diktion: „Die Namen lesen sich wie ein Who is Who aus einem polnischen Telefonbuch“.

BewohnerInnen der Rigaer Straße 94 erheben in einer Stellungnahme schwere Vorwürfe gegen die Polizei: „Die veröffentlichten Screenshots beweisen zum einen, dass die Polizei eine Datenbank angelegt hat, in der alle erfasst werden, die das Haus betreten. Zum anderen zeigt der Leak, dass es personelle Verknüpfungen der Einsatzkräfte mit organisierten Nazis gibt.“

Der Leiter der Pressestelle der Polizei, Winfried Wenzel, bestätigte gegenüber der taz die Echtheit der Veröffentlichung. „Im Ergebnis einer intensiven Prüfung kann ich bestätigen, dass es sich um ein Dokument aus einer Ermittlungsakte handelt, die sich inhaltlich mit einer Auseinandersetzung am 14. Januar 2016 in der Rigaer Straße zwischen mutmaßlich linken und rechten Tatbeteiligten befasst.“

Am 14. Januar sollen drei Personen aus der rechten Szene auf der Rigaer Straße angegriffen worden sein. Die Polizei leitete ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. In den Ermittlungsakten seien sowohl die Personalien der angegriffenen Personen, als auch von BewohnerInnen der Rigaer Straße 94 erfasst worden, so Wenzel. Dabei habe es sich um Beschuldigte aber auch um potentielle ZeugInnen gehandelt.

Ermittlungsverfahren eingeleitet

Wegen der Weitergabe der Daten leitete die Polizei am Freitag ein Ermittlungsverfahren ein. Man untersuche alle Möglichkeiten, wie es zu dem Datenleak gekommen sei. Wenzel betonte, dass neben PolizistInnen auch StaatsanwältInnen und RechtsanwältInnen Einsicht in die Unterlagen gehabt hätten. So hätten AnwältInnen der Neonazis bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht genommen. Auch ein Datenleck bei der Polizei könne er nicht ausschließen. Es gebe aber keine Hinweise, dass das Informationssystem der Polizei gehackt worden sei.

Der innenpolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Hasan Tas, äußerte gegenüber der taz die Befürchtung, dass sich die Polizei zu schnell darauf festlegen könnte, dass die Daten nur von den AnwältInnen der Rechten weitergeleitet worden sein können. „Es muss eine ergebnisoffene Prüfung geben, bei der auch mögliche InformantInnen in den Kreisen der Polizei in Erwägung gezogen werden muss“, so Tas.

Die grüne Fraktionsvorsitzende Ramona Pop erklärte in Richtung Frank Henkel (CDU): „Es ist erstaunlich, dass man vom Innensenator in dieser Angelegenheit noch nichts gehört hat. Sonst geizt er ja nicht mit markigen Worten.“ Henkels Retourkutsche per Pressemitteilung: „Ich kann nur jedem empfehlen, hieraus keinen Polizeiskandal zu konstruieren, sondern das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.“

Die Linkspartei veröffentlichte am Freitagmittag einen offenen Brief an Henkel, in dem sie ihm neun Fragen zu der geleakten Akte stellt. Unter anderem wollen Fraktionschef Udo Wolf und der Abgeordnete Tas wissen, inwieweit die Personen, deren Daten veröffentlicht wurden, nach Einschätzung des Senats gefährdet sind, nun Opfer rechtsextremer Übergriffe zu werden. Und welche Maßnahmen hat der Senat gegen den Betreiber des Blogs eingeleitet hat. Da das Beliner Abgeordnetenhaus bereits in seiner Sommerpause ist, gibt es derzeit keine reguläre Möglichkeit, den Senator etwa in einer Innenausschusssitzung zu befragen.

