Sperrzone mitten in Berlin

Noch immer droht die Räumung einer von Geflüchteten besetzten Schule

Seit dem 24. Juni herrscht in einem Teil des Berliner Stadtteils Kreuzbergs Belagerungszustand. Ein großes Polizeiaufgebot hat zahlreiche Straßen rund um die Gerhart-Hauptmann-Schule [1] weiträumig abgesperrt. Das seit Jahren leerstehende Gebäude war im Winter 2013 von Geflüchteten besetzt worden. Nun sollte die Schule geräumt werden. Doch nur ein Teil der Personen, die in den letzten Monaten in dem Gebäude gelebt haben, akzeptierte die angebotenen Ausweichquartiere. Mehr als 50 Bewohner weigerten sich, das Gebäude zu verlassen und besetzten das Dach [2].

Die Absperrungen sollten sie zermürben und zum Aufgeben bewegen. Nach der mehr als einwöchigen Belagerung zeigen sie sich aber weiterhin entschlossen, ihren Kampf für ein Bleiberecht und „gegen die deutsche Flüchtlingspolitik“ fortzusetzen. Manche drohen damit, vom Dach zu springen, wenn die Polizei das Gelände betreten sollte. Unterstützer, die zu den Geflüchteten regelmäßig Kontakte haben, betonen, dass es den Personen mit ihren Warnungen bitterernst ist.

Ultimatum des Polizeipräsidenten an die Politik

Dagegen wird in Medien immer wieder behauptet, dass die Polizei trotz Verstärkung aus dem gesamten Bundesgebiet am Ende ihrer Kräfte sei. Damit soll auch Druck für eine schnelle Räumung gemacht werden.

So gibt es ein von der Gewerkschaft der Polizei unterstütztes Ultimatum [3] des Berliner Polizeipräsidenten an die Berliner Politik. Entweder es wird jetzt schnell geräumt oder die Polizei soll abgezogen werden, heißt es dort. Nun legt die GdP noch nach und fordert [4], dass die Kosten für den langen Polizeieinsatz nicht aus dem Haushalt der Polizei, sondern der Politik beglichen werden soll.

Spiel mit verteilten Rollen

Dass es in dem Konflikt um ein Spiel mit verteilten Rollen zwischen den von den Grünen regierten Bezirk Kreuzberg und dem von der CDU geleiteten Berliner Innensenat geht, ist richtig. Diese Arbeitsteilung war bei der Räumung des Flüchtlingscamps am Oranienplatz [5] vor einigen Wochen deutlich geworden.

Während die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Die Grünen) ihre Solidarität mit den Flüchtlingsproteste im Allgemeinen ausdrückte, machte sie sehr deutlich, dass das Camp in ihrem Stadtteil nicht mehr toleriert wird. Ihre Rolle als Moderatorin konnte sie in dem Konflikt nur spielen, weil der Innensenat und die CDU eine noch schnellere Räumung ohne weitere Verhandlungen forderten.

Damit wuchs der Druck auf die Flüchtlinge, entweder die Räumung des Platzes zu den Bedingungen des Bezirks zu akzeptieren oder „Henkel [6] übernimmt das Kommando“. Mit dieser Strategie gelang es, die Bewohner des Camps auf dem Oranienplatz erfolgreich zu spalten. Die Bilder von auszugswilligen Flüchtlingen, die die Zelte und Hütten der Mitstreiter niederrissen, die den Platz nicht verlassen wollten, gingen durch die Presse.

Bald stellte sich heraus, dass die Zusagen für das Verlassen des Platzes, von den Behörden ignoriert wurden. So sollen mehrere der Flüchtlinge abgeschoben werden, obwohl eigentlich ihre Aufenthaltsstatus noch einmal überprüft werden sollte [7].

„Wir lassen uns nicht ein zweites Mal über den Tisch ziehen lassen, wie auf dem Oranienplatz“, erklärten die Besetzer der Schule immer wieder. Schließlich haben sie am eigenen Leib erfahren, wie repressiv auch die angeblich moderate „Kreuzberger Linie“ sein kann. Seit Monaten forderten die Bewohner der Schule den Einbau von Duschen. Doch der Bezirk stellte sich taub.

Schließlich hoffte man, die Bewohner eher zum Verlassen des Gebäudes zu bewegen, wenn die Lebensbedingungen dort so unerträglich wie möglich sind. Vor einigen Wochen endete ein Streit um die Benutzung der einzigen Dusche in der besetzten Schule für einen der Bewohner tödlich.

Wo bleibt die Zivilgesellschaft?

Die Auseinandersetzung um die Schule wird von vielen Medien häufig so dargestellt, als ginge es um einen Show-down zwischen den Geflüchteten und der Politik. Dann gibt es in dieser Lesart noch einige antirassistische Unterstützer, die die Geflüchteten angeblich radikalisieren. Diese Darstellung war in den letzten beiden Jahren über den neuen Flüchtlingswiderstand immer wieder verbreitet worden, entspricht aber nicht den Tatsachen.

Der politische Kampf der Geflüchteten, der im Sommer 2012 mit einem Marsch für Menschenrechte durch die gesamte Republik begonnen hat und zum Camp am Berliner Oranienplatz und später zur Besetzung der Schule führte, wurde von den Betroffenen selbstbestimmt geführt. Dieser Grundsatz ist ihnen wichtig. Wenn in Medien trotzdem immer wieder die Steuerung der Aktivisten durch Antirassisten aus Deutschland behauptet wird, so machen sie nur deutlich, dass die das politische Anliegen der Geflüchteten und ihre Erklärungen ignorieren.

Mittlerweile hat sich die Zivilgesellschaft in Berlin zu Wort gemeldet und die sofortige Aufhebung der Blockade gefordert. Am vergangenen Samstag beteiligten sich mehr als 5.000 Menschen an einer Demonstration gegen die Absperrungen. Unterstützt werden sie dabei von Anwohnern in Kreuzberg. Am 1. Juli beteiligten sich mehrere hundert Schüler und Studierende an einem Schulstreik [8] und solidarisierten sich mit den Geflüchteten.