http://www.taz.de/!5318393/

taz 2.7.2016

Peter Nowak

Plötzlich noch eine umstrittene Baustelle

RIGAER Der Abriss der Gebäude an der Rigaer Straße 70–73 beginnt für alle überraschend
Donnerstagvormittag wurde mit dem Areal um die Rigaer Straße 70–73 eine neue Baustelle mit politischer Brisanz eröffnet. Unter Polizeischutz wurde eilig ein Zaun um das Gelände gezogen. Eifrige Männer von einem Sicherheitsdienst blickten immer wieder auf ein
Häuflein von Menschen, die sich auf der Mauer vor einem Supermarkt gegenüber niedergelassen haben. „Wäre die linke Szene in der
Gegend nicht mit der andauernden Belagerung der Rigaer Straße 94 beschäftigt, wäre hier mehr los“, meint ein junger Mann. Schließlich soll mit dem Abriss der Gebäude auf dem Gelände der Rigaer Straße 70–73 Platz für das „Carré Sama Riga“ gemacht werden, das in den letzten Wochen für Proteste sorgte (taz berichtete). An den Protestaktionen beteiligten sich neben der linken  Szene auch viele MieterInnen aus der Umgebung. Sie befürchten, dass das neue Nobelprojekt, das von der CG-Gruppe gebaut werden soll, die Mieten im Nordkiez Friedrichshains weiter steigen werden. Etwa 120 Wohnungen und vier Gewerbeeinheitenollen auf dem Gelände entstehen. Auf einer Informationsveranstaltung am 11. Juni forderten viele NachbarInnen einen Baustopp. Verantwortliche der CG-Group erklärten, sie würden auf jeden Fall bauen. Von dem plötzlichem Abriss sind auch die BetreiberInnen des Clubs Antje Öklesund überrascht, der auf
dem Gelände Partys und Veranstaltungen organisierte. „Wir sind am Vortag informiert worden, dass der Abriss beginnt“, sagt Hajo Toppius vom Büro für Kulturangelegenheiten, der den Club betreibt. „Ursprünglich war ein dreimonatiger Vorlauf geplant.“ Die GegnerInnen der CGGroupwollen trotz des Abrisses ihren Widerstand verstärken. Für Samstag, den 9. Juli, planen Stadtteilinitiativen
eine Demonstration unter dem Motto „Baustopp für Luxusneubauten“. Sie soll um 16 Uhr am  Scheldenplatz in der Nähe des S-und-U-Bahnhofs Frankfurter Allee beginnen.

taz vom 1.7.2016
Peter Nowak

Wo bleiben die Grundrechte im Gefahrengebiet?

Im Friedrichshainer Nordkiez wird seit fast einer Woche der Notstand geprobt. Auch Nachbarschaft protestiert dagegen

Es war schon eine besondere Pressekonferenz, zu der die Bewohner der Rigaer Straße 94 am Montagabend auf dem Dorfplatz des Friedrichshainer Nordkiezes eingeladen. So heißt ein Platz an dem viele vor mehr als zwei Jahrzehnten besetzte Häuser liegen und der als Treffpunkt der alternativen Szene gilt. Die Bewohner/innen der ehemals besetzten Häuser haben längst Mietverträge, aber viele von ihnen halten noch an den politischen Idealen der Anfangsjahre fest, engagieren sich gegen Nazis, unterstützten Geflüchtete und mischen sich auch in die Diskussion um die Gentrifizierung ein und bekommen dabei durchaus Unterstützung von Nachbarn. Jüngstes Beispiel ist das Nobelprojekt Carré Sama-Riga, das im Stadtteil viele KritikerInnen zusammenbrachte (siehe MieterEcho Online vom 15.6. 2016).

„Wir leben wie im Gefängnis“
Doch seit knapp einer Woche wird  die Diskussion im Friedrichshainer Nordkiez  statt über Gentrifizierung wieder über Repression und Staatsgewalt geführt. Am letztem Mittwoch stürmte die Polizei die Rigaer Straße 94 und verließ sie seitdem nicht mehr. In einer Pressemitteilung betonte die Polizei, dass sie mit der Aktion die Tätigkeit der Bauarbeiter sichere, die im Auftrag des Eigentümers  Brandschutzmaßnahmen vornehmen und einige Räume zu Flüchtlingswohnungen ausbauen will. Auf der abendlichen Pressekonferenz berichteten HausbewohnerInnen über das Leben im Gefahrengebiet Rigaer Straße. Polizist/innen sind im ganzen Haus verteilt. Wenn sie in ihre Wohnungen betreten wollen müssen sich die Mieter/innen ausweisen. Manchmal werden ihre Taschen kontrolliert. Zudem werden sämtliche Mieter/innenrechte ignoriert. Fahrräder, die im Hof standen, wurden abtransportiert. Zeitweilig war der Strom in den Mietwohnungen abgestellt und auch die Keller, die zu den Wohnungen gehören, sind aufgebrochen worden. Jeder dieser Vorfälle ist ein Bruch des Mietrechts und könnte geahndet werden- doch noch gravierender sind die Einschränkungen der Grundrechte. So wurde Besucher/innen der Hausbewohner/innen in den letzten Tagen mehrmals am Betreten des Gebäudes gehindert. „Wir leben wie im Gefängnis“, beschrieb  eine Hausbewohnerin die Situation. Als am Sonntagabend Freunde der Hausbewohner das Besuchsverbot missachteten und über die Absperrung klettern wollten, setzte die Polizei Pfefferspray ein. Es gab mehrere Festnahmen. Ein Mieter des Vorderhauses, der die Szene fotografierte und die Kamera vor der Polizei verbergen wollte, sei vor den Augen seiner Familie geschlagen worden, berichtete eine Tochter des Mannes auf der Pressekonferenz.

Warum ein ganztägiger Polizeieinsatz für einen privaten Eigentümer?
Mittlerweile werden die kritischen Fragen zum Polizeieinsatz lauter. So heißt es in einer Stellungnahme der Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft: „Es ist bemerkenswert, dass die Belange einer x-beliebigen Briefkastenfirma aus den Panama-Papers als Hauseigentümerin derart kompromisslosen Vorrang haben vor den berechtigten Interessen der Friedrichshainer/innen nach bezahlbarem Wohn- und Lebensraum und dass das Fingerschnipsen eines Investors reicht, um einen riesigen Polizeieinsatz mit horrenden Kosten für die Allgemeinheit auszulösen“. Ein  Polizeieinsatz rund um die Uhr, der nicht nur eine Menge Geld kostet, sondern massiv die Grundrechte der HausbewohnerInnen und ihrer NachbarInnen verletzt, dient allein den Verwertungsinteresses des Eigentümers. Erst kürzlich stellten BewohnerInnen eines angrenzen Hauses Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gegen die Polizei, weil die ohne Genehmigung die Dächer betreten hat. Mittlerweile haben auch mehrere MieterInnen der Rigaer Straße 94 juristische Schritte gegen das Vorgehen der Polizei eingelegt. Doch das zentrale Problem ist die Konstruktion von Gefahrengebieten, die all diese Verletzungen von Mieter/innen- und Grundrechten einfach ermöglicht. Durch den Polizeieinsatz wurde gezeigt, dass die Frage: „Wohnst du in einem Haus, das vor zwei Jahrzehnten besetzt war oder in einem Haus, das nie besetzt war“ keine Rolle mehr spielt. So ruft am 1. Juli  um 21 Uhr die Stadtteilinitiative „Keine Rendite mit der Miete/Friedrichshain“ unter dem Motto „Solidarität mit den BewohnerInnen der Rigaer Straße 94 und allen von Vertreibung bedrohten MieterInnen“  zu einer Videokundgebung auf dem Dorfplatz des Friedrichshainer Nordkiezes auf.
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/rigaer-str-94.html

MieterEcho online 29.06.2016

Peter Nowak

Berliner Mieter_innen setzten sich gegen Wiener Immobilienfirma durch

Wien & Berlin gemeinsam sind stark!

Seit Monaten konnte man auf Plakaten und Flugblättern in Berlin die Parole «Friedel bleibt» lesen. Damit war die Friedelstraße 54 im angesagten Berliner Stadtteil Neukölln gemeint.  2014 hatte die Wiener Immobilienfirm Citec das Haus gekauft. Als sie eine «energetische Modernisierung» ankündigte, befürchten viele der sechzig Mietparteien, dass sie sich ihre Wohnung bald nicht mehr leisten könnten. Sie holten sich juristischen Rat und organisierten politischen Widerstand. Besonders rührig waren dabei Aktivist_innen des im Haus  befindlichen «Kiezladen F54». Sie hatten auch die Idee zur Demo mit den längsten Anfahrtswegen.