Die Forderung nach einem Bleiberecht für die Geflüchteten wird auch in liberalen Medien Berlins jetzt erhoben. So begründet [9] die Berliner Zeitung diese Forderung so:

Berlin hat diesen Flüchtlingen in den vergangenen zwei Jahren die größtmöglichen Schwierigkeiten gemacht. Nach diesem kollektiven Politikversagen müssen endlich Konsequenzen gezogen werden.

Diese Forderung wird auch in einem Öffentlichen Appell [10] an die Politik unterstützt. Mittlerweile gibt es unabhängig davon auch einen bundesweiten Aufruf [11], der für die Rechte der Geflüchteten eintritt. „Wir fordern die Gewährung eines dauerhaften Bleiberechts nach § 23, Abs. 1 Aufenthaltsgesetz für die Refugees“, heißt es dort.

Mit § 23 des Aufenthaltsgesetzes [12], der den Behörden einen großen politischen Beurteilungsspielraum einräumt, gäbe es dafür eine gesetzliche Grundlage, um die Forderungen der Geflüchteten umzusetzen und die Polizei sofort zurückzuziehen.

Räumungsdrohung nicht vom Tisch

Obwohl es in den letzten Tagen Signale gab, die auf eine Entspannung der Situation hindeuteten, hat sich in den letzten Stunden die Situation wieder zugespitzt. Von einem Abzug der Polizei ist nicht die Rede, dafür werden immer wieder Unterstützer, die Blockaden vor dem Sperrbezirk versuchen, von der Polizei angegriffen. Auch die Erklärungen des Berliner Innensenators Frank Henkel tragen wenig zur Entspannung bei. In einem Radiointerview [13]antwortete der CDU-Politiker auf die Frage des Moderators:

Zu einem Zeitpunkt kann und werde ich jetzt nichts sagen, ich empfinde es allerdings als einen Fortschritt, dass wenigstens Herr Panhoff, also aus dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, sich seit mehreren Monaten, dessen was sich da abgespielt hat, entgegenstellt und jetzt ein entsprechendes Räumungsersuchen gestellt hat.

Panhoff ist Mitglied der Grünen. Sofort machte die konservative „Welt“ mit der Schlagzeile [14] auf: „Grüne wollen die besetzte Schule räumen lassen.“ Die CDU und Henkel können sich also beruhigt zurück lehnen. Dass der Innensenator wegen seiner Biographie etwa Sympathien mit den Geflüchteten hat, ist nicht anzunehmen. Wie die Taz berichtete [15], kam er 1981 als Kind einer Flüchtlingsfamilie nach Deutschland. Doch, weil er mit seinen Eltern aus der DDR floh, wurde er mit offenen Armen empfangen.

http://www.heise.de/tp/news/Sperrzone-mitten-in-Berlin-2248231.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://ohlauerinfopoint.wordpress.com/

[2]

https://www.youtube.com/watch?v=x1g3UxoLkLA

[3]

http://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/DE_Ultimatum-von-Kandt

[4]

http://(http://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/DE_Einsatzkosten-nicht-zulasten-Polizeihaushalt

[5]

http://asylstrikeberlin.wordpress.com/

[6]

http://www.cdu-fraktion.berlin.de/index.php%3Fka%3D1&ska%3Dprofil&pid%3D25

[7]

http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/der-senat-muss-seine-zusagen-gegenueber-den-fluechtlingen-einhalten-362

[8]

http://refugeeschulstreik.wordpress.com/

[9]

http://(http://www.berliner-zeitung.de/meinung/leitartikel-zur-ohlauer-strasse-die-fluechtlinge-muessen-ein-bleiberecht-bekommen,10808020,27674618,item,0.html

[10]

http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2014/07/ohlauerappell.pdf

[11]

http://worthalten.wordpress.com/

[12]

http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__23.html

[13]

http://www.radioeins.de/programm/sendungen/der_schoene_morgen/_/muss-die-gerhart-hauptmann-schule-geraeumt-werden-.html

[14]

http://www.welt.de/politik/deutschland/article129678886/Gruene-wollen-besetzte-Schule-raeumen-lassen.html

[15] http://www.taz.de/Ein-Fluechtling-in-Berlin/!141457

Terrorurteil gegen Journalisten in Kairo

Verfassungsschutzbericht: Anstieg der fremdenfeindlichen Gewalt

Salafisten stellen „die größte Bedrohung für die innere Sicherheit im terroristischen Phänomenbereich“ dar

Die Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes ist ein jährliches Ritual in der deutschen Innenpolitik. Gestern wurde vom Bundesinnenminister der VS-Bericht 2013[1] präsentiert. Wie üblich wurde auf das politische Spektrum links und rechts der ominösen politischen Mitte geblickt und vor den dortigen Entwicklungen gewarnt[2].

Das Potential der sogenannten Linksextremisten sei 2013 gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen, linke Gewalttaten aber hätten zugenommen, so Innenminister Thomas de Maizière. Er und VS-Präsident Maaßen konstatierten eine neue Ruppigkeit im Umgang mit der Polizei, aber auch mit Mitarbeitern in Jobcentern und der Ausländerämtern.

Beide Beamten zogen als Beleg für gestiegene Gewaltbereitschaft im linken Spektrum die militanten Auseinandersetzungen bei und nach einer Demonstration zum Erhalt des Kulturzentrums Rote Flora in Hamburg im Dezember letzten Jahres heran (Gummigeschosse und Führerscheinentzug statt Lösung sozialer Probleme[3]). Dabei sind der genaue Ablauf der Ereignisse und der angebliche Überfall auf eine Polizeiwache umstritten (Hamburg: Die einen sagen so, die anderen so[4]). Politische Beobachter monierten schon länger, dass sich in den gestiegenen Zahlen über angeblich gestiegene linke Gewaltbereitschaft auch die Strafanzeigen wegen Beteiligung an Sitzblockaden einfließen.

Dagegen hat die Zahl der explizit militanten linken Demonstrationen eher abgenommen, was auch die Entwicklung rund um die Revolutionäre 1.Mai-Demonstration in Berlin-Kreuzberg[5] zeigt.

Gewalt gegen Migranten

Auch im rechten Milieu hat sich nach dem VS-Bericht die Zahl des harten Kerns reduziert, doch die Gewaltbereitschaft sei gegenüber dem Vorjahr 2013 signifikant angestiegen und habe den höchsten Stand seit 2006 erreicht. So sei allein im vergangenen Jahr die Zahl der Angriffe mit fremdenfeindlichen Motiven noch einmal um 20 Prozent auf 473 Übergriffe gestiegen. Das waren 80 mehr als 2012.

De Maizière sprach bei Vorstellung des Verfassungsschutzberichts von „unablässigen“ Versuchen der rechten Szene, „die Stimmung gegenüber Fremden zu vergiften“. Auch hier verweisen Kritiker auf die Verantwortung der Politik durch die Unterbringung der Menschen in Heimen in Gegenden, die sie sich nicht ausgesucht haben. Die Auflösung der Heime und die Unterbringung der Flüchtlinge in Privatwohnungen ihrer Wahl würden rechte Kampagnen zumindest erschweren, allerdings den Rassismus nicht beseitigen, der sich nicht auf die offene Rechte beschränkt.

Salafistische Gefahr?

Einen großen Stellenwert bei der Vorstellung des VS-Berichts nahm auch die zunehmende Gefahr vor gewaltbereiten Islamisten ein. Vor allem Salafisten, die im syrischen Bürgerkrieg gekämpft haben und jetzt zurückkehren, sind damit gemeint. Mehr als 270 deutsche Islamisten seien zum Dschihad nach Syrien gegangen: „ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen ist“.

Das islamistische Personenpotenzial in Deutschland ist von 42.550 (2012) auf 43.190 gestiegen. Der Anstieg beruht insbesondere auf dem stetigen Zuwachs bei den Anhängern salafistischer Bestrebungen in Deutschland.

Verfassungsschutzbericht 2014

„Mit Blick auf den islamistischen Terrorismus kann ich feststellen, dass der derzeit für uns die größte Bedrohung für die innere Sicherheit darstellt, jedenfalls im terroristischen Phänomenbereich“, formulierte Hans Georg Maaßen diese Sorge im Bürokratendeutsch seiner Behörde.

Mit der salafistischen Gefahr wird denn auch die in Kritik stehende enge Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten, also etwa den amerikanischen, legitimiert: „Der Anschlag von Brüssel hat uns vor Augen geführt, dass aus der Möglichkeit eines Anschlags durch solche Syrien-Rückkehrer eine tödliche Realität geworden ist. Eine enge Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden untereinander und mit internationalen Partnern ist zur Eindämmung dieser Gefahr unerlässlich“, erklärte de Maizière.

Natürlich wird der VS-Bericht seit jeher als Steinbruch betrachtet, aus dem sich die jeweiligen politischen Akteure, die Teile herausbrechen, die für ihre Argumentation taugen. So hat der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei[6] Oliver Machow in einem Interview[7] sofort den sogenannten Linksextremismus als besonders besorgniserregend bezeichnet. Die GdP hat sich auch in der Vergangenheit immer darum bemüht, die radikale Linke als besonders gefährlich darzustellen.

Ob das auch daran liegt, dass diese Kreise besonders polizeikritisch sind und mit Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Vergangenheit bereits öfter Menschenrechtsverletzungen bei der Polizei aufgedeckt haben. Auch das Versagen von Polizei und Ermittlungsbehörden gegenüber rassistischer Gewalt wurde immer wieder von zivilgesellschaftlichen Organisationen und engagierten Einzelpersonen thematisiert[8]. Erst kürzlich hat die Politikwissenschaftlerin Britta Schellenberg gemeinsam mit der sächsischen Heinrich Böll Stiftung eine Studie[9] herausgegeben, die dieses Versagen bei einem rechten Überfall auf eine Gruppe von Indern im sächsischen Mügeln nachweist.

Gesetzesverschärfungen angedacht?

Auch die Angst vor salafistischen Anschlägen in Deutschland, die so neu nicht ist, hat einen anderen Polizeigewerkschafter schon einmal dazu animiert, Lösungsvorschläge in Umlauf zu bringen, die mit dem Grundgesetz kaum vereinbar sein dürften. So regte GDP-Funktionär Rainer Wendt an, salifistische Syrien-Rückkehrer die Wiedereinreise nach Deutschland zu verweigern[10].

Davon abgesehen, dass die Islamisten auch außerhalb der deutschen Grenzen eine Gefahr darstellen, wenn sie Anschläge planen, sind viele der Betroffenen deutsche Staatsbürger, die gar nicht ausgebürgert werden können. Es steht daher zu befürchten, dass die Angst vor dem Salafismus dazu dient, über Verschärfungen bei den Ausländergesetzen nachzudenken. Der sozialdemokratische Innenminister von Baden Württemberg Reinhard Gall hat denn auch schon wieder die Vorratsdatenspeicherung als Mittel gegen den Salafismus[11] in Gespräch gebracht. Auch die Formulierungen im Bericht machen deutlich, dass weiterhin Druck von den Sicherheitsbehörden auf eine noch größere Kontrolle und Überwachung ausgeübt wird:

Mit den neuen technischen Mitteln verändern sich auch Agitations- und Radikalisierungsvarianten: Das Internet wird zum Katalysator neuer Strukturen im Extremismus, zur Keimzelle neuer Aktionsformen in der Realwelt. Das Medium Internet wird bei der Verbreitung extremistischer Propaganda, als Kommunikationsplattform und nicht zuletzt bei der Koordination von Aktivitäten weiter an Bedeutung gewinnen: eine Entwicklung, der sich die Sicherheitsbehörden mit geeigneten Mitteln entgegenstellen müssen.