Am 18. März charterten etwa sechzig Mieter_innen und Unterstützer_innen der Friedelstraße einen Bus von Berlin nach Wien. Sie überbrachten dem Citec-Vorstand ein Kaufangebot. Am nächsten Tag organisierten sie mit örtlicher Unterstützung eine kraftvolle Demonstration: «Wir sind hier. Wir sind laut, weil Ihr uns die Friedel klaut» riefen etwa  200 Mietrebell_innen vor der Citec-Zentrale am Parkring. Wenige Tage später signalisierte die Citec Verhandlungsbereitschaft. Nur der Preis war anfangs noch strittig: «Wir haben in unserem Angebot die Kaufsumme von 1,2 Millionen genannt, die Citec ist mit 1,85 Millionen in die Verhandlungen gegangen», sagte der Pressesprecher des «Kiezladen F54» Matthias Sander. Beide Seiten waren kompromissbereit. Ein Erfolg, der Schule machen könnte. In den Wochen darauf haben sich schon zweimal Mieter_innen von Citec-Häusern in Berlin getroffen…

aus:              Augustin 414 – 05/2016

http://www.augustin.or.at/zeitung/ausgaben/augustin-414-052016.html

Peter Nowak

http://friedelstrasse54.blogsport.eu,

https://friedel54.noblogs.org

Wo bleiben die Grundrechte im Gefahrengebiet?

Im Friedrichshainer Nordkiez wird seit fast einer Woche der Notstand geprobt

Es war schon eine besondere Pressekonferenz, zu der die Bewohner der Rigaer Straße 94 [1] am Montagabend auf dem Dorfplatz des Friedrichshainer Nordkiezes eingeladen haben. So heißt ein Platz,an dem viele vor mehr als zwei Jahrzehnten besetzte Häuser liegen und der als Treffpunkt der alternativen Szene gilt.

Hier treffen unterschiedliche Musikkulturen aufeinander und auch der alltägliche Umgang unter den Nachbarn muss erprobt werden. Junge Leute, die draußen feiern wollen, treffen auf Nachbarn, die ihre Nachtruhe gewahrt haben wollen. Doch solche Probleme sind in den zahlreichen Eventbezirken Berlins viel akuter. Dort kapitulieren die ruhebedürftigen Mieter meistens vor der Kneipenkultur.

Doch im Friedrichshainer Nordkiez ist nicht die Eventkultur das Problem. Die Bewohner der ehemals besetzten Häuser haben längst Mietverträge, aber viele von ihnen halten noch an den politischen Idealen der Anfangsjahre fest, engagieren sich gegen Nazis, unterstützen Geflüchtete und mischen sich auch in die Diskussion um die Gentrifizierung ein und bekommen dabei durchaus Unterstützung von Nachbarn. Jüngstes Beispiel ist das Nobelprojekt Carré Sama-Riga [2], das im Stadtteil viele Kritiker [3] hat und unterschiedliche Bewohner [4] zusammenbrachte.

„Wir leben wie im Gefängnis“

Doch seit knapp einer Wochewird im Friedrichshainer Nordkiez statt über Gentrifizierung wieder über Repression und Staatsgewalt diskutiert. Letzten Mittwoch stürmte die Polizei die Rigaer Straße 94 und verließ sie seitdem nicht mehr. Damit wiederholt sich eine Szenario, das Mitte Januar2016 [5] das Gebiet für mehrere Wochen zu einer Zone minderen Rechts machte.

Damals wurde die massive Polizeiaktion damit begründet, dass Straftaten aufgeklärt werden müssen. Der aktuelle Polizeieinsatz soll laut einer Pressemitteilung der Polizei die Tätigkeit der Bauarbeiter sichern, die im Auftrag des Eigentümers Brandschutzmaßnahmen vornehmen und einige Räume zu Flüchtlingswohnungen ausbauen wollen. Seitdem hat die Polizei das Haus nicht mehr verlassen.

Auf der abendlichen Pressekonferenz berichteten Hausbewohner über das Leben im Gefahrengebiet Rigaer Straße. Polizisten sind im ganzen Haus verteilt. Wenn sie in ihre Wohnungen betreten wollen müssen sie sich ausweisen. Manchmal werden ihre Taschen kontrolliert. Zudem werden sämtliche Mieterrechte ignoriert. Fahrräder, die im Hof standen, wurden abtransportiert. Zeitweilig war der Strom in den Mietwohnungen abgestellt und auch die Keller, die zu den Wohnungen gehören, seien aufgebrochen worden.