Verfassungschutzbericht 2014

Mehrere Zeitungen haben sich bei der Vorstellung des diesjährigen VS-Berichtes daran erinnert, dass der Dienst durch ihr Versagen im Kampf gegen NSU massiv an Glaubwürdigkeit verloren hat. Wenn es nun zu diesem Komplex im aktuellen VS-Bericht heißt: „Aus den Reaktionen des rechtsextremistischen Spektrums zum NSU-Komplex können jedoch keine unmittelbaren Anhaltspunkte für ein mögliches rechtsterroristisches Handeln abgeleitet werden“, könnte man sagen, die Dienste kehren wieder zu ihrer alten Praxis zurück. Auch vor der Selbstenttarnung der NSU mochten sie keine rechtsterroristischen Gefahren in Deutschland erkennen.

In Berlin sorgte vor einigen Wochen ein öffentliches Wandbild[12], auf dem eine Kooperation zwischen Staat und NSU behauptet wird, für einen Polizeieinsatz. Ein antirassistisches Bündnis[13] spricht von Zensur. Für die Kritiker des VS ist hingegen die NSU-Affäre nicht vergessen. Sie verweisen darauf, dass sämtliche im VS-Bericht aufgeführten Informationen und Zahlen genau so gut von zivilgesellschaftlichen Gruppen geliefert werden könnten.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/artikel/42/42043/1.html

Anhang

Links

[1]

http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2014/06/vsb2013.html

[2]

http://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/verfassungsschutzberichte/vsbericht-2013-kurzzusammenfassung

[3]

http://www.heise.de/tp/artikel/40/40647/

[4]

http://www.heise.de/tp/artikel/40/40732/

[5]

http://www.rbb-online.de/politik/thema/erster-mai-2014/beitraege/walpurgisnacht-1-mai-berlin-2014.html

[6]

http://www.gdp.de

[7]

http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_Malchow-Linksextremismus-ebenso-entschlossen-bekaempfen-wie-Extremismus-von-rechts

[8]

https://www.kop-berlin.de/

[9]

http://www.boell.de/sites/default/files/muegeln_download.pdf

[10]

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/polizeigewerkschaft-ausweisung-von-syrien-rueckkehrern-gefordert/10067338.html

[11]

http://www.deutschlandfunk.de/terrorgefahr-in-deutschland-ernsthafte-bedrohung-durch.694.de.html?dram:article_id=289512

[12]

http://www.dropbox.com/sh/0d3n3vfgbhergmk/AAAVxa_5rzZInZYtB0wRYku9a

[13]

http://buendnisgegenrassismus.org/)

Wie aus islamistischen „Freiheitskämpfern“ Terroristen werden

Lange U-Haft wegen vager Vorwürfe

Akademikerball mit Folgen: Jenaer Antifa sitzt in Wien

Am 6. Juni beginnt vor dem Wiener Landgericht der Prozess gegen Josef S. Das Mitglied der sozialistischen Jugendorganisation »Die Falken« aus Jena ist nach Paragraf 274 des österreichischen Strafgesetzbuches angeklagt, der Vorwurf lautet »Rädelsführerschaft«. Eine Gruppe Jenaer Antifas ist nach Wien gefahren, um ihn zu unterstützen. S. wurde am Rande einer Demonstration am 24. Januar festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, sich in einer Menschenmenge befunden zu haben, von der Gewalt ausgegangen ist. Am Rande der Proteste gegen den Akademikerball waren in der Wiener Innenstadt einige Fensterscheiben zu Bruch gegangen. Für eine Beteiligung von S. gibt es keine Beweise.

Auch in Jena haben antifaschistische Gruppen und die Ortsgruppe der Roten Hilfe für den 6. Juni eine Solidaritätskundgebung für S. vorbereitet. An vielen Häuserwänden kann man die Parole »Solidarität mit Josef S. – betroffen ist einer, gemeint sind wir alle« lesen. Für Michael M. ist diese Parole mehr als ein Spruch. »Ich bin am 24. Januar gemeinsam mit Josef nach Wien gefahren, um mich an den Protesten gegen den Ball zu beteiligen«, sagte der junge Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Insgesamt 8000 Menschen hatten an diesen Tag in der österreichischen Hauptstadt gegen die bis 2012 von schlagenden Burschenschaften ausgerichtete Veranstaltung demonstriert.

In den letzten Jahren ist der heute von der rechtspopulistischen FPÖ organisierte Akademikerball zum Stelldichein der europäischen Rechten geworden. Aus Deutschland nahmen Mitglieder der NPD und anderer extrem rechter Gruppierungen daran teil. Doch auch der Widerstand ist in den letzten Jahren europaweit gewachsen. Schon im Vorfeld schürten rechte Politiker und Medien in Wien Angst vor »gewalttätigen Anarchisten aus Deutschland«. Die Jenaer Unterstützergruppen befürchten, dass an Josef S. ein Exempel statuiert werden soll.

Proteste gegen die U-Haft gibt es auch in Österreich. »Wir halten es für unverantwortlich, einen jungen Menschen, der zudem nicht vorbestraft ist, aufgrund eines bislang vagen Verdachtes so lange der Untersuchungshaft auszusetzen«, schreibt die den österreichischen Sozialdemokraten nahestehende Sozialistische Jugend. Auch das Österreichische Komitee für Grundrechte bezeichnete S. in einen Offenen Brief an den österreichischen Bundesjustizminister Wolfgang Brandstetter (parteilos) als »Bauernopfer« und fordert seine Freilassung. In der Kritik steht auch der Paragraf 274, nach dem jemand wegen Landfriedensbruch angeklagt werden kann, wenn er sich in einer Gruppe aufhält, von der auch Gewalt ausgeht, ohne dass ihm eine individuelle Tatbeteiligung nachgewiesen wird.

Freunde von Josef S. hoffen nun, dass der Jenaer bei Prozessbeginn freigelassen wird. Für die Solidaritätsgruppen wäre dann die Arbeit noch nicht beendet. Die Justiz ermittelt gegen weitere Teilnehmer der Proteste gegen den Wiener Akademikerball aus Deutschland.

Peter Nowak

Wenn das Gefängnis keine gewerkschaftsfreie Zone mehr ist

Razzia bei der IG Knast

JUSTIZ In Tegel werden Zellen zweier Insassen durchsucht, die eine Gewerkschaft gründen

Die Leitung der Justizvollzugsanstalt Tegel hat die Zellen zweier Häftlinge durchsuchen lassen, die zuvor den Aufruf zur Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft verbreitet hatten. Dies bestätigte Justizsprecherin Lisa Jani am Donnerstag der taz. Auf dem mit einer Unterschriftenliste verbundenen beschlagnahmten Aufruf sei die Einführung des Mindestlohns für Gefangene sowie deren Aufnahme in die Rentenversicherung gefordert worden.

„Gefangene haben bisher keine Lobby. Die schaffen wir uns mit der Gefangenen-Gewerkschaft nun selber“, erklärt ihr Sprecher Oliver Rast in der Presseerklärung zur Gründung. Rast, dessen Zelle durchsucht wurde, war wegen Mitgliedschaft in der linksautonomen militanten gruppe (mg) zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Gefangener hatte er die Gewerkschaftsgründung bereits seit mehreren Monaten vorbereitet.

Grundrechte im Knast

Der Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Rast juristisch vertritt, kritisierte die Durchsuchung und betonte, dass die gewerkschaftlich engagierten Häftlinge lediglich ihr Grundrecht wahrnehmen: Schließlich sei das in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit auch im Gefängnis nicht aufgehoben.

Justizsprecherin Jani erklärte hingegen, dass jedwede politische Aktivitäten, wozu auch das Sammeln von Unterschriften gehöre, zuvor mit der Anstaltsleitung abzusprechen seien, „um der Gefahr vorzubeugen, dass es zu einer Aufwiegelung“ komme. Das Vorgehen gegen die Gefangenen begründete Jani mit dem Verstoß gegen diese Regel. Es sei nicht darum gegangen, die Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft zu verhindern.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F05%2F30%2Fa0128&cHash=28f7f56f23fcc4491657adb6e3b5706c

Peter Nowak

PETER NOWAK, PLUTONIA PLARRE

Tegeler Gefangene gründen Gewerkschaft

Häftlinge der Justizvollzugsanstalt fordern einen Mindestlohn für Inhaftierte und eine Rentenversicherung

»Gefangene haben bisher keine Lobby. Die schaffen wir uns mit der Gefangenengewerkschaft nun selber«, erklärte Oliver Rast in der Presseerklärung zur Gründung der Gefangenengewerkschaft in der JVA Tegel. Rast war wegen Mitgliedschaft in der linksautonomen militanten gruppe (mg) zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gemeinsam mit einer Gruppe Gefangener hat er die Gewerkschaftsgründung seit Monaten vorbereitet. Mit der Struktur eines nichtrechtsfähigen Vereins soll der Bestand der Gewerkschaft längerfristig gesichert werden, betont Rast. In der Vergangenheit waren kurzfristige Gewerkschaftsgründungen meist schnell beendet, wenn die Gründer das Gefängnis verließen. Aus diesen Erfahrungen haben die jüngsten Gewerkschaftsgründer gelernt. Den Versuch, so viele Gefangene wie möglich mit einzubeziehen, sieht Rast als erfolgreich an.

Die Gründungserklärung der Knastgewerkschaft sei von zahlreichen Gefängnisinsassen in Tegel unterzeichnet worden. Zu der Unterstützung dürfte beigetragen haben, dass sich die neue Gewerkschaft auf zwei zentrale Forderungen konzentriert: einen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde und eine Rentenversicherung für Gefängnisinsassen. Diese Forderungen werden auch von vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen außerhalb der Gefängnismauern unterstützt. Damit soll verhindert werden, dass Häftlinge nach einem längeren Gefängnisaufenthalt mittellos und ohne soziale Absicherung entlassen werden.

Doch wie bei Gewerkschaftsgründungen außerhalb der Gefängnismauern stößt auch die Interessenvertretung in der JVA nicht überall auf Sympathie. Nach der Veröffentlichung der Gründungserklärung wurden in den Zellen von Rast und einem weiteren Gewerkschaftsaktivisten bei einer Zellenrazzia zahlreiche Unterlagen zur Gewerkschaftsgründung beschlagnahmt. Der Leiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit der JVA Tegel, Lars Hoffmann, wollte auf Nachfrage gegenüber »nd« zu der Gewerkschaftsgründung und der Durchsuchung keine Stellungnahme abgeben.

Der Berliner Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Rast juristisch vertritt, betont, dass die gewerkschaftlich engagierten Häftlinge nur ihr Grundrecht wahrnehmen. Schließlich gelte das in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit auch im Gefängnis. Auch der Gefangenenbeauftragte des zivilgesellschaftlichen Komitees für Grundrechte und Demokratie, Christian Herrgesell, sieht in der Gewerkschaftsgründung die Wahrnehmung eines Grundrechts. Allerdings zeige die Erfahrung immer wieder, dass die Anstaltsleitungen häufig mit der Wahrung von Sicherheit und Ordnung in der JVA argumentieren, um Grundrechte in Bezug auf die politische Willensbildung im Gefängnis einzuschränken. Daher sei es immer wichtig, dass solche Initiativen hinter Knastmauern von außen unterstützt werden.

In der Gründungserklärung der Knastgewerkschaft werden ausdrücklich verschiedene gewerkschaftliche Strukturen angesprochen. »Wir erhoffen uns von DGB-Einzelgewerkschaften und den verschiedenen basisgewerkschaftlichen Initiativen eine konkrete Unterstützung«, heißt es dort. Kritisiert wird in der Erklärung, dass bei der aktuellen Debatte über den Mindestlohn Inhaftierte vergessen werden, »obwohl Zehntausende von ihnen in den Haftanstalten u.a. für externe Konzerne Produkte fertigen und für staatliche Stellen arbeiten.« Die Unterstützung der Knastgewerkschaft könnte so auch verhindern, dass Gefängnisse als gewerkschaftsfreie Zonen zum Lohndumping beitragen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/934432.tegeler-gefangene-gruenden-gewerkschaft.html