Jeder einzelner der Vorfälle ist ein Bruch des Mietrechts und könnte geahndet werden. Doch noch gravierender sind die Einschränkungen der Grundrechte. So wurde Besucher der Hausbewohner mehrmals am Betreten des Gebäudes gehindert. „Wir leben wie im Gefängnis“, beschrieb eine Hausbewohnerin die Situation. Als am Sonntagabend Freunde der Hausbewohner das Besuchsverbot missachteten und über die Absperrung klettern wollten, setzte die Polizei Pfefferspray ein. Es gab mehrere Festnahmen.

Ein Mieter des Vorderhauses, der die Szene fotografierte und die Kamera vor der Polizei verbergen wollte, sei vor den Augen seiner Familie geschlagen worden, berichtete eine Tochter des Mannes auf der Pressekonferenz. Bei der Polizeiaktion sei der Mann verletzt worden und musste ambulant behaltet werden. Die sehr emotional gehaltenen Beiträge der ungewöhnlichen Pressekonferenz taten ihre Wirkung. Die ca. 200 Menschen, die zuhörten, skandierten Parolen gegen die Polizei.

Warum ein Polizeieinsatz rund um die Uhr für einen privaten Eigentümer?

Mittlerweile werden kritische Fragen zum Polizeieinsatz lauter. So heißt es in einer Stellungnahme der Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft [6]: „Es ist bemerkenswert, dass die Belange einer x-beliebigen Briefkastenfirma aus den Panama-Papers als Hauseigentümerin derart kompromisslosen Vorrang haben vor den berechtigten Interessen der Friedrichshainer nach bezahlbarem Wohn- und Lebensraum und dass das Fingerschnipsen eines Investors reicht, um einen riesigen Polizeieinsatz mit horrenden Kosten für die Allgemeinheit einzulösen.“

Diese Frage stellen sich in Friedrichshain jetzt viele. Ein Polizeieinsatz rund um die Uhr zur Absicherung von Baumaßnahmen eines Privatinvestors, der nicht nur eine Menge Geld kostet, sondern auch alltäglich die Grundrechte der Hausbewohner und ihrer Nachbarn verletzt. Erst kürzlich stellten Bewohner eines angrenzen Hauses Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen die Polizei, weil die ohne Genehmigung die Hausdächer betreten [7] hat.

Doch das zentrale Problem ist die Konstruktion [8] von Gefahrengebieten [9], die all diese Verletzungen von Mieter- und Grundrechten, aber auch ein massives Sammeln von Daten [10] möglich machen. So werden Zonen geschaffen, in denen ein nicht erklärter Notstand herrscht.

http://www.heise.de/tp/news/Wo-bleiben-die-Grundrechte-im-Gefahrengebiet-3250018.html

Peter Nowak

Links:

[1]

https://rigaer94.squat.net/

[2]

http://www.cg-gruppe.de/immobilien/projekte/in-vorbereitung/carr%C3%A9-sama-riga/372

[3]

http://www.trend.infopartisan.net/trd0616/t060616.html

[4]

http://mietenstoppfriedrichshain.blogsport.de/

[5]

http://www.heise.de/tp/news/Gefahrengebiet-reloaded-3096784.html

[6]

http://www.bmgev.de/

[7]

http://www.taz.de/!5313302/

[8]

http://www.sozialraum.de/die-konstruktion-gefaehrlicher-orte.php

[9]

http://gefahrengebiet.blogsport.de/

[10]

https://netzpolitik.org/2016/datensammelei-der-berliner-polizei-im-gefahrengebiet-anlasslos-unverhaeltnismaessig-diskriminierend/

Noch gibt es Revolutionsbedarf

VERDRÄNGUNG Nun ist es amtlich: Der Laden M99 in der Manteuffelstraße in Kreuzberg soll geräumt werden. Sein Betreiber, HG, hofft auf breite Unterstützung aus dem Kiez