Peter Nowak

Die Rote Hilfe in der BRD

In den letzten Wochen haben Häftlinge in Bremen und Thüringen mit Hungerstreiks gegen die aus ihrer Sicht unzumutbaren Haftbedingungen protestiert. Auch die linke Öffentlichkeit nahm wenig Notiz davon. Schließlich handelte es sich nicht um politische Gefangene, die in der Regel Unterstützergruppen haben. Dabei gibt es auch bei sognannten sozialen Gefangenen eine Tradition von Kämpfen um ihre Rechte.Angespornt durch den politischen Aufbruch infolge der 68er Bewegung, als die Zahl der Gefangenen aus politischen Gründen anwuchs, politisierten sich auch soziale Gefangene. Sie wollten nicht einsehen, dass die politischen Gruppen Solidaritätsaktionen vor den Knästen organisierten und dort nur die politischen Gefangenen grüßten. Für die sozialen Gefangenen, die ebenso sehnsüchtig an den Gitterstäben standen und die Nachrichten von draußen anhörten, war das eine Provokation. Sie gründeten in vielen Knästen Gefangenenräte. Der Mannheimer Knastrat wurde im Januar 1974 sogar bundesweit bekannt, als er aufdeckte, wie der 25jährige Häftling Hans Peter Vast in der Nacht zum 27.Dezember 1973 in einer Zelle von Wärtern totgeschlagen wurde. Doch seine Bekanntheit konnte nicht verhindern, dass auch der Gefangenenrat kriminalisiert, zerschlagen und dann vergessen wurde.

Der Publizist Friedrich Burschel hat die Geschichte rekonstruiert und unter dem Titel Das Prinzip Solidarität im Laika-Verlag veröffentlicht. In zwei Bänden haben 20 Autoren eine andere Geschichte der linken Bewegung aus den Jahren 1968–1980 geschrieben, die flüssig zu lesen und informativ ist.

Die Autoren haben die unterschiedlichen Facetten der politischen Fundamentalopposition und ihrer Solidaritätsarbeit untersucht, ohne diese zu denunzieren. Die verschiedenen maoistischen Gruppen, die in den 70er Jahren nebeneinander existierten und gelegentlich gegeneinander agierten, werden politisch kritisiert. Ihre politische Arbeit wird aber aus ihrer Zeit heraus erklärt. Ebenso gehen verschiedene Autoren mit der Solidaritätsarbeit der Gefangenen aus der Rote Armee Fraktion (RAF) und anderen Guerillagruppen in den 70er Jahren um. Deren Taktik in der Gefangenenarbeit war unterschiedlich, was sich auch auf die Solidaritätsarbeit auswirkte.

Michael März zeigt am Beispiel des Internationalen Komitees zur Verteidigung politischer Gefangener in Westeuropa auf, wie alle Bemühungen um humane Haftbedingungen staatlicherseits unter Terrorismusverdacht gestellt wurde. Eine wahre Fundgruppe sind die Aufsätze über die Solidaritätsarbeit außerhalb der Großstädte. So erinnert die AK Heimatgeschichte an die Unterstützungsarbeit mit den Ramstein 2 in Zweibrücken. Die  Veranstaltungen und Solidaritätsdemonstrationen mit zwei Mitgliedern der Black Panther Party, die für ihre Ziele unter US-Soldaten in Ramstein werben wollten und kriminalisiert wurden, sorgte in der Provinz 1971/72 monatelang für Aufruhr. Kaum bekannt ist, dass 1976 ein Verfahren wegen der Broschüre Der Tod der Ulrike Meinhof jahrelang ausgerechnet in der erzkatholischen CDU-Hochburg Fulda in Osthessen geführt worden ist.

Der Beitrag von Barbara Sichtermann kritisierte den Trend in der linken Solidaritätsbewegung der 70er Jahre, Richter, Staatsanwälte und Justizpersonal in ihren Publikationen als Schweine oder andere Tiere zu karikieren. Sichterman erinnert daran, dass die Springerpresse die Protestierenden in ihren Presseorganen entmenschlicht hatte, und stellt die Frage, was die Oppositionsbewegung dazu brachte, dieses Mittel nun ebenfalls gegen die Gegner anzuwenden. Das Buch macht die linke Theorie und Praxis, die kriminalisiert wurde lebendig. Die Autoren lassen sich dabei weder von ideologischen und geografischen Grenzen einengen, was es zu einer besonderen Fundgrube macht. Es endet mit einem wütenden Gedicht des Politbarden Walter Mossmann, dessen Zeilen auch heute noch aktuell sind: «Sehr viel schlimmer als das Fressen, / im Gefängnis ist die Wut, / dass die draußen dich vergessen, / wenn sich drinnen nichts mehr tut.»

Das Prinzip Solidarität. Zur Geschichte der Roten Hilfe in der BRD (Hrsg. Bambule). Hamburg: Laika, 2013. 2 Bd., je Band 21 Eur

Die Rote Hilfe in der BRD

von Peter Nowak

Hungern für einen schöneren Knast

In Bremen protestieren Gefangene für bessere Haftbedingungen.

Seit mehr als zwei Wochen befinden sich Gefangene der JVA Oslebshausen in Bremen in einem Hungerstreik. Die Häftlinge protestieren gegen die schlechte Qualität des Essens, monieren mangelnde Bildungsmöglichkeiten innerhalb der JVA und klagen über das Fehlen separater Besucherräume und einer Schuldnerberatung.

Den Gefangenen geht es darum, unmittelbare Verbesserungen für ihren Gefängnisalltag durchzusetzen. Weitergehende politische Forderungen erheben sie nicht. Doch in der Öffentlichkeit wird ihr Protest ignoriert oder abgelehnt. So erklärte der Sprecher des Bremer Justizsenators, Thomas Ehmke: »Die Haftbestimmungen werden vom Gesetzgeber geregelt und sind keine Verhandlungssache zwischen Inhaftierten und Anstaltsleitung.« In der Taz wird Carsten Bauer, der Direktor der JVA Oslebshausen, mit der Äußerung zitiert: »Ich nehme das nicht ernst.« Seiner Ansicht nach geht es den Inhaftierten lediglich »um eine kurzfristige Aufmerksamkeit«.