Am 9. August 2016 wird um 9 Uhr eine Gerichtsvollzieherin die Ladenräume des Kreuzberger Gemischtwarenladens mit Revolutionsbedarf (M99) in der Manteuffelstraße 99 mit Polizeiunterstützung räumen. Das ist der Inhalt eines Schreibens, das dem Ladenbetreiber Hans-Georg Lindenau, auch als HG bekannt, am vergangenen Wochenende zugestellt wurde. Magnus Hengge von der Bizim-Initiative hatte in den letzten Monaten versucht, die Räumung durch einen Dialog mit Behörden und Eigentümern abzuwenden.
„Es gab einige positive Signale, daher ist die Festlegung des Termins doch überraschend“, sagt er. Im März war ein von der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann moderierter runder Tisch gescheitert, weil die Eigentümer den Räumungstitel nicht zurücknehmen wollten. Im Mai verfassten NachbarInnen dann einen Aufruf für den Verbleib des M99 im Kiez. Die Initiative Bizim Kiez, die sich im letzten Jahr gegen die Verdrängung von MieterInnen und Projekten aus dem Kiez gegründet hat, warnte davor, dass mit dem M99 ein weiteres Stück des rebellischen Kreuzberg verschwinden würde. Sie erinnerte auch daran, dass HG, der den Laden seit 1988 betreibt und nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen ist, mit der Räumung auch seine Wohnung verlieren würde. HG denkt auch jetzt nicht ans Aufgeben. „Ich hoffe bis zur letzten Minute, dass die Räumung verhindert wird, und werde den Laden nicht freiwillig räumen“, erklärte er der taz. Unter dem Motto „Besuchen Sie den M99, solange es ihn noch gibt“ wird in mehreren Sprachen dafür mobilisiert, HG durch einen Einkauf, aber auch durch Solidaritätsaktionen zu unterstützen. Der Laden ist auch über die Landesgrenzen
hinaus bekannt und wird in alternativen Reisebüchern über Kreuzberg aufgeführt.


Mobilisierungen im Vorfeld

Im Internet wird unter dem Motto „HG und M99 bleiben“ seit Wochen für den Tag X, den Räumungstermin, mobilisiert. Was dann genau geplant ist, werde man jetzt diskutieren, erklärte Hengge. Auch das Bündnis Zwangsräumung verhindern bereitet sich auf die Räumung
vor. Die Planungen für Aktionen im Vorfeld sind da schon konkreter. Seit Ende Juni veranstaltet HG donnerstags zwischen 18 und 22 Uhr vor dem Laden eine Protestkundgebung, zu der von Vertreibung bedrohte MieterInnen und Projekte eingeladen sind. Bisher war die Resonanz aber gering. Um das Problem der Wohnungslosigkeit auch in eine Gegend zu bringen, in der die Dichte der Immobilienfirmen
besonders hoch ist, wird gemeinsam mit Obdachlosen  eine Schlafdemo am Kurfürstendamm  vorbereitet. Auch für die Zeit nach einer Räumung hat HG bereits Pläne. „Der Verkauf soll dann in einen Container verlegt werden „Dafür brauche ich ein Grundstück mit Dixi-Klo,
Wasser- und Stromanschluss in Kreuzberg“, erhofft sich HG Unterstützung durch alternative Projekte und Bezirkspolitik.

aus Taz vom 28.06.2016

http://www.taz.de/!5313428/

Peter Nowak

Kampflieder gegen Häuserdämmung

MIETEN BewohnerInnen von Gewobag-Häusern in Prenzlauer Berg machen gegen Sanierung mobil

Vor den Häusern Knaackstraße 60–68 in Prenzlauer Berg wurde es am Samstagmittag laut. Rund 20 Menschen bildeten eine Kette und sangen: „Und drum geht es los, unsere Mieter-Polonaise –mit langer Nese, in Richtung Gewobag.“ Und kämpferischer: „Das ist unser Haus, schmeiß doch endlich Gewobag und Konsortenzum Fenster raus!“  Seit die Wohnungsbaugesellschaft den knapp 80 Parteien die energetische Modernisierung ankündigte, sind die BewohnerInnen alarmiert. „Wir haben Versammlungen abgehalten und MieterInnen anderer Gewobag-Häuser getroffen. Nun wollen wir mit dem Protestfrühstück informieren“, erklärte Bewohnerin Elke Coners. Auf einem Infotisch konnte man einen Würfel betrachten: „Das ist der Dämmstoff, mit dem die Gewobag sanieren will“, meint ein Mieter. Neben befürchteten Mieterhöhungen bezweifeln die MieterInnen den ökologischen Nutzen der Dämmung und verweisen auf Brandgefahr. Noch sind sie optimistisch. Der Mieter eines Gewobag-Hauses in Prenzlauer Berg berichtete unter Applaus, wie er sich erfolgreich juristisch gegen die Sanierung wehrte. Das Gericht verlangte von dem Unternehmen eine deutliche Absenkung der Modernisierungszulage.  Nachdem die Linke die Gewobag per BVV-Antrag zur Rücknahme der Modernisierungsankündigung in der Knaackstraße aufgefordert hat, will die SPD am Mittwoch ebenfalls einen ähnlichen Antrag einbringen.

aus Taz vom 27.6.2016
Peter Nowak

Nach der Räumung ist vor dem Protest

Bezirk schließt Weddinger Kinderfarm / Ponyhof soll künftig von anderem Träger geführt werden

200 Unterstützer protestierten am Montagmorgen gegen die Räumung der Weddinger Kinderfarm. Erfolgreich waren sie nicht.

»Widerstand ist immer eine Lösung«, hieß es auf Plakaten, die in den vergangenen Tagen im Wedding dazu aufgerufen hatten, die Räumung der Weddinger Kinderfarm in der Luxemburger Straße zu verhindern. Doch selbst die große öffentliche Präsenz half dem Ponyhof nicht. Am Montag kam der Gerichtsvollzieher.

Zahlreiche Eltern und Kinder hatten auf dem Areal übernachtet. Am Morgen fanden sich 200 Unterstützer dort ein. Darunter waren regelmäßige Besucher der Kinderfarm, aber auch Nachbarn und stadtpolitische Aktivisten sowie Menschen, die in ihrer Kindheit zu den regelmäßigen Besuchern des sozialen Projekts gehört hatten. Dazu gehörte auch die Schriftstellerin Sarah Waterfeld. Die Weddingerin befürchtet, dass sich der Bezirk mit der Räumung der seit 1988 bestehenden Kinderfarm Zugriff auf ein lukratives Grundstück sichern will.

Noch heißt es aus dem Bezirk, dass die Kinderfarm an einen neuen Träger überführt werden soll. Viele der Unterstützer befürchten, dass die Qualität der Projektarbeit ohne den Gründer und Leiter Siegfried Kühbauer sinken wird. Der Sozialpädagoge darf künftig die Räume nicht mehr betreten. Seine Wohnung im hinteren Teil des Geländes darf er nur über einen mit weißen Linien markierten Korridor betreten, die Mitarbeiter des Bezirksamtes am Montagmittag zogen.

Die Räumung war der Höhepunkt eines langjährigen Streits zwischen Bezirksamt und Kühbauer (»nd« berichtete). Bezirksstadträtin Sabine Smentek wirft ihm vor, die Nachweise für die Verwendung öffentlicher Gelder nicht fristgemäß eingereicht zu haben. Die Unterstützer Kühbauers halten die Vorwürfe für einen Vorwand, um einen Mann loszuwerden, der immer wieder den Umgang von Senat und Bezirkspolitik mit der Kinder- und Jugendarbeit heftig kritisiert hat. Kühbauer hat den Arbeitskreis Kinder- und Jugendarbeit im Bezirk der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit aufbaut. Die Gewerkschaft sprach sich in einer Erklärung gegen die Räumung aus.

Vor Ort wird weiter protestiert. Auf dem Zaun der Kinderfarm sind Transparente angebracht, darunter »Kids besetzen für den Kiez«. »Mit der Räumung ist für uns die Sache nicht erledigt«, sagt eine Frau. Weitere Protestaktionen sind in Planung.