Über die genaue Zahl der Hungerstreikenden gibt es unterschiedliche Angaben. Zu Beginn sollen sich elf Häftlinge beteiligt haben. Nach Angaben Bauers haben die meisten Häftlinge den Hungerstreik wieder abgebrochen. Auch vom überwiegenden Teil der linken Szene wird der Protest der Bremer Häftlinge ignoriert. Zu einer Solidaritätskundgebung vor der JVA Oslebshausen fanden sich am 28. März gerade mal sechs Menschen ein. Auch Kontakte mit den Gefangenen gibt es kaum. Das führt dazu, dass die Erklärungen der JVA-Leitung nicht überprüft werden können. Dabei sind Hungerstreiks in deutschen Gefängnissen gar nicht so selten. Erst Mitte März hatten sieben Insassen der Thüringer JVA Hohenleuben im Landkreis Greiz zu dieser Protestform gegriffen. Auch sie forderten bessere Haftbedingungen. Der Hungerstreik wurde nach wenigen Tagen abgebrochen, ohne eine größere Öffentlichkeit erreicht zu haben.

Die protestierenden Gefangenen in Bremen und Thüringen, die für bessere Haftbedingungen kämpfen, stehen in der Tradition eines Kampfes in Gefängnissen, der auch in den siebziger und achtziger Jahren nicht nur von politischen Gefangenen getragen wurde. Die kürzlich im Laika-Verlag vom Kollektiv »Bambule« unter dem Titel » Das Prinzip Solidarität« herausgegebene Historiographie der linken Solidaritätsbewegung richtet den Blick auch auf wenig bekannte Facetten des Knastkampfs. Der gesellschaftliche Aufbruch der späten sechziger und frühen siebziger Jahre machte auch vor den Gefangenen nicht halt, wie Friedrich Burschel im Buch am Beispiel des Frankfurter Gefangenenrats beschreibt, in dem sich auch Häftlinge ohne politischen Hintergrund organisierten. Das Verhältnis zu den sich politisch verstehenden Gefangenen war nicht immer ungetrübt. Die »sozialen Gefangenen« warfen vielen linken Solidaritätsgruppen vor, wegen der Konzentration auf die politischen Gefangenen ihre Si­tuation zu ignorieren. Der Gefangenenrat sorgte bundesweit für Schlagzeilen, als er aufdeckte, wie Gefängniswärter am 27. Dezember 1973 den 25jährigen Untersuchungshäftling Hans Peter Vast in der JVA Mannheim so schwer misshandelten, dass er in seiner Zelle starb. Die kurzzeitige Popularität konnte nicht verhindern, dass der Gefangenenrat kriminalisiert und schließlich zerschlagen wurde. Es ist erfreulich, dass nach fast 40 Jahren an Versuche einer autonomen Gefangenenorganisation erinnert wird. Vor allem, weil sie immer noch aktuell sind, wie die Häftlingsproteste in Bremen und Thüringen zeigen.

Der in Berlin wegen angeblicher Mitgliedschaft in der »Militanten Gruppe« zu einer Haftstrafe ­verurteilte Oliver R. bemüht sich um eine gewerkschaftliche Organisierung der Gefangenen. Angesichts der Ausweitung der Lohnarbeit auch in deutschen Gefängnissen könnte dies durchaus aussichtsreich sein. Doch Oliver R. warnt auch vor Illusionen, wenn er beschreibt, dass der Knast kein bevorzugtes Terrain für Selbstorganisation und Emanzipation ist. »Der Realismus nötigt es einem aber regelrecht auf, tiefzustapeln und keine allzu großen Erwartungen zu hegen«, beendet er seine jüngsten Betrachtungen aus dem Knast­alltag.

http://jungle-world.com/artikel/2014/15/49662.html

von Peter Nowak

Wichtiger Film zur rechten Zeit

»MUMIA: Long Distance Revolutionary«
Über Mumia Abu Jamal ist auch im Sprachrohr schon öfter berichtet worden. Eine weltweite Solidaritätsbewegung verhinderte, dass der schwarze US-Radiojournalist auf dem elektrischen Stuhl landete. Er war von einer weißen Jury wegen eines Polizistenmordes zum Tode verurteilt worden. Er hat die Tat immer bestritten, und es gibt zahlreiche Beweise, die die Version der Anklage erschüttern. Trotzdem soll Mumia bis zu seinem Lebensende im Gefängnis bleiben, denn das Todesurteil wurde in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Er kämpft mit seinen Anwälten und Unterstützern für eine Neuauflage des Verfahrens und seine Freilassung. Sein Fall darf auch
nach Aufhebung des Todesurteils nicht in Vergessenheit geraten. Daher
kommt ein Dokumentarfilm zur rechten Zeit, der deutlich macht, warum
Mumia seit fast drei Jahrzehnten im Gefängnis sitzt. Der ungeklärte Kriminalfall wird nur am Rande erwähnt. Vielmehr interviewt Filmemacher
Stephen Vittoria Freunde und Kollegen, die über Mumias früh einsetzende

Politisierung berichten. Inspiriert vom Kampf der Black Panther und anderer linker Bewegungen, wurde er bereits mit 14 Jahren zum Aktivisten. Er protestierte mit Gleichgesinnten gegen rassistische Politiker und wurde von weißen Polizisten verprügelt. Hier liegen die Anfänge  des Films »Long Distance Revolutionary «. Darin wird deutlich, wie Mumia bereits als Jugendlicher Journalismus und politisches Engagement verband. Seine ersten journalistischen Erfahrungen machte er bei einer Black Panther-Zeitung, später arbeitete  er für ein Communitiy-Radio. In der schwarzen Community wurde  er bewundert, weil er die wirtschaftliche Ausbeutung und Polizeibrutalität, denen schwarze Menschen in den USA ausgesetzt sind, öffentlich machte. Gehasst wurde er von den Politikern und der Polizei. Die versuchte ihn auszuschalten, weil er die Armen, die Obdachlosen, die Hungernden zu Wort kommen ließ. Damals bekam er den Beinamen »Stimme
der Unterdrückten«. Der Film vermittelt einen Einblick in Mumias Biographie und die sozialen Kämpfe, die ihn prägten. Zudem trägt er dazu bei, dass Mumia und sein Kampf nicht vergessen werden. Es bedarf weiterhin einer weltweiten Solidaritätsbewegung, um seine Freiheit zu erkämpfen. In den USA sorgte der Film für ein großes Presseecho. In Deutschland, wo er am 4. Oktober 2013 im Berliner Kino Babylon Premiere hatte, ist die Resonanz noch verhalten.