Peter Nowak


Schlösser ausgetauscht

RÄUMUNG Der Träger der Kinderfarm Wedding wurde trotz Protesten von Eltern und Kindern mit Polizeihilfe geräumt
Um 10 Uhr stand am Montag die  Gerichtsvollzieherin in Polizeibegleitung vor dem Eingang der Weddinger Kinderfarm in der Luxemburger Straße, um den bisherigen Träger zu räumen. Doch zunächst war kein Durchkommen. Ein Auto versperrte den Zugang. Dahinter hatten sich rund 250 Menschen versammelt und deutlich gemacht, dass sie die Amtspersonen nicht auf das Gelände lassen wollten. Nachdem die Polizei das Tor aufgestoßen hatte und einige der Personen zur Seite schubste, erklärte der langjährige Mitbegründer der Kinderfarm, Siegfried Kühbauer, die BesucherInnen zu seinen Gästen. Sie mussten fast zwei Stunden in Kühbauers Wohnung auf dem Gelände ausharren. In dieser Zeit wurden sämtliche Schlösser an den Gebäuden der Kinderfarm ausgetauscht. Kühbauer ist es untersagt, seinen Arbeitsplatz zu betreten, den er seit 1988 mit aufgebaut hat.

„Kinder haben Rechte“
Auch Stunden später ist das Unverständnis angesichts der Räumung unter PassantInnen groß. Ein Mittdreißiger berichtet, wie er als Kind hier seine Freizeit verbracht hat. Daneben steht eine Mutter mit zwei Kindern. Sie halten ein Schild mit dem Spruch „Kinder haben Rechte“ in die Höhe“. Auf Transparenten, die am Zaum angebracht sind, heißt es: „Kids besetzen für denKiez.“  Tatsächlich hatten rund 40 UnterstützerInnen, darunter Kinder mit ihren Eltern, auf dem Areal ihre Zelte aufgeschlagen und übernachtet. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass die Polizei sich gewaltsam in der Weddinger Kinderfarm Zutritt verschafft“, meint auch Sarah Waterfeld. Die im Wedding geborene Schriftstellerin hat in ihrer Kindheit den Bauernhof mit seinen Ponys, Hühnern, Ziegen und Meerschweinchen regelmäßig besucht. Seit Monaten hat sie sich dafür engagiert, dass Siegfried Kühbauer seine Arbeit fortsetzen kann. „Ich befürchte, dass esdem Bezirk darum geht, Zugriff auf das lukrative Grundstück zu bekommen“, sagt sie. Waterfelds Befürchtung teilen viele der UnterstützerInnen des alten Trägers. Die Erklärung  der zuständigen Bezirksstadträtin von Mitte, Sabine Smentek, kann sie nicht beruhigen. Sie wirft den bisherigen Trägern der Kinderfarm vor, sich geweigert zu haben, öffentliche Mittel abzurechnen. Kühbauer bestätigt, dass in einem Fall Rechnungen zu spät abgerechnet wurden, weil der Kassenwart überlastet war. In der harten Haltung des Bezirks sieht er eine Retourkutsche, weil er als Mitbegründer des Arbeitskreises Kinder- und Jugendarbeit im Berliner Bezirk der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi heftige Kritik an der Politik von Senat und Bezirk geäußert hat. Wie es jetzt mit der Kinderfarm weitergehen soll, ist völlig offen. Die Bezirksstadträtin Smentek bittet die bisherigen NutzerInnen, den neuen Träger „Kinderbunte Bauernhof Wedding e. V.“ zu unterstützen. Die protestierenden Eltern und Kinder äußern offen, dass sie kein Vertrauen in dessen Arbeit haben. Derweil zeichnen MitarbeiterInnen des Bezirksamts mit weißer Farbe den Weg ein, den Kühbauer zu nehmen hat, wenn er in seine Wohnung will, die im hinteren Teil des Areals liegt. Wenn er sich außerhalb der Linie bewegt, könnte ihm eine Anzeige drohen.
Weddinger Kinderfarm
■■ Am 24. Mai 1983 wurde der
Weddinger Kinderfarm e. V.
gegründet, die Kinderfarm liegt
an der Ecke Tegeler und Luxemburger
Straße. Die Einrichtung
wurde im Rahmen der sozialen
Stadtentwicklung vom Quartiersmanagement
unterstützt.
■■ Am Montag wurde der Träger
Weddinger Kinderfarm e.V., der
2013 sein 30-jähriges Bestehen
feierte, geräumt. Der Bezirk hat
einen anderen Träger. Die Tiere
werden weiter versorgt.
aus Taz vom 21.6.2016
Peter Nowak