Stephen Vittoria, »MUMIA – Long Distance
Revolutionary«, 120 Minuten. Der Film kann
unter https://vimeo.com/monoduo/freemumia
kostenpflichtig heruntergeladen werden.
Ab Frühjahr kann er als DVD beim
Jump Up Versand http://www.jump-up.de/
bestellt werden.

aus: Sprachrohr 1/2014

http://medien-kunst-industrie-bb.verdi.de/service/sprachrohr

Peter Nowak

„Bitte unterlassen Sie das Anlegen von Vermummung“

Demonstration gegen Repression

800 Teilnehmer hatte die lange vorbereitete Aktion gegen Gefahrengebiete und staatliche Überwachung

»Das ist ja hier wie am 1. Mai in Kreuzberg«, meinte eine Frau, als sie am Samstagnachmittag aus dem S-Bahnhof Bellevue stieg. Überall standen Polizeiwannen und Absperrgitter, auch Wasserwerfer parkten am Rand. Der Grund für das große Aufgebot in Moabit war eine Demonstration autonomer Gruppen, die bereits seit Tagen in Berlin für Aufregung sorgte. Unter dem Motto »Gefahrengebiete überwinden« plante ein linkes Bündnis diese Demonstration mehrere Monate. Die Route sollte an Gebäuden von Institutionen vorbeiziehen, die nach Ansicht der Veranstalter für unterschiedliche Formen der Repression verantwortlich sind. Dazu sollte das Bundesinnenministerium ebenso gehören, wie Polizeidienststellen und die Justizvollzugsanstalt. Die Polizei untersagte einen Teil der Route.

Die Demonstration war eingebettet in einen Aktionstag gegen Repression für den bundesweit nach Berlin mobilisiert wurde. Doch schon bei der Auftaktkundgebung in Moabit zeigte sich, dass die bundesweite Unterstützung eher gering war. Die etwa 800 Menschen (laut Polizei 1300), die sich dort eingefunden hatten, kamen überwiegend aus Berlin und Umgebung sowie aus Magdeburg. Auf der Kundgebung wurde eine Grußadresse von Andrea Stauffacher verlesen. Die Aktivistin des »Revolutionären Aufbaus« aus der Schweiz verbüßt eine 17-monatige Haftstrafe unter anderem wegen Sachbeschädigung bei Demonstrationen. In einem Redebeitrag berichteten Flüchtlinge aus dem Camp am Oranienplatz, wie sie tagtäglich mit den verschiedenen Formen der Repression konfrontiert sind. Einige Teilnehmer kritisierten, dass nicht mehr linke Gruppen im Stadtteil Moabit in die Vorbereitung einbezogen wurden. Schließlich gebe es dort aktive Mieter, die sich gegen Verdrängung wehren. Der Demonstrationszug, der gegen 17 Uhr begann, war indes kürzer als geplant. Bereits gegen 18 Uhr wurde er von der Anmelderin aufgelöst. Zuvor hatte es mehrere Festnahmen unter anderem wegen Vermummung gegeben.

Um 22 Uhr trafen sich rund 200 Anhänger (laut Polizei etwa 400) der autonomen Szene in Kreuzberg. Kurzfristig war über Internet zu einer Spontandemonstration unter dem Motto »Unerlaubt durchs Gefahrengebiet« mobilisiert worden. Doch ein großes Polizeiaufgebot hatte den Moritzplatz und die umliegenden Straßen abgesperrt.

Nach einer ersten Bilanz der Berliner Polizei seien 17 Menschen festgenommen worden, hieß es am Sonntag. 60 weiteren hätten die Beamten Platzverweise erteilt beziehungsweise deren Personalien aufgenommen. Es gab 39 Strafanzeigen, etwa wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruchs, Widerstandes sowie Körperverletzung. Die Polizei prüfte am Sonntag, ob der Brand von mehreren Lastern auf dem Gelände einer Umzugswagenvermietung in der Kreuzberger Prinzenstraße im Zusammenhang mit den Protesten stehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/927891.demonstration-gegen-repression.html

Peter Nowak

Vor neuen Protesten in der Türkei?

[1]

http://www.taz.de/!133339

[2]

http://www.gulenmovement.com/

[3]

http://www.akparti.org.tr/english

[4]

http://www.chp.org.tr/

[5]

http://www.sueddeutsche.de/politik/neue-partei-der-tuerkischen-protestbewegung-waehlt-gezi-park-1.1803861

[6]

http://www.labournet.de/internationales/tuerkei/arbeitskaempfe-tuerkei/kazova-textil-fur-ein-leben-ohne-chefs/

Solidemo für Berliner Antifaschisten

»Freiheit für Josef« lautet das Motto einer Demonstration, die heute um 16:30 Uhr vom Potsdamer Platz in Berlin zur Österreichischen Botschaft ziehen soll. Gefordert wird die Freilassung eines Berliner Antifaschisten, der am 24. Januar in Wien bei Protesten gegen den Wiener Akademikerball, eines Treffens der europäischen Rechten, festgenommen wurde. Die Justiz wirft ihm Rädelsführerschaft der aus Deutschland angereisten Antifaschisten vor. Mitglieder von Solidaritätsgruppen, die sich in Wien, Jena und Berlin gegründet haben, befürchten, dass die Justiz ein Exempel statuieren will.

soli2401.blogsport

http://www.neues-deutschland.de/artikel/923811.solidemo-fuer-berliner-antifaschisten.html

Peter Nowak